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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 257-282 November
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Midrlberger Zeilung.


Mittwoch, 14 November

18««

N

* Politische Umschau.

Heidelberg, 13. November.

* Ueber dic Bundcsliquidations-
commijsion in Frankmrt hört man Folgen-
dcs: Sie soll dem Vernehmen nach zwar eine
sehr rege Thätigkeit entwickeln, mit ihren Ar-
beiten wird sie jedoch allem Anscheine nach erst
nach einigen Monaten zu einem Schlußresul-
tatc kommen. Die ihr vorliegenden, zum Thcile
vcrwickelten Fragen sind meistens generell ent-
schieden und werden nun im Speciellcn bear-
beitet. So hat man dic Grundsatze für die
Ordnung und Abwickelung des Kassen- und
RechnungswesenS in den ehemaligen Bundcs-
festungen feftgestellt, und ebenso die Grundsatze
übcr die schwierige Feststellung des Bcstandes
und Werthes dcs Festungscigenthums an Ar-
tillerie- und Gcnie-Material, der Einrichtungs-
gegenstände für dic Kasernen, Stallungen,
Spitäler rc. Die lctztgedachte Arbeit soll zu-
uächst Localcommissionen aus besonderen Fach-
männern übertragen werden. Diese Arbeilcn
werden dann dcr Liquidationscommission zur
Prüfung und Revision unterbreitet werden.
Von Seiten Oesterreichs war der Anspruch
erhoben worden, auch das unbewegliche Bun-
deseigenthum zum Gegenstand der Auseinan-
dersetzung zu machen. Der preußische Bevoll-
mächtigte erhob jcdoch gegen diesen Antrag, al^
angeblich nicht zur Competenz der Commission
gehörig, Einsprache, und sämmtliche übrige Be-
vollmächtigte traten der Auffassung Preußens
dei. — Fordcrungen von Privaten an das
Bundesvermögeu sind bis jetzt nur wenige an-
gemeldet worden, und es bezieheu sich dieselben
meistens auf dic Zeit nach dcm 14. Juni, z. B.
auf gefällte Obstbäume, Anlegung von schan-
zen und andere Eigenthums-Beeinträchtigungen
in Folge der Kriegsoperationen.

Wie von Berlin der „D. A. Z." berichtet
wird, geht das Gerücht, daß eine Begegnung
zwischen dem König Wilhelm und dem Kaiser
der Franzosen bevorstehe, an welche stch mög-
licherweise im Frühjahr ein Besuch deS Kaisers
in Berlin knüpfen dürfte.

Das Verbot der „Kieler Zeitung" ist vom
Oberprästdium wicder aufgehoben worden.

Jm Pesther „Hon" findet sich heute ein Pro-
gramm Jokai's: Ungarn gehöre dem Ungar-
Könige; keinc Einmischung in transleithanische
Angelegenheiteu; Freiheit nach Jnnen, Wah-
rung der Machtstellung des Ungar-Königs nach
Außen, gegenscitiger Schutz zwischen Krone und
liberalen Jnstitulionen; Ungarn dient nur
seinen eigenen Jnteressen, reicht aber die Bru-

derhand den durch gemeinschaftliche Jnteressen
verbundenen Nachbarvölkern.

Jn dem Eröffnungsrescripte für den unga-
rischen Landtag werden Staatsschuld, indireete
Stcuern und das gesammte Heerwesen unab-
weisbar gemeinsame Reichsangelegenheiten ge-
nannt.

Das von der Militär-Reorganisirungs-Com-
mission als Gruudlage angenommene System
soll die Wehrpflicht aller Franzosen zwischen
dem 19. und 30. Jahr feststellen.

Dic eidgenösstsche Expertencommisston für
Hinterladungswaffen, welche am Freitag in
Bern Sitzung hielt und am Samstag mit der
taktischen Commission konferirtc, hat beschloffen,
den eidgenössischen Behörden die Einführung
des Winchester-RepetirgewehreS sür die ganze
Bundesarmee zu empfehlen.

Dcr „Mondc" berichtet heute über eine schreck-
liche Katastrophe, welche die christlichen Bewoh-
ner der Jnsel Candia heimgesucht hat, welche
schon ohnehin so grausam von den Uebeln des
KriegeS zu leiden hatten. Sechs Hundert grie-
chische Familien, die ihre Dörfcr verlaffen hat-
ten, hatten sich in die berühmte Grottc Meli-
doni geflüchtet. Fürchterliche Regengüsse über-
schwemmten diese Höhle und ihre Bewohner
ertranken sämmtlich. Man zählt an brei Tau-
send Opfcr dieses schrccklichen Unzlückes.

