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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 205-230 September
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https://doi.org/10.11588/diglit.2833#0236

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Stockach fanden sich von 20 neugeborenen
Kindern in einer Gemeinde bei der SpätjahrS-
impfung defselben Iahres oft nur noch 3 bis 4
am Leben. Ansasstg sind 75 Aerzte, 4 Ober-
wund- und Hebarzte, 2 Zahnärzte, 24 Thier-
Lrzte, 29 Apotheker. Ueber die Geistcskranken
sind nur theilweise Berichte auS den Amtsbe-
zirken eingckommen. ebenso über Blinde und
Tanbfiumme. Cretinen werden nur selten ge-
funden. Von Thierseuchen kamen vor: die
Maul- und Klauenicuche in Mcßkirch und Pful-
lendorf, die Lungenseuche in Stockach und Meß-
kirch.

d. Kreisc WaldShut, Lörrach und
Freiburg.

Als endemische Krankheit kommt der Creti-
nismus in mehreren Orten, besonders in den
Rheingemeinden der Aemter Säckingen und
Waldshut vor. Epidemisch zeigten sich Blattern
und Nervensieber: im Amt Müllheim die me-
vinKiti^ tubereuto8s u. eeredro 8pinuli8. —
Mit bekannter Vorliebe gedenkl der gr. Landes-
Commissär der in den Kreisen existirenden
BLder, die vom schöneu Badenweiler bis herab
nach Kirnhalde von Badegasten stark besucht
waren. Auch die Luftbäder des Schwarzwaldes
kommen immer mehr in Aufnahme. Ob die
neu enldeckte Mineralquelle bei Grenzach für
den öffcntlichen Gcbrauch beuützl werden kann,
ist noch ungewiß.

v. Kreise Karlsruhe, Bad'en und
Offenburg.

Dic Sterblichkcit hatte im I. 1865 zugenom-
men um 2,174 FLllc gegenüber dem Vorjahr.
Der Grund davon dürftc in den Witterungs-
verhältnisien zu suchen sein. Epidemisch sind
nur wenigc Krankheiten aufgetreten, so der
Typhus im Amt Bruchsal, in KarlSruhe und
in den Aemtern GernSbach, Pforzheim nnd
Offenburg; auch Blattern und die menin^iti^
zeigten sick in Karlsruhe, in den Aemtern
Baden. Durlach, Gernsbach und Rastatt.
Auffallend ist die Zunahme von Geisteskrank-
heitcn im Bezirk Offenburg und Wolfach, in
lchterem veranlaßt durch unmäßiges Brannt-
weintrinken. Cretinen, GeisteSkranke, Blinde
und Taubstumme gibt es auffallend viele im
Amt Badcn, von ersteren beiden Classen auch
in Karlsruhe und dann in Gengenbach. Das
Wcckielsteber hat in Folge der Nhein- und
Bacheorrektionen und der EntwäsieruNgen in
den Rheinorten stark nachgelasien. Dic Besor-
gung 'der Krankenpflege durch die barmherzigen
Schwestern und Diakonissinnen wird von allen
Seiten gerühmt.

* Politische ^mscdau.

Heidelberst, 4. Septcmber.

