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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 231-256 Oktober
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https://doi.org/10.11588/diglit.2833#0413

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eidtlbergkr Ieilung.

Doiinerstag, 23 October


N

' Poiitische Umschau.

Heidcldevg, 24. Ociober.

Au» Wicn, 21. Ocwber, wird der „Bank-
zeitung" lelegraphirt: Die Verhandlungen Prcu-
tzeus mil dcm Erbprinzen von Augustcnburg
wegen Verzichts aus jcinc Ansprüche gkgen Ent-
schädigung sind im vollen Zuge.

AuS Oldcnburg bcrichtet die „Wescrztg.",
daß dcr Großherzog fiir seinen Verzicht aus die
Erbansprüche iu schlcswig-Holstein außer dem
schon erwähntcn GebietszuwachS zu scincr Ab-
rundung in Holsteiu (2^/z Quadratmeilc» mit
etwa 11,000 Einwohner) uoch einc Baarsumme
von einer Million Thalcr erhalte.

Als eine siguatura temporis kann es gel-
ten, daß die im Allgemeincn legierungsfrrund-
liche Wiencr „Debaite" hcutc von der Möglich-
keit deS ZcrsalleS der österrcichischcn Mouarchie
spricht und daran verschieocne Hypothejen knüpft,
die alle darauf hinauslaufcn, daß gerade die
slavischen und magharischc» Slämmc Ursache
haben, cinc solche Katastrophe mit aller Macht
zu verhindern.

Die Sitzungen deS norddcutschen ParlamentS
werden wahrscheinlich im Gcbäude dcs Hcrren-
hauses in Bcrlin stattfinden. Dcr Zujammen-
tritt deS Parlaments dürfte frühestcnS im März
crfvlgcn.

Das „Memorial dipl." g-stcht heutc zu, daß
bie Missiou dcs Generals Castelnau »ach M-rico
den Zweck habe, Frankrcich so schnell als mög-
lich von scder Verantwortlichkeit i» dcn mcxi-
canischcu Augclcgenheitcn zu bcsreien. Dic
Kaiscrin Charlotte, dcren Zustand ihrcm Ge-
mahl angczeigt worden ist, soll nach dcm
Schlosse Laekcn in Belgie» gcbracht wcrden,
sobald Kaiser Max seine Gcnehmigung hiezu
gegcben haben wird.

Deutschland.

Karlsrube, 23. Oci. 84. össentliche Sitz-
ung dcr Zweiten Kammer. DaS ganzc
Staatsministerium ift anwesend. Vorsitz: Hil-
debrandt. Nach Erössnung der Sitzung wird
der neu cingelretene Abgeord. Stockcr (Brei-
sach) bceidigt und Schriflsührer Gcrbel z-igt
den Einlauf von Petitioncn an und zwar von
4 auS Mannhcim, Schwctzingen, Hcidelberg u.
Freiburg, die Preßverhältnijsc betr., und
cine aus Hcidclberg um Auflösung der 2.
Kammer. Der Abg. v. Feder erhält daS
Wort, um an den großh. KricgSprästdenten
scine bereils bekannte Anfrage bczüglich deS
ErsatzeS für verlvrcne Fcldpoststückc und der
Fürsorge für invalid gewordene Soldatcn zu
richten. Gencrallicutcnant lludwig erklärtc
bezüglich deS ersten Punktes, Ersatz sür ver-
loreue Gegenstände betr., war bisher daS Kriegs-
ministcrium zu bksondcrn Beschlüsicn hierübcr
nicht veranlaßt, indcm bei dcmselben erst drei
Bitlen einliefcn. Das KriegSministcrium war
in der Sitzung, wo die Sache besprochen wurde,
der Anstcht, daß die Petenten cinen rcchttichcn
Ansprnch aus Ersatz nichl hätten, und daß eS
von uubcrcchcnbaren Folgen wäre, wollte das-
sclbe den Anspruch als rcchtlich anerkennen.
Wcnn die hohe Kammer glaubt, daß mit Rick-
sicht auf dic letztcn KriegSereignisie spcciell die
Kriegsverwaltung ermächtigt wcrdcn soll, die
erlittenen Verluste zu ersetzen und auf daS Bud-
get zu verrcchnen, so hat die KricgSverwaltung
dagegen nichtS zu erinnern.

