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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 152-177 Juli
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https://doi.org/10.11588/diglit.2833#0061

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Utidtlbcrgtr Irilutig.

N Lti«.

Mitttvoch» 18 Juli


Die Lage

Darübkr schriibt dcr Bcrnrr .Bund-: Dkr
klrNrischk Drahl hal nicht l-ngr gkskikr«. Mit dkm
W-sfknstillst»nd und mit dkr W-ffenruhk
ist'« -uS. mit dcr Ruhk übcrh-upt -uch, die
KrirgSdprralidNkn wrrdrn srijck! -»fgrnommrn
und «er ruropäische Krieg hängl an einrm
F-dku, wrnn rr nicht jchon da ift. »

Wcnn r« n-ch bem -ufregrndk» Wirdkrbr-
ginn dcr kriegerijchr» Erkignisfk den Lejer »och
lnterrjsirrn k-nn, so ist man jrtzt im F-llk, die
widersprrchendkn Angabrn üdrr die Waffrnstill-
st-nddfragc vollständig -us,uklärrn. Ed ist
wirkilch richtig, daß zwei W-ffenstillst-nd«unter-
handlnngeu nrbcn cinauder herliefen, dir sran-
zöfischk diplomatische und diejrnigc zwischen d<r
rsterreichijchrn und drr prrußiichru Armrk. Die
lrtztcre Üntcrh-ndlung war, odwohl »nter dcn
schwersten Bcdingnngrn, dcm Abjchluß jo nahe,
daß die nichtosficiösen Wiener Blälter in drr
Th-t glanbrn konnlcn, dcr Abjchluß sci rrsolgt.
Er wäre auch wohl rrsolgt, -llein R-polron lll
trat dazwischen Er wollte keincn Separat-
w-ffenstillft-»d zugcbcn u»d brwog Ocstrrrcich,
»on drmsrlbrn -bzuftehrn, d- er ihm günstigrre
Bedingungrn -uSwirken werde. Dic Bcdin-
gungen waren für Oesterrrich wirklich jo hart,
daß Letzterk» der Berlockung nicht widerftehen
koniite, flch Napoleon anzuvertraucn. Die
Preußen erklärlen »Lmlich, daß die deutschen
Mittelstaalen nicht i» den W-ffenstillst-nd auf-
genommen werden könnten, waS mit nacklen
Worten nichl» AndercS hirß, alö daß Ocstcr-
reich Deutschland den Preußen überlassen, d-S
prenhische BundeSrcsoimproj-ct anerkennen und
selbft ail« dem Bunde auslcheidcn sollc. Ma»
erklirtc Gablenz, Oesterreich s-i gar »icht be-
sugt, für die deutjchen Mittelltaaten zu unter.
handeln, u»d al« rr stch aus den BundeSlag
bcrief, replicirlc mau höhnisch,'der dcutjche
Bund eristire nicht mehr.

Nicht« deslo weniger war dic Annahme dirscr
Bedingungrn im Augenblick dic einzige Mög-
lichkeit de» FriedenS. P'reußcn wollle nach
der wenigften« seit den napoleonischen Kricgrn
nicht mehr erhörlen Schnelligkeit jeiukr cnt-
schkidcnoen strategischen und kriegerischen Sicge
stch doch sicher nicht damit zufrieden gcben,
Lcnelien sür Jtalicn erobert zu hadcn und
daffclbe durch Oesterreich an Napoleon III. ver-
schenken zu j-hen, für sich selbst in Dcutschland
dagegcn »nr unvvllkommene strategische und
politijche Vortheile zu -rhalten. Wenn selbst
Jtalien abstchcn wollte, mußtc eS Preußen daran
gelegen sein, seinen Sieg noch rasch zur Er-
reichung eine» praktischen Zielc» zu benutzen
und den Kricg nölhigenjall» allein bi» zur
vollstäiidigen Niederwerjung Oesterreich« fort-
zusetzen.

Nun fand eS zum Ueberfluß seinen BundeS-
genoffen Jtaklen dem Waffcnftillsiand abgc-
ncigter und nicht weniger cntschloffcn, als cS
selbst, die cigene Action nicht durch frcmde Ein-
mijchnng aufhalten zu laffcn. Die« mußte ent-
scheiden, denn damit war dafür gcsorgt, daß
Oesterreich im Südcn beschäfkigt wcrde, daß es
rntwkder Venetien für Frankreich verlheidigen
oder dcn Jkalienern ohne Frankreich» Dazwi-
schenkunst überlaffcn müffe, und daß in Folgc
dc» letztern dic Jtaliener auch die natürlichen
BundrSgenoffen Preußen» gegen Frankrcich jein
werde». Preußen konnte zudem hoffen, Okster-
rcich noch vor dcr Ankunst Erzhcrzog Albrecht»
und der militärischen Einmiichung FrankrcichS
gänzlich niederzuwerscn und unschädlich zu
machen, und in Deulichland eine vollendete
Thatjachc zu jchassen, die Riemand mehr um-
zustoßen vermöge. So ging der Waffcnstill-
stand in die Brüche, an den ohnehin Niemand
geglaubt h-tte, wenn die Parijer Berichte seiu

Zustandekcmmen nicht s« bestimmt in AuSsicht
gestellt hältcn.

