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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 178-204 August
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Urideiberger Ztilung.

M 18»


Dienstag, l i August 18««.

* Polilische Umschau.

Heidelderg, 13. August.

* Die Besiegung Oesterreichs und die uner-
wartete Machtentwicklung Preußens haben die
Verhältnisse Europas in solcher Weise veran-
dert, daß wohl Niemand im Stande war, den
eingetretenen Umschwung in allen seinen Con-
sequenzen zu übersehen, und nun drohen schon
wieder unermartete Creignisse, die von unbe-
rechenbaren Folgen für die Well sein können.
Kaiser Nayoleon soll bedenklich erkrankt sein
und mnßte von Vichy nach Paris zurückge-
bracht werden. Wir wollen hierbei zwar nicht
das Schlimmste befürchten. Aber wenn Na-
poleon's Tod gerade jetzl eintrclen solltc? . . .
Die ganze europäische Politik ist durch die eng-
sten Fäden mit diesem einzigen Manne ver-
wachsen; er allein repräsenlirt das gegenwär-
tige Frankreich; die Ereignisse der letzten Zeit
haben uns noch deutlich bewiesen, welche ge-
wichtige Posilion er in Europa einnimmt.
Welchen Einflüssen wird Frankreich nach seinem
Tode anheimfallen, wird sein Nachfolger die
Kraft haben, der durch die preußischen Erfolge
in Frankreich offenbar sehr aufgeregten öffent-
lichen Mcinung zu widerstehen, und wird man
nicht vcrsuchcn, innere Schwierigkeiten durch
einen auswärtigen Krieg zu beseitigen? Der
Tod Napoleon's, gerade in dicsem Augenblick,
wäre ein Unglück und konnte leicht ein allge-
meines Chaos verursachen. Preußen, im Augen-
blick stolz und stegestrunken, daß es die Fessel,
die Frankreich seiner Vergrößerungssucht an-
legen will, nicht beachtet, würde sich plötzlich in
einer ganz veränderten Lage befinden, wenn die
Militärmacht Frankreichs ihm gegenüber träte,
während im Nücken ein grollender, nur halb
besiegter Gegner die Gelegenheit zu einer Re-
vanche crspäht. Aber ganz abgesehen von der
Eventualität einer ernstlichen Krankheit oder
gar des Toves Napoleon's, ist das Verhältniß
Deutschlands zu Frankreich in den letzten Tagen
ein jehr ernstes geworden, obwohl wir an einen
förmlichen Fricdensbruch so bald nicht glauben.
Die Franzosen können sich nicht in den Ge-
danken finden, datz ein wichtiger Krieg zu Ende
gehe, ohne daß ihre eigenen Kanonen ein Wort
mitgesprochen, daß eine andere Macht eine gleiche
oder noch größere Leistung vollbracht, wie im
Jahre 1859, daß endlich an ihrer Seite sich
eine neue Macht erheben soll, die ihnen für
immer den Weg zu ihren sog. natürlichen
Grenzen versperren würde. Zndem scheint das
Einverständniß (die entents eorckiuls) zwischen
dem Berliner und Pariser Hose zur Zeit nicht

besonders innig zu sein. Die fehlende Auf-
merksamkeit in dcr preußifchen Thronrede be-
züglich einer Erwähnung der napoleonischen
Vermittlung hat um so unangenehmer berührt,
als man der öffentlicheu Meinung gegenüber
durch eine solche Anerkennung wieder eine ge-
wisse Rechtfertigung gewonnen haben würde.
Preußen gerirt sich zur Zeit vollkommen alS
Herr der Situation, die übrigen Mächte schei-
nen für seine Regelung der deutschen Ange-
legenheiten kaum vorhanden. Hierdurch erhal-
ten (wie wir früher schon erwähnt haben) be-
sonders die legitimistischen und orleanistischen
Organe (insbesondere das Siecle!) einen neuen
ergiebigen S^ff für ihre Agitation. Gleichwohl
ist sehr die Frage, ob Napoleon für sich
persönlich ctwaS Entschcidendes thun wird,
wahrlich nicht aus Großmuth oder Hochherzig-
keit, sondern einfach, weil er sich ursprünglich
verrechnet hat, und der günstige Augenblick jetzt
vorbei ist. Preußen wird — so ist jetzt doch
wohl anzunchmen — gutwillig nicht deutsches
Land ausliefern, und so wird Napoleon —
so weit ihm nämlich die Ereignisse nicht über
den Kopf wachsen — es vorziehen, das Schwert
in her Scheide zu lassen, und lieber in guter
Nachbarschaft mit Preußen zu bleiben, dcffen
Freundschaft ihm unter Umstänben, namentlich
bei einer Krisis im Oriente, von großem Nutzen
sein kann.

