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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 231-256 Oktober
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Utidelbergtr Ieilmig.


Samstag, 27 October


N

* Poiitische Nmscbnu.

Heidelberq, 26. October.

Ein Extrablatt des „Dresden. Journ." ver-
öffentlicht den Friedensvertrag mit Preußen.
Die HauPtbestimmungen sind: Sachsen tritt
dem norddeutschen Bunde bei; seine Armee
wird nach Feftstellung der entsprechenden Be.
stimmunge» für den norddeutschen Bund reor-
ganisirt; Dresdcn und Königstein behalten ge-
mischte Besatzungen; bis zur Reorganisation
stellt Preußen die nöthigen BesatzungStruppen;
die Kriegsentschädigung beträgt 10 Millionen;
der Zollvereins-Vertrag bleibt mit sechsmonat-
licher Kündigung; Preußen hat das alleinige
Telegraphenrechl in Sachsen; Sachsen regelt
seine diplomatische Vertrelung nach den für deir
norddeutschen Bund maßgebenden Grundsätzen.

Der preuß. StaatSanzeiger publicirte die k.
Derordnung wegen Einführung allgem. Wehr«
pflicht in den ncu einverleibten LandeStheilen
einschließlich SchleSwig-Holsteins, aber aus-
schließlich Lauenburgs.

D e u t s cb l n n d.

Karlsruhe, 24. Oct. Durch Höchsten Blfehl Sr.
Königl. Hoheit de- GroßherzogS vom 20. und 21.
d. ^!. ^wird dic^ieusiauSzell>e

Hartmann vom Feldartillerieregiment verliehen. Por-
'tepeesähnrich TheodorLö siel vom Feldartilleriereg^ment
wird auf sein unterthänigsteS Ansuchen in den Stand
der Wachmeister versetzk. Der als Hospitalcommissär
zum AufnahmShospital befehligie Krie.is - Controlcur
Fischer tritt in seine srüherc Slcllung i»rüc^ Obcr-

König von Preußen wird zum Feldariillcricregiment
versetzt; Feldarzt HenkeniuS wird zum etatsmäßigen
Oberarzt beim 2. Füsilierbakaillon und Feldarzt Ger-
net zum elatmäßigen Oberarzt beim 2. Jnfanterieregi-
ment ernannt.

Se. Königl. Hoheit der Großherzog baben Sich
gnädigst bewogen gefunden: den Obergrenzconiroleur
Holtz in WeiSweil wegen vorgerücklen Alters in den
Rubestand zu versetzcn'; die Grenzcontroleure Ludwig
Wolff in Constänz und Wilhelm Egle in Lörrach zu
Obergrcnzcontroleurcn zu ernennen; dem Vorstand der
Direction der VcrkehrSanstallen, Dircclor Z im m er. dcn
Titel und Rang eineS Geheimcnralhs zweiter Klasse zu
verleiken; dem Postralh G.rosch den Titel als Ober-
postrath, dem Baurath Stimm den Titel als Ober-
bauralh ;u verleihen; den Rechnungsralh Mül l er bei
dem Jiistizministerium zum ObcrrechuungSralh, den Re-
visor Seegmüller daselbst zum Oberrevisor zu er-
nenuen; die erledigtc Obereinnehmerei uud Domänen-
verwallung St. Blasien dem Eisenbahnbaucassier Joh.
Schäuble in Gengcnbach, die Stelle eincS VerwalkerS
dcr Studienstiftungen bei der Universilät Freiburg dem
UniversnätS - Wirihschaftöadmiuistrator Haueisen da-
selbst zu übertragen; den LehramlSpraklikanten Dr. Jos.
Karle von Wieden zum Professor an dem Gymna-

^ Karlsruhe, 24. Ocr. 65. öffentliche Sitz-
ung der Zweiten Kammer. (Fortsetzung.)

Abg. Kusel ist für den CommissionSantrag.
Die Bedenken, welche man gegen denselben habe,
scien nicht gerecktfertigt. Wer einen Bundes-
staat wolle, müsse sich gcwiffe Opfer gcfallen
lassen, wie ja auch der Einzelne, der in einem
geordneten Staat lebe, von seinem Sclbstbestim-
mungSrecht cinen Theil abgcbcn müsse. Die
Verzichtleistungcn, die man sür einen Bundes-
staat unter PreußenS Führung sich gefallen
lassen müsse, seien nicht größer, alS wenn die
ehemalige deutsche Neichsverfassung durchgcführt
würde. Man schöpfe Befürchtungen für die
Gestaltung des BundeSstaatS aus dcr überwie-
genden Größe Preußcns; diese Verschiedenheit
der Machtverjältnisse werde dadurch ausgegli-
chen, daß in einem Bundeöstaat nicht nach
Stämmcn abzestimmt wird, sondern nach Par-
teien. Die Einheit DeutschlandS müsse man
zu crreichen suchen, selbst auf Gefahr dcs Ver-
lufteS der Freiheit; die letztcre werde nie unter-
gehen, sondern imrm'r wieder zum Vorschein

