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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 178-204 August
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https://doi.org/10.11588/diglit.2833#0201

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Utidkilmgcr Zeilung.

N7.' 20«. Sonntag, 2« August


1800.

Die Jahresberichte der großh. Landes-Com-
miffäre über die Zustände und Ergebniffe der

innern Berwaltung für das Zahr 1865.

Wir entnehmen über vorstehenden Gegenstand
einem längeren Aufsatz des bad. Centralblattes
Folgendes:

Zum erstenmale seit Einführung der neuen
Verwaltungs-Organisation wurden die Zustände
der einzelnen Kreise des Großherzogthums einer
eingehenden Scbilderung in den zur Oeffentlich-
keit gelangten Berichten der g'r. Landes-Com-
missäre untcrworfen. Als Quellen hiezu dienen
theils die Berichte der Amtsvorstände, thcils ei-
gene Wahrnehmung.

Wir werden aus diesen Jahresberichtcu, so-
weit ihr Jnhalt nicht bereils durch statistische
Arbeiten, oder du^ch besondere Organe für Land-
wirthschaft, für Handel und Jndustrie, oder
durch speziclle Aufsätze über Gegenstände der in-
nern Verwaltung bekannt wurde, einige inter-
essante Mittheilungen bringen. Wir werden
die betreffenoen Abschnitte aus dcn einzelnen
Verwaltungsbezirken hinter einander folgen las-
sen. Die Uebersicht über die Verhältniffe des
ganzen Landes wird dadurch an Deutlichkeit
gewinnen, es werden die Vcrglcichungen von
selbst sich ergeben.

1. Wohlstand im Allgemeinen.
n. Kreise Constanz und Villingen.

Diese Kreise stehen in Bezug auf den Wohl-
stand ihrer Bewohner andern Landesgcgenden
nach, doch dürfen sie immer noch als wohl-
habend bezeichnet werden, denn ihre Bewohner
besitzen durchweg die Mittel oder können sich
solche verschaffen, um ordentlich zu lcben und
ihren Vermögensstand zu vermehren. An Arbeit
fehlt es nicht. Die Aemter Constanz (Stadt)
und Triberg konstatiren eine fortdauernde Zu-
nahme des Wohlstandes, Villingen wenigstens
keinen Nückgang, wobei in Anschlag zu brtngen
ift, daß diese Bezirke mehr von Handel, Jn-
dustrie, Gewcrbsbetrieb u. s. w. sich ernähren,
als von Feldbau. Dagegcn wird aus den
übrigen 7 Bezirken und den Landgemeinden
des Amts Constanz über cine theilweise sehr
merkliche Abnahme des Wohlstandes geklagt.
Ursachen: nicdere Fruchtpreise in Folge ver-
mehrter Einfuhr auswärtiger Früchte, vermehrte
Genußsucht, inSbesondere bei derdienenden Klasse,
Erhöhung der Arbeitslöhne, lheilweise auch allzu
hohe Güterpreise bei Kauf und Pachtung in
früheren günstigen Jahren, endlich auch in meh-
reren Aemtern beträchtlicher Schaden durch Ha-
gelschlag. Die Güterpreise ffind, mit Ausnahme
von Constanz (Sladt), Triberg und Villingcn,

im Allgemeinen um Vs bis ja im Amt
Engen bis um i/g ihres früheren Werthcs im
Z. 1865 gefallen. Die gerichtlichen Schuldbe-
treibungen, die Liegenschaftövollstreckungen und
Gante haben sich gegen daS Jahr 1864 an-
sehnlich vermehrt.

d. Kreise WaldShut, Lörrach und
Freiburg.

Nach den Amtsberichtcn haben Bonndorf,
Lörrach, Schopfheim, Breisach und Kenzingen
eine mcrkliche Zunahme des Wohlstandes aufzu-
weisen; in Zcstetten, Säckingen, Staufcn, Neu-
stadt und Waldkirch ist keine Aenderung gegen
das Vorjahr eingetretcn, dagegen hat in St.
Blasien, Waldshut, Müllhelm, Schönau, Em-
mendingcn und Ettenheiln der Wohlstand eher
ab- als zugenommen; in der Stadt Freiburg
hat er unverkennbar sich gesteigert, doch im
Landbezirk vermindert. Nach der Ansicht des
gr. Landes-.Commissärs wurde der Wohlstand
im Allgemeinen, wo er eine solide Basis halte,
im I. 1865 nicht erschüttcrt; wo sich ein Rück-
gang gezeigt hat, waren die Gründe schon vor-
hcr vorhanden. Die niedern Fruchtpreise, der
Futtermangel, der gesunkene Werth des Viehs,
die Stockung im Wcinabsatz, bcsonders auf dem
Wald der gedrückte Holzhandel, endlich die
Stockung im Fabrikbctrieb trübten allerdingS
die Einnahmsquellen eines Theiles der Bevöl-
kerung, allein die Consumenten hatten darunter
weniger zu leiden. Gegen den Wohlstandsrück-
gang im Allgemeinen spricht die überall ge-
schehene Steigerung der Sparkasseneinlagen, die
Abnahme der Armenunterstützungen, die Er-
höhung der Steuerkapitalien, die Abnahme der
Schulden der Gcmeinden, der Einnahms- und
Ausgabsreste. Die Vermchrung der Zahlungs-
befehle, Vollstreckungsvcrfügungen und Gante
wird vorübergehenden Veranlassungen zuge-
schrieben, häufig den theuern Güterpreisen von
früher. Letztere haben sich in den meisten Bezir-
ken auf ihrem früheren hohen Stand crhalten;
nur da und dort wird ein Sinken höchstens
bis auf 20 pCt. herab wahrgenommen, wäh-
rend Taglohn und Dienstbotenlohn sich gleich
geblieben sind oder gar gesteigert haben.