Der „Köln. Ztg." schreibt man aus Wien,
6. Aug. „Zwar wird über den Waffenstillstand
mit Jtalien direct verhandelt; gleichzeitig aber
ist dem Luilerien-Cabinet, welches den Anspruch
der Florentiner Regierung auf Südtyrol. for-
mulirt als Berichtigung der italienisch-österrei-
chischen Grenzen, hierher übermittelt hat, dar-
gelhan worden, daß die österreichische Regierung
entschlossen ist, ihren Friedcn mit Jtalien nur
unter den folgenden Bcdingungen zu machen:
1) daß vor Abschluß des definitiven Friedens
keinc Festung dem italienischen Heere einge-
räumt werde; 2) daß für das Festungs-Viereck
eine entsprechende Compcnsation geleistet, und
außerdem eine der Größe und der Bevölkerung
Venetiens entsprechende Quote der österreichi-
schen Staatsschuld von dem Königreich Jtalien
übernommen werde (welche Quote nach einer
ungefähren Berechnung etwa 150 Millionen
Gulden betragen würde), und endlich 3) daß
die Florentiner Rcgierung die vermeintlichen
Ansprüche auf das trientinische Gebiet aufgcbe.
Die directe Abtretung Venetiens an Jtalien
würde kcine besondere Schwierigkeiten machen.
Jn Paris ist. ferner angcdeutet worden (Graf
Blome übernahm die hierauf bezüglichen Auf-

träge), daß man sich genöthigt sehen werde,
falls das Florentiner Cabinet sich weigern
würde, für das Festungs-Viercck eine entsprc-
chende Compensation zu leisten, sämmtliches
Kriegsmaterial aus den Festungen in das Jn-
nere des Neichcs zu bringen."

Man schreibt der „Rhrin. Ztg." aus Berlin:
„Was man über die Spannung zwischen der
preußischen Rcgierung und dem französischen
Kaiscr hört, stcht im engsten Zusammenhang
mit den Vermittlungsplänen, welche das russische
Kabinet zu Gunsten einiger kleinen Dynastien
zu erkennen gegeben hat. Alles in Einen Satz
zusammengefaßt, foll Napoleon jetzt bchaupten:
Prcußen beanspruche gegen die Mainmündung
zu viel; wenn es Nassau und Hessen-Darm-
stadt sich einverlcibe, so müsse Frankreich an
der Saar und in der Pfalz die Herstelluug
der Grenzen von 1814 fordern."

König Ludwig II. hat zur Linderung der
Noth in Uuterfranken 10,000 fl. angewicsen.

Nach einem Telegramm der Wiener „Preffe"
aus Beneschau vom 10. „gehen starke preu-
ßische Truppenzüge aus Oesterreich nach der
Rheinprovinz."

Aus dem von Preußcn besctzten Leipzig
schreibt dic „D. A. Ztg.": Die beiden Druck-
schriften „An die deutsche Nation. Manifest von
Arnold Ruge" und „Die Zukunft der nord-
deutschen Mittelstaaten von Heinr. v. Treitschke"
sind wegen ihres an verschiedenen Stellen zu
hoch- und staatsverrätherischen Handlungen
(Vertreibung deutscher Fürsten rc.) auffordern-
den Jnhalts, beziehentlich was die letztere Schrift
anlangt, aüßerdem auch we gcn mehrfacher schwc-
rer beleidigender Aeußerun gen über den König
von Sachsen und die königlichen Prinzen am
8. August von der Berlincr Polizei confiscirt
und provisorisch in Beschlag genommen worden.

Nach der „Bank-Ztg." will man in Wien
bestimmt wissen, daß Preußen den Frieden nicht
ünterzeichnen werde, bevor nicht die Abtrctung
Venetiens an Jtalien in aller Form erfolgt sei.

