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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 231-256 Oktober
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https://doi.org/10.11588/diglit.2833#0347

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Nl 23«

tidtlbtrger Ztilung.


Sonntag, 7 October

Bestellungen auf die „Heidelberger
Zeitung" nebft Deilaqe „Heidelber-
ger Faurilienblätter" für das mit 1.
^etober 1866 begonnene L. Quarlat
werden fottwäbrend angenommen.

Die Gxpedition

Oefterreichs Nvth und Rettung.

Das Kirchenvermögen im Kaiscrstaat.

Karlsruhe, 5. Oct. Wir haben in spe-
cicllen Ziffern das wahrhaft fürstliche, theil-
weise ungeheure Einkommen ber höhern Geist-
lichkeit, vieler Stiftc und Klöster im Kaiserstaat
angkgcben. Gleichsam als Schattcnscite zu diescm
glänzenden Bilde. das dic behagliche Stellung
der römischen Hierarchie in ihren herrschenden
odcr sonst begunstigten Gliedern (den Mönchen
nnd Jesuiten) zeigt, wollen wir nur kurz die
gedrückte Lagc eines gutcn Theils der niedern
Geistlichkeit iu Oesterreich berühren. Diese ist
in dcr That viclfach höchst dürftig und elcnd;
denn es gibt neben den Prälaten mit fürstlichen
Revenuen, neben den Klöstern unv Stiften,
deren Mitglieder ohne- Mühe und Arbeit an
ihren reichbesetzten Tischen und vortrefflich be-
stelllen Kellern keine Sorgen dcs Lebens ken-
nen, eine große Anzahl kirchlicher Stellen, die
ihren Jnhabern kaum cin Einkommen von 150
bis 2W fl. jahrlich abwerfen, und dies stnd
meist solche Geistliche, auf denen des Tages Last
und Mühe hauptsächlich ruht. Ein solches Miß-
vcrhältniß zmischen Arbeit und Lohn, zwischen
hungerndem Elend und schwelgendem Vollgenuß
kann nicht auffallen; es findet überall statj,
wo das aristokratische Princip eine Lebcnsge-
mcinschaft, sei es einc staatliche oder kirchliche,
ausschließlich bchcrrscht: da bleibt für die un-
tern dienenden und arbeitcuden Glieder kaum
übrig, um den Hunger zu stilleu, währcnd es
nüt jeder weitern Stufe nach Obcn immer be-
haglicher und voller hergeht. Hierarchien sind
abcr die schlimmste Sorte von Aristokralien,
weil sie die herzlosestcn sind. DicS gilt nicht
bloß von der jesuitisch-römischcn, sondern auch
von der protestantisch-bischöflichen Hierarchie
in England.

Wir geben nun eine kurze Uebcrsicht über
das kirchliche Gesammtvermögcn im Kaiserstaat.
wie daffelbe vom Clerus selbst im Jahr 1849
angegeben wurde. Es sind höchst respectable
Summen, die dem Nationalvermögen entnom-
men und durch das Concordat gleichsam einem
Staat im -Ltaate überliefert worden sind.

Das gesammte Stammvermögen oer Sccu-
larpfründen, d. i. der Pfarpeien, Capla-
neien u. a. wird auf 113,803.395 fl. und
das daraus erzielte Einkommen aus 8,772,954 fl.
gcschätzt.^

Das Stammvermögen der Klöster wird auf
62,822,301 fl. mit einem Ertrag von 4,258,147
Gulden angegeben. Diese Angaben sind offen-
bar viel zu gering; wenigstcns gilt dies für
die Gegenwart, da gerade dic Klöster es sind,
die scit 1.849 an Zahl und Umfang, wie durch
Zuwachs ihres Grund- und KapitalvermögenS
am meisten Fortschritte gemacht haben. Auch
ist begreiflich, daß gerade die Mönche in An-
gabe ihres Vermögens und Besitzes am meisten
vorsichlig und rückhaltend scin mochten. Auch
ist das Vermögen des jetzt so begünstigten Je-
suitenordens, wie schon bemerkt, in obiger An-
gabe nicht einbegriffen. Es ist aber notorisch,
daß die klugen Väter von der Gesellschaft Jesu
einen ganz besvnders scharfen Sinn für Er-
werb und Vermchrung der Dinge dieser Welt
besitzen.

