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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 178-204 August
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Ueidtlbkrger Zeilung.


188. Freitag, 24 August

* Politische Umschau.

Heidelberg, 23. August.

Die durch den Friedensschluß uothwendig
gewordene Einberufung der würtembergischen
Stände wird auf den 3. oder 4. September
erfolgen.

Der Führer der würtcmbergischen Volkspar-
tei, Oesterlen, schließt eine längcre Zuschrift
an den „Stuttg. Beob." mit Folgendem: „Die
VolkSpartei hat, rüie auf die Gefahr der Main-
linic, so auf die der Einmischuug des AuSlan-
deS und eines Krieges Frankreichs gegen Preu-
ßen als cine. möglichc Folgc der preußischen
Vergrößerungspolitik hingewiesen. Jn der Hand
der preußischen Rcgicrnng licgt es, durch Ver-
zicht auf die äußerste Ausnützung ihres Sieges
und die Rückkehr zu einer Politik des Rechts
und der Freiheit jene 'Gefahr zu entfernen.
Wenn jedoch Frankreich Einsprache gegen den
Versuch erhebt, die Freiheit und Einheit Dcutsch-
lands neu zu begründen, so wird es uuser Volk
und unsere Partci einig finden."

Die bayerischen Ständekammern sind durch
königliche Vcrordnung auf deu 26. August ein-
berufen.

Außer dem Entlassungsgesuch des Hrn. von
Beust, welches angenommen wurde, gaben
auch die andern sächstschen Minister gleichfalls
ihre Entlasfung, dieselbe wurdc jedoch nicht an-
genommen.

Nach Briefen aus Wien im „Memorial" soll
Graf Bismarck in Nikolsburg dem östcrreichi-
schen Bevollmächtigten eingestanden haben, daß,
falls die Schlacht bei Königgrätz von den Preu-
ßen verloren worden, er den Tob im Kampfe
gesucht haben würde.

Einem Privattelegramm dcr „Rhein. Ztg."
zufolge, hätte Preußen den bisherigen Zollver-
bündeten erklärt. obgleich dcr Krieg oic Zoll-
vereinsverträge zerrissen habe, gestatte es, die
Gegenseitigkeit vorausgesetzt, doch eine factische
Forldauer des Vertrags mit sechsmonatlicher
Kündigung.

Regierungsrath Lesfer erklärt die Nachricht,
daß er Namens vieler Beamten in den Her-
zogthümern bei dem Herzoge Friedrich von
Augustenburg beantragt habe, sie unter den
gegenwärtigen Verhältnissen ihres Huldigungs-
eides zu entbinden, für völlig grundlos.

Der „Jtalie" zufolge würde stch das jüngste
Amnestiedecret auch auf Joseph Mazzini und
alle von Aspromonte her Verurtheilten aus-
d.ehnen.

Die neueste Nummer der in Hannover er-
scheinenden „Ztg. für Nordd." bietet eine ganz

neue, an die Zeiten von 1848 erinnernde Er-
scheinung: Jn etwa vier oder fünf Artikeln
dieses Blattes stnden sich sechs bedeulende Cen-
surlücken!