Deutschland.

Karl'sruhe, 10. Nov. Das großherzogl.
Regierungsblatt Nr. 65 enthält: I. Eine un-
mitlelbare allerhöchstö Entschließung S. K. H.
deS Großherzogs; wornach stch Höchstderselbe
gnädigst bewogen gefunden hat, dem Jnlius
Weissenburgcr, ck« Zivisioii im Ooinptoii-

ä'esoompte 6« kuris, die unterthänigst nach-
gesuchte Erlaubniß zu ertheilen, das ihm von
dem Bei von Tunis verliehene Offizierkreuz
des Nichan-Jftikharordens annehmen und tra-
gen zu dürfen. II. Verfügungen und Bekannt-
machungcn der Ministerien: 1) Gr. Ministe-
riums des Jnnern und zwar vom 3. d. M.,
besagend, daß an Stelle des Pfarrers Fernand
in Binzcn, welcher nm Enthebung vom Deka-
natsdienste nachgesucht hat, Stadtpfarrer Schel-
lenberg in Lörrach zum Dekan dieser Diöccse
gcwählt ist; vom 7. d. M., die Ausübung der
den Verwaltungsbehörden durch das Polizei-
strafgesetzbuch vorbehaltenen Zuständigkeiten be-
treffend, und vom 9. d. M., lautend: Mit
Rücksicht auf den dermaligen Stand der Rin-
derpest in der Schweiz und in Oesterreich und
die von den Nachbarstaaten ergriffenen Maß-
regeln sieht man sich veranlaßt, auf erhobenes

Gutachten des Obermedicinalraths, unter Ab-
änderung der dieffeitigen Vcrordnungen vom 3.
und 11. v. M. (Regierungsblatt Nr. 55 und
und 59) anzuordnen: I. Die Ein- und Durch-
fuhr der in der dieffcitigen Verordnung vom

3. v. M. bezeichneten Thiergattungcn u. Thier-
producte wird längs der ganzen Südgrenze des
Großherzogthums wicder freigcgeben, mit Aus-
nahme jedoch des unmittelbaren Verkehrs zu
Schiff mit Vorarlberg und den schweizerischcn
Cantonen St. Gallen (bezw. Appenzell). Jn
den dieffeitigen Häfen des BodenseeS ist die
Einfuhr jener Thiere und Thierabfälle nur
dann gestattet, wenn durch amtlich beglaubigte
UrsprungSzeugnisse dargethan ist, daß diesclben
nicht aus Oesterreich oder den bezeichneten Can-
tonen der Schweiz kommen. II. Die Durch-
fuhr der aus Oesterreich stammenden, für Frank-
reich bestimmten unmittelbaren Transporte von
Schafen ist, wenn eine Ausladung der letzteren.
in Kehl nicht stattfindet und die TranSporte
in zollamtlich verschlossenen Wagen anlangen,
ohne weitcre Beschränkung gestattet. Die Aus-
ladung und Fütterung. der Schafe in Kehl ist
dagegen nur unter folgenden Bedingungen zu-
lässig: 1. Die Schaftransporte müffen in ab-
gesonderten Zügcn, welchen kcine andern Vieh-
wagen angehängl werden dürfen, in Kchl an-
langen. 2. Der in den Wagen befindliche
Dünger muß ohne Verstreuung aufgefaßt und
durch Anwendung geeigneter Desinfectionsmit-
tel unschädlich gemacbt, auch die Ausladestelle
desinficirt werden. 3. Die Schafe müssen von
dem Ausladeplatz auf dem hinter der Stadt
hinziehenden Wege, unter sorgsältiger Vermei-
dung der Berührung mit anderem Vieh, zur
Fütterung in die Stallungen gebracht werden.

