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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 231-256 Oktober
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https://doi.org/10.11588/diglit.2833#0343

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Utidelbrrgtr Zeitung.

Zr» 23S. Samstag, 6, October L8<s«.

Beftellungen auf die „Heidelberger
Zeitung" nebfi Beilage „Heidelber-
qer Familienblätter" für das mit 1.
Oetober 18«6 begonnene L. Quartal
werden fortwährend angenommen.

Die Expedition

Oesterreichs Noth und Rettung.

Das Kirchenvermögen im Kai-serstaat.

H.

Karlsruhe, 4. Oct. Dcr gegenwärtige
Stand des Kirchenvermögens in Oester-
reich, d. i. dcs Einkvmmens der Geisttichkeit
aus Grundbesitz und Kapilatrenlen, ist zur Zcil
.mcht genau bekannt; er ist aber doch mit an-
nähernder Sicherheit zu bestimmen, und zwar
nach den zuverlässigsten Angaben, die man nur
wünschen kann, nämtich nach denen dcr
Geisttichkcil selbst. Als nämlich im Jahr
1848 auch im Kaiserstaal ein neuer Geist
Wurzel zu schlagen schien, und man dort einen
ernsten Anlauf ncchm, daS Grundübel des Staa-
tes zu heilen, verstaud sich der Clerus auf Auf-
forderung des Staates zu einer Aufstellung
feincs Vermögens und seiner regelmäßigen Ein-
künfte, mit Äuslassnng der bloß vorübergehen-
dcn, älso zusälligen Bezüge. -

Wir wollen diesen vom Clerus selbst ge-
machten Angaben unsere Belege entnchmen.
Welch' ungeheure Summcn das Kirchenver-
mögen im österreichischen Staat repräse.ntire,
beweisen zunächst die wahrhaft sürstlichen Ein-
kommen vieler Erzbischöfe und Bischöfe, Stifte
und Klöster. So bezieht unter andern der
Erzbischof von Gran an eigentlicher Rente
jährlich gegen 600,000 Gulden österr. Wäh-
rung, dieselbc soll sich aber jetzt in Wirklichkeit
aus mehr als 800,000 fl. belaufen, d. i. mehr
als die meisten regiereuden Fürsten der deut-
schen Mitlelstaaten Einkommen besitzen zur Hal-
lung eines zahlreicheu fürstlichen Hofstaates und
zur Bcstreilung vieler respectabler Ausgaben,
die mit ihrer Stellung verbunden sind.

Das Jahrcseinkommen des Erzbischoss von
Olmütz ist auf 300,800 fi., desselben von Prag
anf 71,680 fl., des von Linz auf 51,250 fl.
angegeben. Dabei hat das Prager Kapitel ein
Jahreseinkommen von 80,060 fl., daS von Sl.
Florian ein solches von 35,000 fl. Die Kreuz-
herren in Prag vermögen auf ihren ausge-
zeichneten Tisch unv sonstige Ausgaben 54,000 fl.
jährlich zu verwenden.

Nicht minder gesegnet an irdischem Besitz
und Genuß sind unter Andern die zahlreichen
Stifter unb Klöster in den übrigen Theilen

Schwurgerichtsoerhandlungen.

Mannheim, 29. Sept. Die Anklage gegen den
verheiratheten und vermöglichen Ioseph Stetzel-

langte heute zur Verhandlung. Der Angeklagte
verkaufte nämlich im Winter vorigen Iahres einen
ihm zugehörigen Acker um den Preis von 2t6 fl.
an Lhristian RösL yon Bammenthal, suchte jedoch
,bald darauf den Letzteren zum Rücktritt von dem
Kaufe zu bewegen, da ihm inzwischen 10 fi. mehr
für den Acker geboten worden waren, und versprach
demselben sogar dic Hälfte dieseS Mehrgebotes alS
Reugeld. Als Rösch dteses Ansinnen zurückgewie-
fen hatte, weigerte der Angeklagte die tzrfüllung
deö Kaufvertrags und behauptete, alS er deshalb
vor dem großh. Kreisgerichte Heidelberg belangt
wurde, daß der Verkauf nur unter der Bedtngung
abgeschlossen worden. daß er nicht seine Grundstllcke

steigerung auSsetzen werve, waS indeffen bald darauf
wirklich gescbehen sei. Dem Kläger Rösch wurde
der bebtngungslose Kaufsabschluß znm Beweise auf-
gegeben und von diesem durch Eideszuschiebung an

der Moitdrchie, so die Schotlen in Wien mit
einem Jahres - Einkommen von 197,000 fl.,
Kr emsmünster mit 191,700 fl., St. Peter
in Salzburg mit 87,500 fl.. Zwettl mit
50,000 fl., OsseA mit 87,900 fl. u. s. w.

