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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 152-177 Juli
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Uei-tllmger Zeilmig.

N I«7


Donnerstag, 19 Zuli

* Politische Umschau.

Heidelberg, 18. Juli
Die „Neue freie Prefse" schreibt: Uns fehlt
da- Vertraucn in die Energie der vom Kaiser
der Franzosen geführlen Verhandlungen. Frank-
reich hat kein Jntcresse, uns zu schützcn und
zu helfen; Frankreich benützt dic Wirren in
Deutschland auöschließlich in seinem eigencn
Jnteresse. Wir erinnern an die Rolle. welche
Frankreich vor Gaeta dem König Franz II.,
und in Rom vor und nach der Schlacht bei
Castelfidardo dcm römischen Hofe gegenüber ge-
spielt hat. Wo eine Amputation vorgeuommen
wird, da spielt die französische Politik stets die
Roüe des Chloroform uud macht die Operation
möglichst schmerzlos, das ist wahr, aber sie hilft
darum nicht weniger amputircn. Wenn unsere
Ofsiciösen sich durch das französische Chloro-
form betäuben lasseu, so ist das ihre »Dachc,
aber wir thun da nicht mit, und die öffentliche
Meinung, so weit sie uns bekannt ist, thut
auch nicht mit. Wir verzweifeln an gar nichts,
wenn daS Reich sich, seine Kraft, sein Selbft-
vertrauen wiederzusinden in die Lage verfetzt
wirv; aber wir hoffen nichts, wenn die Zukunft
des Laudes, die Erlangung des FriedenS unter
erträglichen, ehrenhaften Bedingungen einzig
und allein auf die Vermittlung einer frcmden,
wenn auch augenblicklich befreundet scheinenden
Macht gestellt wird.

Wie der „N. Bayer. Kur." erzählt, soll
schleunigst die bayerische Armee mit Hinter--
ladungS-Gemehren versehen werden nach dem
Muster eincs vom Oberlicutenant v. Braun-
Mühl construirten Gewehres, mit welchem man
in der Minute 8mal feuern kann.

Times bemerkt, 1848 wäre dic Führung
Deutschlands Preußcn zugefallen, wenn die den
Nordländern eigcnthümliche Schroffhcit den
preußischen Dcputirten nicht zahlreiche Feinde
im Parlament gemacht hätte. Der Patriotis-
mus crwachte wieder in der schleswig-holstei-
nischen Frage, aber nur um von Oesterreich
und Preußen ein Schnippchcn geschlagen zu
erhalten; sie nahmcn die Herzogthümer als
Beute und geriethen dann darüber in einen
Streit, der nun zum Krieg geführt hat. Times
ist der Meinung, daß auch ohne denselben
Prenßen, wie in der Zoll-, so auch in der
politischen Frage, in einem deutschen Parla-
ment die Oberhand crhalten HLtte.

Vom Kriegsschauplatz.

Ein Fabrikant aus Neichenberg, der die
Stadt am Montag verlassen hat, berichtet, daß

dieser Ort zur Zeit von 1000 Mann Preußen
besetzt ist, bie Lagc sei trostlvS. Böhmen, sagt
diejer Gcwährömann, dcr so eben das Land
durchreist, sicht aus wie ein — Lchmhaufen;
zertreten, verwüstet, verödet!

Ein Correspondent der Kreuzz. vom 10. Juli
schreibt: „Das Loos dcr Verwunveten war An-
fangs sehr traurig; es sehlte natürlich bei ihrer
colossalen Anzahl faft an AÜem, an Pfiege, an
Räumlichkeiten, an Acrzten, an Utensilien, an
Lebensmilteln. Gegenwärtig indefsen ist durch
die äußcrst rasche und edle Hilfe von allen
Seiten und Vercinen, welche Hunderte von
Helfern und alleö Nöthige fenden, eine großc
Erleichterung verschafft, obwvhl noch immer
GroßeS zu thun bleibt. Die Johanmtcr und
Malthcser sind mit rührcnder Sorgfalt und Em-
sigkeit überakl bei der Hand. Die humanen
Bestrebungen unserer Lieben daheim verdiencn
das höchste Lob und erfreuen sich der dankbar-
stenAnerkennung bei den Truppen.. Wie schreck-
lich daS Loos der blessirten Krieger werden
kann, geht daraus hervor, daß man vorgestern
ganz zufällig mitten in ciurm Waldc Horice
(Horzitz) einen verlassencn österreichijchen Ner-
bandplatz entdeckt hal. 1163 verwunbcte Krie-
ger fand man vor, 800 warcu Leicheu, 300
noch lebend und schrecklich leidend an Wundcn,
Durst und. Hungcr. Wie köunen es die öfter-
reichischen Aerzle vor Golt unb ihrcm Gewissen
verantworten, daß sie ihre dahingestreckten Ka-
meraden feige und unbarmherzig verlassen haven,
um sich vor vermeintlicher Kriegsgefangenschaft
zu retten!"