Jtalie» bal sich muthvvll und charaktcrsest
benonimk». ES hal trotz der »crlor-nc» Schlacht
bci Euftozza seinc Bcdeutung al« wcrthvollcr
u»d zuvcrlässiger BuadcSgcnoffe Preußen« bc-
hauptet und seine nationale Ehr, gcwahrt. ES
steht nun al» durchau« jelbstsiäudige Machl da.
Die .Opinionc* ist voll Feuer und rusl: Wir
hallcn den Preußc» Wort und ste werdcn un»
Wort hallt». Die Bewcgung Cialdini'« er-
scheint nuiz. i» ganz anderem Lichle, al« man
gcglaubt, ste hat den Ztalienern bereit« Rovigo
gciffnet und ösfnct ihnen Beneticn

Ocsterrcich dagegen crntet bercilS die
Früchtc seiner Politik, sich, ftatt scincm Bolke,
wicder einmal den diplomaliichen streuz- und
Oucrzngen i» die Arme zu werfcn. ES muß
jetzt Benetien ohne Ruhm, ohne Dank, ohne
Enlschädigung räumen, im Norden wird die
zerlrümmrrte Armec den Prcußcn, die ichon in
MLHrcn jind, den Marsch aus Wicn nichl mit
Ersolg verwehrcn könuen und Erzherzog Al-
brccht wird wahrscheinlich gerade srkh genug
kommeu, um entweder zu sehen, daß AllcS vor-
bei ist, ooer um dc» Preußcn allcui noch ein-
mal die Spitzc bielen zu niüsscn. Trotz seine«
SicgcS in Ztalicn wird cr den Prcußcn gegcn-
üder schwercn Stand haben, dcn unglücklichcn
Benedck in den Schattcii zu stellcn, der bei
Kiniggratz, wic er seldst sagt, sein Rcnomme
verlvren, abcr leider nicht sci» Leben.

Der Kaiscr wendet sich auch jetzt noch nicht
an da« Volk. Seinr Proclaination besteht au»
Wvrten ohne ein einzige« wirklich lidcralc»
Zugeftändniß. Dcr Wienrr Gemcindcrath bat
am 7. d. bcjchloffen, um sofortige Einbciufung
de« ReichSratheS und dc« ungarischeu Landlagcs
zu pctitioniren. Allein der Hof ist ganz damil
deschästigt, in Ungarn elnc Nachahmung der
berühmicn Scenc Maria Thercsia's auszusühren
und ncuc Papierftröme auf seine Untcrthanen
auSzugießcn. Er hat schwerlich Zeit, sich jetzt
mil Landlagen und dcren unbcquemen Forde-
rnngen zu befaffen. Eine großc Bcdeutung
hat indeffen der Appell an die Ungarn, Ocster-
reich ist der Bcrlegung seineS Schwcrpunktes
nach Pefth und dem Ziel, ein magyarisch-sla-
vische« Reich zu wcrdcn, um einen starkcn
Schritt näder gerückt.

Einen Zwcck allcin hat Oesterreich mit der
Abtretuug Bcnclien« errcicht, gerade den un-
jeligstcn und gefahrvollsten. E« hat Fran k-
reich in den Krieg vcrwickell. Napoleon III.
hat, scine amerikanische Politik abgercchnet, noch
nie in einer so verwickelten Falle gestcckt. Die
VermittlungSeinmilchung ist ein Wespennest für
ihn gcworden. Er glaubtc bereil», al« SchiedS-
richter von Europa anstreten uud mit Glanz
u»d Vortheil zugleich den krjegführenden Mäch-
ten und dcm ganzen Eontinent eine neue Terri-
torialeinthcilung und ein neuc» Völkerrecht dic-
tiren zu könncn. Statt desscn haben stch die
jüngsten Mächle mündig cikläit und legcn ihm
jeine MedialjonSprcjccte höstich vor die Füße.
Und nun ist er gezwungen, enlwedcr Benetien,
das cr dcn Jtalienern geben wollte, gegen dic
Jtaliener zu vertheidigen, den deutschen Bund,
den er nach seincm Sinne refvrmiren wollte,
durch den seftesten Kitt, dcn es gibt, durch ei-
ne» Angriff auf Deutschland an Prcußen zu
kette», oder jeine großen Projecte ruhig schei-
tcrn zu jehen und auf den NimbuS de« curo-
päijchin SchiedSrichlcrS zu verzichten. Oejtcr-
reich, deffen Machlstcllung er jctzt so cnlschie-
den wahrcn will, wird cr nicht viel heljen
können, wenn cr nicht da» Schwcrt gcgen
Dentschland zieht, und am Ende muß er jogar
noch die h, Sladt und den h. Stuhl gegen die
revolutionärcn Erhcbungen der Jtalicner schützen.
Diesc Lage ist gcjährlich k'ir Napoleon III., sie

ist aber anch gefährlich für Europa, denn der
französischk Aaiscr ist nicht der Man», sich iu
solchcn Verhältniffen ruhig abweisen zu laffen,
er hat nun bcreil», wic wenigsten« die Wiener
Blättcr dehauptcn, dadic friedlichc»ichtangenom-
men wurde, bcivaffneteBerinittlung angcdroht (hat
stch bekanntlich bi« jctzl nicht destätigt), und
wenii nichl alle Umftände lrügen, so wcrden
wir ih» bald am Rhein und in Savohen er-
scheincn schcn. Die Schweiz HLtte dann eine
neur, entschiedcn bcrechtigtc Gclcgenheit, Nord-
javohen zu brsetzcn.

