Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0878
DOI Heft:
Heft 21
DOI Artikel:Weigert, Charlotte: Der dänische Porträtmaler C. A. Jensen
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hörte. Der Künftler muß damals nocß recht jung gewefen [ein und die intuitive Äuf-
faffung diefer reizvollen jungen Frau ift eben[o anziehend wie die fenfitive, farbig-
[tofflicße Behandlung erftaunlid) ift. (Die das (Heiß des Kragens fiel) gegen das Grau
der knittrigen Seide des Kleides abl)ebt, wie die frifeßen Lippen, die feucßtglänzenden
Äugen, das Inkarnat des Gefußtes aus dem Dufte des Gazeßutes ßerausleucßten, das
zeugt von einem koloriftifcßen Talent erften Ranges. Den reiferen Künftler, der vor
eine größere Aufgabe geftellt wird, zeigt das intereffante Bild des großen Märchen-
erzählers Fj. C. Anderfen, das als eines der kongenialften und beften Bilder des
Dichters gilt. Leider ift das Bild nicht feßr gut erhalten, aber wir feßen deutlich, wie
anftelle der peinlich genauen Pinfelfüßrung der früheren Periode ein leicßt beweglicher
Strich tritt und wie das Bild einer tiefen fehöpferifeßen Perfonlicßkeit mit einer momen-
tanen infpirierten Lebendigkeit erfaßt ift, fo daß man beinahe den Eindruck gewinnt,
als ob der begnadete Dichter eines feiner Märchen vor uns improvifierte. Das Bild
ßängt im Fj. C. Änderfen-Fjäufe in Odenfe, dem „üleimar“ Dänemarks en miniature.
Das Porträt des Minifters Stemann führt uns in den Beginn des leßten malerifcßen
Stils des Künftlers, das mit einigen fpäten Skizzen den Vergleich mit Frans Fjals aus-
ßalten kann. Jenfen wird in diefer 3eit immer meßr Impreffionift. Ganz befonders in
der Behandlung von Gefußt, Äugen, Mund, Fjand und Fjaaren. Das Leben eines
klugen Phlegmatikers kann pfycßologifcß nicht beffer gegeben werden, als auf diefem
Porträt, das zugleich beweift, wie vielfeitig die Erlebnisfäßigkeit und Einfüßlungsmög-
licßkeit diefes talentvollen Malers gewefen ift. Der bürgerlich beßaglicße Demokrat,
das Did)tergenie und die Schönheit der Frau intereffieren ißn ganz gewiß gleichmäßig,
ebenfo wie die vielen verfeßiedenen üypen, die an ißm vorbeigewandert find, darunter einige
merkwürdige ruffifeße Menfcßen. C. Ä. Jenfen geßört einem kleinen, oft zu befeßei-
denen Lande an, aber dureß feine Perfonlicßkeit als Maler und Menftß verdient er von
allen, die für die Kunft der erften Fjälfte des 19. Jaßrßunderts Liebe und Verftändnis
haben, gekannt und beachtet zu werden.
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faffung diefer reizvollen jungen Frau ift eben[o anziehend wie die fenfitive, farbig-
[tofflicße Behandlung erftaunlid) ift. (Die das (Heiß des Kragens fiel) gegen das Grau
der knittrigen Seide des Kleides abl)ebt, wie die frifeßen Lippen, die feucßtglänzenden
Äugen, das Inkarnat des Gefußtes aus dem Dufte des Gazeßutes ßerausleucßten, das
zeugt von einem koloriftifcßen Talent erften Ranges. Den reiferen Künftler, der vor
eine größere Aufgabe geftellt wird, zeigt das intereffante Bild des großen Märchen-
erzählers Fj. C. Anderfen, das als eines der kongenialften und beften Bilder des
Dichters gilt. Leider ift das Bild nicht feßr gut erhalten, aber wir feßen deutlich, wie
anftelle der peinlich genauen Pinfelfüßrung der früheren Periode ein leicßt beweglicher
Strich tritt und wie das Bild einer tiefen fehöpferifeßen Perfonlicßkeit mit einer momen-
tanen infpirierten Lebendigkeit erfaßt ift, fo daß man beinahe den Eindruck gewinnt,
als ob der begnadete Dichter eines feiner Märchen vor uns improvifierte. Das Bild
ßängt im Fj. C. Änderfen-Fjäufe in Odenfe, dem „üleimar“ Dänemarks en miniature.
Das Porträt des Minifters Stemann führt uns in den Beginn des leßten malerifcßen
Stils des Künftlers, das mit einigen fpäten Skizzen den Vergleich mit Frans Fjals aus-
ßalten kann. Jenfen wird in diefer 3eit immer meßr Impreffionift. Ganz befonders in
der Behandlung von Gefußt, Äugen, Mund, Fjand und Fjaaren. Das Leben eines
klugen Phlegmatikers kann pfycßologifcß nicht beffer gegeben werden, als auf diefem
Porträt, das zugleich beweift, wie vielfeitig die Erlebnisfäßigkeit und Einfüßlungsmög-
licßkeit diefes talentvollen Malers gewefen ift. Der bürgerlich beßaglicße Demokrat,
das Did)tergenie und die Schönheit der Frau intereffieren ißn ganz gewiß gleichmäßig,
ebenfo wie die vielen verfeßiedenen üypen, die an ißm vorbeigewandert find, darunter einige
merkwürdige ruffifeße Menfcßen. C. Ä. Jenfen geßört einem kleinen, oft zu befeßei-
denen Lande an, aber dureß feine Perfonlicßkeit als Maler und Menftß verdient er von
allen, die für die Kunft der erften Fjälfte des 19. Jaßrßunderts Liebe und Verftändnis
haben, gekannt und beachtet zu werden.
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