Die angegebenen Zahlen rühren, wie schon
bemerkt, von Angaben der Geistlichkeit selbst
her! Jhre Richtigkeit auch zugegebcn, so dürste
mau doch, ohne zu strenge zu urtheilen, von
den meisten behaupten, daß sie zu niedrig ge-
griffen sind, und wenigstens jetzt dem wirk-
lichen Betrage nicht mehr gleichkommen, son-
dern weit hinter ihm zurückstehen. Denn ein-
mal isl seil 1849, welches Jahr den angegcbe-
nen Ziffern zu Grunde liegl, überall der Grund-
werlh und folglich auch die Grunvrente bedcu-
tend gestiegen. So ist zufällig, aber aus ver-
läßlichen Angaben bekannl worden, daß das
Dominikanerkloster in Znaim gegenwärtig ein
Einkommeu von jährlich 60,000 fl. bezieht,
während die frühere Angabe nur 12,000 fl.
enthält. Und hierbei muß man sich erinnern,
daß jenes Kloster zu den sogen. Bettelorden
zählt, das jährlich 60,000 fl. für Tisch, Keller
und sonstige Bedürfnisse zu verwenoen hat!
Möchten doch überall die Armen so gut be-
stellt sein!

Was aber das Vermögen und das Einkom-
men der Geistlichen in neucrer Zeil noch be-
sonders vermehrt hat, ist folgender Umstand.
Durch das Concordat hat in Oesterreich daS
Kirchenvermögen aufgehört, einen Bestanvtheil
des öffentlichen, also unter Controle und Ober-
aufsicht des Staates stehenden Vermögens zu
bilden; es ist gleichsam in den Privatbesitz des
Clerus und damit in seine ausschließliche Ver-
waltung übergegangen. Der Clerus macht
seitdem Speculationen aller Art, und man
rühmt ihm nach, daß er dieses weltliche Ge-
schäft vielfach beffer verstehe, als was seines
geistigen Berufes ist. Bei der fortschreitenden
Verarmung des Volkes, namentlich auch des
Adels in Oestcrreich, hat die Hierarchie fast
allein zu vcrdienen und zu gewinnen verstan-
den. Der Cterus hat seitdem zahlreichen grö-
ßern und kleinern Grundbesitz in seine Hände
zu bringen gewußt. oft um Spottpreise, da fast
Niemand außer ihm über baares Geld zu ver-
fügen hatte. Es ist ferner notorisch, daß seit-
dem von dem höhern österreichischen Clerus
auswärts, namentlich in England, Belgien und
Frankreich, große Summen angelegt wurden,
mit deren Zinsen in Silber oder Gold wieder
in dem geldarmen, aber papierreichen Kaiserstaat
mit Vortheil speculirt werden konnte.

Letzteres wird namentlich den in den Dingen

aus, daß dteser Eid falsck geschworen war unv ver
Angeklagte denselben wider besseres Wissen geleistet
hatte, weßhalb derselbe für schuldig erklärt, zu einer
ZuchthauSstrafe von 3, beziehw. 2 Iahren unv zu
einer'Geldstrafe von 100 fl. verurthetlt, ihm auch
dte Fähigkeit zum Eid und gerichtlichen Zeugntß
aberkannt wurde. (B. Lz.)

Wien, 25. Sept. Ein Brief aus Böhmen
schildert in düstern Farben die folgenden entsetz-
lichen Scenen nach den blutigen Kämpfen der letz-
ten Tage. Es heißt darin unter Anderem: „Weit
her, auch auS fremden Ländern, strömten die mensch-
lichen Hyänen auf die Schlachtfelder, die
fie raubend und plündernd durchzogen. Im SLutze
der Nacht strichen sie durch vie blutgcdüngten Kel-
der, und wie in den Wäldern ein Wimmern auf
die Spur von Verwundeten lenkte, da schlichen fic
hin. Die todten Körper wurden nackt entkleidet '