Als wahrscheinlichstes Ziel der nächsten preu-
ßischen Operationen stellt die „Aügem. Ztg."
Fplgendes auf: „Der wahrfcheinlichste Opera-
tionsfall ist der, daß die preuß. Hauplmacht in
der Gegend von Brünn uud Znaim, etwa zwi-
schen dcr Schwarzawa und Thaya, eine Ccntral-
stellung bezieht und ihre Beobachtungsjphäre
einerseitö gcgcn Olmütz, andererseitö gegen Flo-
risdorf vorschiebt, die Verbindung zwijchen dcr
Donau- und Nordarmee bedroht und hier so
lange passiv bleibt, bis eine odcr die auoere
unserer zwei Armcen zur Vereinigung mit ber
andcren von Floriödorf oder Olmütz aus de-
bouchirt. Versucht dies nun eine dcr genannten
Armeen, so wird sich die preuß. Hauplmacht
dieser entgegenwerfen und sie zu schlagen sm
chen, bevor die andere zu ihrer Unterstützung
herbeieilen kann. Daß die Preußen weder Ol-
mütz noch Florisdorf anzugreifen beabsichtigen,
fcheint übrigens schon daraus hervorzugehen,
daß bis jctzt noch nichtS über den Nachschub
von Belagerungsgeschützen verlautet hat. Mit


Feldgcschütz allein könntcn sie aber keine der
beidcn Befestigungen angreifen."

Prag, 10. Juli. Glcich dcr Turnau-Kra-
luper Bahngesellschaft erhielten auch die fran-
zösisch - österreichische Gesellschaft der nördlichen
Staatsbahn und die Gesellschaft der böhmischen
Westbahn, oder vielmehr dic zurückgebliebenen
Beamten derselben von der königl. preußischen
Stadtcommandantur den strengsten Auftrag,
ihre Bahnen unverzüglich wiedcr herzustellen.
Auf der TtaatSbahn sollen die Strecken von
Prag bis Kolin und von Prag bis Kralup,
auf der böhmischen Westbahn die Strecke von
Smichow bis Beraun, wie es heißt, binnen 48
Stuuden fahrbar gcmacht werden. Die Strecke
der Staatsbahn zwischen Elbeteinitz und Kolin
ist von den Preußen selbst wieder in Stand
gcsetzt. — Die Nequisitionen, welche an die
Stadt gemacht werden, nahmen gestern grö-
ßere Dimensionen an. Es wurde von derselben
gefordert, daß sie außer der gänzlichen Berpfle-
gung der Besatzung auch für die außerhalb
Prags befindlichen k. prcußischen Truppen täg-
lich 40,000 Laib Brod und 3500 Cenlner Ha-
fer liefcre. Auch wurden von der Prager Ge-
meinde vorgestern eine größere Anzahl Fuhren
zum Recognoscirungö- und Patrouilledienst vor
der Stadt gefordert. — Ein Thcil der preußi-
scheu Truppen ist mit der Unterbringung in
Kasernen unzufrieden. Es mußten daher gestern
2000 bis 3000 Mann in Privatquartiere ver-

Wien, 12. Juli. Die Spitze der Süd-
armee ift erschiencn. Schon gestern Abcnd hat
ein Sonderzug die ersten 8000 Mann gcbracht,
heute trifft ein Geniebataillon und dcr gcsammte
Train hicr.ein. Und so wird man für Wien
noch hoffen dürfen, denn der Vortrab dcr preu-
ßischen Truppen stand, nach officiellen Berich-
ten, gestern crst in Jglau, vor sich findet er
zunächst die Cavalleriedivision dcs Fcldmarschall-
LieutenantS Prinzen v. Holstcin, und man rech-
net, daß der Feind einstweilen höchftens 50,000
Mann verfügbar hat, um gegcnWien zu operircn.

