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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 152-177 Juli
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https://doi.org/10.11588/diglit.2833#0053

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Nl' 1«L. Sonntag' 13 Zuli «8««.

* Politische Umfchau.

Heidelberg, 13. Juli.

Die „Arance" enthalt folgenden bemerkens-
werthen Artikel: Die Ansprüche Preußens seien
sehr crnster Art und böten große Hindernisse
dar. Die Frage, ob Krieg oder Frieden, werde
nun in Dcutschland entschieden; in Jtalicn sei
das Programm von 1859 ausgeführt; setze
Jtalien den Krieg nun fort, fo könne dies nur
gegen Frankreich und Europa geschehcn. Preu-
ßen habe wegen der Herzogthümer und der
Bundesreform mit Oesterreich gebrochen; eS sei
schon eine große Concession gewcsen, die man
dem Frieden gcmacht, daß man die Rcchtövcr-
letzung an der Elbe, wo eine Bevölkerung, bie
man befreien wollte, unterworfen hatte, rnhig
zugesthen habe. Nach dcm Sieg bei Sadowa
mache man wegen der Herzogthümer keine
Schwierigkciten mehr, cs handle sich aber darum,
ob Preußen dic Staaten 'zweiten Ranges und
damit das europäische Gleichgewicht vernichten
dürfe. Damit träten Pfiichtcn an die neutralen
Großmachte hcran. — Wenn Preußen seine
schleckten Grenzen berichtigen und seinen Ein-
fluß im Norden befestigen wollc, so werde man
ihm nicht entgegenlreten. Strebe eS aber nach
dcr Herrschaft über Deutschland, wolle eS den
Bund brechen, der ihm ein Hemmniß, Frank-
reich cine Garantie war, habe es dcn thörich-
ten Ehrgeiz, von derNordsee bis über den Rhein
hin herrschen zu wolleu, dann werde eö bei
allen dadurch bedrohtenJnteressenten Widerstand
finden. Bleibe Preußcn die einzige Großmacht
im Bunde, crhalte es die militarische und diplo-
* matische Leitung, dann sinke das übrige Deutsch-
land zu Provinzcn herab, und seine Könige und
Fürsten zu Präfecten. Dies wäre eine bedeu-
tende Verschlimmerung der Vcrträge von 1815.
Als die Preußen nach Watcrloo eben so viel
Eifer in unserer Verfolgung als die Engländcr
zeigten, kamep sie nach PariS mit einem solchen
Haß, alS wenn sic die Voraussicht hätten, wir
würben einst ihrem Ehrgeiz entgegentreten. Aus
dem Wieuer Congreß verlangten sie Sachsen,
scheiterten aber an dem Widerspruch Europas.
Und diescs, das damals dic Anncxion SachsenS
nicht duldete, sollte heute dic Absorbtion von
ganz Deutschland ruhig mit ansehen. Das ist
unmöglich; beharrt Prcußen auf seinen Absich-
ten, dann wird der Fricde unannehmbar und
es hat alle Folgen deS von ihm heraufbcschwo-
renen Unglücks zu tragen. Der Kaiser hat
derm auch den Cabinetten von London und
PeterSburg Mittheilungen über die Forderungen
Prcußens gemacht, über welche nur die Groß-
mächte entscheiden köunen.

Die Absichten und Plane Frankreichs und
der neutralcn Mächte treten allmälig immer
deutlicher hervor. Frankreich namentlich scheint
zu gleicher Aeit weder Oesterreich noch den
deutschen Bund. zu sehr erstarken lassen zu
wollen, während Oesterreich doch im Bunde er-
halten werden soll. Man möchte die militärisch-
diplomatische Führung Norddeutschlands bis zur
Mainlinie durch Preußen zugeben, dagegen
würde eine einhcitliche Constituirung deS ge-
sammten Deutschlands unter Preußen auf er-
hebliche Schwierigkciten stoßen. Gcht es nach
dem Wunsche jener nentralen MLchte, so würde
dcr Bund von 1615 bcstehen bleiben. Aiwr-
kannt dagegen soll werven, daß PrcußenS For-
derungen nach dem Kriege naturgemäß gestei-
gert auftreten. Es ist außer von Schleswig-
Holstcin noch immer davan die Rede. daß der
Zusammenhang des preußischen TerritoriumS
durch theilweise Abtretung hergestellt werden
soll.

