Ukidelbkrger Zeilung
Nl 173
Donnerstag. 26 Zuli 18«6.
* Politifche Umschau.
Heidelberg, 25. Juli.
Ueber den von den verschiedensten Seiten
als wahrscheinlich bezeichneten Ausgang des
gegenwärtigen Krieges stcllt der „Schw. M."
eine längere Betrachtung an, der wir Folgcn-
dcs cntnehmcn: Man weiß, wclche Lösung L.
Napoleon. unter dessen Aegide der Wassenstill-
stand nun einmal zu Stande kommt, als die
dem sranzösischen Staatsinteresse allcin zuträg-
liche berbeizuführen sucht, nämlich die einer
Trennung deS außerösterreichischen Deutschlands
in zwei Theile: einen unter Preußen stehcnden
Nordbund und einen scheinbar selbstständigen
Südbund, der ein bequemes Werkzeug in den
Händcn der sranzösischen Staatskunst wäre.
Man weiß, mit welcher listigen Zähigkeit der
Urhcber dieses Plans dic Jnteressen der Cabi-
nete wie die Leidenschasten der Parteien sür sich
auszunützen versteht. Man weiß aber auch,
wie wenig Hr. v. Bismarck Werth aus Süd-
deutschland legt, wie wenig cs ihn kosten würde,
wenn man ihm mit dem Rath der „Mäßigung"
zusetzt, eben die süddcutschen Staaten preiözu-
geben; ja es hat in der letzten Zeit selbst nicht
an glücklicherweise vereinzellcn liberalen Stim-
men in Norddeutschland gefehlt, die in bedauer-
lichem Unmuth über die Fortsetzung des Kriegs
von Seite Süddeutschlands daraus die Folge-
rung glaubten ziehen zu dürfen, daß uns an
der politischen Verbindung mit dem Norden
nichts gclegen sci. Es scheint nun allerdings,
daß über die politische Gestaltung Südwest-
deütschlands noch nichts endgültig sestgesetzt ist.
Aber eben deßhalb gilt es. sich zu rühren, eben
deßhalb ist noch die Möglichkeit für das Volk
vorhanden, seinen Willen auszusprechen und in
die Wagschaale zu werfen. Wir haben das
Beispiel der Jtaliener, daß durch entschlossenes
Wollen ein Volk auch wider den Willen Na-
poleonS etwas durchzusetzen vermag. An uns
Süddeutsche tritt die Frage heran: wollen wir
dulden, daß die Linie des Main uns politisch
und volkswir^hschaftlich trenne von unsern Brü-
dern im Norden? wollen wir, daß der alte
morsche Bau dcs deutschen Bundes dazu in
Trümmer sinke, um durch mißgestaltete Zwitter-
geburten, angenehm den Feinden DeutschlandS,
abgelöst zu werden? soll die Aussicht, daß ein
machtvoller deulscher Bundesstaat aus seinen
Trümmern sich erhebe, jammervoll zu nichte
werden, zu nichte zum Theil durch unsere eigene
Schuld? Diese Fragen stellen sich in diesem
ernsten Augenblick unserem Volk; wir sind ge-
wiß: sie dürfen nur ausgesprochen werden, um
die richtige Antwort zu erhalten.
Jn Kiel wurden die Sammlungen für
österreichische Verwundete untersagt, weil man
in der Aufforderung hiefür eine Demonstration
gegen Preußen erblickt.
Die „France" schließt ein'en Artikel, in
welchem sie ihre Freude über die Annahme
des Waffenstillftandes ausspricht, mit folgenden
Worten^ Frankreich nimmt ohne Furcht ein
vergrößertesPreußen in einem getheilten Deutsch-
land an; aber andererseits wacht es über das
Gleichgewicht Europa's, über seinen Einfluß,
über seine Jnteressen, und man kann überzeugt
sein, daß unter einem Herrscher, der Napoleon
heißt, Frankreich nicht verkleinert sein wird.
Vour Kriegsschauplatz.
Berlin, 12-Juli. Das Berliner Fremden-
blatt schreibt: Die Beute, welche Preußen bis-
her der österreichischen und hannoverschen Armee
gegenüber gemacht, beträgt: an Gefangenen
50,000, Pferden 6000, Geschützen 220, brauch-
baren Gewehren 40,000, Seitengewehren (han-
noverschen) 20,000. Von den Geschützen sind
200 neu und gezogen; die Gewehre, solchen
Feinden gcgenüber, die keine Zündnadelgewchre
befttzen, ausgezeichuel, die Pferde vorznglich.