.v. Kreise Baden, Karlsruhe und
Offenburg.

Der Wohlstand hat vielfach einen Stillstand,
in einigen, vorzugsweise in den frucht- und fut-
terbauenden Bezirken selbst einen Rückgang er-
litten; die Ursachen hievon sind die nämlichen,
wie in den Kreisen Constanz und Villingen.
Uebrigens wird eine nachhaltige ungünstigeNach-
wirkung nicht in Aussicht gestellt, wie denn auch
die Güterpreise und Taglöhne keinen erheblichen

Birndorf, 23. August. Vor einigen Wochen
flüchtete der hiesige Müster, ein weithin bekannter
Mastvieh-Händler, 15 mächtige große Ochscn und
2 Kühe wegen der prcußiscken Rcquisition in die
Schweiz. Jn Rheinfelden kam cr mit 3 Metzgern
zusammen, und diesc werden mit dem Verkäuser
cinig, für den ersten Centner 50 Rappen, also
14 kr. zu gcben, jeder Centner weitcr soll dagegen
noch einmal so viel kosten. Der Handel wurde fest
gemacht. Berechnet man nach der von den Metzgern
selbstgemachten Sckätzung, jeden Ochsen zu 16 Ctr.,
so kommt jedes einzelne Thier auf 6384 Franken,
alle 15 zusammen, ohne die zwei Kühe, auf 245,760
Franken. Nach der Berechnung sehen die Metzger
ihren Mißgriff xin; da der Verkäufer auf Kauf-
erfüllung dringt, so ist dic Sache jetzt^in Advoka-

Kutlergild' zu äS Fr-n>cn rtnftw-ilcn tn ^iöhlin
eingestellt, und seil dem Kauftage haben die Füt-
terungskosten mit Knecht bereits einige Ochsen auf-
gezehrt. —. (T- Z.)

Reisende, die in Wien von Nikolsburg einge-
troffen, erzählen folgenden von der „Presse" wie-
dergegebenen Vorfall aus der Zeit der -preußischen
Besetzung: Wie bei der erregten Stimmung der dor-
tigen Bevölkerung begreiflich, fehlte es in den ersteu
Stunden der Occupativn nicht an hefrigen Aeuße-

mandantcn in Rückficht der Requifitioncn u. s. w.
Ein jüdischer Einwohner in Nikolsburg war sogar
unklug genug, diesem Unmuthe auf offener Straße
Ausdruck zu geben und in nicht sehr gewählten
Worten gegen Preußen loszuziehen. Etnige Sol-
daten, welche gerade vorbeigingen, ergrtffen den
Mann. sofort und bearbeiteten ihn nachdrücklich.
Sofort sammelte sick eine große Menge der Ein-
wohner um dcn Mann und setne Gegner; Solda-
ten traten htnzu, und die Scene drohte tn eincn
allgemeineren Kampf überzugehen, als Graf BiS-
marck in Landwebrmajorsuniform auf dem Schau-
Platze erschien. „Was gibt es hier?" fragte er die
salutirenden Soldaten. „Der Mann hat auf die

Preußen geschimpft und-" „Es ist nicht wahr,"

schrie der Geprügelte, der den Premier nicht kannte;
„ich habe nicht die Armee, tch babe nur den BiS-
marck ge.schimpft..." Schallendes Gelächter begrüßte
die fatale Antwort, während AlleS fragend nach
dem Premier sah. Dieser sagte jedoch: „Laßt thn
laufen; daS haben schon Andere gethan."

