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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 205-230 September
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Ueidelbrrgtr Ieitung.

N-.- 222. Freitag. -I. S-Ptember 18«8.

* Politische Umfchau.

Heidelberg, 20. September.

* Das vielbesprochene Lavalette'sche Cir-
cular ist endlich erlasien worden. Demselben
wird so ziemlich in allen Organen der Presie
ein friedlicher Charakter beigelegt. Nur ist eS
auffallend, daß von jenem Minister der orien-
tälischen Frage mit keinem Worte Erwah-
nung geschieht. Man will in dieser nur eine
neue Verlegenheit für Frankreich erblicken. Es
wird versichert, das Tuileriencabinet erblicke,
weit'entfernt diese Frage auf die Tagesord-
nung zu setzen, in der That nur einc gewaltige
Calamität darin, den AuSbruch derselbcn jctzt
nicht verhindern zu können. Da Frankreich
mit dicser Frage zum Erstenmale auf eine Coa-
lition dcr Rusien und Nordamerikaner stoße,
so müsse es nach allen Seiten hin Zcit ge-
winnen. So wie die Verhältnisic jetzt liegen,
wird Frankreich offenbar gegen Rußland in
der orientalischen Frage Partci ergreifen müsien,
und dasselbe aber jedenfalls wieder England
(wie in den Jahren 1853—1856) und Oester-
reich auf seiner Seite habcn, welche Mächte in
dieser Fragc neuestens eine conservative Stel-
lung zu Gunsten der Türkei einnehmcn. Von
Jtalien ist die zu ergreifende Parteistellung noch
ungewiß. Dagegen wird Preußen, unter seinen
jetzigen Beziehungen zu Numänien, allem An-
scheine nach auf russischer Seite zu treffen sein.

Der „Wetterauer Bote" meldet gerüchtöweise
aus Darmstadt, daß zwischen Preußen und der
hessischen Regierung ein geheimer Friedensartikel
bestehen soll, wonach im Kriegsfall das Groß-
herzogthum sein ganzes Contingent, das auf
25,000 Mann zu bringen wäre, Preußen zur
Vcrfügung stellen müßte.

Jn Bayern herrscht eine unglaubliche Er-
bitterung über die Verleihung eines Ordcns an
den Grafen Biömarck. Der Nürpberger „Nordd.
Corresp." sagt darüber: „Welcher Orden dem,
bayerischen Minister gebührte, der eine solche
Decorirung empfohlen odcr, ohne sein Porte-
feuille daranzusetzcn, zugelasien hätte, wollen
wir nicht sagen; das Nohmaterial dazu wächst
aber im Lande des Generalcommandanten des
preußischen 2. Reservecorps (Mecklcnburg)."

Nach dcr „Neuen freien Presse" ist durch
französische Vcrmittlung in den Friedensver-
haudlungen zwischen Preußcn und Sachsen die
Sclbststänvigkeit der sächsischen Armee gesichert.
— Auch dem „Nürnb. C." wird aus Wien vom
17. d. telegraphirt: Die Verhandlungen zwischen
Preußen und Sachsen gestalten sich günstiger.
Sachsen ist die militärische Sclbstständigkeit ge-
stcherl.

Deutschland.

Karlsruhe, 18. Sept. Die Zusamürenkunft
des Landtags wird, wie der -Lchw. M. schreibt,
allem Anschein nach nur von ganz kurzer Daucr
sein, wenn nicht noch neue Erwägungen Platz
greifen. Zwar stehen noch schr wichtige Vor-
lagen zur Verhandlung bevor (Schulgesetz)
oder sind halb erledigt (Preß- und Vereinsge-
setz). Allein weder die Geld- noch die politi-
schen Verhältniffe sind zur Erledigung der ei-
nen odcr andern dieser Vorlagen angethan; was
das Ministerverantwortlichkeitsgesctz betrisit, so
treten bei diesem bcsondere gesetzgeberische Er-
wäguugcn ein. Am meiften wäre den Schul-
lehrern die Befferftellung zu gönnen, allein auch
hier scheint die Lage ein starkeö Fragezcichen
gemacht zu haben.

Karlsruhe, 19. Sept. Wie die „Karlsr.
Ztg." vernimmt, werden nun auch die Bauar-
beiten an den Bahnstrecken Engen-Donaueschin-
gen und Radolfzell-Stockach wieder sortgesetzt.
Damit kommen nun die sämmtlichen Eisenbahn-
Bauten in den verschiedenen Landestheilen, welche
früher in Angriff genommen und beim Aus-
bruch dcS Krieges eingestcllt waren, wieder in
Gang. Auch in Mannheim soll einem schon
früher gesühlten, iu der^üngsten Zeit aber drin-
gcnder gewordencn Beburfniß zur Hebung dcs
an diesem Ort stch immer mehr ausdehnenden
Fruchthandels durch den Bau von zwei größe-
ren, zum Reinigcn, Sortiren und Lagern be-
stimmten Magazinen am Freihafen abgeholfen
werden.

ES ist alle Aussicht vorhanden, daß die Oden-
waldbahn bis Würzburg im Lauf des Monats
Oktober dem Betrieb übergeben wird. Zur
Besichtigung der Bahnstrecke anf bayrischem Ge-
biet und zum Abschluß eineö Betriebsvertrags
befindcn sich dermalen Kommisiäre der badischen
und bayrijchen Betriebsverwaltungen in Würz-
burg.