Das Kasscler Gesetzblatt bringt einen von
dem Gouverneur und dem Administrator unter-
zeichneten Erlaß, <1. 6. 9. August, wonach die
General-Postinspcction in Kassel aufgehoben
und die Functionen derselben der preußischen
Generalpostdirection in Frankfurt a. M. über-
tragen werden. Die landesherrlichen Posth oheitS-
rechte gehen auf den Administrator v. Möller
über und werden von einem Vertreter des Fi-
nanzministeriums ausgeübt.

Deutschland.

Karlsruhe, 11. Aug. Dic „Karlsr. Z."

Wertheim, 8. Aug. Leider ist es nur zu wahr,
daß dte Cholera dahier ausgcbrochen ist. Es sind
beretts 9 Tage, daß fich diese unheimliche Krank-
hett bei uns einstellte. Dem Vernehmen nack wurde
fie durch Soldaten deS Hamburger Conttngents in
die hiesige Gegend gebracht. Einige Tage nach der
am 26. v. Mts. bet Uettingen und Roßbrunn statt-

find an derselben erkrankt: 3, und diese tn der
Wiedergenesung begriffen. Bis jetzt hat fich die
Cholera ihre Opfer nur aus der Reihe der Sol-
daten gefordert, undE»nan gibt fich der Hoffnung
hin, daß solche ihren Höhepunkt erreicht haben wird.
Auffallend tst eS, daß die Zeitungen nichts oder
nur außerst wenig von den Kriegs-Calamitaten be-
rtchten> von denen die Stadt Wertheim heimgesucht
wurde, so daß man auSwärts leicht glauben dürfte,
wir hätten hter seither im tiefsten Frieden gelebt
und keinerlet Strapazen durchgemacht. Allein dem
ist nicht so; vielmehr steht die Thatsache fest, daß

von Fltes'sche Armeecorps, 20,00l> Mann stark,
auf seinem- Durchzuge hier und in der nächsten
Umgegend Quartiere bezogen hat, daß von der
Stadt und dem Bezirke enorme, ja geradezu uner-
schwingliche Requtfitionen erhoben wurden, baß
am Dienstag, den 24. v. M. Morgens, etn Zusam-
menstoß der königl. preuß. und königl. bayerischen
Truppen in hiefiger Stadt zu befürchten war, der,
wie uns selbst preußische Artilleriehauptleute ver-
ficherten, möglicherweise die Zerstörung der Stadt
durch Bombardement zur Folge haben konnte, und
daß die Säle des Lyceums, ber große Saal im
Gerichtsgebäude, der große Saal im Löwensteiner
Hofe, die evangeltsche'VolkSschule, der Saal im
Kuttenwirthshause und das sogenannte v. Jage-
mann'sche HauS q-it leicht und schwer verwundeten
Soldaten angefüllt sind, während fich die Cholera-
kranken auSschließlich im Hospital befinden. Fast
jeden Tag werden 80—90 transportable Verwun-
dete per Schiff nach Aschaffenburg und Frankfurt
verbracht, während immer wieder die hiefigen La- '

Militär- und Civilärzte auS aller Herren Länder,
Johanniter, Maltheser, Diaconissiunen, barmher-
zige Schwestcrn, drei im Louisenhause zu Karls-
ruhe gebtldete Krankenschwestern, nicht mtnder aber
auch Jungfrauen auö hiefiger Stadt in gleich rühm-
licher Hingebung und Aufopferung. Daß durch die
koloffalen Einquartierungen den Einwobnern die
empfinblichsten Opfer auferlegt worden, bedarf wohl
keiner näheren Ausführung, aber rühmend sei der
Hilfe gedacht, die unS von der großh. Staatsregie-
rung, den benachbarten Amtsgemeinden, insbefon-
bere aber auch dem Frauenverein in Karlsruhe, an
dessen Spitze ja unsere theuere Landesfürstin steht,
in reichlichem Maße geleistet wurde. — Wenn nur
auS dieser blutigen Saat eine gute Erndte für daS
geliebte Vaterland erwächst; dann sollen alle Kriegs-
beschwerden gerne getragen und alle Opfer wtllig
gebracht sein! (Mannh. I.)

London, 30. Juli. Es liegt uns jetzt der Taris
für die vermittelst deS atlantischen Cabels nach

O
 
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