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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 257-282 November
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Rl 2«7


Dienstag, »3 November

S8««

* Potitifche Umfcbnu.

Heidelberg, 12. November.

* Zwei neue päbstliche Allocutionen haben
nicht ermangelt, einiges Aufsehen zu erregen.
Man findet Behauptungen in diesen Erlaffen,
die geradezu offenkundigen Thatsachen wider-
sprechen, sowic nicht minder Urtheile von starrer
Härte. Die Civilehe, die beiläufig erwähnt
wird, soll angeblich den Bestand und die Hei-
ligkeit der Ehe untergraben und zu eincm Con-
cubinate führen. Das jetzt von allen Mächten
anerkannte Königreich Jtalien wird mit dem
Namen: „die italienische Rebellion" bezeichnet,
dagegen das Schicksal jener Länder gepriesen,
die ihre bürgerliche Verwaltung nach kirchlichen
Doctrinen eingerichtet haben (also etwa Mexiko,
Spanien, Oesterreich?). Jnzwischen macht die
Anhfinglichkeit an die Sache der Nation unter
dem italienischen Clcrus solche Fortschritte,
daß bekanntlich sämmtliche wegen Widersetzlich-
keit gegen die Staatsordnung internirten oder
von ihren Sitzen entfernten Bischöfe wieder
eingesetzt werden konnten. Die venetianische
höhere Gcistlichkeit hat mit patriotischem Eifer
die Vereinigung Venekiens mit Jtalien begrüßt.
Die streng elericale Partei. die Partei des
„v0v P088UMU8", ist jetzt in Rom meistenS
aus Franzosen, Deutschen und Jrländern ge-
bildet. Für Deutschland ist eS selbstverständlich
ein schlechter Trost, Ztalien, mit Bezug auf
den früheren geistig - kirchlichen Einfluß des
Pabstthums — jetzt Gleiches mit Glcichem ver-
gelten zu könncn.

Der „KarlSr. Ztg." schreibt man von Wien:
„Aus Warschau ist der Generalconsul Graf
Ludolph auf Urlaub hier. Auf Urlaub, wie
gesagt; aber es dürfte ihm währenddessen An-
laß gegeben sein, eingehenden mündlichen Be-
richt über seine Wahrnehmungen bezüglich ciner
weit auf östcrreichisches und zunächst auf gali-
cisches Gebiet herüber reichenden Agitation zu
erstatten, die, bisher wesentlich von geistlichen
Händen gepflegt und an die griechisch-nichtunirte
dieffeitigc Bevölkerung sich anlehnend, das grie-
chisch-unirte Element an sich heranziehend, doch
bereits hin und wieder den politischen Pferde-
fuß zu stark gezeigt hat, um nicht zur Auf-
merksamkeit und Wachsamkeit aufzufordern, und
eventuell zu einer diplomatischen Erörterung
Stoff zu bieten.

Der Kölner Ztg. schreibt man über die im
Quartier latin vorgenommene Verhaftung ciner
nicht unbedeutcnden Anzahl iZtudirender: Jn
der Nacht vom Mittwoch auf Donnerstag wur-
den ungefähr 50 Personen, welche sich in einem

Cafehause versammelt hatten, von der Pokizei
verhaftet. Wie verlauket, handeltc es fich um
eine aus Studenten und Arbeitern bestehende
Versammlung, welche über die Fragen berathen
wollte, die auch auf dem Genfer Arbeitercon-
gresse zur Sprache gekommen waren. Die Ver-
hafteten wurden zuerft nach der Polizeipräfec-
tur und dann in das Zellengefängniß Mazas
gebracht. Die Polizei hatte zur Ausführung
dieser Operation eine ungewöhnliche Macht
entwickelt.

Auch die „Allg. Ztg." spricht sich über die
mit Nothwendigkeit bevorstehende deutsche Ei-
nigungspression folgendermaßenaus: „Die deut-
sche Nation kann und wird den preußischen
Erfolg, welcher ihr das sichere Mittel zur Er-
langung politischer Einheit gewährt, nicht mehr
aufgeben, sie muß ihn mit aller Kraft für sich
benutzen, sie muß deßhalb davüber wachen, daß
sich gegen alle Restaurationsgedanken im Sinne
des Particularismus und besonders. gegen die
politischen Grundlagen der von Hrn., v. Beust
angeregten Bamberger und Würzburger Con-
ferenzen die cntschiedenste Opposition erhebe.
Daö Princip der engen Vereinigung der deut-
schen Particularstaaten um Oesterreich ist gründ-
lich geschlagen, weil es sich für die deutsche Na-
tion als unfähig zelgte, der enge Anschluß an
Preußen der einzige Durchgangspunkt zur Ein-
heit, und bcreits von dcr südstaatlichcn Volks-
vertretung als sykcher anerkannt."

