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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 231-256 Oktober
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eidelbergkr Zeituna.


* Politifche UmscbttU.

Heidelberg, 23. OeLober.

* Der Friede zwischen Oesterreich
und Ztalien, dcr nach langjähriger heftigcr
Feindschaft abgcschlossen ist, erscheint schon vom
geschichtlichen Gcsichtspunktc auS als von großer
Bedcutung. Die Vorstellung, wclche Jahrhun-
derte lang dic deutschen Kaiser besangen hiclt,
daß sie die Nachfolgcr der Kaiser des alten,
weltbeherrschcndcn Nom's seien, war gewisser-
maßen auf die Kaiser von Ocsterreich überge-
gangen. Mit allen Kräften suchtcn diese in
Jtalicn gcrade wie in Deutschland einen maß-
gebenden Einfluß festzuhalten. Sie wurden
hievon nicht abgehaltcn durch die große ge-
schichtlichc Lchre vou den zahllosen Verlusten
und den für Deutschland so traurigen Folgen
der Bestrebungen vieler deutscher Kaiscr , in
Jtalien Stand zu halten; der Ströme deutschcn
Blutes, welches für jene Jdee der deutschen
Kaiserdynastie gellossefl ist, das Schicksal von
Otto H., die Kümpfe der deutschen Heinriche
und Lothar's, das Verhängniß der Hohenstau-
fen, insbesondcre das traurige Ende Konradin's
und vieles andere Mißgeschiä ^atteu Oesterreich
nicht davon abgebracht, im Bundc mit Nom
dcn Fortschrittcn der Neuzeit auf der apennini-
schen Halbinsel entgegenzuarbeiten. Endlich hat
die natürliche Kratt, wclche dcn nationalen
Völkerbestrcbungen innewohnt, mit Hilfe der
Eifersucht Frankreichs und dem in dicsem Som-
mer für Oesterreich unglücklich abgelaufenen
deutschen Kriege die Auseinandersctzung mit
Ztalien vollendet. Zwar war Ocsterreich schon
einmal . zu Anfang dieses Iahrhunderts, ganz
aus Jtalien verwiescn; seine gegcnwärtige Ver-
bannung daraus trägt aber die Bürgschaft der
Dauer in sich, wcil diesmal ein geeinigtes Jta-
lien dasteht, das auf die Erhaltung seiner
Grenzcn sehen wird, und weil gcrade die Nie-
derlagc, welche die biSherige Hauptrichtung
Oesterreichs jüngst crlitten, jener Cabinetspoli-
tik, wie sie auS vcrgangenen Zeiten in die Ge-
genwart hineinragte, dcn Hauptstoß versctzt zu
haben scheint. Gerade die Ereignisse dieses
Jahres zeigen es, daß die Politik der Staaten
von den unabweiSbarcn Nationalbcdürfnissen
heute bestimmt werden muß: Jndem'Ocster-
reich aber sich gänzlich aus Jtalien zurück-
zieht, überläßt es damit auch den Papst
seinem Schickjale, der nun ebcnso genöthigt sein
wird, sich mit Jtalicn zu verständigen, und
zwar dürfte dics geschchcv, ehe noch dicses Jahr
seinen Lauf vollbracht hat.

Am 4. Novembcr soll in Stuttgart eine grö-

Mittwoch, 24 October

ßere Versammlung von Anhängern der ver-
schiedencn Richtnngen großdeutschen Programms
abgehalten wcrden und gcstützt auf die Beschluß-
fassung dcr würtembergischen Kammer vor Allem
die Frage dcr Einrichtung des süddcutschen
BundeS ventilirt werden.

Nach einem Ministerialrescript sollen die
Vorbereitungen zu den Wahlen für das nord-
deutsche Parlamcnt möglichst schnell getroffen
werden.

