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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 7
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Der Keramiksammler
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0324

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Der Keramikfammler

Äußer den deutfcpen Manufakturen, deren
3iergefäße nur verfcpwindend wenige neue For-
men aufweifen, batte zum erften Male feit dem
Kriege die fcbwedifcpe Manufaktur von Rör-
ftrand eine kleine Kollektion älterer und neuerer
Erzeugniffe ausgeftellt, unter den lepteren ßelen
durch ihre elegante Form kleine Deckelvafen in
diskreten einfarbigen önterglafuren und größere
in einem Dekor, der — ob unbewußt? — Über-
einftimmungen mit dem Rofentbalfcpen „Rofari“-
Dekor aufwies; daneben fab man Schalen mit
fparfamer Goldmalerei auf Kobaltgrund.
Die Schwierigkeiten wirtfcpaftlicber Ärt, mit
denen der deutfcbe Verbraucher zu kämpfen bat,
machen es ihm unmöglich, die Preife fürKunft-
und Luxusporzellane, mit denen der deutfcbe
Mittelftand ßcb einft umgeben konnte, zu er-
febwingen. Cropdem ift es diefer langfam von
der Fjöpe ihrer materiellen Kultur perabgleiten-
den Schiebt auch beute noch ein Bedürfnis in
den grauen Lagen eines fronenden Dafeins ßcb
im Fjeim, das nun mehr als je ein ftiller Garten
geworden ift, an der Schönheit von Form und
Farbe zu freuen.
Diefen Anforderungen bat die Keramik febr
fcbnell und nachdrücklich entfproeben. Mit einem
erftaunlichen Eifer haben pep in den letzten Jahren
zahlreiche Künftler mit der Veredelung des Stein-
gutes und der Irdenwaren befaßt. Firmen, wie die
Velten-Vordammer Steingutfabriken, die früher
nicht daran dachten, andere als reine Nupware
zu erzeugen, haben ficb faßt plötzlich auf das
Gebiet der Kunftkeramik und zwar mit ausge-
zeichnetem Erfolge begeben.
Huffallend ift indes, daß figürliche Plaftik
im Verhältnis zur Gefäßbildnerei faft ganz zurück-
tritt. Figürliches in nennenswertem timfange
und in der bekannten, wenn auch nicht wider-
fpruchslos binzunebmenden, aber teebnifeb be-
achtenswerten Hufmachung zeigten eigentlich
nur der Öfterreicpifche Klerkbund und die
Kliener Klerkftätten. Fjervorzubeben ßnd
in dem erfteren die figuralen Kleinkeramiken
von Dolefcpall. Die Sonderausftellung des
Leipziger Bildhauers Hndreas enthielt neben
Bronzen in einem gemäßigten Expreffionismus
auch eine kleine Änzabl von Gruppen in weiß-
glafiertem Porzellan und in Böttgerfteinzeug
(Leda), die pep kompofitionell den beiden kera-
mifchen Cecpniken verftändnisvoll anpaffen.
Von Steingutfabriken, die fiep Kunftabteilungen
angegliedert haben, feien die Kannen, Vafen
und Dofen der ÄbteilungNeureutber derKIäcp-
tersbacher Steingutfabrik erwähnt, die
Schalen und Dofen in Kobalt mit Gold von
Villeroy und Boch, die durchbrochenen Be-
leuchtungskörper von MaxRoesler in Rodach
und einzelne Dofen und kleinere Vafen in Schwarz-
weiß nach Entwürfen von G. Parp in der Äb-
teilung Pb- Fjeinz & Co. der Älteften Volk-
ftedter Manufaktur. Max Läuger, der ficb

neuerdings ganz in den Dienft der Karlsruher
Majolika-Manufaktur gepellt hat, bringt Fiiefen-
bilder und neuartige Celler mit eingefepter
Plapik.
Bei C. F. Otto Müller fab man Schalen und
Vafen der Münchener Klerkftätten G. m. b. I).,
die ficb febr park in der Glafurtechnik und der
Farbe an die perfifeben Fayencen des 16. Jahr-
hunderts anlehnen und die febr gefcpmackvoll
mit der Gießbücbfe dekorierten Irdenwaren der
Meringer Klerkftätte von G. Lipp. ünter den
Keramiken, die die Münchener, einftweilen noch
in ihrem proviforifchen beim, brachten, pelen die
Löpfereien des ganz im Sinne der alten Fjafner-
meifter mit prachtvollen Glafuren und in fauber-
per Cecpnik febapenden Königbauer auf und
die überrafepend leuchtenden einfarbigen Gla-
furen an den auch in der Form febr anfprechend
entwickelten Gefäßen von Fjausleiter.
Dagegen befriedigten die türkisfarbenen Ge-
fäße der Fjerrfcpinger Klerkftätten weniger
als ihre früheren Leiftungen unter Debfcpip, an-
nehmbarer waren ihre Liere.
Nur das wefentlichfte konnte in diefem Über-
blick berückßchtigt werden. Erfreulich war die
Schapensluft trop aller Schwierigkeiten in der
Induprie und im Kunftgewerbe. Otto Pelka.
Die deutfdjen Fayencen des 17. und
18. Jahrhunderts
0. Riesebieter, Die deutschen Fayencen
des 17. und 18. Jahrhunderts. Klinkhardt
& Biermann, Leipzig 1921.
Vergleicht man die erfte zufammenfapende
wipenfcbaftlicbe Darßellung der deutfcpen Fa-
yencen des 17. und 18. Jahrhunderts, die Jupus
Brinckmann auf 56 Seiten feines klafpfcpen
Führers durch die Sammlungen des FJamburgi-
feßen Mufeums für Kunft und Gewerbe im Jahre
1894 gegeben hat, mit der Iepten Behandlung
des gleichen Cbemas durch 0. Riefebieter in
dem foeben abgefcploßen vorliegenden mit 442
Abbildungen und 55 Markentafeln ausgeftatteten
Band von über 400 Seiten ömfang, fo wird ganz
handgreiflich klar, wie außerordentlich die eifrige
Forfcper- und Sammlertätigkeit eines Menfcpen-
alters unfere Kenntnipe auf diefem in feiner
zeitlich und räumlich engen Begrenztheit weit-
fehieptige Sondergebiet der Gefcpicpte des Kunft-
gewerbes vermehrt hat.
Von zwei verfepiedenen Seiten her iß die
Bewältigung des Stopes immer wieder in Hn-
grip genommen worden, der feiner ganzen Ärt
nach den Klirtfcpaftsgefcpichtler ebenfo zum
Studium reizen muß, wie den Sammler und
Kunftforfcper. Gerade diefe zwiefache, zwie-
fpältige Ärt der wipenfcpaftlicpen Bearbeitung,
zu der das gleiche Material immer von neuem
angeregt hat, hat aber eine endgültige Löfung
der Aufgabe bisher in mancher Fjinficpt eper er-
fcpwert als erleichtert.

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