Die zahlreiche, ebenfalls erbeulete Munilion ist
hiebei ganz außer Anschlag geblieben. — An
Terrain hat Preußen im Laufe von 3 Wochen
occupirt: Holstein 155, Hannover 698, Kur-
hessen 174 (das jetzt ebensalls occupirte Ober-
hessen (Darmstadt) und die besetzten Thcile von
Nassau. sind nicht mitgerechnet), Sachsen 271,
Böhmcn 0/z) 314, zusammcn 1612 Quadrat-
meilen, ein Flächcnraum, so groß, als dic Kö-
nigreiche Bayern und Sachscn. Die Gesammk-
bevölkerung der occupirten Landcstheile beträgt
7.100.000 Seelen. Schlagen wir die Militär-
kraft, 'welche der Feind noch auS dieser Bevöl-
kerung gegen uns mobilisiren konnte, nur zu
11/2 pCt. an, so ist ihm eine Wehrkraft von
106,500 Mann entrissen. Außcrdem verdankt
Preußen eben auch nur seinem kühnen Vor-
schreiten den Erfolg, daß es jetzt zugleich über
ein von seinen deutschen Verbündeten ihm ge-
sielltes Armcccorps verfügt. Wie sehr dieseS
Corps noch verstärkt werden kann, ergibt sich
daraus, daß die verbündeten nord- und mittel-
deutschen Staaten eine Gesammtbevölkerung von
2.830.000 Scelen haben, also nach dem jetzigen
preußischen Maßstab der Armee von 4Procent
der Bevölkerung 113,000 Mann, nach dem von
der Nationalversammlung im Jahre1848 sest-
gesctztcn Verhältniß von 2 pCt. 57,050 Mann
stellen müßten, während ihre jetzige Heereslei-
stung nur 1-iz beträgt.
Berlin, 23. ^Zuli. Dic Prcnßen organi-
siren in Böhmen und Mähren eine Verwaltung
bis zum FriedenSschluß. Der Herzog von Ujest
wurde zum Gouverneur von Mähren ernannt.
Nach einer Meldung aus Werdau hat die Vor-
hut des zweiten preußischen Reservecorps Nach-
mittags das bayrischc Gebiet bei Hof betreten,
60 Gefangene gemacht, und begonnen, die
Eisenbahn herzustellen.
Darmstadt, 17.Juli. Die „Hess. L.-Z."
meldet: Einem hier stark verbreiteten Gerüchte
zufolge wird Prinz Alexander nur dann den
Oberbefehl behalten wollcn, wenn Prinz Karl
von Bayern sein Oberbefehlshaberamt nicder-
legen wird. Erhebliche Zwistigkeiten zwischen
beiden Generalen sollen stattfinden.
Ulm, 20. Juli. Der Kriegszustand der
Bundesfestung ist nunmehr hier verkündet, und
die Einwohnerschaft aufgefordert, sich mit Mund-
vorrath auf zwei Monate zu versehen. Jn
Stadt und Land ist die Stimmung eine sehr
ernste. (Schw. M.)
Heilbronn, 20. Juli. Heute früh 4 Uhr
kamen von Mosbach her 570 Mann bayrischer
Jnfanterie hier an, welche auf dem Bahnhof
einige Stunden rastcten und nach reichlicher
Verpflegung von der Gemeinde und Privaten
aus der Eisenbahn Nördlingen zu weiter be-
föroert wurden, und auf hcute Nachmitkag sind
gegen 2000 Mann großh. hcssischer Truppen
zur Einquartierung in unserer Stadt, wo sie
morgen Rasttag haltcn.werden, angesagt. Die-
sclben gehören zum Depot, waren bisher in
Darmstadt in Garnison und sollen nun in Ulm
untergebracht werden.
Frankfurt, 21. .Juli. Sämmtliche hiesige
Besatzungskruppcn verlassen heute Frankfurt,
um mit dem ganzen Corps südwärtS--zu zichen.
Die hiesige Besatzung wird fernerhin von den
ebcn einzichenden vierten Bataillonen, in Stärke
von etwa 10 Bataillonen, und einer Batterie
gebildet und unter dem Besehl des Obersten
v. Kortzfleisch stehen. Franksurt soll eine wei-
tere Kriegscontribution von 25 Mill. Gulden
zahlcn. Die Commandantur wird jetzt von dem
Gcneral v. Roeder übernommen. An eine Ope-
ration gegen Mainz glaubt man hier vorläufig
nicht. Die Division Beyer rückt von. Hanau
über Aschaffenburg südlich vor.
