Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 178-204 August
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2833#0117

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Htidelbtrgtr Itilimg.

M- 17».


Donnerstag, 2 August








^ Auf die „Heidelberger

l Zeitung" kann man sich

noch für die Monate
Äugust nnd Aeptember mit 42 Kreuzern abon-
niren bei allen Postanstalten, den Boten und
Zeitungsträgern, sowie der Expedition lkttere
Ncckarstraße Nr. 13 v.

Rettung.

Es wäre nur allzu crklärlich, wenn dic Leser
dcr Heidelberger Zeitung von gestern an man-
chen Stellen des Lcitartikels von gercchtcm Er-
staunen crfaßt worden wärcn, ja wcnn die
Gegner des Verfassers über manchc Seltsam-
keiten, bcsonders aber übcr die vier settgedruck-
ten Zeilxn des Artikels gegen den Schluß hin
mit Necht herzlich gespottct hättcn.*) Der
Versasser dcs gestrigen Leitartikels sah zu seiner
eigenen Verwullderung, daß die helfende Hand
der Redaction hie und da nicht ohne Energie
thätig gewesen war: man wird uns glauben,
daß unsere Ueberschrift nicht „Ein Wort zur
Verständigung," sondern ganz anderS gelautet
hat! Auch würden wir uns kanm erlaubt
haben, zu sagcn, daß „eine kleine Anzahl hiesi-
ger Bewohner' ihre Mitbürger" zur Versamm-
lung berufen habc. Wir hoben viclmehr gleich
ansangS hervor, die Einladung sci „von einigen
Mitgliedern einer kleinen, aber sehr prononcirten
Partei" ausgegangen. Da diese nuu im Ein-
gang ihreS Aufrufes zur Versöhnung der Par-
teien mahnten, und ein«5 sehr dunkle „Erklä-
rung" zum Einigungspunkt vorschlugcn, hieß
dcr Artikel „Die Versöhnung im Dunkeln".
Hauptzweck desselben war die Kritik jener „Er-
klärung" und die Aufstellung einer unserer
Ansicht nach besseren. Letztcre der etwas seltsamen
Gestalt, welche sie in dem gestrigen Blatt an-
genommen hattc, zu entkleiden, mag sie in der
ihr angemesscnen Form noch einmal solgen:

Wir verurtheilen jeden Versuch einer dau-
ernden politischen Trennung Süddeutschlands
von Norddeutschland!

Bei der bevorstehenden Neugestaltung un-
seres Vaterlandes ist es heilige Pflicht des
Nordens und vor Allen PreußenS, die bun-

daß die Schlußworle^sämmllich mii hervo^ehobeucr
Worte bestimmten, ist^rvohl hier uichl der Platz, näher

desstaatliche Einigung mit dem Süden als
Ziel unverrückt im Auge zu halten, — des
Südens, insbesondere BadenS, mit allen Kräf-
ten diescn Bemühungen entgegenzukommen.
Wir fordern die Theilnahme an dcm alsbald
zu berufenden deutschen Parlamente, damit
unsere Vertreter mitwirken zur Feststellung
einer die Freiheit nicht weniger als die Ein-
heit fichernden Gesammtverfafsuug.

^ Starke Zumutdungen.

Es gibt eine Sorte hochweiser Politiker, welche
dic, auch bei andern Menschen nicht ganz un-
gcwöhuliche Gabe besitzerr, hintennach genau zu
wissen, wie man eigcntlich yätte händeln sollen,
um eingetretene Uebel zu vermeiden. Den
Nuhm, Prophcten nach geschehener That zu sein,
wollen wir diesen Leuten nicht streitig machen,
obwohl wir uns srcuen, daß das badische Land
zu ihren Staatsexperimenten nicht hat herhalten
müssen und hoffentlich auch in Zukunst von
dcnielben vcrschont bleiben wird.

Wenn aber gar derartige Staatsweise sich
nicht entblöden, mit Bezug auf die jüngste Ver-
gangenheit von der Untreue Badens gegen sei-
nen nationalen Beruf und von dem „Banke-
rott unserer öffentlichen Moral" *) zu reden,
so müsseü wir denn doch Verwahrung einlegen
gegen solche Prediger politischer Sittljchkeit,
welchen die Begriffe dcr Moral ausschließlich
für das Bedürfniß solider Privatmcnschcn auf
der Welt zu sein scheinen, und welchen dic
Sätze „Macht geht vor Necht" und „der Zweck
heiligt die Mittel" für daS Evangelium der
Politik gelten.