' Pvlitisckv Umscst-iu.

H-idelderg, 17. Juli.

I ' Die letzle Phase deS jetzlgen traurigen und
opfervollcn EonstictcS in Dcutschland war in
Bczug auj die BerhLltniffe zu den auSwärligcn
Mächlen durch cinc große Unklarheit gekcnu-
zcichnet. Es äußcrte dicsc Unstcherhcit dcr Lage
besonder« auch ihren Rückschlag aus die Bör-
scngcschäftr, dic sast ganz stillstanden. Wa»
inSbesondcrc Napoleon III betrifft — bcffen
abcntcuerlichc« Projcct i» Bezug aus Gesamml-
deutschland wir schon besprochen habcn — so
ist dcffen Vcrhallcn zu Ocfterrcich Lußerst zn>
rückhailcnd, und c« hat diesc lctztcie Macht von
dcm Verzichtc auf Bcnctieu bi» jctzt nicht den
geringstcn Vortheit gcerntet, Wa« der sran-
zöstsche Kaijer mit diesem scinein unsichern Ver-
baitrn bezweckt, ist nicht recht cinieuchtend, da
doch so vtei scftsteht, daß cr -in ihm gcsähr-
UchcS, übcr dc» Kopf wachscndc» Großprevßen
in keinem Fallc gcrn sehcn wird. Am wahr-
schcinllchsteii ist die Aimabme, daß Napoleon
vorcrst noch geiouncn ist, eine Zeitlaiig dcn
ruhigeu, arijchcineud unpartkijjcheii Bcobachter
zu machcii, Jn diescr Situation wird er wohl
noch drn weitercn Forlgang dk« KricgeS, ittS-
bejondcre dci, Ausgaiig der >» Ocstcrrcich vicl-
lejchi balb gcliefcrt werdenden zweitcn Haupt-
schlacht abzuwarten, um dann a»S seiner vcr-
meintlichen Ncnlralilät hcrvorzutrelc» u»d, je
nach Umständen, auf die eine oder andcre Seitc
hin vermittelnd auszutretcn, UebrigenS ist jctzt
Oesterrctch zugleich mit Bahern gejonnen, di-
recl mit Preußen einen Waffenstillstand anzn-
bahncn, unb nach jctziger Lagc der Dinge wäre
c« allerdingS daS Bcstc, wenn ein AuSgleich
dc« jo bluiigen dcutschcn ConflicteS ohne
frcmdc Dazwischcnknnft ermöglich! würdc.

Die von Prcußen und Ztalien gemeinjam
gestelltcn WaffcnstillstandSbedingnngen lautcn
nach der Nazivne wie solgl: Preußen verlangt
den AuSschluß OestcrreichS au» dem Bundc
nnd verpflichtei sich dagegen, die von ihm be-
jetzlen isterreichijchen Provinzen zu räumen.
Jlalien verlangt die Abtretung dcr Oesterreich
gehörigen italicnischen Gebiele, insbejondere de«
Ilalienischen Throls, Dicjc Adtrctung joü östcr-
r'eichffchrrjciis direct an Ztalien und ohne ir-
ge»d einc Entichädigung gcschehen. Ferner soll
Oesterreich daraus verzichlen, die römffchc Frage
bei den FricdenSuntcrhandlungen in Anrcgung
zu dringen, Diese Bedingungen scheinen, sagt
die Nazione, von Ocfterreich unannehmbar ge-
funden worden zu i-in, und man soll in Wien
vorziehen, e» nochmalS anf daS KriegSglück
ankommen zu laffen.

Der „Cvnstilutionncl" schreibt unter d-m
18. Jnli: Gewiffc Blätter suchen bie franzö-
siiche Regierung zu GcbietSvergrößeruiigen zu
drängen, um gegen die Vergrößerung PreußenS
ein Gcgengewicht anfzuftellen, Was wissen diese
Blättcr von dem küiffligen Zustand Deutsch-
lands und den Entwürsen PreußenS? Anstatt
den hohen Eharakier der Vcrmittlung, dic »vm
Kaijer angenommen wurde, zu bcgre'ffen, wa-
rum dieser Vermittlung Hindcrniffe schaffen uud
ste vcrdächlig machen? DaS ist da« Manöver
der Pariei, wclche znm Kriegc drängt. Aber
 
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