Die sächsische „Constitutionelle Zeitung" be-
richtet aus DreSden vom 22. d.: Die gestrige
Volksversammlung hat beschlossen, bei dcr Lan-
descommission gegen den' Zusammcntritt der
reactivirten Stände, welche weder rcchtlich noch
sachlich Volksvertreter seien, zu protestiren, fer-
ner eine Petition um sofortige Wahlen zu
einer verfassungsmäßigen VolkSvertretung ein-
zureichen.

Nach der zwischen Preußen und Sachsen ge-
troffencn Vereinbarung wird die sächsische Ar-
mee vollständig aufgelöst und dann, ganz nach
prcußischem Muster und unter bleibendem eng-
stcn Anschlnffe an die Armee des nordeutschen
Bnndes, reorganisirt.

Ein Extrablatt des „Dresdener Journals"
vom 22. d. mcldet officiell: Gestern wurde in
Berlin der Friede zwischen Sachsen und Prcu-
ßen unterzeichnet.

Die in vielen Zeitungen enthaltene Nach-
richt von dem Verkauf der Nhein - Nahebahn
an die Rheinische Bahn wird bestimmt als falsch
bezeichnet.

Jn der Bevölkerung Oesterreichs herrscht eine
allgemeine Hoffnungslosigkeit, eine allgemeine
Stagnation droht jeden politischen Aufschwung
zu ertödten, die mit so großem Pompe ange-
kündigte innere Action läßt noch immer auf
sich warten und dcr Wiederaufbau der Monar-
chie ist mehr denn je in Frage gestcllt. Das
abcr ist nicht anders möglich, herrscht doch selbst
in jenen Kreisen, welche als das Tricbrad der
Vcrwaltungsmaschine angesehen werden, eine
erschrcckende Apathie , Mißmuth und Mißver-
gnügen. Ueberhaupt gcht Alles den alten
Schlcndrian fort. Die unverantwortlicheu Fehler
des letzten FelozugS hat man damit gesühnt,
daß die Generalr Bencdek, Henikstein und Kriz-
manik im Gnadenwcge pensionirt, ein pagr
subalterne Osficiere erschossen und cinige Stabs-
osficiere cassirt wurden!!

Die feierliche VolkSabstimmung über den An-
schluß VenetienS an Jtalien wurde am 21. in
allen Städten Vcnctiens mit der größten Be-
geisterung und unter allgcmcinster Theilnahme


vollzogen. Fast die Gesammtheit der Wähler
stimmte mit Ja. Jn den Dörfern gingcn die
Pfarrer den Bewohnern mit ihrem Beispiel
voran.

Jn Verona sollen nicht weniger als sechs
neuc Zeitungcn erschcinen, darunter auch der
„Messaggiere" von dem bekannten Caumo in
Roveredo.

D e u t s ch l a n d.

Karlsruhe, 21. Octbr. Seine Königliche
Hoheit der Großherzog haben den königl.
prcußischen außerordentlichen Gesandten und
bevollmächtigten Ministcr, Grafen v. Flemming,
am 19. d. Mts. auf Schloß Mainau zu em-
pfangen und aus deffen HLnden das Schreiben
Sr. Majestät des KönigS von Preußcn entge-
genzunehmen geruht. welches densclben in ge-
dachter Eigenschaft am großherzoglichen Hofe
auss neue beglaubigt.

Karlsrube, 22. Oct. Durch höchsten Be-
fehl Sr. Königl. Hoheit dcs Großherzogs
wird Major v. Türckheim vom (1.) Leib-
Dragonerregiment zum Flügeladjutanten er-
nannt und derselbe gleichzeitig zur Dienstleistung
auf großh. Generaladjutantur befehligt; ferner
Lieutenant Graf v. Traun vom Festungs-
Artilleriebataillon in das Feld-Artillerieregiment
versetzt, und dem aus dem ArmeecorpS entlas-
senen Oberlieutenant Sander der Charakter
als Hauptmann und die nachgesuchte Erlaubniß,
die Uniform der Officiere vom ArmeccorpS zu
tragen, ertheilt. — Oberlierttenant Schneider
vom (1.) Leib-Grenadierregiment wurdc in den
Rrchestand versetzt.