Das „Journ. des Deb." ist nun ebenfalls,
wie bereits vor mehreren Tagen der „Siecle",
zu den Gegnern der preußischen Politik über-
gegangen, und cs vertheidigt nun, seitdem die
königl. Annexionsbotschaft erschienen ist, in der
französischen Presse kcin einziges Blatt mehr
das.kühnc Vorgehen dcs Grafen Bismarck. Die
„Opin. nation." allein HLlt stch in vorstchtiger
Neutralität; sic ist noch nicht zum Angriff über-
gegangen, hat aber vorläufig auch die Befür-
wortung der durch die preußische Action in
Deutschlano vorgenommencn Veräuderungen ein-
geftellt. 'Der „Constitutionnel" gefällt sich in
discreter, aher darum nicht gerade wohlwollender
Zurückhaltung. Sogar die „France", deren
Friedenspolilik in der letzten Zeit einen starkcn
Contrast gegen die Haltung anderer Blätter
bildete, spricht sich heute in fölgender einschneiden-
der Weise aus: „Man mxrke es sich wohl, die
Form, unter welcher diese Vergrößerung der
preußischen Monarchie stattgefundcn hat, läßt
das Eroberungsrecht in seiner ganzen Strenge
wieder aufleben. Um die Bevölkeruugen küm-
merte man sich obcn so wenig, wie es in den-
Zeiten des Mitkelalters und den uuoien re§ime
geschah. Genau wie damalS entnationalisirt
man sie durch die Gewalt, ohne ihnen ein
Wort über ihr Schicksal zu vergönnen. Man
beansprucht nicht einmal zu wissen, wie ihre
Neigungen in dieser Beziehung sind, man e'r-
klärt einfach, daß mit der Zeit und mit Hilfe
der preußischen Verwaltung sic dahiu gclangen
werden, sich unter die Herrschaft, die ihnen
heute auferlegt ist, zu bengen. . . . Warum
diese Rückkehr zu dem Verfahren des alten
Europa und diese eclatanteVerletzung des Grund-
satzes, welcher dic Basis des heutigen Völker-
rechts bildet. Kann Preußen hier im Ernste
von einer legitimen Vertheidigung oder den Er-
wägungcn einer höheren Macht derDinge sprecheu,
um darzuthun, daß es die Autonomie dieser
alten Länder lediglich den Rücksichten seiner
eigenen Unabhängigkeit opfert? Wir sehen nicht
ein, inwiefern Staaten, über deren militärische
Kräfte es verfügt und die eS dem AuSlande
gegenüber vertritt, jemalS eine Gefahr für es
hätten werden können. Die Erhaltung ihrer
Autonomie würde im Gegentheil den Uebergang
zu einer engeren Vereinigung erleichtert und
das Cabinct vou Bcrlin würde die Vortheile
einer wahrhaften Annexion geerntet haben, ohne
die Verantwortung für den Zwang tragen zu

Eine achtfache Mordthat

Den Hamburger Nachrichten geht aus Wilster
vom 11. August über eine in der benachbarten Ort-
schaft Kampen vollführte achtfache Mordthat fol-

habende Iohann Thode und bewirthschaftete den-
selben mit seiner Frau, fünf Söhnen, wovon der
jüngste 14 Jabre, einer achtzehnjährigenTochter und
einem Dienstmädchen. Hieröon schliefen in einem
Zimmer zusammen tn zwei Wandbetten der Hof-
befitzer mit sciner Frau, und dte beiden jüngsten
Kinder, in einer andern Stube dcr 19 Iahre alte
Sohn Timm, die drei andern erwachsenen Söhne
in zwei zusammenhängenden Kammern neben dem
Pferdestall und das Dienstmädchen in einer sepa-
rtrten Kammer auf der entgegengesetzten Seite des
Haupthauses. In der Nacht vom 7. auf den 8. Au-
gust, gegen 1 Uhr, klopfte der junge Timm Thode
bet dem bcnachbarten Hofbefitzer Jakob Schwarz-
kopf an das Fenster der Kammcr, worin deffen

Dienstmädchen schläft, und rtef mit letser, matter
Stimme: „Fcuer!" Das Mädchen alarmirte thren

einige kleine Kästen, worin eine bedeutendeSumme
in Werthpapieren, Silberzeug und etwa 400 Mk.
in baarem Gelde. Währcnd dte Frauen dem jungen
Thode zu Hülfe kamen, eilten die Männer auf den
Thode'schen Hof und fanden dort die allein stehende

hausc allrs still, auck die Thüren' dazu verschlossen.
Sie verschafften sich mit Gewalt Einlaß und fan-
den in der Wohnstube in den beiden Betten das

welche fie, da fie regungslos waren, für betäubt
hielten und durch dte Fenster ins Freie schafften;
die Stube war mtt Rauch dicht angefüllt, und das
Bett des Ehepaars glimmte. Als darauf versucht
wurde, von der Hausdiele aus die Kammer der
drei Söhne und des Dienstmädchens zu öffnen,
schlugen daraus die hellen Flammrn entgegen, welche
denn auch sehr bald das ganze Haupthaus verzehr-
ten. Jetzt aber ergab es fich, taß dic vier ins

müssen, den cS jetzt Bevölkerungen auflegt, die
wohl von einem deutschen Parlamentc Gesctze
empfangen, nicht aber von Preußen absorbirt
sein wollen.