Unangenehm: „Abscheulich", rief neulich
Käthchcn, alS fie den Brief ihres Liebhabers las,
„mich liebt er unv er heirathet die Anna, wenn
er nur wenigstenS mich heirathete und die Anna
liebte." » -

Rückgang zeigen. Zahlungsbefehle. Liegen-
schaftsvollstreckungen und Gante haben mit we-
nigen Ausnahmen eine höhere Ziffer erreicht.

ä. Kreise Mannheim, Heidelberg
und Mosbach.

Nur wenige Amtsberichte behaupten eine
eigentliche Zunahme dcs Wohlstandes, u. schrei-
ben sie dann dem reichen Verdicnst zu, den der
Eisenbahnbau z. Z. ihren Bezirken bringt. Nach
Ansicht des gr. Landescommissärs ist zwar noch
nicht ein Nückgang, wohl aber ein Stillstand
in den wirthschaftl. Verhältnissen dcr drei Kreise
eingetreten. Dies ergibt sich auö der Vermeh-
rung der gerichtlichen Beitreibungen, wie aus
dem Sinken der Güterprcise. Der Klcinbauer
vermag seine mitunter übcrtrieben hohc Güter-
kauf- und Pachtschillinge nicht zu bezahlen, weil
er sein Getreide gar nicht oder nur gering ver-
kaiffen kann. Dies tritt in dcr Pfalz, wo die
HandclSpflanzen theils mißrathen, theils nieder
im Preise sind, noch mehr hcrvor, alö in den
übrigen Gcmeinden. Da indessen immcrhin noch
die öffentlichen Abgaben fast voll eingehen, in
der Consumtion der bessern LebenSmittel, na-
mentlich des Fleischcs, ein Rückgang nicht*wahr-
zunehmen ist und die Baulust kaum weniger
als im Vorjahr sich geltend macht, so ist nur
ein Stillstano, nicht Rückgang des Wohlstandes
anzunehmcn. Frcilich wcrden die niedern Frucht-
preise als Folge der geänderten Verkehrsvcrhält-
nisse bcstehen bleiben und kann diesem Uebel-
stand nur durch vermehrlen Futterbau und ge-
steigerte Viehzucht bcgegnet werden.

2. Landwirthschaft.

u. Kreisc Konstanz und Villingen.

Mil Ausnahme der AmtSstädte und des Amts-
bezirks Triberg, sowie der nördlichen Hälfte des
Amts Villingen ist die Laudwirthschaft der
Haupt-, fast der ausschließliche Nahrungszweig
der Bevölkerung. Sie hat in den letzten Jah-
ren bedeutende Fortschritte durch Verbefferun-
gen aller Art gemacht. Jm Bezirk Stockach ift
die Anregung von rationell gebildeten Land-
wirthen ausgegangen, die äus andern Gegen-
den eingewandert, durch den Umtricb ihrer Pacht-
aüter den übrigen Landwirthen das Beispiel dcs
verbesserten landwirthschaftlichen Betriebs und
der dadurch ermöglichten Erhöhung des Ertrags
vor Augen geführt haben — die bestc Belehrung
für den den Neuerungen sonft abholden Bauern-
stand. Handelsgewächse werden wenig gebaut,
mit dem Hopfenbau ist in den Bezirken Stockach
und Ueberlingen erst in den letzten Zahren
meistens mit günstigem Erfolg begonnen wor-
den. Die Ernte der Früchte wird theils als
mittlere, theils als eine unter mittlere bezeich-
net; die Futterernte theils als eine gute, theils
quantilativ als eine geringe; Kartoffeln zeigten
überall eine vorzügliche Ernte. Ueber Mangel
an- Stroh wurde vielfach geklagt. Obst lieferte
wenig Ertrag. Wein ebenso, doch in Bezug
auf Qualität vorzüglich. — Die Viehzucht steht
sehr hoch und ist bedeutend verbessert worden,
nur litten die Viehpreise einen starken Rückgcmg.
Die Pferdezucht macht wohl in einigen Bezirken
erfreuliche Fortschritte, doch wird über Mangel
an Absatz und über die Einführung der Sp'rung-
gelder Klage geführt, für welch' letztere lieber
ein erhöhtes Fohlengeld bezahlt wird. — Jn
Bezug auf die vielfach in Angriff genommene
Katastcrvermessung wird die Gemeinde Liptin-
genhervorgehoben, in welcher mit der Kataster-
vermeffung eine gänzliche Zusammenlegung der
Güter, eine neue Eintheilung der Gewanne und
der Feldwege verbunden werden soll. Kultur-
verbesserungen haben stattgefunden im AmL
Engen mit Ent- und Bewässerungsanlagen von
110 Morgen, im Amt Meßkirch von 186 M.,
im Amt Ueberlingen mit 295 M., im Amt
Triberg mit 16 M., im Amt Villingen mit 63
M., zusammen mit 670 M. Weitere Kultur-
 
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