^ Das Vermögen der Kirchen im engern
Sinnc, d. i. die kirchlichey Fonds zur Bestrei-
tung dcr Cultusbedürfnisse, die kirchlichen Bau-

fonds, die sogen. „Heiligen" u. s. w. besteht
in einem Grundvermögen von 101,004,557 fl.
mit einer Rcnle von 6,083,281 fl.

Unter den angegcbcnen Zahlen ift der von
Kaiser Zoseph aus eingezogenen Kirchengütern
gegründele sogen. „ReligionSfond und Studien-
fond" nicht enthalten. Ersterer besitzt ein Vcr-
mögen vou ca. 68 Millionen, letzterer ein sol-
chcs von 151/5 Millionen Gulden. Beide slehen
unter staatlicher Verwaltung, die jetzt abec faft
ausschließlich geisttichen Händen übertragen ist.

DieGesammtsummenaller für kirchlicheZwecke
bestimmten Fonds repräsentiren ein Stamm-
vermögen von 366,890,986 fl., mit eiuem Ein-
kommen von 23,925,831 fl. Was ergeben sich
nun aus solcher Lage der finanziellcn Kräfte
Oesterreichs sür ünmittelbare Folgen für die
Machtstellung des Staates uud die Wohlfahrt
der Einzelnen? Darüber in einer Schlußbe-
trachtung.

* Polirische Urrrschau.

Heideiberg, 7. Octobcr.

Der „Hess. Morg.-Ztg." zufolge wird näch-
sten Monlag, den 8. d., Vormiltags 11 Uhr,
die Lesitzcrgrcisung Kurhessens für die Krone
Preußens hierselbst feierlich verkündigt werden.

Wie die „Bcrl. Börsenzlg." erfährl, beab-
sichtigt die Reglerung, Laron Wcrlher von
Wien zurückzuberufen, sobald Frhr. v. Beust
in das österreichische Ministerium lritt (waS
aber ncuesten Nachrichten zufolge nichl statl-
finden soll. D. R.). — Ein Consortium Frank-
furter Banquiers reflecürt auf eme Quoleüber-
nahme der Zwangsanleihe, wclche den italiem-
schen Provinzen auferlegt wird, um daraus ein
Lotkcriepapicr zu fchaffen.

Der „Kreuzzcitung" zufolge bleibt die Frage
wegen Beeidigung der Beamlen in den ncuen
Provinzen vorläufig offen. Wegen Regelung
der Justizverhältnisse werden befondere Bcrord-
nungcn ergehen; cinstweilen bleiben die Ober-
appellationsgerichtc in Hannover unb in Kür-
heffen bestehen. Die sonstigen Refsortverhält-
niffe uilterliegen nvch den Beralhungen des

Staatsministeriums.

Am 18. October wiro m Preußen eme
Erweiterung und Ausdehnung des Amnestie-
erlaffes erwartel, die sich auf die Todesurtheile
und die Vergehen erftrecken sollen.

Die kürzlich von mehreren Blätlern gebrachte
Nachrickt, in der preußifchen Armee fchle es an
1900 Öfficieren, ist übertrieben. Der jetzige
Bedarf stellt sick aus etwa 180 Officiere.

Nach einer Cvrrespondenz der „KarlSr. Z."
aus Wien vom 3. ist von emer Berufung
des Hru. v. Beust an Stelle des Grafen Mcns-
dorff noch niemals die Rede geweien.

Die Nachrichten auö Wien lauten so kläglich
als möglich. Selbst die surchtbaren Schlage
des diesjährigen Feldzugs haben es nichl ver-
mocht, jcnen Wechsel des Systems und der
Personen irgendwie herbeizuführen, deffen Un-
entbehrlichkeit sckon längst von jedem Unbefan-
genen erkannt werden mußte. Der gewallige
österreichische Staat wird schneller, als man
ahnet, völlig zu Grunde gerichtet scin, wenn
nicht mit Kraft und Verstand in kürzester Zeit
energisch und consequent mit dem alten System
und den alten Personen vollständig gebrochen
wird.

Die „Patrie" gibt eine Analyse der prcu-
ßischen Antwort vom 25. Sept. auf das Lava-
lettehche Rundschreiben. Die Antwort sagt:
Der König habe große Befriedigung empfun-
den und in dem Rundfchreiben die Weisheit
Napoleons wicdererkannt, welchem Europa es
danke, daß eine der schwierigsten Fragen, welche
den Continent umzustürzen gedroht habe, eine
rasche und befriedigeude Lösung rrhalten hat.

f Der „Moniteur" veröffentlicht diejcnigen
Staaten, mit denen sich Frankrcich über die
gegenseitige Abschaffung aller Paßvisagebühren
geeinigt hat. Diese Staaten sind bis jetzt
Oesterreich, Bayern, Belgien, Däncmark, Spa-
nien, Großbritannien, Heffen-Darmstadt, Nie-
derlande, Preußen, Sachsen, Schwedcn und
Norwegen, Schweiz, Venezuela und Würtem-
berg. (Auch in Baden habcn die Gebühren
mit dem 1. Oct. ihr Ende erreicht. D. R.)