Frankfurt, 21. Juli. Man schreibt der
„Köln. Ztg.": Nachdem das Jnfanterieregiment
Nr. 53 schon vorgestern von hier abgerückt ist,
sind, dem gestern Abend ertheilten Befehl ge-
mäß, die übrigen Truppen der Division Goeben
heute von hier ausmarschirt, um 6 Uhr die
Regimentcr Nr. 15 und 55 und die Fußartillerie;
Vom Kriegsschauplatz.
Der mtlitärische Eorikspondent der Times im
österreichischen Hauptquartier schreibt auS Brünn
vom 6. Iult unter Anderem: „Wenn eS wahr ist,
was man sich allgemein erzählt, war Benedek durch
diplomatische und nock greifbarere Htnderniffe am
Anfang verhindert gewesen, seine Armee tn die-
jentge Position zu bringen, die ihm die Entfal-
tung seiner Waffengattung, nämlich der Lavalle-
rte, gestattet hätte. Aus rein militärischen Rück-
fichten hätte er, sowie der Ausbruch von Feind-
seligkeiten unvermeidlich schien, daS befreundete
Eachsen besetzen müssen, aber seine Armee war
nicht in der gehörigen Vrrfassung, und in Wien
scheint man durch die Erklärungen Englands,
Krankreichs und Rußlands, daß dtejenige Macht,
welche den erstcn Schuß thue, alS Feind der'Livi-
ltsation brtrachtet werden müffe, vom offensiv krie-
gertschen Schritte abgeschreckt worden zu sein. Dieß
war dte erste Schwierigkeit deS Feldzeugmeisters,
und für dtese darf er wahrlich nicht vrrantwortlich
gemacht werden, während fie eS war, die ihn später
nöthtgte, seine Lrupprn hastiger vorwärts zn schte-
ben, als wünschenswerth war, um fie dem an-
zu stellen. Sckon bei Skalitz trat dieser Uebelstand
deutlich hervor, da die österreichischen Truppen zu
ermattet auf dem Kampfplatze angelangt waren,
um es mit einer gleich starken preußischen Macht
aufnehmen zu können- Ein Kriegsgericht soll
Unglück am 3. am meisten zur Schuld gelegt wer-
den müsse. Dem Zuschauer erscheint Benedeks
Schlachtenplan einfach genug, obwohl es sehr gut
denkbar ist, daß etnzelne Punkte desselben falsch
aufgefaßt werdrn konnten. Stark auf seinem linken
Flügrl, erwartete cr auf diesem den Hauptangriff
der Preußen. Seinx rechte Flanke war durch na-
türliche Hindernisse mehr oder weniger gedeckt, wäh-
rend Iosephstadt nicht gar zu weit entfernt lag.
Es wurde ihm zum Vorwurf gemacht, daß er von
seiner Reiterei keinrn genügenden Gebrauch gemacht
habe, doch hatte rr Gründe, fir frisch und unver-
sehrt zu erhaltrn. Ick bin der Anficht, baß er,
gerade tm Momente, als das Unglück hereinbrach,
tm Begrtffe staud, sein Lrntrum vorzufchieben, ja
vom österreichischen linkcn noch im Schach gehalten
würde, die ltnke Flanke und das Centrum deS
Gegners mit der österreichischen Reserve - Artillerie
und mit Lavalleriemassen zu erdrücken. Da fand
er jeboch, daß setne eigene Linie an einem Punkte
durchbrochen war, wo er rs am wenigsten erwartet
hatte, nämlich wo fie von Natur am allerstärksten
war. Daß dem nicht vorgebeugt worden war, ist
für jeden, der dtese Scklacht studirt, zu begreifeu
unmöglich. Die Vorrückung des 4. und 2. LorpS
ist unverständlich genug; wenn eS sick aber bestä-
tigt, daß Lhlum, der Schlüffel der Position, gar
nicht oder bloß durch etn paar.Leute brsetzt war,
dann allerdingS muß Iemand e'inen argen Frhler
begangen haben." Das Terrain selbst, meint diefer
Berichterstatter, war für die Fechtart der österret-
chischrn Truppen ketn günstig gewähltes. „BenedekS
Schule, so wte die fast aller österreichischen Grne»
rale, liegt hauptsächlich tu ver lombardtschen Ebrne,
Nl 173
Donnerstag. 26 Zuli 18«6.