kommen. Wenn einmal der Süd und der Nord
zusammengehen, dann werdc das constitutionelle
System sich befestigen und die Frcihcit gewin-
nen, nicht verlieren. Für den Kieferffchen An-
trag könne er nicht einstehen. Die Verzöge-
rung des SchulgesetzeS sei zu beklagen; man
soll nicht auseinandergehen, ohne für die Auf-
befferung ber Schullehrer Geld bemilligt zu
haben; finde man Geld für Anschaffung neuer
Gewehre, so werde solches auch sür die Schul-
lehrer aufzubringen sein. -

Abg. Seitz: Er halte sich gegenüber der
Aeußerung deS Abg. Bcck für vollkommen ei-
destreu, wenn er auch da keine Ledingungen
stelle, wo sie unpractisch waren. Wir sind in
der Lage, den Anschluß an Preußen vor Allem
zu wünschen. Nur liege diejer Anschluß nicht
allcin an unS; wir können nichts Anderes thun,
als unsere Bereitwilligkeit zum Anschluß aus-
zusprcchen, und Alles zu vermeiden, was dem
Anjchluß im Wege stehen würde; dazu rechne
er den süddeutschen Bund. Ein solcher würde
sich nicht an den Norden anschließen, sondern
an das AuSland, das ihn geschaffen. Die Ver-
zögerung der von dem Abg. Kiefer gewünschten
Vorlagen könne er nicht billigen; nicht nur die
Befferstellung der Lehrer, sondern die Berich-
tigung der Grenzstreitigkeiten zwischcn Kirche
und Schule thue besonderS noth. Würde man
die Lehrer und zwar gerade die besten und
tüchtigsten zwischen Befferstellung und Aufhe-
bung ihrer gegenwärtigen Zwitterstellung wäh-
len laffen, sie würden sicher nach dem Letztern
greifen. Er unterstütze Kiefcr's Antrag und
werde sür den Antrag der Commission stimmen.

Ministerialpräsident Dr. .Jolly: Die Dis-
cussion bewegt sich heute auf zwei getrennten,
nach meiner Ueberzeugung und der Natur der
Sache nach durchaus nicht zusammenhängenden
Gebieten: über den Antrag des Herrn Abg.
Kiefer, den Landtag jetzt zü Erledigung früher
vorgelegter Gesetze länger versammelt zu lassen
oder im Frühjahr wieder zu berufen, und über
unsere Stellung in der nationalen Frage.

Hinsichtlich des ersten Punktes kann ich nur
wünschen, daß dem Antrag keine Folge gegeben
werde; er ist in einer Beziehung unbegründet,
in einer andern bereits erledigt. Der Herr
Antragsteller hat gestern zum Schluß selbst air-
erkannt, daß jetzt nicht wohl eine längere Ses-
sion stattstnden könne; ob aber der Landtag
im Frühjahr wieder berufen werden kann, hängt
von den Verhältnissen ab; wir können darüber
keine Zusage machen. Wohl aber ist es jetzt
schon sehr unwahrscheinlich, daß das wesenl-
lichste der in Frage stehenden Gesetze, das
Schulgesetz, im Frühjahr erledigt werden kann.
Es fehlen, wie Sie wissen, die Mittel zu sei-
ner Ausführung, und es läßt sich jetzt, wo das
ordentliche. Budget nm 500,000 fl. jährlich er-
höht wurde, vor Feststellung des neuen Budgets
nicht sagen, aus welcher Quelle die außeror-
dentlichen Mittel zn schöpfen sind. Das muß
eben in dem Gesetz bestimmt werden, welches
also in seinem praktisch wichtigsten Theil, der
Aufbesserung der Lehrergehalte, jetzt nicht fest-
gestellt werden kann. Der Hr. Vorredner hat
erklärt, die Lehrer legten anf den Geldpunkt
keinen entscheidenden Werth; ich achte diese
Selbstverlängnung, aber jene Auffassung beruht
auf einem Jrrthum. Die Aufbesserung der
Gehalte ist nicht nur durch das Jnteresse der
Lehrer, sondern auch durch das der Schule drin-
gend geboten; nur dadnrch können der Schule
genügende Kräfte in genügender Zahl gewon-
nen werden. — Der Antrag des Abg. Kiefer
ist in einer andern Beziehung bereits 'erledigt;
ich nehme an, sein allgemeiner Gedanke und
Zweck war, Sicherheit dafür zu erlangen, daß
die Regierung an den bisherigen liberalen