Den zweiten Thcil dcr Jnterpellation betr.,
stnd die gesetzlichen Bcstimmungcn der Militär-
penflonäre im Allgemeiuen so g-halten.'baß si-
befriedigen könne». D-r Gedanke dcr Zntcr-
pcllatiou wird von mir so ausgesaßt, ob cin
Soldat, wenn er die geringsten dcr vorgcsehc-
nen Beträge crhalte, bcstehcn k-nn. Derselbc

kann als Penstvnär erklärt wcrden, wenn cr
eine schwerc Kraukheit burchmachte; er bckommt
jährlrch 86 fl. odcr täglich 11 kr. Ein Vcr-
wundctcr, der ein Glied, z. B. eincn Arm odcr
Fuß, verlicrt, bckommt 1S6 fi. odcr täglich 26
kr.; der Soldat, bcr zwei Giicdcr verliert, bc-
kommt 210 fl. oder täglich 3ö kr. Dic letzten
zwci Beträgr reichcn jedenfaüs auS; ob auch
der erstgenannle, gibt zu gerechten Bedcnken An-
laß. Aber jeder Soldat, der pensionsfähig ist,
hal die Berechtigung, in das JnvalidencorpS
aufgcnoinmeu zu wcrden, sofcrn er nachweist,
daß cr zu Hansc sein Fortkommeu »jcht findcn
kann. Zm Jnvalidrncorps erhäll ei» Soldat
der crstcn Klassc 42 fl. Gagc, wovo» cr 4 kr.
täglich in dic Meuagc abgcdc» muß; es blci-
den ihm jodanu 3 kr. für den Tag übrig.. Diese
kann cr, WINN er in's Wirthshaus gehen will,
vcrzchren. Dafür hat er MorgcnS cinc gnte
Suppe, MittagS ein krästiges Esscn mit Wcin,
ein sehr gutes Belt, und wird, wenu er trauk
wird, gut vcrpflcgt. Ein Soldat ber zweiten
nnd dritten Ktassc erhält 79, dezw. 133 fl.,
odcr tägiich 13, bezw. 22 kr., jo daß ihm nach
Abzug oes MenagegeldeS 9, bezw. 18 kr. übrig
blciben. Trotzdcm sind oie Anmeldungcn znr
Aufnahme in daS ZnvalidencorpS »ur sehr scl-
ten, weil der Mann likber i» seiner Familic
lcbt. Wir habcn vom lctzle» Keldzug 126 Ver-
wundcte; wcun sich diesc nicht in daS Jnvali-
dencorpS ausnehmc» tassen, so gewiunl die
SlaatSkasse jährlich 10,000 fl. Vcrjtümmeltc,
die Gtiedcr vertoren haven, bekommeu unent-
geltlich lünjtliche Gticder. Allcin eS ergidt sich
immcrhin cine gewisie llnbilligkeit, indem Dcr-
jcnigc, wclcher bcide Augen vcrlorcn hat, Dcm-
jcnigen, dem beide Bcine vcrftümmclt wurocn,
gleich bchandelt wird, und eS wäre deswcgen
jehr wünschcnswerth, wenn daS Kriegöniiniste-
rium ermächtigt würde, in besondern Fällen
Erhöhnng der gcnanntcn Bcträge bis znr Vcr-
doppelung eintretcn zu lassen.

Kirsner: Die Feldpostsrage jei der Aus-
gleichnngscommijsion zu üderweisen; wenn in
einzelnen Fällcn,für crlittcne Verluste Ersatz
gewährt wird, wird die Kammcr die Jndcmni-
tät nicht verwcigern. Bezüglich dcr Vcrwnn-
deten sei »on der gr. Regiernng eine Vorlage
zu machen.

Abg. v. Fedcr dankt für die von der Re-
gierungsbank abgegcdene Erklärung.

Friderich lcgt seinen druckfertigen Bcricht
über dcn Credit von 1,066,000 p. für Zünd-
nadelgewehre und KirSncr jencn über deu
Steuerzuschlag vor.

Der TageSordnung gemäß beginnt die Be-
rathung dcS vvn dem Adg. Obkircher erstat-
telen Berichts über den Wassenstillstands! und
FriedenSvertrag mit Preußen. (Wir werden
dcnsclben nachtragen. Den Antrag dcr Commis-
sion habcn wir dcrcits iu Nr. 249 milgcthcilt.)

Abg. Busch: Er thcile im Allgemeincn die
Ausfasiung dcS CommissionSberichtS. Die po-
litijche Lage Deutschlanos, wie sie sich in Folge
des letzten KriegS gestaltet hat, sei cine crfreu-
liche, weil wir dem Einheitszicj nähcr gerückt
stnd; ersrculich sei, daß Okstcrrcich aus Deulsch-
land auSgeschicden ist und der ParticuIariSmus
der Kleinstaaten einc Schlappe erlitteu habe;
erfreulich sei auch, daß der Deutsche Bund ge-
sprengt wordcn sei. D-r Norddeulsche Bund
lcide au zwei MLngrln, nämlich, daß er sich
nicht über den Südwesten Deutschlands ans-
dchne und daß er kcine Garanlie bczüglich der
Competenz dcS ParlamcntS biete. Allcin e« sei
durch ihn doch cin Ansang sür Bildnng cines
BundesstaatS gcmacht worde» und Nom auch
nicht an cinem Tag cntstanden.