Tagc ncben den Blättern, auf denen er mit.
Stolz die Thaten deutscher Heere vcrzeichnet,
manches Blalt aus Empörung und Scham un-
beschrieben laffen möchte, so wird ihm die Hal-
tung des badischen Staates nicht zu dieser Em-
pfindung Veranlaffung geben, und wenn in
unserm Lande die Rede sein kann von einem
Bankerott der öffentlichen Moral, so haben nur
Jenc Theil an ihm, dcnen Unrecht zum Recht
wird, sobald es der Erfolg mit dem Sicg kkönt.

Die Politik des badischen Staates war eine
friedliche und vermittelnde, bis die Pflicht an
ihn herantrat, mit einzutreten für die Jntegri-
tät deö Bundes und gegen die Vergewaltigung
deutscher Bruderstämme. Die Regierung hatte
in Uebereinstimmung mit der überwiegenden
Mehrheit der Stände auf'eine neutrale Hal-
tung der südwestdentschen Staaten hingewirkt

und in diesem Sinne dem Beschluß vom 14.
Juni nicht zügestimmt. Als aber uach dcm
Einfall preußischcr Truppen in Sachsen, Hall-
nover und KurheffÜr von diesen Staaten Bun-
deshilfe begehrt wurde, blieb Baden nur übrig,
entweder diese Hilfe mit zu gcwähren oder selbst
revolutionär zu werden und aus dcm Bund
auszuscheiden.

Dieser einfache Sachverhalt und mancheS
andere Ereigniß selbsterlebter Geschichte scheint
aus dem Gedächtniß unserer hohcn Politiker
spurlos verschwunden zu sein. Baden hatte
seiner Zeit unter den ersten seine Stimmc er-
Hoben für das Selbstbestimmungsrecht dcr Elb-
herzogthümer. Hcute ist eine badische Zeitung
schamlos genug, über das „Recht des Ange-
stammten" und der „meerumschlUngcnen Bru-
derstämme" zn höhnen. Die Kampsbegeiste-
rung dcr schwarzen Rotte, die zu Anfang dieses
Krieges in der ultramontanen Preffc ihre
Stimme erhob, hat gewiß jeden freisinnigen
Mann mit Sorge fnr die Zukunft erfülll; aber
sie durfte den Staat ebenso wcnig abhalten,
seine Pflicht zu thun, als die Herrschaft des
Junkerthums, die Manchem auch nicht gefallen
mag, uns daran hindern kann, für den Anschluß
an Norddcutschland einzutreten, welchen wirth-
schaftliche und politische Jntereffen gebieterisch
fordern.

Jm Eingang der neulich auch in diesem Blatt
abgedruckten Adresse dadischer Abgeordneter ftn-
den wir in würdiger Weise den Srandpunkt
gewahrt, welchen Baden beim Beginn dieseS
Krieges einnahm. Wenn weiterhiu die Adresse
die Ueberzeugung kundgibt, durch die vollzoge-
nen Thatsachen, namentlich durch den erfolgtcn
Austritt Oesterreichs aus dem Bund, sei eine
völlig verändertc Situation geschaffen, der ge-
genüber anch der Staat seine Stcllung zu ändern
habc, so entspricht diese offene Kundgebung
sicherlich ebensowohl der Lage der Dinge wie
dcr Ehre des Staates.

Diese Sprache will jedoch einem Correspon-
denten dcr „Köln. Ztg." ans Baden nicht ge-
fallen. „Baden war terrorisirt," so hatten ver-
vermuthlich im Einklang mit dem Ton der
„Bad. Ldsztg." nach der Meinung dieses Herrn
die badischen Abgeordneten die veränderte Stel-
lung des Staates motiviren sollen. „Durch die
ultramontane und demokratische Presse wurde
die öffentliche Mcinung gesälscht, aus Furcht
vor den Nothen und Schwarzen haben die ba-
dischen Kammern einstimmig die Gelder zur
Mobilisirung der Armee bewilligt, jetzt — unter
dem heilsamcn Einfluß der Angst vor Einquar-
tierung und Contributionen — ist die irre ge-

Vom KriegSfchauplatz.