Es Mt dcshakb unseres Erachtens keinen hö-
heren Mweggrund, welcher Preußen zwingt, in
solch' summarischer Wcise vorzugehen und die
Bevölkerungen für ein Unrecht zu strafen, daS
möglicherweise di? in diesem Augenblicke zu
völliger Ohnmacht gelangten Regierungen gegen
es begangcn haben können. Bestimme man
nichl über das S-chicksal dieser Bevölkerungen,
ohne ihnen Gelegenheit zu geben, ihre Gefühle
zu äußern; das ist nicht nur ihr Recht, son-
dern auch das wahre Jnteresse Preußens. Denn
es kann da's nicht von Dauer sein, was auf
die einfachc Gewalt sich stützt und Annexionen,
die nur auf das Eroberungsrecht sich stützen,
werden die feiudseligen Gefühle vcrewigen, welche
eine gcschicktere un!7 die Volkswünsche mchr
achtende Politik in kurzer Zeit beseitigen würde."

Deutfchland. »

Karlsruhe, 20. Aug. Nach Austausch
der Ratificationsurkunden des Friedcnsvertrags
ist der Präsident des Ministeriums deS großh.
Hauses und der auswärtigen Angclegenheitcn,
Hr. von Freydorf, heute Nachmittag von
Berlin hieher zurückgekehrt. (K. Z.)

Kurlsruhe, 20. Aug. Zur Genehmigung
der Finanzmaßrcgeln, welchc sich an den Frie-
densvertrag mit Preußcn knüpfen, für ein Ge-
sctz zur Ausgleichung der KriegSlasten und an-
dere Vorlagen steht, wie man vernimmt, die
Berufung der Stäudeversammlnng, wahrschein-
lich in etwa MonatSfrist, bevor. (K. Z.)

Karlsruhe, 20! Aug. Für die bcidcn aus
der Erstcn Kammer unserer Ständeversamm-
lung geschiedenen Mitglieder, die Herren Graf
Berlichingen und Hofrath Schmidt, sind die
Neuwahlen bereits angeordnet. Außerdem habeN
für die Zwcite Kammcr Neuwahlen stattzufin-
den für drci auS derselben geschiedene Mitglie-
der,.die Herren Buhl, Kopfer und Frhr. von
Roggenbach.

xx Bom Rhein, 18. Aug. Auf den
jctzigen Anschluß an Preußen — das ist sicher —
müssen wir vorerst verzichtcn; die Zerreißung
Deutschlands wird zu unserm eigenen Leidwe-
sen in kurzer Zeit eine vpllendete Thatsache
sein. So will es Preußen und das ist für uns
seines Sieges Frucht. Die Gewißheit der Er-
haltung des ZollvereinS mag dabei einige Trop-
fen Linderung in die Schaale des Unmuths
gießen, den die Zerrissenheit des deutschen Va-
terlandes, daS ein einiges großes ehrenfestes

j Freie geschafftcn Personen schon Letchen, und zwar
ermordet waren. Sie waren alle halb angekleidet
und hatten theils Stich-, theilS Hiebwundcn von
einem scharfen Instrument, tbeils Wunden von
einem stumpfen Instrument. Drr Tochter war am
schändlichsten vcrstümmelt und hatte gegen 30 ver-
schiedene Wunden am Kopfe, im Gesicht, an der

letztere nahe bei cinander liegend. Die Leichen wur-
den nach der gerichtlichen Untersuchung vorläufig
in dem nicht mit abgebrannten Backhause ünter-
gebracht und später beerdigt. Die Aufregung in
hiefiger Gegend über diese unerhörte Greuelthat ist
ungeheuer,. und haben fich allenthalben Schutzver-.
eine gebildet, welLe allnächtlich SicherheitSpatrouil-
len auSsenden. Der gerettete Sobn hatte von An-
fang an, als er Aufnahme auf dem Schwarzkopf-
schen Hofe fand, seine Sprache verloren und hat
 
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