Dic südwestdeutschen Staaten, mit einer Be-
völkerung »on 8 Millionen, könnten für sich

s bestehen, wenn fie als einsame Znsel im stil-
, len Ocean lägen; aber sic befinden sich auf
i dem Continent, eingekeilt zwischen zwci Kaiser-
i staatens welche sie, wie zwei Mühlsteine ein
paar Fruchtkörner, erdrücken können, wenn
nicht dcr Norden Deutschlands sein Schwert
dazwischen strcckt. Man müsfe deshalb dem
Commissionsantrag zustimmen. Bedingungen
für den Anschluß solle man keine stellen; solche
seien nur dazu erfunden worden, den Antrag
zu erschweren. Redner ist sür den baldigen
engen und unbedingten Anschluß an Preußen,
damit wir Mitglied eines großen, in der Welt
Etwas bedeutenden Bundesstaats werden.

Abg. Moll: Er wolle für den Fall eines
Anschlusies Bedingungen stellen. Von der Ge-
fühlSpolitik müsse man sich entfernt halten und
niemals rnhig die Hand in dcn Schoß legen,
um das Verhängniß über sich ergehen zu las-
sen. Jhm sei es nicht möglich, die Dinge le-
diglich nach dem Erfolg zu beurtheilen und le-
diglich auS der Scele auSzustreichcn, waS uns
früher Alle bewegt hat. Er sei Mn Preußen-
feind und sei ein solcher niemals gewesen. Es
sei ein großer Kamps, ob der Einheitsstaat oder
der Föderativstaat besser sei. Partikularistische
Znteressen lägen ihm fern, aber er halte fcst,
daß daS deutsche Volk niemalS zu dieser
Höhe der Bildnng und Kunst gekommen wäre,
wenn es nicht in kleinen Staaten gelebt hätte.
HLtte Preußen nach dem AuSscheiden Oefter-
reichs deutsche Politik treiben und den Födera-
tivstaat anstreben wollen, den er (Redner) für
das Beste halte, dann wären wir Alle auf sei-
ner Seite. Die Annerion von SchleSwig-Hol-
stein, das niemals mit Prenßen im Kampf sich
befundcn, sci auch eine Sache, die für Preußen
nicht begeistern könne. Eine Vereinigung der
deutschen Volksstämme sollte auf dem Wege der
freien Vereinbarung und gleichen Berechtigung
gesucht werden. Wenn auch die Ereignisse über
unS hinwegschreiten und wir der Gewalt nach-
geben müssen, so könne man doch nicht leichten
Herzens liebgewordene Zustände opfern und
Anschauungeu aufgeben, die man früher für
richtig gehalten habe und jetzt noch halte. Der
norddeutsche Bnnd biete die Garantieen nicht,
die er (Redner) für nöthig halte. Er wünsche
eine Centralgewalt, neben der ein Parlament
stehe, welches gewisse Berechtigungen habe. Er
glaube, daß der norddeutsche Bund ein Jnter-
esse habe, Süddeutschland beizuziehen; aber
daS letztere müsse verlangen, daß ihm gleiche
Rechte eingeräumt würden wie Norddeutschland;
eiu Uebergewicht könne man einem einzelnen
Staat über die andern nicht zngcstchen. —
Schließlich stellt Redner einen Antrag, welcher
verlangt: 1) daß Baden in seiner deutschen
Politik im Einoerständniß mit den übrigen
süddeutschen Staaten vorgehe und 2) daß die
ReichSverfassung von 1849 sammt Grundrech-
ten als Norm für die Constituirung des deut-
schen Bundesstaates gelten sollten.

Der Herr Präjident dkS Ministeriums
deS Aeußern erklärt hierauf:

ES ist schon von dieser Stelle auS und in
Zhrcm Commissionsbericht gesagt, daß und wie
der deutsche Bund aufgehört hat, zu bcftchen.

Schauen Sie zurück auf die THLligkcit und
Wirkjamkeit dcö BundcStags, erinnern Sie sich,
daß sowohl die Stände als die Ncgierung des
Großhcizogthums Baden seit Zahrzehntcn aus
eiue Umgistallung der BundeSversassiing, auf
eine Neugestaltung DcutjchlandS hinarbciteten,
ja, daß cine solche Neugcstaltung von Regie-
rung und Vcrtretern dcS VolkS schon ange-
nommcn war, daß sich die RcichSversassung von
1849 in unjerin RegicrungSblatt vcrkündet
findet, daß wir in den solgenden Jahrcu gcgen
unsern Willcu Iviedcr in die Bundcsverfassung
 
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