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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 152-177 Juli
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https://doi.org/10.11588/diglit.2833#0069

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I8G«

Freitag, 2V ZuLi

An unsere Mitbürger

Gegenübcr gefliffentlich verbreiteten verdäch-
tigenden Gerüchtcn, schen wir nnS zn dcr öf-
fcntlichen Kundmachung veranlaßt, daß somohl
von Seitcn der Gemeindevcrwaltung aus öffcnt-
lichen Mittcln für Ersrischungcn der hier durch-
zichenden Trnppenthcile gesorgt, als auch von
Seiten deS Hilfscoinitc's Kleidungsstücke, na-
mentlich Hemdcn, Socken, Leinmand, Verband-
zeug n. dgl. an solchc abgegcbcn wurden. Es
liegt demnach wohl durchaus kcin Grunv vor,
fernere Gaben diescr Art, um welche wiederholt
und freundlichst.gebeten wird, dem aus allen
Thcilen der hiesigen Einwohnerschaft gebildeten
HilfScomite zu entziehen.

Heidelberg, 19.' Jnli 1866.

Gcmcinderath

Krausmann.

SachS.

Zur Lösung der deutschen Frage.

Die Entscheidung deS Kriegcs ist schnellcr
und furchtbarer ersolgt, als mohl irgend Jemand
für möglich gehalten hatte; aber sie hat auch
um so greller den Satz beftätigt, daß ein^Krieg
in Deutschtand unausbleiblich cin Sieg für
Frankreich ist. Es ift ein Jammer, schreibt
der „Nürnb. Corresp.", anzuschen, wie die
Krafte Deutschlands, die vereinigt — Das
kann man nach den gewaltigen Kämpfen in
Böhmeu wohl sagcn — ftark genug wärcn^ um
Europa Gefttze dictiren zu köunen, sich in
Bruderkriegen selbst vernichten; aber es märe
kindisch, sich zu wundern, wenn die nothwen-
digen Folgen uuserer Uneinigkeit sich sofort
gegen uns wenden, und wir es hören müffen,
daß ein blutiger Sieg einer deutschen Macht
in Paris als ein Triumph Frankreichs geseiert
werden kann. Man hat es cinen Verrath an
Deutschland genannt, daß Oesterreich die Jn-
lervenlion Frankrcichs in Jtalien angcrusen
und in Folge Dessen eine deutsche Sache dem
SchiedSrichterspruche unscres Erbfeindes unter-
worfcn habe; man vergißt nur dabei, daß das
Bündniß Preußens mit Jtalien den ursprüng-
lich deutschen Kricg bcreits zu cinem curopäi-
schen gemacht hatte, daß Ocsterreich, wenn es
gesiegt hätte, übcnJtalien sich ebcnso mit Frank-
reich hätte auscinanderjetzcn müffeu, wie Preu-
ßcu, da es gesiegt hat, wegen Deutschlands sich
die Einsprache Louis Napoleonö gefallen laffen
muß. Daö halte der französische Kaiser zum
Ueberfluß vor dcm Beginn des KriegeS offcn
ausgesprochcu, und wenn Preußen seildem den
deulschen Bund als aufgchoben erklärl hat,
kounte eö erwarten, daß es einen neuen ungc-

lleber die Flucht aus der Schlacht von
Königgrätz

entwirft ein EorrrspondkNt dcr Medicinischen
Wochenschrift folgendrS haarstrLubrndes Bild:
„Nm 4 Uhr NachmittagS," hrißt eS darin, .fingen
unsere Trupprn an zu retiriren, wir Aerzte waren
noch vollauf beschäftigt mit dem Verbinden der
Verwundetrn, drren Zahi einige Hunderr, noch
drr Abfertigung harrten; plötzlich sprengte Caval-
lerte auf uns heran und stürmte neben und hinter
unS über Hügel und Frlder; glrichzeitig mtt dieser,
Artillrrte und Fnhrwrsenswagen gegen Königgräz zu.
Viele Eavalleristen stürzten und wurdcn von drn
nachstürmendrn Pferden völlig zerstampft. Wagen
fielen um und zrrdrückten die sich dazwischen drän-
genden Fußgängrr. Wir warrn niemalS so nahe
dem Tode, wie in dtesem Rückmarsche. Wir wur-
den vom Verbandplatze, der plötzltch verschwand,
auSeinandcr geworfrn, man rief unS zu: „Rrttrt
Euch!" Achttauscnd Reiter waren ohne Führrr
auSeinander grjagt, viele Vrrwundete mit sich füh-
rend. Znmitten dirsrS GrschreirS hörte man noch
den Donner drr Kauonrn, und Granatensplitter