* Der fremde Einfiuß. der sich zu Gunsten
SachsenS und Hesien - Darmstadts geltend ge-
macht'hat, ist zwar stark gcnug gewesen, diese
Staaten vor dem Schicksal Hannovers, Kur-
hcsiens rc. zn bewahren, aber er scheint doch
nicht so stark zu sein, mn sic ganz gegen die
Folgen ihres Kriegs mit Prcußen und die na-
türlichen Ansprüche des Siegers zu schützen.
Während mit allen andern Staaten der Friede
sckon abgeschlosicn ist, ist er nur mit Sachsen
nnd Hesien - Darmstadt noch nicht zu Stande
gekommen. Jn Sachsen sind es ausschließlich
die innern Verhältnisic, resp. die Ordnung der
Verhältnisie zu Preußen in militärischer Hin-
sicht, die Befestigung gewiffer strategisch wich-
tiger Punkte, wie Pirna und besonders Dres-
den, und ihre dauernde Besetzung durch Preußen,
aus dencn die größte Sckwierigkcil hervorgeht.
In den Verhandlungen mil dem.Großherzog-
thum Hesien kommen zwar auch die Fragen
der mililärischen Verbindung mit Prcußen in
Betracht, bezichungsweise däs Verhältniß eincs
Theils von Hesien-Darmstadt zum norddeutschen
Bunde, aber die Hauptsckwierigkeit bildet hier
die Proviuz Oberhessen, die durch die Annexion
von Nasiau und Kurhesien zu ciner vollstän-
digen Enclave im preußischen Gebiele werden
soll, und dies daher Preußen wo möglich eben-
falls vollständig einverleiben will. Die neuer-
dings angeordneten militärischen Maßregeln
von Seiten Prcnßcns erklären sich hiedurch
hinlänglich. Der hcsi.' Nttnister v. Dalwigk
macht zwar noch Schwierigkeiren, und ftützt sich
hiebei zweifelsohne auf auswärkgen Einfluß.

Allein eS wird diescr allem Anschein nach nicht
stark genug seln, um dic Jntegrität deS Gxoß-
herzogthumS zu wahren. Rntzland nämlich
war ohnehin nie gesonnen, es in der deutschen
Frage seincrseits auf ernste Verwicklungen an-
kommen zu lasien, und hat jetzt auch scin Augen-
merk wieder mehr auf den Orient gerichtet.
Und daß Napoleon lll. für jetzt an ein offen-
sives Vorgehen nach Außen nicht dcnkt, beweist
die so eben gemeldcte EntlasiüNg seines biS-
herigen, zur entschiedeneu KriegSpartei gehöri-
gen Ministers des Aeußern, Drouyn de
Lhuys.

Reichsrath Gras v. Bray ist zum Bevoll-
mächtigten Bayerns Behufs der Auswechslung
des Friedensvertrages beftimmt und deßhalb
heute nach Berlin abgereist. Die Formalität
der Ratisicationsauswechsluug wird am Mon-
tag stattfinden, nachdem zuvor die crste Rate
der Kriegskostenentschädigung' mit 10 Mill.
Guldeu abgelrcfert ist.

Jn einem Artikel „AuS dem Großherzogthum
Hesien, 1. Sept.," macht die neueste Nummer
der „Darmst. Ztg." nochmals auf die Schwie-
rigkeiten aufmcrksam, welche beim Abschlusie des
Friedens mit Preußen obwalteü, Schwjßrig-
kcitcn, „die in ganz eigenthümlichen Verhält-
niffen lägen". „Jndcsicn (sagt dieser Artikel
am Schluß) ist begründete Hoffnung da, daß
wir in aller Kürzc zum Ziele gelangen. Wie
man hört, darf man dann auch hoffen, den
Großherzog seine Truppen in Rheinhesien be-
suchen zu sehen, wo er mit dem größten Jubel
aufgenommen werden würde. Die Residenz
wird freilich auf diese Freude erst zählcn dürfen,
wenn sic vön den Occupatioustruppen geräumt
ift. Möge dieser ersehnte Moment gleichsallS
recht bald eintreten!" — Und wciter berichtet
die „Darmst. Ztg." untcrm 1. Sept.: „Wir
erfahren aus zuverlässiger Quclle, daß der
FriedenSvertrag zwischen Hesien und Preußen
wahrscheinlich hcutc wird unterzeichnet wcrden."
(BiS jctzt hat sich dicse Nachricht indessen noch
nicht bestätigt.)