, Grundsätzen festhalte. Wir baben Jhnen dies
in der feierlichsten Weise zugesagt, indem wir
uns dazu vor der versammelten Vertretung des
Landes verpflichteten; wir werden Wort halten.
Jnsofern, glaube ich, könute der Hr. Antrag-
steller, da das Wesentliche des Antrags erreicht
ist, .seinen Anttag in motivirter Weise zurück-
ziehen: wir können die von ihm gewünschte
Zusage über Fortsetzung des Landtags nicht
geben.

Jn der nationalen Frage wird vorausstcht-
lich der Antrag der Commission mit großer
Mehrheit angenommen werden. Es kann uns
dies nur erwünscht sein, wir werden dadurch
für die von uns eingeschlagene Politik eine
wesentliche Stärkung gewinnen. Jch möchte
nun versuchen, den allzu resignationsvöllen, fast
melancholischen Ton, der sich mehrfach in der
Discussion äußerte, zu verwischen. Eine ge-
wisse Resignation ist allerdings natürlich und
nothwendig. Die Ereignisse dieses Sommers
müssen auch Demjenigen, der den bisherigen
langsameren, minder augenfälligen, aber darum
j nicht minder deutlichen Gang der Dinge nicht
verstanden hatte, klar gemacht haben, daß wir
mit unsern bescheidenen Kräften keine entschei-
dende politische Rolle in Deutschland spielen
können. Jeder Badener wird sich mit Stolz
der Zeiten erinnern, in welchen die in diesem
Saale gesprochenen Worte weit hinaus, weit
über die Grenze unseres Landes eine bedeutende
Wirkung übten; die Geschichte wird dies nicht
vergeffen. Jetzt müssen wir darauf verzichten;
wir haben aber dagegen die Einsicht gewonnen,
daß es in der Politik nicht auf eine, ich möchte
sagen,.akademische Beredsamkeit über Prinzi-
pien, Grundsätze, Theorien, sondern auf das
Handeln ankommt, das Macht voraussetzt. Wir
haben später noch einmal eine die Größe un-
seres Landes überragende Bedeutung in Deutsch-
land gewonnen, durch die nationale Stellung,
^die wir in den letzten Jahren einnahmen, zu
der wir uns offen und rückhaltlos bekannten,
bereit, sie im Handeln zu bewähren. LeMr
war es uns nicht vergönnt, sie bis zu EnÄ
festzuhalten. Jm entscheidenden Moment wur-
den wir wie mit einer elementaren Gervalt von
der bis dahin festgehaltenen Dasis weggSfch»ben.
wir haben den Moment versäumt — und der
verlorene Augenblick kommt nicht wieder zu-
rück —, in welchem wir mit selbstständigem
Entschluß und durch eigene Kraft in den dent-
schen Bundesstaat hätten eintreten können. Hät-
ten wir festhalten können, so wären wir als
die unzerbrechbare Klammer zwischen Nord und
Süd die Mitbegründer und Schöpfer des deut-
schen Bundesstaates geworden, wir hatten Raum
zu selbstständiger Thätigkeit. Jetzt sind wir
allerdings wesentlich rezeptiv und insofern ist,
wie gesagt, eine gewisse Resignation noihwen-
dig. Aber wir 'wollen doch nicht die Hände
in den Schoß legen, und über uns ergehen
laffen, was da kommt. So gewiß die Chan-
cen des Einheitsstaates dadurch am meisten ge-
wachsen sind, daß die Mittel- und Kleinstaaten
sich nicht zu den für das Ganze nothwendigen
Opfern entschließen konnten, so gewiß können
wir die Aussicht auf relative Selbstständigkeit
nur dadurch sichern, daß wir selbstthätig für
den deutschen Bnndesstaat wirken. Wir wol-
len den Einheitsstaat nicht, wir werden ihn
dadurch am sichersten vermeiden, daß wir activ
die Aufnahme in den Bundesstaat erstteben.

Pagenstechcr spricht für den Commissions-
antrag.

Stocker erklärt scine Uebereinstimmung mit
den Ausichten deS Abg. Moll.

Gcrwig ist mit den Ansichten Wnndt's ein-
verstanden und für dcn Commissionsantrag,
obglcich ihm eine andere Faffung dcsfelben lie-
 
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