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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 20
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0864

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Ausheilungen

andere, von der man nichts weiß1. Es ißt alfo
zur 3eit eine Auspellungsgier feßzuftellen, deren
Gefahren offenbar find, zumal alle diefe Au-
fteilungen fid) durchaus faßt ausfchließlid) auf
nationaler Grundlage aufbauen und manchmal
fogar nur nach Provinzen orientiert find. So
feßr fonft auch) der künftlerifdje Clettftreit zu
begrüßen ißt, die derzeitige Konkurrenz der Aus-
heilungen miteinander muß für die gefunde Ent-
wicklung fchädlid) fein, ganz abgefeßen davon,
daß felbjt diefe Fülle von Qnterneßmungen
zufammengenommen niemals ein einheitliches
Bild der zeitgenöfpfchen italienifdjen Kunft zu
vermitteln vermögen. Befondere Anziehungs-
punkte, zumal in letjter 3eit, find fogenannte
retrofpektive Abteilungen gewefen, in denen
zumeift das Lebenswerk verftorbener Künftler
zu fpäter Ehre gelangte. Soll diefer Ausftellungs-
jahrmarkt in Italien nicht völlig den Ruin der
modernen Kunftbeftrebungen herbeiführen, wird
es nötig fein, die 3ahl foldjer Veranftaltungen
zu befchränken und ße miteinander in 3ufammen-
hang zu bringen. — Die einzige erfreuliche Aus-
nahme diefes Jahres ift die Kunftausftellung in
Neapel gewefen, die Anlaß zur Begründung
einer Galerie für moderne Kunft gegeben hat.
Der zu diefem 3weck ins Leben getretene Aus-
fchuß hat 60000 Lire zum Ankauf einiger her-
vorragender ttlerke geftiftet, die zufammen mit
dem, was die Stadt bereits an Kunft befifet, den
Grundftock des neuen Mufeums bilden follen.
In der internationalen Ausftellung in Venedig
ging der Verkauf der Kunftwerke nur langfam
von ftatten. Die Refultate find geringer als in
den früheren Jahren. Der Staat hat für 66400 Lire
17 Kunftwerke (Skulpturen, Gemälde und Gra-
phik) gekauft, darunter vier merke von Aus-
ländern. Außerdem kaufte der Staat in Florenz
für 12350 Lire an und in Rom für 36300 Lire.
A. C.
Ausheilung von Neuerwerbungen
der Albertina in der Kliener Se~
zeffion
In einer 3eit, in der das ofßzielle miener Aus-
ftellungswefen an neuerer Kunft feit längerem
nichts Nennenswertes zu bieten hat, müffen die
Beftrebungen des Leiters der Kupferftichfammlung
der Albertina als befonders verdienftvoll be-
grüßt werden. Schon in der vorigen Saifon hat
Prof. Dr. A. Stix in den Räumen des Fjagen-
bundes eine Serie von Graphiken der modernen
Deutfchen, Franzofen und Nordländer den Künft-
lern und dem Publikum vor Augen geftellt und
durch die Cat das 3iel bezeugt, den Beftand der
Sammlungen der Albertina nach der feit langem
ftiefmütterlid) behandelten Seite der lebenden
Kunft auf eine neue Baßis zu ftellen. Schon da-
mals trat, an diefen merken gemeffen, mit er-
1 Der Bericht ift für etwa Ende September gedad)t.
Die Sdjriftltg.

fchütternder Deutlichkeit die 3'elloßgkeit, Lahm-
heit und der Mangel an kräftigen, mitreißenden
Perfönlidbkeiten im gegenwärtigen öffentlichen
Kunftleben Öfterreichs zutage. Bemerkenswert
war, daß fid) unter der konfervativen, aber auch
der „moderner“ gefinnten Künftlerfchaft mider-
ftände ergaben. Man fühlte wohl inftinktiv, daß
die Führung nicht mehr von Kunft und Künft-
lern felbft beftritten, fondern von einer Steile
aus beforgt wurde, von der man gewohnt war,
daß ßie nur Kunftware aufzuftapeln und zu kata-
logißieren hätte. So fehr es nun ßicperlid) für
die Kunft kein gutes Sieben ift, wenn fie fid)
von miffenfchaftlern und Museumsleitern ins
Schlepptau nehmen laffen muß, fo ift es doch
hoch anzurechnen, wenn ßid) unter diefen Leute
finden, die dem Karren durch eine vorbildliche
Sammeltätigkeit aus dem Stedcenbleiben heraus-
helfen wollen.
In diefem Sinne muß auch der diesmalige
Saifonbeginn in der „Sezefßion“ begrüßt werden.
Ift es der Ort, der diesmal gemäßigtere Bahnen
einfchlagen und die mahl vor allem auf die
Klafpker der Radierung des 19. Jahrhunderts
fallen ließ? Für mien dürfen freilich auch Klaf-
ßiker wie Corinth, Liebermann, Slevogt, denen
in reicher Folge der Fjauptfaal eingeräumt ift,
noch immer als Senfation gelten, denn man
muß beachten, daß man hier feit den An-
fängen der Sezeffion felbft, die damals mit
der Kunft um Manet ihre erften bedeutfamen
Schritte machte, gefd)weige denn in den letzten
zehn Jahren, einen wefentlichen Eindrude von
den Bewegungen der wefteuropäifchen Kunft in
öffentlichen Ausheilungen bekommen konnte, fo
daß man heute faft wieder dort fteht, von wo
man vor zwanzig Jahren ausgegangen war. Die
Sammlungen haben, wie diefe beiden in den
Räumen lebender Pfünplervereinigungen veran-
ftalteten AusJ'tellungen der Albertina zeigen, die
Künftlerfchaft an Initiative überholt, mögen ßie
aud) „Klafpker“ zur Vorführung bringen. Damit
ift nur bewiefen, daß die Sammeltätigkeit des
Leiters nicht nur im Gebiet der lebten fondern
aud) der älteren Moderne eine ganz ausnehmend
qualitative und an Seltenheiten reiche Lifte von
(Ilerken zu bieten impande ift, die dazu dienen
kann, das Publikum für die neueren liierte zu
erziehen, aber auch unfere Künftlerfchaft gehörig
anzueifern. Eine kurze Namensüberficht über
die vorgeführten graphifchen merke mag die in
kurzer 3eit z. C. durch Caufch von Duplikaten
erzielte Ausfüllung einer großen Lücke in den
Sammlungen der Albertina veranfdhaulichen:
Neben den drei genannten Deutfchen pnd in
größeren Serien vertreten: Corot, Daumier, Ga-
varni, Goya, Manet, Meryon, Millet, mhißler;
ferner in mehreren oder Einzelblättern: Achen-
bach, Bonnington, Delacroix, Diaz, Dore, Ensor,
Fantin-Latour, Genelli, Gericault, Ingres, Ifabey,
Laviaille, Raffet, Renoir, Rops, Schinkel,Couloufe-

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