Ueber die Kriegs- und FriedensauSsickten
Lußern sich englische Blätter wie folgt: Der
„Herald" hält an der Hoffnung sest, daß der

Krieg nicht aus, der Triumph Preußens nn-
möglich schon entschiedcn scin könne. Die
Waffenstillstands- oder jedenfalls die Fricdens-
unterhandlungcn werdeu sich zerschlageu, und
zwar durch Preußenö Schuld. Dic Convcn-
tion zwischen Preußen und Jtalien wird ab-
laufen — eine Erneuerung wird L. Napolcon,
der Venetien alS anvertrautes Gut in Händcn
hat, wohlweislich vcrbicten, dann wird der
Kampf kcin unglcicher mehr jein. Oesterreich
wird ihn dann mit Concentrirung seiner ganzeu
Macht gegen Preußen fortschen. — Die Don-
nerwolkcn, bie man verschenchl glaubte — sagt
der „Globc" — samtzieln sich wieber. Niemand
wciß. womit Preußen, womit Oestcrreich und
— obendrein — womit Frankreich sich znfrieden
geben werdcn; denn der französischc Kaiser
vermittelt nicht unentgcltlich. Wenn uicht alle
Thcile von einer Mäßigung bcseelt sind, die
sich biS jetzt noch burch nichts verräth, ist der
Frieden noch so weit im Felde, wie er zu Ende
dcr vorigen Woche nahe schicn.

Der France zufolge scheinl die Mission deS
Prinzcn Napoleon nach Jtalien dcfinitiv aufge-
geben zu sein. „Mau begrcift, fügt die France
hinzu, baß der Marich der italienischcn Armee
vorwärtS eine jede Mission des Prinzen unnütz
machen würde.

DaS „Journal des Debats" gibt über die
diplomatischen Verhandlungcn, welche den Ab-
schluß eincS Waffenstillstandes und die Einlei-
tung von Friedensverhandlungen zum Zwecke
habcn, einige nähere Andeutungcn. Prenßcn
hat den Waffenstillstand angenommen, allein
unter der Bebingung, daß eS keines dcr Ele-
mente^seiner gegenwärtigeu militärischen Macht-
stellung verliere, daß NichtS von dcM, waS eS
erworben hat, gefährdet wcrde, und daß man ihm
die Grundlagen mittheile, auf wclchen dcr Friede
zwischen ihm und Oesterreich nebst den diesem
verbündeten Staaten abgeschloffen werden soll.
Die Bedingungen, die Preußen seinerseils stcllen
wird, will es vorläusig noch uicht mittheilen,
doch soll cS bereit sein, dcr französischen Ncgic-
rung Kcnntniß davon zu geben und zu dicscm
Zwccke einen besondercn Gesandtcn nach PariS
zu schicken. Diesclben sind mithin noch nicht
bekannt, doch glauben die DebatS zu wissen,
daß Preußen zunächst auf dem Ausschlusse Oester-
rcichs auS Deutschland besteht, ferner, daß eö
zur AuSfüllung der Lncke zwischeu seiner west-
licheu und östlichen Hälfte die Einverleibung
Kurhessens verlangt. Auch Sachsen ist ihm
nothwendig, weil bieses, so lange es nicht prcu-
ßische Provinz wird, immer Oesterreich seine
Grenzcn und den Weg nach Berlin öffnen kann.
Zur Herstellung der „Homogeuität und der
Stärke im Nordcn" muß Prcußen endlich Han-
novcr und die Elbherzogthümer habcn^ Dabei
verzichtet Prenßcn nicht auf seinen Bundcsre-
formplan. ES wird ihn höchste'nS aus Grnnd
sciner bisherigen Triumphe modisiciren nnd
einen Schritt weiter nach dem Ziele der Ein-
hcit Deutschlands thun, indem es fortaiOkeinen
Nebenbuhler und kcin Gegcngcwicht mchr be-
sitzen wird. Vor Allcm dringt aber Preußen
auf schleunigen Abschluß, damit die Zcit uicht
ihm zum Schaden und Oesterreich zum Vortheil
verstreiche. — Jn Bczug auf Jtalicn erklären
dic Dcbats, düß dcssen Staatsmänncr sich eh'er
dem Friedcn zuneigen, alS desscn Gencrale. Die
DebatS bcgreifcn und achten die Gcfühle der
lctztcren, meincn jcdoch, man müsse diese Gefühle
nicht übcrtreibcn. Prcußcn und Italien könn-
ten sich jctz't schon mit größeren Vortheilen, alS
sie selber zu erringen gehofft, aus dem Kriege
zurückziehcu, und cs wnrde dies ein ebeuso ge-
schickler als gemäßigter Schritt seitt.

Vom Kriegsfchauplatz.

Aus eincm nichtamtlichen Berichte deS preuß.

