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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 231-256 Oktober
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tidrllmgrr Zeilmig.

N» 23L. F-reitag, 3, October


L8«6

Beftellungen auf die „Heidelberger
Zeitung" nebfk Beilage „Heidelber-
ger Familienblätter" für das mit 1.
^vctober 18«6 begonnene L. Quartal
werden fottwährend angenommen.

Die Expedition
* Politische Umschnu.

Heidelberg, 4. Oclober.

Die Berliner „Prov.-Corr." berichtet: Der
Abschluß der Verhanvlungen über den Eintritt
Meiningens in den norddeutschen Bund dürfte
jetzt erfolgt sein. — Der Protest des Königs
von Hannover sei ohne Einfluß auf den Gang
der Ereignifsc. Der König würdc einen Be-
wcis höherer Einsicht und größercr Liebe zu
seinen srüheren Unterthaneu geben, wenn er
durch EideSentbindung die etwa noch bedcnk-
lichen Gewissen zu beruhigen sich entschlösse.

Das Gesetz vom 20. Sept. d. I., betreffend
die Vereinigung von Hannover, Kurhessen,
Nassau und Frankfurt mit der preußischen
Monarchie, ist heute amtlich im Frankfurter
Jntelligenzblatt publicirt worden.

Nach Berliner Nachrichten hat nun auch
Reuß ä. L. seinen Frieden mit Preußen ge-
macht. Der Austausch der Ratificationöur-
kunden des Friedensvertrages soll in nächstcr
Zeit bevorstehen. Nach Jnhalt dcs Vertrags
hat daö Fürstenthum 100,000 Thlr. als Bei-
trag zur preußischen Wittwen- und Jnvaliden-
kasse zu entrichten, wovon die Fürstiu Karoline,
wie man hört, die Hälfte auf ihrc Privatcha-
toulle übernommen hat. Nach Bezahlung der
bekannten Snmme sollen die preußischen Occu-

gezogen werden — und die noch in Rastätt
befindlichen reußischen Truppcn nach Hause
zurückkehren.

Nach dem „Pays" werden im Augenblick mit
der yreußischen Regierung Verhandlungen über
Münzeinigung geführt, die mit denen zusam-
mensallen, wclche die durch den Prager Frieden
nothwendig gemachte Restitution des Zottver-
eins herbeigeführt hat.

Das „Gionale die Roma" schreibt: „Gewisse
Artikel officiöser Blätter und die von Garibaldi
in Florenz gesprochenen Worte lassen sich nicht
mit den officiellen Zustimmungen vereinigen,
wonach dem Papste die.Jntegrität seines gegen-
wärtigen Besitzstandes garantirt ist."

D e u t f ch l a n d.

— Karlsruhe, 27. Sept. Die Reform
der Wehrverfassung II. Der geistreichste,

in den Dingen des Friedens wie des Krieges
gleich erfahrene Gcschichtschreiber der Griechen,
Thucidides, macht in seiner unsterblichen
Darstellung des großcn griechischen Bürgerkrie-
gcs, deS sogeuannten peloponnesischen, die Be-
merkung: „Der Krieg ist zwar ein scharfer,
aber er ist ein rascher Lehrmeister." Dies Wort
deS scharfsinnigcn Staatsmannes hat sich auch
an unö Deulschen bewährt.

Es sind kaum drei Monate her, da cin je-
dcr, der über die Unübertrefflichkeit der in dcn
meisten dcutschen Staaten bestchenden Militär-
einrichtungen einen leijen Zweifel zu äußern
wagte, schicf angesehen wurde; wer aber den
Muth halte, die Einsührung der allgem'einen
Wehrpflicht an die Stelle der die Gleichheit der
Rechte und Pflichten aller Staatsbürger wahr-
haft höhnendcn Conscription zu verlangcn, wer
also in der allgemeinen Volksbewaffnung oder
in dem „Volke in Waffen," wic cs dieser
Tage in Berlin hicß, das richtige Mittc! er-
blickte, sclbst kleinercn Staaten Achtung zu ver-
schaffen, der lief Gefahr, für einen Schwärmer
oder vielmehr für cinen Demagogen und Re-
volutionär gehalten und unter polizeiliche Auf-
sicht gestellt zu werden.