hindert vom Ausland würde schließen und ein
so wesentliches Stück der Verträge von 1815
allein umändern dürfen? Nur vor dem freien
Willen derganze n Nation würde jeder Wider-
sprnch verstummcn; eine gcwaltsame Lösung
der deutschcn Frage wird und muß immer das
AuSland in unsere Angelegenheiten hcreinziehen,
und ihm, wie jctzt, die lctzle Entschcidung und
den größten Gewinn zufallen lasien. Zu strei-
ten darüber, wer die meifte Schuld trägl, ver-
lohnt sich nicht; so entschieden daö Unrecht auf
der einen Seite war, so groß mar die Verblen-
düng auf der andern und die Schwäche auf
der dritten, nicht die physische, sonoern die mo-
ralische Schwäche des Charakters, und fürwahr!
wir halten dicsc nicht für den leichteren Vor-
wurf; abcr wir können es versuchen, die Folgen
uns vorzustellen, die sich aus dem Gang der
Dinge sür alle Betheiligten crgeben werden.
Den größten Schaden hat Oesterreich zu tra-
gen, und es hat ihn verdient, erftens durch die
unbegreifliche Politik, mit der es Preußen in
seinen Absichten gegen den Bund bestärkle und
erst, als es zu spät war, merkte, daß cs sich
sclbst dadurch die befte Stütze entzogen hatte;
und dadurch, daß eö versäumte, durch einc freie
Entwicklung seines Staatslebens dic Kräfte zu
entfesseln, die auch uach einer Niederlage dem
Staate die Mittel zu einem erfolgreichen Wider-
stand hätten bieten können. Mag der Kaiser
nun versuchen, den Weg wieder zu betreten,
den er nach dem Verlrag von Villafranca ein-
geschlagen, aber trotz jener schwercn Ersahrung
nur zu bald wieder vcrlassen hatte. Preutzen
wird einigcs gewinnen, es wird sich im Norden
etwas arrondiren, Das hat LouiS Napolcon
schon in dem bckannten Anschreiben an seinen

dafür auf seine weiteren deutschen Pläne ver-
zichton, und so wird es autzer seinen alten
Feinden nun auch das tödtlich bcleidigte Oester-
reich gegen sich stehen und, wie bisher, auch
in seiner neuen verbefferten Lage forlwährcnd
zu dcn größten Anstrengungen sich gczwungcn
sehen, ohne doch bci dem nächsten Zujammen-
stoß wieder auf einen solchen Ersolg rechnen
zu können, wie ihm denselben dießmal, ohne
den vortrefflichen Leistungen seiner Armee zu
nahe zu treten, doch schrwesentlich die Ueberlegen-
heit sciner Waffen verschafft hat, ViS ihm end-
lich die Ueberzeugung gekommen sein wird, daß
die moralischen Eroberungen trotz alle Dem
nicht blos billiger, sondern auch nachhaltiger
und gewinnreicher sind, alö die Triumphe, die
ihm Frankreich feieru hilft. Was hat aber der
Nest von Deutschland zu gewärtigen? Louis

Napolcon bezeichncte es als deffen Aufgabk,
sich zu einem kräftigeren Ganzen zu organi-
sireu^ Herr v. Bismarck war auf diesen Ge-
dankcn eingegangen, indem er dem Süden cine
selbstständige militärische Stcllung zugcstand,
und in München soll man nicht ganz unem-
psindlich gegen die darin euthaltene Lockung
gewesen sein. Abcr hat sich Bayern fähig ge-
zeigt, eine iolche Führung zu übernehmeu, und
sind die übrigen Staaten geneigt, sich ihm zu
untcrwerfen? Die Ereigniffe der lctzten Wochen
habeu uns Erfahrungen machen laffen, die
wohl jede Hoffnung auf eine nationale Leistung
von dieser Seite aufgeben heißcn; was wir
aber statt Deffen hoffcn dürfen, oder richtiger
sürchten müffen, sehen wir nicht ab. Nur an
der Uebcrzeugung müffen wir festhalten, daß
der Schaden, den Alle leiden, die Demüthignng,
die Alle trifft, in dem ganzen deutschen Volk
die Erkenntniß hervorruft, daß nur durch das
einmüthige Zusammenwirkcn allcr Stämme eine
Entwicklung sich herbciführen laffe, die unS
dem Ziele einer kräftigen nationalen Einheit
näher bringe, das uns jetzt wieder in weite
Ferne gerückt erschcint.

