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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 231-256 Oktober
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nigen norddeutschen Staaten geschehen ist, uns
gegen unsern Willen dem Ganzen unterordnen.

UebrigenS sind unsere inneren Einrichiungen
und unsere freisinnigen Gesetze durch Anschluß
an Norddeutschland nicht gesährdet. Es gab
und gibt in Norddeutschland eben so freisinniz
cingerichtete und regierte Staaten, als dcr uns-
rige; ich nenne daS Großherzogthum Weimar
und Herzogthum Sachsen-Koburg, Braunschweig
und Oldenburg; man hat nicht gehört, daß bei
ihrem Eintritt in den Norddentschen Bund ih-
ren inneren Einrichtungcn und ihren Freihei-
ten zu nahe getreten worden wäre.

Wohl hat man in Berlin in der letzten Zeit
vor dem Krieg nicht ganz constitulionell regiert.
Jetzt aber sieht Jeder ein, daß diese Regierungs-
weisc nicht auf reactiouären Gelüsten, auf cinem
förmlichen System beruhte; daß sie vielmehr
eingehaltcn wurde und eingehalten werden mußte,
weil man einen großen Gedanken in der Brust
trug, zu defsen Verwirklichung man Geld und
gmexercirtc Truppcn brauchte und dcsien AuS-
führung unmöglich oder erschwerl gcworden
wäre, hätte man ihn vor 3- bis 400 Abgeord-
neten auSgesprochen.

HLtte man im Norden allgemeine frciheitS-
feindliche Bestrebungen, so war, als wir in
Würzburg und Bcrlin erschienen, um Waffen-
stillstand und Frieden zu erlangcn, sehr gute
Gelegenheit und nahe Dersuchung, unS anzu-
deuten, daß unsere Verfaffung, freisinnige Ge-
sctzzebung, constitutionelleRegierungsweise nichts
tauge.

Jch kann aber hicr, untcr der Controle dcr
Oeffentlichkeit und zum Gehör der preußischen
StaatSmänner, mit denen ich verkehrte, vcr-
stchcrn, daß, geschwcige eine Zumuthung, auch
uicht die entfcruteste Andeutung in dieser Rich-
tung gefallcn ist.

Weder in den biöherigen Verhandlungen, noch
in den Vorgängen seit Gründung deS Nord-
deutschen Bundes ist irgend ein Anlaß zu einer
Verwahrung gegeben, wie sie von einer Seite
verlangt wird.

Abg. Husfschmid: Bei unS sei im Jahr
1846 zuerst der ParlamentSgedanke aufgekom-
men, und wir sollten nun, sonderbarer Weise,
vom Parlament ausgeschloffen seinl Man werfe
uns ParticulariSmus, Haß der Norddeutschen
vor; aber man habe niemals die Preußen gc-
haßt, sondern die Grundsätze, welchc dic prcu-
ßische Regierung cine Zeitlang ausgesprochen
habe. Der Norddeutsche Bund sei noch etwas
UnfertigcS: ein Parlament, ein ReichSministe-
rium, ein Reichsgericht bestehen noch nicht;
wclches die Befugnisse des Parlamcnts scin
werdcn, sei ungewiß. Aber der Südbund sei
nichts Anderes, als der verstärkte, ncu gekräf-
tigte Particularismus. Baycrn habe denselben
in seiner Fortschrittspartei zurückgewiescn; woll-
tcn wir ihn anstreben, so müßten wir unS mit
Bayerns Rückschrittöpartei verbünden; das sci
gewiß nicht wünschenswerth. Daher müffe man
für den Anschluß an den Nordbund untcr Preu-
ßens Führung sein. Die Bedingungen, unter
welchen wir in diesen eintreten, können wir im
Detail nicht aufstellen; wir müsscn uns darauf
beschränken. daß wir sagen: alle Bedingungen
sind unS recht, sofern sie nur wenigstenS ehren-
voll stnd.