„St.-Anz.", ä. 6. Hauptquartier Pardubitz,
8. Juli heben wir hier heraus: „Nachdem daS
1. Garderegiment zu Fuß der Armee nachmar-
schirt ist, traf das 51. Jnf.-Reg. vom 4. Corps
hier ein, wird aber ebcnsalls dcmnächst abrücken,
denn alleö ellt und drängt dem vermuthlich
nächsten Kriegsschauplatz in Mähren entgcgen,
da man jetzt Gewißheit darüber zu haben glaubt,
baß F.-Z.-M. Bcncdek, dcr noch immcr das
Commanbo der Nordarmce führt, sich zwischrn
Brünn und Olmütz setzen wird, wohin auch
auS allen Thcilen Oesterreichs selbst die aller-
nothwendigstcn Besatzungstruppen dcr Städte
dirigirt werden. Krakau, gauz Galizien, Un-
garn, Dcutsch - Oesierreich und jetzt auch die
adriatischen Provinzen senden in höchster Eile,
was bis auf die Bewachung dcr Gefängnisse
und Zuchthäuser enlbehrlich ist. Ebenso dürf-
ten wenigstens die Spitzen der noch in der kais.
französ. Provinz Venetien stehenden österrcich.
Truppen schon in einigcn Tagen über Wien
in Olmütz eintreffen können. so daß immerhin
der bis jetzt schon 53.000 Mann betragende
Vcrlust dcr Nordarmee inncrhalb dcr nächstcn
8 Tagc ausgeglichen sein kann. Die höchste
LeistungSfähigkeit der Semmeringbahn ist acht
Militärzüge täglich. Zwei Proclamationen sind
so eben erschienen und mußtcn in Chrudim ge-
druckt werden, da hier der Druck nicht herzu-
stellen war. Sie richten sich gleichzxitig an die
Mähren, eine Hindeutung mehr auf die näckste
Bewegung der Armee, zu welcker alle Vorbe-
reitungen getroffcn sind. So dürfte die nächste
Woche Entschcidendcs bringcn."

Preußische Strcifcorps sind in Jglau einge-
rnckt und haben sich gegcn Znaim gcwendet.
Die Prcsse bemcrkt hierzu: „Daß diese Strcif-
corps für Wicn sclbst ganz ungefährlich sind,
verstcht sich wohl von selbst. Eine Jnvasion
dcr Hauptstadt rcsp. der Angriff auf die Ver-
schanzungen am linkcn Donau-Ufer stcht für
jetzt um so weniger zu crwarten, alö daS GroS
der preußischcn Armee, wclcheS zu Benützung
der Heerstraßc angcwiesen ist, unmöglich den
leichten StrcifcorpS so schnell nachzurücken im
Stande ist." (Die gestrigc Nachricht, daß die
Preußen Oberhollabrunn (zwischen Znaim und
Wien) bereilS besetzt hätten, ist jcdenfallS vcr-
früht.)

— Flücktlinge. welche in Wien auS Znaim
angckommen sind, erzählcn, daß dasclbst gestcrn
unzählige Wagen mit Flüchtigcn von Budwitz
hcr cingetroffen waren, sowie daß in Schelletau,
zwei Poststationen von Znaim gegen Jglau,
schon gestern Mittags Preußcn gewcscn seien.
Iü Znaim herrschte in Folge dieser Nachrichten
großc Bestürzung. Die k. k. Adler wurden
von dcn öffewlichen Gebauden entfernt, die
wohlhabenderen Familien flohen, und der Ge-
meinderath machtc sich bereit, die Preußen zu
cmpfangcn. Bis 6 Uhr AbendS waren diesel-
ben jedoch noch nicht eingerückt; doch wurden
sie stündlich erwartet. Telegramme nach Znaim
werdeü nicht mchr angcnommen.

Von Seitcn dcs preußischen Obercommando's
in Böhmen ist folgender Aufruf erlaffen
worden:

nung und Freundschafl bielen wir allen Einwohnern
ohue Uuterschied des Standes, der Coufession und Na-
tionalität. Lasset Euck von unsern Gegnern und Ver-
läumdern nicht einflüstern, daß wir aus^Eroberungs-

uns zum Kampf gezwungen, iudem es mit den deutschen
Regieningen uns iiberfallen wollte; aber nichts liegt uns
ferner, als die Absicht, Euern gerechtenWZünschen nach
Selbstständigkeit und freier nationaler Entwicklung ent-
gegen zu trelen. Eingedenk der vielen, fast unerschwing-
^ichen Opfer, welche Euch zur Vorbereitung für den
 
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