* Potitische Umschnu.

Heidelberg, 19. Juli.

Der preußische „Staats-Anzeiger" sagt. die
Zeitungsgerüchte, Prcußen verlange als Frie-
densbedingung die Abtretung Böhmens und
MLHrens, seien durchaus unbegründet; ein Blick
auf die Karte zeige, datz der Besitz dieser Län-
der für Preußen nicht eine Stärkung, sondern
eine Schwächung sein würde, auch für die na-
tionalen Jntereff^n könne cine solche Erwer-
bung nicht wünschcnSwcrth crscheinen. Das Ziel
der preußischen Politik sei auf Gründung crneS
neuen Bundes und die Berufung eincs deut-
schen Parlaments gerichtet. Eine Verbindung
mit Ländern, wclche nur zum Theil der deut-
schen Nationalität angehören, würde dem Zu-
standekommen deS deutschcn Parlaments nur
Hindernisse bereiten.

Das kaiserliche Manifest wurde in Prag
am 11. d. M. durch ein Extrablatt der „Po-
litik" verbreitet, was, wie gemeldet wird, die
Suspension des BlatteS und die Schließung der
Druckerei dcffelben zur Folge hatte. Später
wurde die AuSgabe des Blattes doch wieder ge-
stattet.

Der Pariser „Kleine Moniteur" lyacht dar- .
auf aufmerkjam, daß die preußischen Armeen
auf ihrem Vorrücken in Mährcn denselben Plan
wic bci ihrem Einmarsch in Böhmen bcfolgen.
Sie gehen nämlich in convergirender Richtung

fielen in unsere Massrn. So wurden wir von der
Menge fortgcdrückt, ohne zu wissen, wohin, und
wo wir unsrr Ende finden; tch hatte mit dem Leben
abgeschloffrn und hoffte nur noch von rinrm außer-
ordrntlichen Zufall Rettung. Plötzlich hattcn wir
Waffrr vor uns, rechts einen Eisenbahndamm,
links rinrn Hohlweg, vollgestopft mit unsercn
schwrrfalligen RrquisitkN- und Verwundetenwagen
und hinter unS noch eine unabsehbare Schqar von
Reitern; wir watcten burch bas Wasser,.-meine
ärztlichen Collegen waren ntcht mehr an meiner
Seite, edrnso die Krankensührer, mit AuSnahme
eineS einzigen, der treu zu mir hielt. Plötzlich
kam Befehl, die Stränge der Pferde abzuschneiden,
die Pferde zu rctten und die Wagen zurückznlassen.
Wir Fußganger waren der Verzwctftung nahe, wir
watetrn wiederholt bis über die Knie durch Wasser,
in drr Angst, jeden Augenblick zu rrtrinken oder
niedergestoßen zu werdrn; endlich gelangtcn wir
an einen Bahnhof, der wieder ganz verrammclt
war. Vtrle durchbrechen die Verrammlung, dic
Andrren sprtngen darüber hinweg; jch lief mit
Tausenden von Znfanteristen hintrrher, endlich
kamrn wir zur Elbe, durchwateien fie, dann spran-

, grn wir über Pallisaven, gingrn abermals biS an
! ben HalS durch rinen zweiten Fluß, kletterten auf
! Anhöhen hinauf, sprangen über gefälltc Baume
I und langten erschöpft um 1 Uhr NachtS tn einem
i Wäldchen an, wo wir vor Fiebcr und Erschöpfung
' niederfirlen. Einige mriner LeidenSgefährtrn mach-
i tcn Feuer an, und so lagen wtr, unS am Feuer
erwärmend, um wenigstens nicht vor Froft umzu-
! kommen. Um 3 Uhr marschirten wir, uoch tricfend
^ vor Nässe; bie Dörfcr, die wir pasfirten, standen
! leer, keine Menschen, kein Vieh, keine LrbenS-

geflüchtet, das Vtrh zersprengt, die LcbenSmittel
^ aufgezrhrt; ich will das Bilv nicht weiter auS-
malcn und schreibe Zhnen nachstens, hoffentlich
! mit ruhigerem Blute. ..."

Paris, 14. Zuli. Wir haben heute leider ein
! sebr traurigrS Ereigniß Zhren Lesern mitzutheilen.
! Lrtztcn Sonntag gab der Banquier Herr Albrrt

Flecken Torcy srinen Kreunden eine kleine Eolla-
! tion. Nach drm Frühstücke lud der Frstgeder feine
' Kreunde ein, in seiner Gondel eine Spazterfahrt
 
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