Karlsruhe, 22. Oct. Das Regbl. Nr. 61 enthält:

sikalischer Jnstriimenle, und einen Vermöaensantbeil,

rnnd 9200 fl. ergeben hat. der großh. Regierung zu
einer Stiflung sür wiss.nschaftliche und künstlerische
Zwccke geschenkti Diese Stiftnng hat nach höchster Ent-
schließnng Sr. Königl. Hoheit des Gr'oßherzogs aus

Eifersucht über das Grab hinaus.

Ein reicher junger französischer Cavallerieofficier
verlobte sich mit einer jungen Wittwe, deren erster
Mann geizig wie Harpagon und eifcrsüchtig wie
Othello gewesen war. Das erste kirckliche Auf-
gcbot der Verlobten hatte schon stattgcfundrn, alS
plötzlich ein frankirter und von der Hand des ver-

verficherte, dek Schreibcr werde erscheinen und die
jungen Leute erwürgen, falls dte Heirath wirklich
stattfinden sollte. Der Officier hatte mehrere Feld-
züge mitgemacht und daher keine Furcht vor Gei-
stern und Gespcnstern. Er ließ also das Aufgebot
ruhig am nächslen Sonntag zum zweitcn Mal ver-
lesen. Wiederum kommt ein Drobbrief aus der
Unterwclt in noch heftigeren Ausdrücken, wie der
vorige. Nock ein dritter, vierter Brief, einer im-
mer noch wüthender als der andere, wird abgege-
ben. Endlich versammelt dte junge ersckrockene
Wittwe ihr ganzes HauS und sagt zu ihren Do-
mestiken: „Ibr seid alte und treuc Diener und ich
würde Euch behalten haben, wenn ich mtch wieder

bleibrn, so will ich mich in die Einsamkeit zurück-
ziehen und entlaffe Euck daher Eures Dienstes."
Die Diener hören diese Worte, welche yer Officier
der jungen Wittwe in den Mund gelegt hatte, mit

Packet Briefe übergeben babe, mit dem bestimmten
Befehl, dicselben nach einander auf dte Post zu
geben, sobald die gnädige Frau bie ersten Sckritte

Poststempel deS FegefeuerS oder deS Paradieses
hätten, bamit sie erkenne, daß er die Wahrheit
gesprochen habe. Natürlich wurde das HauSpersonal
im Dienst behalten und die Heirath fand statt.

(Ein übereifriger Leremonienmeister.)
Man Ichreibt der „Indep. belge" aus Petersburg
untcrm 7. d. M.: Bei Gelegenheit dcS EmpfangeS
der Prinzesfin Dagmar in Pctersburg ereignete sich

! einer jcner unliebsamen Vorfälle, die pikanten Stoff
genug bieten, um bie oft unangenehmen Folgen
des „trop äe rele" abermals zu illustriren. In

hatte der Arrangeur dcs Ganzen. Graf Adlerberg,
Mtnister des kaiserlichen Hauses, die Tactlosigkeit,
dem Publikum durch zahllose in den Logrn und
Fauteils vcs Parterre vertheilte AvisoS jene Vor-
schrift der Hofctikette in Erinnerung zu bringen,
nach welcher jede lautc Beifallsbezeigung bei An-
kunft und in Gegenwart des kaiserlichen HofeS
untrrsagt sei. Allgemeines Geflüster, Bemerkungen
im Hause über dtese gerade in diesem Momente
sonderbare Erinnerung. Unterdeß naht der Kaiser;
überall empfangen ihn und Prinzessin Dagmar
enthufiastiscke Rufe des Volkes auf den Straßen;

Er verneigt sich gegen das Publikum, jedoch nur
tief gesenkte Häupter und lautlose Stille erwiedern
dicsen Gruß. Bctroffenheit malt fick sowohl in den
Mienen des Kaisers, als der Prinzesfin Dagmar.
Iedoch noch nicht genug, etne zweite Tactlofigkeit
 
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