Wie man der „Zeidl. Corresp." schreibt, legt
die französische Civilliste gegenwärtig Geld im
Auslande an und sollen namentlich Güter im
südlichen Deutschland und ^cisttiche Güler in
der Romagna für Rechnung, wenn auch aller-
dings nicht unter dem Namen des Kaifcrs der
Franzosen, gekauft sein.

Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: „Nach-
dem das Reichswahlgesetz deS norddeutschen
Bundes in der preußischen Gesetzsammlung pu-
blicirt worden ist, bleibt nur noch übrig, das-
selbe in den einverleibten Provinzen einzufüh-
ren. Die hierzu erforderlichen allerhöchsten
Verordnungen dürften für die einverleibten Pro-
vinzen und die Elbherzogthümer zusammen cr-
folaen."

Der „N. Fr. Pr." zufolge hat ein Kurier
ein Handschreiben der Königin von England
an den Kaiser von Oesterreich überbracht, worin
die Königin den Letzteren wegen der Vereite-
lung des vcrsuchten Attentats beglückwünscht."

Nach der „Z. K." soll der ehemalige säch-
siscke Kriegsminister v. Rabenhorst dcm Bei-
spiele des Hrn. v. Beust folgen und österrei-
chischer Kriegsministcr werden.

Der Wiener Morgen-Post wird aus Prag
geschrieben: Jch kann Jhnen auS bester Quelle
die Mittheilung machen, daß der Prior der
Jesuiten durch den Cardinal-Erzbischof die Ver-
sicherung erhalten hat, daß dem genanuten
Orden durch die Regicrung jeder mögliche
Schutz, bczw. Vorschub geleistet werden wird
und an eine Auswcisung dessrlben gar nicht
zu denken sei.

Das Gerücht von der Abdankung d.es Kai-
serS Maximilian wird widersprochen.

D e u r s ch ! cr n d.

Dresden, 8. Nov. Dem „DreSd. Journ."
zufolge hat Sachsen bereis 5 Millionen Thaler
Kriegskosten gegen den vcrtragsmäßigen Dis-
cont in Berlin eingezahlt. — Dasselbe Organ
bezeichner die Mittheilung der Wiener Debatte
von einer angeblichen Einladung des Königs
von Sachsen nach Berlin und einer erfolgten
Ablehnung derselben von Anfang bis zu Ende
alS erfunden.

München, 3. Nov. Von sämmtlichen Mi-
nistern unterzeichnet, ist gestern ein autographir-
tes Rescript an die Beamten sämmtlicher Res-
sorts herabgelangt, welches von der Errichtung
eines amtlichen Preßinstituts unter Leitung des
Minist.-Raths v. Stautner Kenntuiß gibt und
den Beamten bezüglich ihres Verhaltens zu die-
sem Jnstitute Vorschriften ertheilt (Kempt. Z.)

München, 10. Novbr. Der König hat
heute um 11 Uhr mittclst eines Extrazuges
seine Rcise in die Provinzen Frankens ange-
treten. Der König begab sich vorerst nach
Bayreuth und wurde daselbst am Bahnhof mit
lebhaften Kundgebungen cmpfangen.

AuS Unteraltertheim (bei Würzburg)
erhält die „Allg. Ztg." die gcmeindeamtliche
Berichtigung, daß dic Angabe in einem Bei-
lage-Artikel der „Allg. Ztg.": „Die Schlacht-
felder von Unterfranken", von badischen Trup-
pen sesen in Unteraltertheim Schränke erbro-
chen worden, alles und jeden Grundes cntbehrt,
Eine größere Entgegnung aus Baden gegen
jene Aufsätze verheißt die „Allg. Ztg." näch-
stens zu bringen.