4. Für die etwa krank befundenen Schafe,
welche nicht sofort übcr die französische Grenze
gebracht werden, hat die Gemeinde Kehl einen
Quarantänestall herzurichtcn, welcher vollstän-
dig gegen anderes Vieh abgesperrt gehalten
werden muß. 5. Für die kranken Schafe, de-
ren Tödtung polizeilich angeordnet wird, sowie
für die nöthig befundene Desinfection der
Stallungen haben die Eigenthümer keincn Er-
satz anzusprechen. 6. Die Ausladung der an-
kommenden Schaftransporte, das Vcrbringen
der Schafe in die Stallungen und über den
Rhcin, sowie die erforderlichen Desinfcctionen
sind von dem Bezirksthierarzt in Kehl zu lei-
ten und zu überwachen. 7. Die Kosten der
Errichtung eines Quarantänestgfls, der Des-
infectionen beim Ausladen und der unter Zif-
fer 6 erwähntcn Ueberwachung hat die Ge-
meinde Kehl vorbehaltlich ihreS Rückgriffs auf

Frankfnrt. Die Zcitsckrift „Dabeim" enthält

ficb natürlich nicht leicht bestimmen, welcher Grad
von Glaubwürdigkett solchen Schilderungen in etnem
belletristischen Blatte zukommt; wo immer aber auch
bie Grenzlinte zwischen Wahrhett und Dichtung sein
möge, ganz aus der Luft gegriffen dürfte der Be-
richt schon deßhalb nicht sein weil er in einem in
Prcußen selbst erscheinenden Blatte veröffentlicht ist,
und wir wollcn daher den Schlußabschnitt, cben

aus mittheilen. General Vogel von Falckenstein
sagt hiernach: „Wie cin Reiter, ber sich fest auf's
Pferd gesetzt hat und fich Herr deS TdiereS fühlt,
so fühlte ich erst nach Langensalza, daß ich über-
-aupt eine Armre habe! Nun kam Dermbach und
NetthardShausen, in mcincn Augen dic Entschei-
dung deS ganzen 'FeldzugeS. Bei Dermbach wurde

j mir selbst mein ganzer Feldzugsplan klar; bei
Dcrmbach begriff ich, daß ich die Feinde nur zu-
rückdrängen müßte, daß meine Hauptaufgabe wäre,
fie zu trcnnen, sie aus der Kaffung zu brtngen.
Es ist mir gelungen, aber ich sage Ahnen, es
ward mir an dem Tage ganz wehmüthtg um's
Herz, alS ich Goeben inmitten seiner brillanten
Affaire aufhalten mußte, und dte braven Zungen
sahen mich an, als wenn fie mtch auffreffen woll-
ten, alS fie erfuhren, daß auf meinen auSbrück-
lichen Befehl fie am Abend deS Sieges dieselben
Quartiere beziehen mußten, die fie am Morgen
verlassen. Mcin Plan gclang." — „Und wie man
sagt, hat der Gegner dabei redlich mitgeholfen,"
unterbrach ich (d. h. der GewährSmann deS „Da-
hctm") lächelnd. .Zch weiß nicht, was ich Zhnen
darauf antworten soll," erwiderte der General,
„ich wciß allein nicht, wo es bei unsern Gegnern
stcckte; ich verfichere Sie, sowohl die Bayern, als
auch die ReichS-Armee haben fich wie brave, tüch-
tige Soldaten geschlagen, und dte deutsche Tapfer-
keit hat auf betden Seiten wahrhaft BewunderungS-
würdigeS geleistrt; die Officiere habcn thre Pflicht !
gethan, und die Zahl der Todten und Verwunde- l

schießen zweifelSohne besser als unsere Soldaten,
prachtige Lavallerie, gute Waffen, genaue Kennt-
niß des Terrains, stets die Vortheile der Defen--

große Hinderniffe darbietet, und doch, doch, trotz
alle Dem! Zch weiß nicht, woran eS ltegt." —
„Vielleicht an der obersten Leitung?" — „Dte mag
freilich zu wünschen übrig gelassen haben, wenn
man auch nickt das geringste Gewicht auf alle diese
Schandschriften, die jetzt im Süden erscheinen und
bie man mir regelmäßig zuschickt, legrn muß. ES
fehlte Einheit, Energie der Führung, man sah,
daß die Oberleitung der Gegner die Organisation
der preußischen Armee nicht oder gar wenig kannte,
von deren Leistungsfähigkeit keine Zvee hattc. Die
Führung war nicht unfcrer Zeit angemeffen, alles
DaS ist ricktig und wahr, aber -immer nock nicht
der wahre Grund diesrr betspiellosen Schwäcke; der
Grund liegt meiner Anficht nach in der ganzen Orga-.
ntsation! Zch werde eS nickt mehr sehrn, aber wenn
alle deutsche Armeen einst nach c-em Muster der
unseren organisirt sein werden, vann möge dte
Welt nur kommen. Bei Bschaffenburg habe ich
 
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