* Politifche Umschau.
Heidelberg, 25. Juli.
Ueber den von den verschiedensten Seiten
als wahrscheinlich bezeichneten Ausgang des
gegenwärtigen Krieges stcllt der „Schw. M."
eine längere Betrachtung an, der wir Folgcn-
dcs cntnehmcn: Man weiß, wclche Lösung L.
Napoleon. unter dessen Aegide der Wassenstill-
stand nun einmal zu Stande kommt, als die
dem sranzösischen Staatsinteresse allcin zuträg-
liche berbeizuführen sucht, nämlich die einer
Trennung deS außerösterreichischen Deutschlands
in zwei Theile: einen unter Preußen stehcnden
Nordbund und einen scheinbar selbstständigen
Südbund, der ein bequemes Werkzeug in den
Händcn der sranzösischen Staatskunst wäre.
Man weiß, mit welcher listigen Zähigkeit der
Urhcber dieses Plans dic Jnteressen der Cabi-
nete wie die Leidenschasten der Parteien sür sich
auszunützen versteht. Man weiß aber auch,
wie wenig Hr. v. Bismarck Werth aus Süd-
deutschland legt, wie wenig cs ihn kosten würde,
wenn man ihm mit dem Rath der „Mäßigung"
zusetzt, eben die süddcutschen Staaten preiözu-
geben; ja es hat in der letzten Zeit selbst nicht
an glücklicherweise vereinzellcn liberalen Stim-
men in Norddeutschland gefehlt, die in bedauer-
lichem Unmuth über die Fortsetzung des Kriegs
von Seite Süddeutschlands daraus die Folge-
rung glaubten ziehen zu dürfen, daß uns an
der politischen Verbindung mit dem Norden
nichts gclegen sci. Es scheint nun allerdings,
daß über die politische Gestaltung Südwest-
deütschlands noch nichts endgültig sestgesetzt ist.
Aber eben deßhalb gilt es. sich zu rühren, eben
deßhalb ist noch die Möglichkeit für das Volk
vorhanden, seinen Willen auszusprechen und in
die Wagschaale zu werfen. Wir haben das
Beispiel der Jtaliener, daß durch entschlossenes
Wollen ein Volk auch wider den Willen Na-
poleonS etwas durchzusetzen vermag. An uns
Süddeutsche tritt die Frage heran: wollen wir
dulden, daß die Linie des Main uns politisch
und volkswir^hschaftlich trenne von unsern Brü-
dern im Norden? wollen wir, daß der alte
morsche Bau dcs deutschen Bundes dazu in
Trümmer sinke, um durch mißgestaltete Zwitter-
geburten, angenehm den Feinden DeutschlandS,
abgelöst zu werden? soll die Aussicht, daß ein
machtvoller deulscher Bundesstaat aus seinen
Trümmern sich erhebe, jammervoll zu nichte
werden, zu nichte zum Theil durch unsere eigene
Schuld? Diese Fragen stellen sich in diesem
ernsten Augenblick unserem Volk; wir sind ge-
wiß: sie dürfen nur ausgesprochen werden, um
die richtige Antwort zu erhalten.
Jn Kiel wurden die Sammlungen für
österreichische Verwundete untersagt, weil man
in der Aufforderung hiefür eine Demonstration
gegen Preußen erblickt.
Die „France" schließt ein'en Artikel, in
welchem sie ihre Freude über die Annahme
des Waffenstillftandes ausspricht, mit folgenden
Worten^ Frankreich nimmt ohne Furcht ein
vergrößertesPreußen in einem getheilten Deutsch-
land an; aber andererseits wacht es über das
Gleichgewicht Europa's, über seinen Einfluß,
über seine Jnteressen, und man kann überzeugt
sein, daß unter einem Herrscher, der Napoleon
heißt, Frankreich nicht verkleinert sein wird.
Vour Kriegsschauplatz.
Berlin, 12-Juli. Das Berliner Fremden-
blatt schreibt: Die Beute, welche Preußen bis-
her der österreichischen und hannoverschen Armee
gegenüber gemacht, beträgt: an Gefangenen
50,000, Pferden 6000, Geschützen 220, brauch-
baren Gewehren 40,000, Seitengewehren (han-
noverschen) 20,000. Von den Geschützen sind
200 neu und gezogen; die Gewehre, solchen
Feinden gcgenüber, die keine Zündnadelgewchre
befttzen, ausgezeichuel, die Pferde vorznglich.