Wien, 14. Juli. Ueber Lundcnburg ver-
kchren starke Züge, welche Theile deS Nordhee-
res von Olmütz an die Donau bringen. Unter
des Herrn Erzherzogs Albrecht Oberbefehl fin-
den wir folgende Namen als Corpö-Comman-
danten genannt: Gondrecourt, Thun, Erzherzog
Ernst, Zaitscheck, Nodich, Ramming, Molinari,
Weber, Hartung und Gablenz. Die Reiterei be-
fehligen Edclsheim, Taxis, Pulz, Schleswig und
Coudenhove. Dem Generalstabschef ist beigege-
ben: Oberst v. Pyrkcr. Dic Operationökanzlei
leitet der Generalmajor v. Paumgarten.

Vom Kriegstheater in Böhmen.

Die österreichische „Militärzeitung" bespricht die
Concentrirung der Nordarmee bei Königgrätz und
gibt hierbet einige Anveutungen über den Plan
Benedek's. Dem bezüglichen Artikel entnehmen
wir folgrnbe Stellen:

So schön die Operationen der Nordarmee be-
gonnen haben, eben so schwierig haben fie fich im
Berlause der Action in der Durchführung erwiesen.
Nach den Siegen bei Münchengrätz und Nachod am
27. Juni berrschte das Bestrcben bes Obercom-
mandanten vor, die tn der Spaltung der feind-
lichen strategischen Front erlangten Vorthetle weiter
zu verfolgen. Die Spitze des in diese Front ein-
getriebrnen KeileS, das EorpS Gablenz, sollte
weiter eingetrieben werden; dieseS Corps sollte über
Trautenau bis an daS Gebirge vordringen und
durch Zurückwerfung brs feindlichen LentrumS die
vollstandige Trennung der beiden den Geblrgs-
rücken ersteigenden und au§ ven Päffen heraus-
drfilirrnden feindlichen Flügel bewirken. Sollte bieS
grltngen, sohin die feindliche schlefische Armee im
Vordringen über baS Grenzgebirge aufgehalten sein,

dann grdachte der Feldzeugmeister mit dcm Haupt-
theil der Armce gegen die feindliche lKlbarmce sich
zu wenden unb auch sclbe über die Grenze zurück-
zuwerfen. Während dei Angriffsoperationen gegen
bte schlesische Armee sollte die Iserlinie festgehaltcn
werden, um in der linken Flanke gedeckt zu sein.
Demzufolgc drang Feldmarschalllieutenant Baron
Gablenz mit dem zehnten Corps nach dem hart-
näckigen Treffen bei Trautenau am 27. Iuni, tn
welchem er daS erste feindliche Corps (Vonin) schlug,
bis Geldenöse vor und warf den Feinv über die ^
Grenze; alletn das über Braunau in seiner Rech-
ten hervorgebrochene feindliche Gardecorps zwang
ihn bald wiedrr, in die Stellung von Trautenau
zurückzugehen. Hier kämpfte der FML. Baron
Gablenz am 28- Iuni gegen die vrreinte Macht
der beiden feindlichen CorpS (erstes und Garde)
AnfangS mit Vortbeil, mußte fich aber schließlich,
vor der doppelten Uebermacht weichend, nach Kö-
niginhof an die obere Elbe zurückziehen. Diese Be-
wegnng geschah wie am Erercterplatze, eine Front-
veränderung links rückwärtS mit dem Pivot, wel-
chen daS 6. Corps (Ramtng) in seiner Aufstellung
bei Skalitz oberhalb Josephstadt btldete. In dieser

nerzen Aufstellung hinter den tief eingeschnittenen
felsigen Ufern der Llbe, in welcher 1778 die Armee
deS Kaiser IosephS II. allen Anstrengungen FriedrichS
des Großen getrotzt hat, konnte die Vereinigung
dcr betden feindlichen Armeen immer noch verhin-
dert werden. Und in der That bewiesen dieS die
furchtbaren Kampfe am 29. und 30. Juni auch
wtrklich. Dte CorpS von Raming und Gablenz
hielten den Stoß von drei feindltchen ArmeecorpS

> der feindlichen Armee können sohin die seit vier
Tagen durchgeführten Kampfe alle siegreich genannt
werden, da die feindliche schlefische Armee nicht
weiter vorzudringen vrrmochte; anderS verhält sich'S
aber auf dem österreichischen ltnken Flügel. Dirser
bildetc entlang der Jser daS Corps des GeneralS
der Cavallerie Grafen Clam-GallaS und daS Con-
^tingent Sachsen.

Die geringe Truppenmacht hatte eine Stellung
zu halten, die fich cntlang deS Flusses von
Iungbunzlau btS Eisenbrod zog, eine Strecke
von mehr alö fünf Meilen. Ungeachtet deffen ge-
lang dies in den ununterbrochenen Kämpfen vom
 
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