Abg. Prcstinari: DaS großdeutsche Pro-
gramm sei nicht mehr möglich. nachdem Oester-
reich jeder Betheiligung an der Neugestaltung
Deutschlands cntsagl habe. Bci dcr jetzigen
Lage könne man nur nach cincr Einigung der
dcutschcn Staaten außer Oesterrcich unter Preu-
ßenS Führung streben; Jn dem Nvrddeutschen
Bund wcrden aber die mit Preußen verbünde-
ten Staateu von ihm mcdiatisirt sein; die Me-
diatisirung schaffe unerquicklichc Zustände, sie
sei regelmäßig nur einc Vorbereitung der voll-
ständigen Annexion. Er wünsche zwar, daß
eiue nationale Vcrbindung deS SüdenS mit dem
Norden so bald als möglich zu Stande komme,
aber zunächst so beschränkt, daß von den Sou-
veränetätsrechten der einzelnen Staaten an die
Centralgewalt nur so viel abgetrcten werde, als
zur Errcichung der Gesammtzwecke nöthig ist,
und nicht so viel, daß die Sclbstständigkeit der
einzelncn Staaten in ihren inneren Angelegen-
heitcn beeinträchtigt würde. Er könne es nicht
billigen, wenn man bei unö die Dcrbindung
mit dcm Norden mit einer Hast, mit ciner

Maßlosigkcil anftrebe, als ob man an der Le-
bensfähigkeit unsereS SlaateS ganz und gar
verzweifelte, als ob man meinte, Baden könne
auch nicht einmal einize Jahrc ohne dcn engcrn
Anschluß an Preußcn dcstehen. Ein völker-
rechtlicheS Schutz- und Trutzbündniß zwischen
dem Norden und Süden, das in beiderseitigem
Jntereffe liegc, würde den süddeutschen Staa-
ten eiustweilen dieselbe L-icherheit gewähren,
die sie unler dem bishcrigen Bunde genoffen.

KirSncr spricht für den Commissionsan-
trag; er habe sich nie anderS denken können,
als daß Preußen in Dcutschland die Führer-
rolle zu übernehmen habe; dic Vereinigung mit
dem Nordbunde müffe so sehr als möglich be-
schlcunigt wcrdcn, damit wir zur Herstellung
deS großeN Bundcs mitwirkcn können; an dcn
Widerstand Frankrcichs glaubc cr mcht; die
Abneigung dcr Südoeutschen gegcn dcn Nordcn
sci jetzt nicht mchr vorhandcn, wie zur Zeit
des Friedensschlusses; wenn der Nordeu und
Südcn die Vereinigung wollen, werde sich Frank-
rcich hüten, dagegen zu kämpfen. Moll's An-
trag stimme mil dem Commissionsantrage über-
cin, nur stelle er den Wunsch der Commission
als Bcdingung auf; Baden jei abcr nicht iu
der Lage, solchc zu stcllen. Eine irgcnd mög-
liche Annäherung an Prcußen könne man ohne
Gcfahr wünschen, man konne z. B, verlangen,
daß das badische Heer ein Bcstandtheil des preu-
ßischen werec, ohne davurch dic Kricgsherrlich-
keit deS Großherzogs zu becinlrächtigcn.