dieser Welt besonders gewandten Iesuiten
nachgerühmt, die, nachdem dcr beffere Gcist des
Jahres 1848 sie ausgetrieben, schon wenige
Jahre nachher wiedcr zurückberufen, und seit-
dem an hoher und höchstcr Stelle besonderer
Begünstigung sich zu erfreuen halten. Nicht
nur sind ihnen ihre früheren Einksinfte wieder
zurückgegeben worden, sondern sie haben die-
selben seitdem auch ungewöhnlich zu vermehren
verstanden. Merkwürdiger Weise mangelt es
abcr an allen bestimmten Angaben über ihre
gegenwärtigen Einkünfte. Diese sollen abcr
ungeheuer sein, und hierin ein Hauptgrund
liegen, daß sich der allgemeine Haß in Oester-
reich hauptsächlich wider den klugen Orden des
hl. Jgnatius von Loyola wendet, ein Haß, der
bereits an einzelnen Orten, namentlich in neue-
sten Tagen in ber Hauptstadt Böhmcns, zu
tumultuarischen Auftritten geführt hat.

* Politifche Umschnu.

Heidekberg, 5. Ociobcr.

Die „Berl. VolkS.-Ztg." sagt am Schlusse
eines „Gegensätze" überschricbenen LeitartikclS:
Annexions-Politik und BundesstaatS-Politik sind
praktisch scharfe Gegensätze, die einander nicht
blos principiell bekämpfen müßten, sondern in
ihren konsequeuten Folgerungen auch auf ganz
entgegengesetzte Bahnen leiten. Der redlich er-
strebte Bundesstaat kann aus' friedlichem Wege
zur Einheit Deutschlands führen, und wird
diese um so schneller erreichen, je näher die
Gefahr einer Einmischung des Auslandes cin-
träte. Was die dcutschen Kabinelte auch be-
ginnen möchten, die deutschen Völkerschaften
würden einem preußischen Staat die Central-
gewalt anvcrtrauen, sobald sie in demsel-
ben die Achtung der Rechte der Bevöl-
kerung und denSchutz derFreiheit er-
kennen. Jn diesem Falle würden wir uns
der Hoffnung hingeben dürfen, daß die Krisis
bereits hinter uns liegt und das Bruderblut,
wclches die deutsche Erde getrunken, gesühnt
würde durch die Weihe eines befferen Zustan-
des. — Gewinnt aber der Thatendurst der An-
nexions-Politik die Oberhand. die sich um Recht
und Freiheit der Völkerschaften nicht kümmert,
so ist Deutschland zerrissen, so ist selbst dir
norddeutsche Bund nur ein leeres Project, das
keine Probe überlebt, und wir stehen nicht hi n-
ter, sondern vor einer Krisis, die erst ent-
scheiden wird, was dem Blut des letzten Krie-
ges ersprießt.

Die „Nordd. Allg. Ztg." bringt heute eine
officiöse Auslassung, auS welcher zu ersehen ist,
daß die Berufung des norddeutschen Parlaments

zogen ganze Banden in gemeinsamem Wirken über
dte blutige Wahlstätte. Besonders waren es Ofsi-
ciere, die das Augenmerk dieser Hyänrn auf fich
zogen. Verwundete, die fich nicht wehren konnten,
wurden beim Ausziehen der noch brauchbaren Uni-
formstücke auf das unbarmherzigste herumgezerrt
und liegen gelaffen, nackdem fie geglaubt, daß fie
sich um den Preis alles Werthvollen, das fie diesem
Raubgesindel hingaben, wenigstens einen Trunk
Waffer erkauft. In einem Getreidefeld vor Gitschin
fand man am Tag nach der Scklacht einen todten
kaiserlichen Officier und neben ihm mit einem Sä-
belhieb auf die Schläfe hingestreckt ein Weib auS
einem benachbarten Orte. An einem ihrer Finger
hing umgewickelt ein Stück der goldenen Uhrkette
des Officiers, während deffen linke Hand die Uhr
krampfhaft umschloffen hielt. Wahrsckeinlich wollte
dieses Scheusal den nock Lebenden berauben, der
nock so vtel Kraft besaß, dtese Hyäne mit einem
Hiebe niederzustrecken. An der Tascke ihrer Sckürze
fanden sich noch mehrere Uhren, Ketten und ver-
schiedene Ringe. DaS ist einer jener wenigen Fälle,

' in denen die Vergeltüng dem Frevel auf dem Fuße
 
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