Die zahlreiche, ebenfalls erbeulete Munilion ist
hiebei ganz außer Anschlag geblieben. — An
Terrain hat Preußen im Laufe von 3 Wochen
occupirt: Holstein 155, Hannover 698, Kur-
hessen 174 (das jetzt ebensalls occupirte Ober-
hessen (Darmstadt) und die besetzten Thcile von
Nassau. sind nicht mitgerechnet), Sachsen 271,
Böhmcn 0/z) 314, zusammcn 1612 Quadrat-
meilen, ein Flächcnraum, so groß, als dic Kö-
nigreiche Bayern und Sachscn. Die Gesammk-
bevölkerung der occupirten Landcstheile beträgt
7.100.000 Seelen. Schlagen wir die Militär-
kraft, 'welche der Feind noch auS dieser Bevöl-
kerung gegen uns mobilisiren konnte, nur zu
11/2 pCt. an, so ist ihm eine Wehrkraft von
106,500 Mann entrissen. Außcrdem verdankt
Preußen eben auch nur seinem kühnen Vor-
schreiten den Erfolg, daß es jetzt zugleich über
ein von seinen deutschen Verbündeten ihm ge-
sielltes Armcccorps verfügt. Wie sehr dieseS
Corps noch verstärkt werden kann, ergibt sich
daraus, daß die verbündeten nord- und mittel-
deutschen Staaten eine Gesammtbevölkerung von
2.830.000 Scelen haben, also nach dem jetzigen
preußischen Maßstab der Armee von 4Procent
der Bevölkerung 113,000 Mann, nach dem von
der Nationalversammlung im Jahre1848 sest-
gesctztcn Verhältniß von 2 pCt. 57,050 Mann
stellen müßten, während ihre jetzige Heereslei-
stung nur 1-iz beträgt.
Berlin, 23. ^Zuli. Dic Prcnßen organi-
siren in Böhmen und Mähren eine Verwaltung
bis zum FriedenSschluß. Der Herzog von Ujest
wurde zum Gouverneur von Mähren ernannt.
Nach einer Meldung aus Werdau hat die Vor-
hut des zweiten preußischen Reservecorps Nach-
mittags das bayrischc Gebiet bei Hof betreten,
60 Gefangene gemacht, und begonnen, die
Eisenbahn herzustellen.
Darmstadt, 17.Juli. Die „Hess. L.-Z."
meldet: Einem hier stark verbreiteten Gerüchte
zufolge wird Prinz Alexander nur dann den
Oberbefehl behalten wollcn, wenn Prinz Karl
von Bayern sein Oberbefehlshaberamt nicder-
legen wird. Erhebliche Zwistigkeiten zwischen
beiden Generalen sollen stattfinden.
Ulm, 20. Juli. Der Kriegszustand der
Bundesfestung ist nunmehr hier verkündet, und
die Einwohnerschaft aufgefordert, sich mit Mund-
vorrath auf zwei Monate zu versehen. Jn
Stadt und Land ist die Stimmung eine sehr
ernste. (Schw. M.)
Heilbronn, 20. Juli. Heute früh 4 Uhr
kamen von Mosbach her 570 Mann bayrischer
Jnfanterie hier an, welche auf dem Bahnhof
einige Stunden rastcten und nach reichlicher
Verpflegung von der Gemeinde und Privaten
aus der Eisenbahn Nördlingen zu weiter be-
föroert wurden, und auf hcute Nachmitkag sind
gegen 2000 Mann großh. hcssischer Truppen
zur Einquartierung in unserer Stadt, wo sie
morgen Rasttag haltcn.werden, angesagt. Die-
sclben gehören zum Depot, waren bisher in
Darmstadt in Garnison und sollen nun in Ulm
untergebracht werden.
Frankfurt, 21. .Juli. Sämmtliche hiesige
Besatzungskruppcn verlassen heute Frankfurt,
um mit dem ganzen Corps südwärtS--zu zichen.
Die hiesige Besatzung wird fernerhin von den
ebcn einzichenden vierten Bataillonen, in Stärke
von etwa 10 Bataillonen, und einer Batterie
gebildet und unter dem Besehl des Obersten
v. Kortzfleisch stehen. Franksurt soll eine wei-
tere Kriegscontribution von 25 Mill. Gulden
zahlcn. Die Commandantur wird jetzt von dem
Gcneral v. Roeder übernommen. An eine Ope-
ration gegen Mainz glaubt man hier vorläufig
nicht. Die Division Beyer rückt von. Hanau
über Aschaffenburg südlich vor.