Wie ist dies doch plötzlich so ganz anders
geworden! Die Erfahrung wenigcr Wochen hat
hingereicht, die Unzulänglichkeit und Nichtigkeit
des dcrmaligen Wehrsystems in den kleinern
deutscheu Staaten auch dem blödesten Auge bloß
zu legen. Alle Urtheilsfähigen und Unbefan-
genen stimmen darin überein, daß das derma-
lige Militärsystem nichts tauge, daß cs scinen
Zweck, S-chutz dem Lande zu gewähren, nicht
erfülle, sondern unter Umständen wohl Verder-

demnach, wie selbst conservative'Stimmen, na-
mentlich in Bayern, mit hinlänglich gerechtfer-
tigter Schärfe betoncn, alle die großen Sum-
men, die jährlich aus dem Beutel der Bürger
für das stehendc Heer verausgabt worden, gc-
radezu nutzlos verschwcndet, ja sie sind sinnlos,
da in kleinerw Staaten mit den jetzigen Ein-
richtungen kein anderer Zweck erreicht wcrden
kann als der deö Paradewesens, ein bloßes mi-
litärffches Schauspiel, das denn doch mit Mil-
lionen zu theuer erkauft ift.

Wenn nun die unerbittliche Erfahrung über
das dermalige System und scine Einrichtuygen
den Stab gebrochen, und allen imaginären Ein-
bildungen ein Ende gemacht hat, soll nun nach
dem Rathe gewiffer Leute dadurch geholfen wer-
den, daß der Procentsatz der jährlich Conscribir-
ten noch um ein Ansehnliches erhöht, also das
dermalS bestehende Militär der Zahl nach noch

vergrößert werde. Bekanntlich hat die Weishcit
des alten BundestagS zu solchem Mittel gegrif-
fen, und die kleineren deulschen Staaten haben
es durchgeführt, trotz der Bitten und Protefta-
tioncn fast sämmtlicher deutscher Volks- und
Landesvertretungcn, die iu solchcr Maßregel mit
Recht nur die Schwächung der Steuerkraft des
Volkes und eine nachgerade unerträgliche Aus-
saugung des Landes erblickten, während man
gleichsam instinctmäßig fühlte, daß bei all sol-
chcr Uebcrspannung doch ein realer Zweck, eine
wirksame Vertheidigung der Würdc und Sclbst-
ständigkeit dcs Staates nicht erreicht werdcn
könne. Denn wollte man in dem einen kleinen
Staatc die bestehendc Zahl von 10,000 Mann
auf 20.000, in cinem andern von 20,000 auf
40,000 Mann erhöhen, wäs würde man damit
erreichen? Was sollen jene 20,000, und diese
40,000 Mann bedeutcn, wenn ringsumher
Großstaaten bestehen, die jeden Augenblick mehr
alö eine halbe Million bewaffneter wohlorga-
nisirter Soldaten gegen uns in's Feld schicken
können?

Gegenüber solchen thatsächlichen Zuständen
und Verhältnissen, und belchrt und gewarnt
durch eine schmerzlichc Erfahrung, dic nur an
einem ganz vcrhärteten Kopfe ungehört und
unbenützt vorübcrgehen kann, bleibt nichts übrig,
als entweder auf jedes eigenc Heer zu verzich-
ten, und seinen Schutz nach Außen einer be-
freundeten Großmacht anzuvertrauen, oder aber
entschloffen einen neuen Weg zu betreten, und
ein „ganzes Volk in Waffen" zu schaffen,
ein Volk, das in den Jungen wie in den Alten sich
fühlt. sich selbst achtet, und darum auch tüchtig
und opfermuthig ist, nach Außen seine Selbft-
ständigkeit um jeden Preis zu wahren. Hier-
auf wollen wir zurückkommen.