Marschall Bazaine (und mit ihm cin Theil
der französischen Truppen) wird Mexico Ende
November verlassen,

Der kleine „Moniteur" bezeichnel die Bedin-
gungen des Fricdens zwischen Oesterreich und
Zlalien bezüglich der Schuldfrage folgender-
maßen: Ztalien übernimmt, wie auch bereits
schon von anderwärts her gemeldet wor-
den ist, die Passiva des Monte Lombardo-Ve-
neto und zahlt, als Antheil an der allgemeinen
Staatsschuld Oesterreichs und für Ucbernahme
des nichl transportablen Fcstungsmaterials,
87i/z Millioncn Frcs.

General Ambert, ciner dcr ancrkanntesten
militärischcn Schriftsteller Frankreichs, spricht
sich im „Moniteur" übcr dic unerwarteten und
so raschen Erfolge Preußens auS: Zetzt schon
darf Niemand verkennen, daß es in scinen Vor-
bereitungcn allen deutschen Staaten überlegen
war, und dies ist die erste, alle andcrn beherr-
schende Bedingung, ohne wclche der Zufall die
Hauptrollc spielt." .... Weitcr bemerkt Gene-
ral Ambert: „Die raschen Erfolge der preußi-
scheu Armcc im letzlen böhmischen Feldzuge er-
klärcn sich auch aus der Bedeutung der sorg-
fältigen Vorbereitungen, welche die preußische
Regicrung feit mehreren Zahren getroffen halte.
Wir wollcn uns darüber in keine Einzelhciten
einlassen; wir sprechen hier nicht von einer
ausgezeichncten administrativen Organisation,
nicht von dem Systcm der so zu sagen perma-
ncntcn'Brigaden und Divisionen, wodurch. die
Führer ihre Soldaten, die Soldaten ihre Füh-
rer kennen lerncn, was ihre moralischc Kraft
verhundertfacht. Die Vereinigten Staatcn Ame-
rikas und Prcußen haben sich in ihrcn letzten
Kriegcn des Anspruchs dcs Marschalls de Bclle-
Jsle erinnert: „Jedc Knauserei im Kriege ist
ein Mord!"

D e u t s ch L 6 n d.

j-j- Aus dem Seekreise. Die Trauben
gehen unter dem Einfluffe der herrlichen Wit-
terung, welche, Gottlob! auf die furchtbaren
Föhnstürme in der Mitte des vor. Mts. gefolgt
ist, ihrer Reife entgegen; hält das Wetter —
Morgennebel und nachher der prächtigste Son-
nenschein, sowie überraschend warme Nächte —
noch einige Zeit an. so dürfen wir uns nicht
nur auf einen „trinkbaren", sondern noch auf
einen ganz guten Wein gefaßt machen, welcher
natürlich an Qualität dem vorjährigen immcr-
hin weit nachstehen, ihn an Quantität aber
wohl um noch einmal so viel übertreffcn wird.
Wohlgemerkt! dcr Seewein ist gegenwärtig nicht
mehr jene berüchtigte „concentrirte Essigsäure",
sondcrn es gibt treffliche Lagen in Privat- wie
in Domänenbesitz, die den besten Ueberrheiner
Weinen nicht nachstehen dürften, und selbst die ge-
ringcn Winzer haben im Laufe der letzten Jahr-
zehnte chre Traubensorten ansehnlich verbeffert.
Ueberhaupt ist in landwirthschaftl. Hinsicht bei
uns viel Regsamkeit. Die l»ndw. Bezirksver-
eine weisen verhältnißmäßig sehr starkc Mit-
gliederzahlen und entsprechettd besuchtc Ber-
sammlungen auf; derjenigc dcs Bezirks Stockach
hatzwei Dampfdreschmaschinen angeschafft, welche
ungemein ftark begehrt werden; die Viehzucht
nimmt durch eifriges Jmportiren von Schwei-
zer Farrcn fortwährcnd an Güte zu; der Ho-
pfcnbau, zu welchem der Bodcn sich vielerortS
 
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