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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Becker, Benno: Die Ausstellung der Secession in München, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0432

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3HZ

Die Aufstellung der Secession in München.

von Benno Becker (München).

>Aeit geraumer Zeit taucht von verschiedenen Seiten

her das Streben auf nach einer Reform des modernen
Ausstellungswesens. Spezialausstellungen wünscht man,
Fachausstellungen von kleinerem Umfang, von leichterer
Übersichtlichkeit, bei denen jeder zu seinem Recht kommt,
bei denen auch das Kleinste und Feinste seinen Spruch
sagen und sich Geltung verschaffen kann. Man verwirft
jene großen Weltjahrmärkte mit ihrem wüsten Spektakel,
ihrem brutalen Wettkampf, ihren vergebens gebrachten
Opfern. Handel, Industrie und Landwirtschaft haben
schon hie und da Versuche angestellt, sich in kleinerem
Kreis vorzustellen und diese Versuche waren mit Erfolg
gekrönt. Die großen Schaumärkte haben ihren Beruf
erfüllt; die Übersicht über die Gesamtkultur ganzer Völker
und ganzer Erdteile, die sie gewährten, war einst außer-
ordentlich schätzbar, aber in einer Zeit der ausgebildeten
Verkehrsmittel, der vorzüglich organisierten Presse, läßt
sich diese Übersicht mit kleinerem Apparate erreichen.
Der Überblick über die Weltindustrie, einmal erworben,
kann nicht wieder verloren gehen, und kleinere Veranstalt-
ungen werden größere Vertiefung und erhöhte Sachlichkeit
befördern.

Mit den Weltausstellungen entstanden die inter-
nationalen Kunstausstellungen. Um die Mitte des Jahr-
hunderts kamen sie auf. Bis dahin war der Umfang
der Salons ein bescheidener gewesen; nun wuchsen sie
von Jahr zu Jahr ins Riesenhafte. Paris war von
jeher ein Magnet gewesen, immer hatten sich ein Paar
fremde Künstler als Gäste eingefunden, aber es war
doch ein ander Ding, als die Nationen eingeladen
wurden, insgesamt einzurücken, eine großartige Repräsen-
tation von ihrem nationalen Kunstschaffen zu geben.
Da wurden denn die Dimensionen übergroße, ein Meer
von Farbe schlug seine Wellen, und drohte den Beschauer
fast zu verschlingen. Jahr für Jahr kam diese große
Flut wieder, immer trostloser, immer ermattender, und
dem Beispiele Frankreichs folgten England, Deutschland
und Amerika. Da hatte man wieder ein neues und
wirksames Reizmittel gefunden. Was für die alte Kunst
die Museen längst geboten, das war nun auch für die
moderne Kunst geschaffen, ein Konzertsaal, in dem die
Völkerstimmen zusammenklingen konnten. Und der Klang
war nicht übel. Am Anfang wenigstens, als man noch
ein bischen wählen konnte, als man das Schaffen von
Jahrzehnten durchsieben und die großen und edlen Stücke
wählen konnte. Aber dann, als diese verbraucht waren
und man ohne viel zu zaudern nahm, was der Tag
brachte, was nur immer angeboten wurde, da klangen
die Töne schriller und schriller und die edle Har-
monie wandelte sich in eine gellende Dissonanz. Das
wurde diese fürchterliche, würdelose moderne Kunst-
ausstellung. Da werden die Nerven zermartert, die
Stimmung totgeschlagen. Da muß man sich durch-
arbeiten durch endlose Reihen gleichgültiger oder un-
angenehmer Bilder, durch einen Wust von Mittelmäßig-
keit und Talentlosigkeit. Und wenn dann wirklich ein
paar Kunstwerke vorhanden sind, an denen man sich
freuen und erheben könnte, dann ist das Auge müde
und die Empfänglichkeit am Ende. Auch die Wirkung

Nachdruck verboten.

auf die Maler ist eine verderbliche. Sie werden zum
Extravaganten, Sensationellen verführt. Das Bescheidene,
Kleine, Unscheinbare wirkt natürlich nicht inmitten des
großen Marktes. Wer die Aufmerksamkeit auf sich lenken
will, muß etwas recht Absonderliches, Verrücktes aus-
hecken, muß übertreiben und vergröbern. So entsteht
ein Ding, das frühere Zeiten nicht kannten; das Sensa-
tionsbild, ein Virtuosenstück, das seinen Zweck erfüllt
hat, wenn es von sich reden macht, das keinem inneren
Drange sein Entstehen verdankt, sondern aus der Sucht
nach Erfolg, dem Wunsche alles zu überschreien, was
daneben hängt. Das Panoptikum und die Schreckens-
kammer bekommen gefährliche Konkurrenten. Der wider-
sinnige und durchaus unkünstlerische Begriff des „guten
Ausstellungsbildes" wird aller Welt geläufig und richtet
in den Köpfen der Maler und der Kunstfreunde Ver-
heerungen an, verdirbt den Geschmack und überreizt die
Nerven, sodaß sie nur noch auf die allerschärfsten Reiz-
mittel reagieren. Statt erzieherisch zu wirken, das Publi-
kum herauzubilden, sinkt das Gros der Maler immer-
mehr zum Sklaven des Kunstpöbels herab und fröhnt
den Instinkten der Masse, statt sie zu bekämpfen. Denn

Porträt der Vxernsängerin Irene Abeudrokh.
von Georg Papxeritz.

Zohresau-stellung I8IZ der Rünstlergenoffenschaft zu München.
 
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