K Würzburg, 28. Juli. Die Bcschießung unserer
^ Stavt und Festung fing heute gegen 1 Uhr an
ernsthafter zu werden, und bald zeigte es sich, daß
x 'die unzähligen Granaten und Granatkartätschen,
K welche unscre Stadt trafen, von einer preußischen
Datterie vom Nikolausberge aus gcsendet wurden.
Von letztcrem Punkte feuerten ferner unausgesetzt
r 10 Geschütze gegen die Südseite der Festung, wäh-
l rend die wcstliche Seite von 20 auf dcm Hexen-
^ bruche aufgcstellten Geschützen beschoffen wurde. Ge-
j gen halb 2 Uhr gerieth der rothe Bau, in dem das

f Zeughaus befindlich, tn Brand. Die wächtige.
»E schwarz aufsteigende Rauchsäule, die gegebenen
j Feuersignale und das Einschlagen der Kugeln und
der mit kanonenähnlichem Donner platzenden Gra-
naten erhöhte die Angst immer mehr. Gegen
Uhr langte Geniehauptmann Graf Drerel als
Parlamentär aus dem bayerischen Hauptquartier
auf der Veste Martenberg an, um dem Feuern Ein-
halt zu thun, deffen Wirkung die Preußen, welche
bercits 500 Schrtttc von der VogelSburg entfernt
^ auf der Zellerstraße vorgerückt waren, über Hett-

stadt hinaus verdrängt hatte. Mit der Nachricht,
daß „Bayern und Preußen eine bis 2. August fich
erstrcckende Waffenruhe abgeschlossen", bei dem
Höchstcommandtrenden der preuß.Mainarmee, Gen.
v. Manteuffel, angelangt, soll der Parlamentär die
Rückantwort rrhalten haben, daß jenem hierüber von
seinem Könige noch nichtszngekommen set, und, falls
dies nicht inzwtschen geschehen sollte, er die Feind-
^seligkeiten gegen Würzburg, dessen Besitz für ihn
wichttg, andern Tags früh 7 Uhr wieder aufneh-
men müsse. Jm Feuer gegen den Feind befanden
fich unsererseits noch die auf der Käsburg befind-
liche Batterie, welche eine auf der Waldskugel auf-
gefahrene preußische Balterie beschoß, dann eine
halbe Batterte auf dem „letzten Hieb" und zwei
halbe Batterien auf dem Steinberge. Die preußi-
schen Geschütze waren sehr gut gerichtet und demon-
tirten drei der unserigen, wogegen von unserer Fe-
stung auS in vortrefflich gezielten Schüssen elf feind-
liche Geschütze demontirt wurden, welche von den '
Preußen zurückgelassen wcrden mußten und gestern
Abends nocö' durch Vorspann eingebracht werden >
sollten. Auf der Festung wurde etn Kauonter ge-
tödtet, mrhrere durch Granatsplitter, unter ihneu -

Hauptmann Böheim vom 9. Jnf.-Reg. (am Kopfe)
letckt verwnndet. Eine Granate, welche am Dach-
fenster der Mainmüble einschlug und platzte, ver--
wundcte 2 Mann. In der Stadt selbst wurden
viele Häuser, insbesondere in der PlattnerSgaffe,
ziemlich stark beschävigt. In den oberen Stock des
BuchbinbermeisterS Greffer schlug eine 12pfündige
Granate ein, glitt am Schrank ab, stieg dann
durch den Fehlboden in die Höhe und wurde von
den Herbeieilenden in der Dachstube gefunden. Die-
selbc war jedoch creptrt, sonst hätte fie großen
Sckaden angerichtet. Bei dem sogenannten PalaiS-
Georg in der Büttnersgasse wurden Fenstergewände
zerschmettert, im Anker schlug eine Kugel in die
Fensterbrüstung ein, zerschmetterte dteselbe, sowie
das davorstehende Sopha, flog diagonal durch die
Stube, die gegenüberstehende Fensterbrüstung durch-
brrchend, und zerplatzte alsdann auf der Straße,
die in der Nähe befindlichen Fenster zertrümmernd.

' Jn ber Näh^ der Seminariumskirche platztrn mehr-

! denn 30 Granatcn in der Luft, viele schlugrn in

> der IuliuSpromenade und im Hofgarten ein, mei-

> stens in der Richtung zum Rrfid/nzschloffe, im Ganzen
haben fie jedoch wenig Schaden gelitten. (R.W.Z.)
 
Annotationen