Jn Darmstadt sit eine Depntation aus Mainz,
in Folge cines dort gefaßten Gemeinderathsbe-
schlusies, eingetroffen, um anf unverzüglichen
Abschluß dcs Friedcns zu dringen. — Jm
ganzen Großherzogthum Hcsien herrscht übri-
gcns eine aufgeregte Stimmuug wegen der lang-
audauernden preußijchen Occupation und der
fortwährenden Erhaltung der hesi. Armee auf
vollem Kriegsfuße, .welch' letztere dem Lande
tägtich 50,000 Gulden kostet und dvch ganz
zweckloS ist. Jnzwischen droht dem Lande auch
noch, nach den eigenen Worten der officiösen
Zeidler'schen Correspondenz", daß ihm ,,der
Kriegszustand fühlbar gemacht wird," und diests
nur darum, weil sich der Großherzog und Hr.
v. Dalwigk nicht dazu entschließen können, mit
Preußen Friedcn zu machen. Denn noch immer
verkennt man in Nymphenburg den ganzen
Ernst der Situation; man glanbt zn schieben
und wird geschoben. Wenn das Land nicht
bald aus diesem Zustand herauskommt, wird
es gewiß auch nicht an Kundgebungeu fehlen,
dic man weder in Berlin, noch in Nymphen-
burg überhören oder mißverstehen kann.

Der frühere badische Ministcr v. Roggcn-
bach hat am Freitag Abend Berlin verlasien
und sich zunächst uach Hamburg begeben.

Der Wtajor des Ktapka'schen Corps, Sheer-
toß (Seherr-Toß), welcher gefangen wurde, ist
nach einer Mittheilung der „Silesia" in Krakau
wegen Hochverraths hingerichtc^ worden.

D e u t s ch l n n d.

Karlsruhe, 3. Sept. Se. Kgl. Hoheit
der Großherzog ist heute von Schloß Eberstein
hieher zurückgekehrt. Jhre Majestät die Königin
Augusta von Preußen wird morgen den 4. Scpt.
zum Besuch der Großherzvglichen Familie auf
Schloß Ebcrstein eintreffen; Höä stdieselbe wird
cinige Tage daselbst verweilen und sich sodann
zur Fortsctzung der Cur nach Baden begcben.
Jhre Königlichen Hoheiten der Großherzog und
die Großherzogin wcrden nach dem Besuch der
Königin einen längern Aufenthalt auf der Jnsel
Mainau nehmen und gedenken gegen Ende dieser
Woche mit den Großherzoglichen Kindern dort-
hin abzugchen.

-f* * Karlsruhe, 3. Sept. Die Motion
des Abgeoroneten Eckard über Einführung der

obligatorischen Civilehe stand bereits zur Be-
rathung auf der Tagesordnung der zweiten
Kammer, als in Folge der bekannten Ereignisie
die raschc Bertagung der Stände eintrat. Wie
«ir hören, wird nun beim Wiedcrzusammen-
tritt der Stände aus der Mitte der zweiten
Kammer jedenfalls dieser Gegenstand wieder
zur Sprache gebracht und deffen Erledigung
verlangt werden. Denu erst nach gesetzlicher
Ordnung dieses GegenstandeS erscheiut unsere
Gesetzgebung von 1860 gerade in ihrer Haupt-
grundlage, in der Trennung des staatlichen vom
kirchlichen Leben, zu einem bestimmten Abschluß
gdbracht, und darum als ein in sich vollendetes
Ganze, aus dem kein wesentliches Glied ent-
fernt werden kann, ohue das Ganze zn ge-
fährden.

Aber auch dic Uebelstände des gegenwärtigen
in scinen Halbheiten schädlichcn und in concre-
ten Fällen für den einzelnen Staatsbürger oft
kaum erträglichen Zustandcs verlangen dringcrch
gcsetzliche Abhilfe und Negelung, damit nicht
länger höchst wichtige Jntcresien des Bürgers
und der Familien der Laune, der Unkcnntniß
und Fahrlässigkeit von Leuten hingegeben seien,
über die der Staat hier weder eine Correctiv-
noch eine Strafgewalt mehr besitzt.