Darmstadt, 18. Sept. Soeben wird hier
folgende Procl^amation veröffentlicht^

Unterstützunc; meines gulen und bewähiten VolkeS.

WormS, den 17. Sepiember 1866. Ludwig."

Frankfurt, 18. Septbr. Herr General-
Major v. Beyer ist zum Kommandanten von
Frankfurt ernannt worden.

Mainz, 18. Sepl. Dem M. Anz. wird
von hier geschrieben: Sie werden aus dem „Frkf.
Jour." bereits ersehcn haben, daß 1500 Land-
wehrmänncr des 32. preuß. Znfanterie-Negi-
ments gewaltsam einen Eisenbahnzug occupiren
wollten, um in ihrc Heimath (Thüringen) ge-
bracht zu werden. Schon vor ihrcm Abmarsch
aus Mainz haben ste die Forderung gestellt,
man solle sie nicht zu Fuß marschiren lasien,
und eS kam dabei zu solchen Excesien, daß sich
alle Macht militärischer Disciplin als nutzlos
erwies. Sie marschirten zwar vorgestern Mor-
gen hier ab, wiederholten aber in Franksurt
den Versuch, stch die Beförderung per Eisen-
bahn zu erzwingen, und als 'sie der vom dor-
tigen Gouvernement ihnen entgegengesetzten Ge-
walt weichen mußten, suchten etwa 700 das
Weite, während die Ücbrigen Nachts in einer
Kaserne untergebracht und am andern Tage
auf einen angeblich nach ihrer Heimath abge-
henden Eisenbahnzug gebracht wurden. Dicscr
Zug führte sie aber nach dem chicsigen Bahn-
hof, von wo sie uuter zahlreicher Bedccknng in
die hiesige Citadelle grbracht wurden, um einer

Das Heldenmädchen von Bremen.

Am Sonnabend, 25. August, starb in Horn bci
Hamburg Anna Lucks, geb. Lührtng, genannt
das Heldenmädckrn von Bremen, im 70 LebenS-
jahre. Der „Hamb. Freischütz" schrcibt darüber:

„Genau 53 Iahre vor ihrem TodeStag, am 25.
August 1813, hatte fie den lctzten Tag an der
Seite Theodor KörnerS verlebt, welcher Tags
darauf, am 26. August, sein Leben bei Gadebusch
avshauchte. Wie Körner hat auch sie freiwillig
fich der Lützow'schen Schaar angeschlossen. Muth-
vvll entschloß sie sich, ihr Geschlecht zu verleugnen
und unerkannt von ben Kameraden mit ihnen bis
zu ihrem ehrenvollen Abschiede alle. Gefahren und
Strapazen dcs KriegeS zu theilen. Wenn der Vor-
st md des hanseatischen Vereins in einem ihr ge-
w.dmeten Nachrufe bervorhebt, daß sie bis in daS
späteste Alter die Achtung AUer durch Anspruchs-
lofigkeit und Beschetdenheit zu gewinnen wußte, so
ist VieS nur der ungeschminkte AuSdruck der retnen
Wahrheit. Die Lühring lebte eine lange Reihe
von Jahren bet einer ihr befreundetrn Familte in !

Heldenthaten zu erzählen, geschweige damit zu renom»
miren. Die stille Abgeschloffcnheit, in welche sie fich
zurückgezogen hatte, macht eS denn erklärlich, daß
die Außenwelt fast nichts von ihrem Dasein erfuhr.
Gin bekannter, ihr erst kürzlich ins IenseitS vor-
ausgegangener Weinmakler, der ihr einstiger Ka-
merad im Lützow'schen Lorps war, war der etnzige
Vertraute ihreS Herzens. Dteser war rS, welcher,

sorge für fie in dtn alten Tagen übernahm, eine
Fürsorge, die fie, so lange fie sich durch Unterricht-
ertheilen selbst helfen konnte, mit Entschtebenheit
zurückwieA. Durck drn bezeichnrten Herrn wurde
denn auch vor zehn Iahren der Bremer Senat
daran erinnert, daß er noch eine Pflicht der Dank-
barkcit gegen dte Lührirrg abzutragen habe. Die
vom Bremer Senat ibr bewilltgte Penfion war
zwar keine glänzende, aber die Anerkennung, welche
ihr in einem Begleitschreibrn auSgrdrückt wurde,
war eine außergewöhnltche. Alsdann vergingen

trat. Die Bemühungen deS UrheberS dieser Feier,
der Lühring überall, wo es Ehrenplätze gab, einen
solchen zu fichern, scheiterten an ihr selbst. Jn
beiden Theatern, bei allen öffentlichen Festivttäten,
gn einer Hauptstraße, durch welche sich der Festzug
bewegte, war etn Ehrenplatz für fie belegt; ihre
Bescheidenheit ließ eS aber nickt zu, sich bei trgend
einer Gelegenheit tn den Vordergrund zu stellen."

Ein preußischer Eürasfier besuchte kürzlich eine
Schenkwirtbschaft in Sachsenhausen, um ,ein Gläs-
chen Aepfelwein" zu trinken. Zur Erlrtchterung
legte er seinen sehr erheblichen Säbel quer über
den Tisch. Ein Sachsenhäuser ging hinauS und
brachte eine nicht minder bedeutende Mistgabel und
legte dieselbe dicht neben dte Waffe hin. „Sie
wollen mich wohl foppen?" meinte der Eürassier^
„Nein, Freund," antwortete der Sachsenhäuser,
„ich wollte nur zu dem großen Messer auch eine
anständige Gabel legen."
 
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