Frankfurt, 21. Juli. Man schreibt der
„Köln. Ztg.": Nachdem das Jnfanterieregiment
Nr. 53 schon vorgestern von hier abgerückt ist,
sind, dem gestern Abend ertheilten Befehl ge-
mäß, die übrigen Truppen der Division Goeben
heute von hier ausmarschirt, um 6 Uhr die
Regimentcr Nr. 15 und 55 und die Fußartillerie;
Vom Kriegsschauplatz.
Der mtlitärische Eorikspondent der Times im
österreichischen Hauptquartier schreibt auS Brünn
vom 6. Iult unter Anderem: „Wenn eS wahr ist,
was man sich allgemein erzählt, war Benedek durch
diplomatische und nock greifbarere Htnderniffe am
Anfang verhindert gewesen, seine Armee tn die-
jentge Position zu bringen, die ihm die Entfal-
tung seiner Waffengattung, nämlich der Lavalle-
rte, gestattet hätte. Aus rein militärischen Rück-
fichten hätte er, sowie der Ausbruch von Feind-
seligkeiten unvermeidlich schien, daS befreundete
Eachsen besetzen müssen, aber seine Armee war
nicht in der gehörigen Vrrfassung, und in Wien
scheint man durch die Erklärungen Englands,
Krankreichs und Rußlands, daß dtejenige Macht,
welche den erstcn Schuß thue, alS Feind der'Livi-
ltsation brtrachtet werden müffe, vom offensiv krie-
gertschen Schritte abgeschreckt worden zu sein. Dieß
war dte erste Schwierigkeit deS Feldzeugmeisters,
und für dtese darf er wahrlich nicht vrrantwortlich
gemacht werden, während fie eS war, die ihn später
nöthtgte, seine Lrupprn hastiger vorwärts zn schte-
ben, als wünschenswerth war, um fie dem an-
zu stellen. Sckon bei Skalitz trat dieser Uebelstand
deutlich hervor, da die österreichischen Truppen zu
ermattet auf dem Kampfplatze angelangt waren,
um es mit einer gleich starken preußischen Macht
aufnehmen zu können- Ein Kriegsgericht soll
Unglück am 3. am meisten zur Schuld gelegt wer-
den müsse. Dem Zuschauer erscheint Benedeks
Schlachtenplan einfach genug, obwohl es sehr gut
denkbar ist, daß etnzelne Punkte desselben falsch
aufgefaßt werdrn konnten. Stark auf seinem linken
Flügrl, erwartete cr auf diesem den Hauptangriff
der Preußen. Seinx rechte Flanke war durch na-
türliche Hindernisse mehr oder weniger gedeckt, wäh-
rend Iosephstadt nicht gar zu weit entfernt lag.
Es wurde ihm zum Vorwurf gemacht, daß er von
seiner Reiterei keinrn genügenden Gebrauch gemacht
habe, doch hatte rr Gründe, fir frisch und unver-
sehrt zu erhaltrn. Ick bin der Anficht, baß er,
gerade tm Momente, als das Unglück hereinbrach,
tm Begrtffe staud, sein Lrntrum vorzufchieben, ja
vom österreichischen linkcn noch im Schach gehalten
würde, die ltnke Flanke und das Centrum deS
Gegners mit der österreichischen Reserve - Artillerie
und mit Lavalleriemassen zu erdrücken. Da fand
er jeboch, daß setne eigene Linie an einem Punkte
durchbrochen war, wo er rs am wenigsten erwartet
hatte, nämlich wo fie von Natur am allerstärksten
war. Daß dem nicht vorgebeugt worden war, ist
für jeden, der dtese Scklacht studirt, zu begreifeu
unmöglich. Die Vorrückung des 4. und 2. LorpS
ist unverständlich genug; wenn eS sick aber bestä-
tigt, daß Lhlum, der Schlüffel der Position, gar
nicht oder bloß durch etn paar.Leute brsetzt war,
dann allerdingS muß Iemand e'inen argen Frhler
begangen haben." Das Terrain selbst, meint diefer
Berichterstatter, war für die Fechtart der österret-
chischrn Truppen ketn günstig gewähltes. „BenedekS
Schule, so wte die fast aller österreichischen Grne»
rale, liegt hauptsächlich tu ver lombardtschen Ebrne,