Der Commissionsbericht der zweiten Kammer
hat daher auch wcnigstens die sofortige
Ucbertragung der bürgerlichen Standesbücher
an bürgerliche, dem Staale verantwortliche Be-
anHe vcrlangt, als durch die hier in Frage
kommenden wichtigen Jntercsien drr Bürger
und durch die Würde und Selbstständtgkeit des
Staatcs dringend gefordcrt und unverschiebbar
nothwendig. So schr wir hierin mit dem An-
trage der Commission übereinstimmen, so sehr
müffen wir bedaucrn, dyß der Berichterstatter
auS Rücksicht auf die damalige Lage der Dinge
und die Stimmung im Lande die Meinung
hinwarf, daß mit der Einführung der bürger-
lichen Trauung selbst zugewartet werden könne,-
bis die Gemüther besier belehrt und folglich
diese Aenderung der Gesctzgebung vcrständiger
und ruhiger hinnehmcn würdcn. Der Bcricht-
erstatter scheint nicht bemerkt zu haben, wie er
mit scinem ersten Antrag bczüglich der StandeS-
bücher und seinem zwciten Wunsche, Verschie-
bung der obligatorischen bürgerlichen Trauung
neben der kirchlichen, in Widerspruch mit sich
selbst gekommen, indem. die Einsührung deS
Einen ohne das Andere nicht möglich ift.

Wir glauben aber auch, daß gerade jetzt der
rechte Zeitpunkt gekommen sei, sofort zu dieser
hcilsamcn und uothwendigen Ergänzung und
Vervollständigung unseres öffentlichen Lebens
zu schreiten. Die Macht dcs Ultramontanis-
mus ist in Folgc dcr großen welthistorischcn
Ereignisie dcr letzten Wochen gründlich gebro-
chen; seine Vorspiegelungen, Täuschungen und
Lügen zünden nicht mehr, nachdem sich auch
für deu geiftig Schwächern klar die Thatsache
heryusgestellt, wie verderblich und das besiere
Lebcnsmark des Staates zerfressend der Ultra-
montanismus wirkt. Oesterreichs offcn gewor-
dene innere Schwäche, sein bcispiellos rapider
äußerer Verfall treten vor der denkenden Welt
als die lauten Ankläger gegen den Ultramon-
taniSmus und seine Giftfrüchte auf.

Karlsruhe, 3. Sept. Den im Lauf dieses
Sommers im mittlern und untern Theile un-
scres Landcs stattgehabten Eröffnungen neucr
Bahnlinien wird nun, und zwar am 6. d. M.,
im obern Landcsthcile die Linie Singen-Engen
folgcn. Obwohl von geringer Erstreckung —
ihre Länge beträgt nur 2 Mcilen — ist sie
doch von Bedeutung sowohl für den einer schönen
Entwicklung fähigen Localverkehr und als Ziel
der Touristen, welche das romantische Höhgau
bcsuchen, als auch in ihrer Eigenschaft als erste
Strcckc der größern Linie Singen - Villingen.
wclche sich an dic künftige Kinzigthal- und
Schwarzwaldbahn Hausach-Villingcn mit ihren
Fortsetzungen nach Würtemberg anschließt. Dic
Haltstationen, von Singen ausgehend, sind:
Schlatt unter Krähcy, Mühlhausen, Welschin-
gen, Engen. Um für diese Zwciglinie einiger-
maßen pasiende Anschlüsie an die Züge der
Hauptbahn zu erhalten, lverden zunächst fünf
Züge in bciden Richtungen täglich. zwischen
L)ingen und Engen geführt werden. (K. Z.)

München. Nm Schluß der Debatte in
der Kammcr der Reichsräthe über den Antrag
 
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