Karlsruhe, 2. Oct. Die von officieller
Seite in Aussicht gestellte Gegenschrift gcgen
die bekannte Schrist vom „badischcn Ver-
rath" ist unter dem Titel „Mittheilungen von
Thatsachen zur Beleuchtung der angcblichen Ent-
chüllungcn über den badischen Verrath" in der
G. Braun'schen Hofbuchhandlung dahier nun-
mehr erschienen. Der Verfasser fällt ein ftrcn-
ges Urtheil über das Obercommando des 8.
Armeekorps, aus dessen Fehlern derjenige, der
immer noch tadeln wolle, wenn ergangene Be-
fehle der 2. Division nicht buchstäblich bcfolgt
worden seien, die Erklärung zu suchen habe.
„Diese Tadler vergessen, daß man nur wohl-
erwogene, zweckgemäße Befehle, geben soll, die
auch ausgeführt werden können; daß aber der
isolirt stehende General immer zu überlegen
hat, ob er bcrechtigt ist, seine Truppen zur Er-

Schwurgerichtsverhandlungeu.

Mannheim, 26. Sept. Jn geheimer Sitzung
wurde gestern ber ledige Briefträger Ernst Lüllig

zur Verhandlung. In einem gegen den Angeklag-
ten erhobenrn Rechtsstreit auf Zahlung eines Er-
nährungsbeitrages wurde diesem burch appellations-
gerichtlichcs Urtheil ber sog. Reinigungscid auferlegt,
den derselbe.auch in der Folge leistete. Später kamen
einige Aeußerungen des Angeklagten zu Tage, aus
welchen in Verbindung mit einigen anderen an sich
nicht unerhebltchen Momenten die Anklage folgerte,
daß Richter den auferlegten Eid wider besseres
Wissen ausgeschworen habe. Der von Herrn Anwalt
Barazetti übernommenen Verthetdigung gelang
es indeffen, die vorliegenden Verdachtsgründe auS
dem Wege zu räumen und einen freisprechenden
Wahrspruck zu erzielen.

— 28. Sept. Schiffer Martin Hcrrmann von
DledeSheim verkaufte im vortgen Iahre sein dazu- !

genommenen Notariatsnrkunde wurde die Ladungs- ^
fähigkeit abf 1585 Eentner angegeben, auch den ^
Käufern der Aichschein bchändigt, jedoch von diesen
keiner weitern Aufmerksamkeit gewürdigt. In der
Folge stellte fich jedoch bei dem Rheinzollamte in ^
Matnz herauS, daß die Angabe der höchsten La-
dungsfähigkeit mit 1585 Lentnern in^em Aichzettel l
gefälscht war, und einc Vergleichung mit den Re-
gistern, so wie eine neue Aichung ergab, daß die
Ladungsfähigkeit nur 1385 Centner betrug. Das !
Letztere bestätigte auch ber Verkäufer Marttn Herr-
mann, der auf Grund der angeführtcn Thatsachen
in Verbindung mit dem Umstande, daß er fich bis
zum Verkaufe im Besitze des Atchscheins befand,
beschuldigt war, die Zahl 1385 in 1585 geändert
zu haben, um badurch einen höhrren KaufpreiS zu
erzielen. Der sonst gut beleumundete Angeklagte
behauptete dem entgegen, daß dte Veränderung nickt
von ihm, sondern von den Käufern vorgenommcn
! worden sei, daß er überhaupt keinen vernünftigen

Grund dazu gehabt habe, da der Kaufpreis deS
Schiffes, wie dieS auch durch das erhobene Gut-
ackten festgcsteklt wurde, ein verhältnißmäßig ge-
ringer war. Da der Hauptbeweis der Anklage nur
auf den Angaben dcr beiden Käufer beruhte, diese
fich aber heute in manche Widcrsprüche verwickelten,
auck erst nack Verlauf eines halben Iahres dte
Fälschung tn dem Aichzettel, der doch inzwischen
bei jeder Zollstelle vorgezeigt werden mußte, entdeckt
habcn wollten, so gelang es dem Vertheidiger, Hrn.
Anwalt Weller, die Geschworenen von der Nicht-
schuld des Angeklagten zu überzeugen, der auch
sofort auf freien Fuß gesetzt wurde. — Jn der
Nackmittagssitzung b>urde der auf flüchtigem Füße
befindlicke verhetrathete Karl Kletn von Zaisen-
hausen wegen Nothzucht zu einer geschärften Zucht-
hausstrafe von 5 Iahren verurtheilt. (B. L.)

Badenweiler, 24. Sept. Ich habe Ihnen von
einer erst kürzlich hier gcmachten höckst tntereffanten
kunstgeschichtlichen Entdeckung Nachricht zu geben.
Sckon seit vielen Jahren bemerkt man in dem weiß
 
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