Berlin, 7. Nov. Dic „Kreuzztg." bringt
heute an der Spitze ihres Blattes cinen Ar-
tikel, den wir für die in den Kreisen ihrer
Partei z. Z. herrschende Auffassungsweise be-
zeichnend genug finden, um ihn gegenüber an-
dern vielberegten Kundgebungen hicr wieder-
zugeben.

Der Preußenhaß — sagt die „Kreuzztji." —, wie er

in dem großen Saale der Harmonie unter der
Leitung deS MufikdirectorS Herrn C. Berghof
das erste Eoncert des Liederkranzes abgehalten.
Das reickhaltige Programm ließ das Publikum
auf etnen genußreicken Abend hoffen, und es
wurde in seinen Erwartungen nickt getäusckt, im
Gegentheil. sowohl von den Leistungen des hie-
figen Orchesters und einzelner Mitglicver deffelben,
alS auch von den aufgeführten Gesängen sehr be-
friedigt. Den Eingang des Concerts bilvete die
L-moII-Symphonie von Ntels W. Gade, welche
in allen thren Theilen sehr gut ausgeführt wurde
und den verdienten Deifall erntete. Dte Gesänge
wurden mit Reinheit und Präcifion vorgetragen
und bekundeten, daß Director und Vereinsmit-
glieder fick anfs Eifrigste eS angelegen setn ließen,
recht Tücktiges zu leisten. Gcwiß wird eS das ent-
schiedenste Streben deS rührigenDirigenten sein, den
Ruhm deS so lange bewährten VereinS hiefiger Stadt
zu erhalten, zu befestigen und zu vermehren; aber auch
derVerein selbstwird nicktzurückbleiben, wenn eS gilt,
seinen Ruhm zu wahren. ZweiPiecenfürVioltne von

Ernst und Vieuxtemps wurden von Hrn. K. Friese
meisterhaft vorgetragen. Den Schluß deS Concerts
bilvete die Egmont-Ouvertüre von Beet'hoven. Das

mit kem wärmsten BeifallSrufe. Daß man keine
Solo- und Quartettpiecen zu hören bekam, hat
wohl feinen Grund darin, daß die Mufikstücke, so
wie. einzelne Männerchöre vorausficktltck zu viel
Zeit in Anspruck nahmen. — Herr Sienold
hatte die Güte, die Clavierbegleitung zu den Vio-
linsolo'S zu übernehmen.

Ein artigrS Erbschastegrschichtchen

wird am 4. d. im Feuilleton der „Pr.-Ztg." erzählt.
Der Held ist ein „trostloser Erbe', vem vor weni-
gen Tagen dte Hinterlassenschaft eines entfernten
OheimS zufiel, und der dabet durck fick selbst um
einen hübschen Theil setner Erbschaft geprellt wurde.
Kaum war nämlich der betreffende theuere Anver-
wandte in jenrS beffere JenseitS hinübergeschlum-
mert, wo eS, anderer Annehmlichkeiten,uickt zu
gedenken, auch keine habgterigen Erben mehr gtbt,
alS bereitS der tiefbetrübte Neffe anfing, in der
Wohnung deS Verewigten ein vorläufigeS Anventar >

guten Vermögens-Verhältniffen befand, so war
seine Wohnung in der That herrsckaftlick einge-
richtet. Die prächtigen, geschmackvollen Möbel stachcn
dem würdigrn Neffen derart in die Augen, daß er
fich von denselben gar nickt mehr zu trennen ver-
mochte. Mit Vergnügen hätte er fie sofort nach
fetner Wohnung bringen laffen, allein die ver-
wandtschaftlichen Gefühle einerseitS und ein ge-
wiffer Respect vor dem hohen Gerichte anderseits
hielten ihn von der Ausführung seineS Wunsches
ab, und er brgnügte fich, sämmtlicke GinrtchtungS-
Gegenstände vorläufig auf den Boden deS Hauscs
tragen zu lassen. Der mit dieser TranSferirung
beauftragte HauSmetster deS Verstorbenen protestirte
anfangs gegen bie ptetätvoüe Maßregel, fügte fich
aber schließlich dem Willen des neuen Herrn und
sckaffte alles fein säuberltch auf den Speicher. Bei
der Gröffnung drs TeftamenteS zeigte es fick, daß
der Todte, welcher sein ganzeS Leben lang etn
Original gewesen, auch in der Abfassung seines
letzten WillenS einige Grtravaganzen begangrn hatte.
Bei der Bestimmung der einzelnen Legate hieß eS
 
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