Abg. Roßhirt: Eine Vcreinigung Gc-
sammtdeutschlands sei schwer zu erreichen, Preu-
ßen habc sich Oesterreich und Frankrcich gcgen-
über vcrpflichtet, daß cs seine Hand uichr übcr
die Mainlinie ausstrcckcn wolle. Er frage, ob
es für Süddeutschland würdcvoll sei, wenil es
sich bedingungslos und hastig zu dcm ftärkern
norddeutschen Staat hindränge. Prcußeus Ver-
waltung im Civilweze, die Gejctzgcbung und
dic Kricgsvcrwaltung hälten großc Vorznge,
wir dürften gegen Preußen überhaupt und gc-
gen daö preutzische Volk keinen Haß tragen,
daffelbe habe den Beruf, daö constitutionelle
Elemcnt in Deutschland hochzuhaltcn, erfüllt;
allcin der Zustand dcö Norddeulschen BundcS
sei zur Zcil s-hr wenig einladcnd; cö sci nichts
AndcreS als ein Großpreußen, und die einge-
treteuen Ännexioncn hatten die Vcrhallnisse
nicht v.rbcffcrt. Man wollc dem Parlamcnt
nur ciuc berathende Stimmc gebcn, und daö
sei doch viel zu wenig. Ein Südbnnd, dcr 8
Millionen.Einwohuer umfaffen wird, sei denk-
bar, aber er werde nicht zu Standc kommen;
durch eincn solchen würde auch die Zusammcn
gehörigkeit dcs dcutschen Volkes noch mehr bc-
einträchtigl. Es bleibe somit nichts übrig, als
ein Anschluß an Preußen. aber ein Anschluß
untcr Bcdingungen. Ueber diesc Bedingungen
solllen sich die drei süddeutschcn Slaaten unter
cinandcr einigen.

Abg. Beck: Jm abgeschloffenen Frieden sei
Eines zu beklagen: die Geldfrage; eine solche
sollte bei civilisirten Völkern nicht mehr vor-
kommen. Frankreich und England hätten von
Rußland im vorigen Jahrzent, Frankreich und
Jtalien vorr Oesterreich. im Jahre 1859, und
Nordamerika von den Südstaaten kein Geld
verlangt. Darum sei zu bedauern, daß die
preußische Junkerregierung stch gewillt sah,
Geldopfer von den Unterlegenen zu verlangen.
Er glaube die öffentliche Meinung von ganz
Deutschland auszusprechen, wenn er sage, daß
wir Badener, die immer mit Preußen gut
Freund gewesen, beim Friedensoertrag am
allerschlimmsten weggekommen seien. Einen
unbedingten Anschluß an Preußen könnerr wir
uicht wollen, wir seien durch den Eid, den wir
dem Fürsten und auf die Versassung geschworen,
verpflichtet, Bedingungen aufzustellen. Der
Commissionsantrag enthalte solche Bedingungen,
es seien dort nicht bloße Wünsche ausgespro-
chen. Preußen habe, wie wir, die Pflicht, das
zerrissene nationale Band wieder herzustellen,
die Nation stehe über uns Allen. Die deütsche
Bewegung sei nicht oon gestern, sie datire von
den Befreiungskriegen her und sei im Lauf
der Zeit immer mehr erstarkt; sie habe im Jahr
1848 ein deutsches Parlament zu Stande ge-
bracht, und wir müssen auf die von diesem
geschaffene Neichsoerfassung und die Grundrechte
unsere Bedingungen stellen.

Minisierialpräsident o. Freydorf: Der
Herr Abgeordnete Beck hat die Artigkeit, wo-
mit er meine Geschäftsgewandheit anzuerkennen
die Güte hatte, sogleich durch die Behauptung
oerdorben, daß ich den nachtheiligsten Vertrag
mit nach Hause gebracht. Jch habe bei Vorlage
der Verträge keine Vergleichungen mit andern
Verträgen angestellt. Jch hätte gewünscht, daß
unsere Nachbarn noch günstiger abgekommen
wären als sie sind, und weiß, daß die Beooll-
mächtigten Bayerns und Württembergs den
Dank des Volks und der Volksoertretung wohl
dadurch oerdient haben, daß sie Verträge mit,
im Vergleich mit den ursprünglichen Anforderun-
gen so günstigen Bestimmungen erlangten. Aber
in der That ist der preußisch-b adis che Ver-
trag der günstigste, wie er es bei Äbwägung
der intellektuellen und physischen Urheberschaft
und Theilnahme am deutschen Krieg auch sein
mußte. Einen Vergleich mit dem badischett
Vertrag hält nur der württembergische aus.
Württemberg bezahlt aber eine verhältnißmaßig
höhere Cntschädigungssumme.

Es war in der württembergischen Kammer
davon die Rede, daß wir durch Art. 9 des
Vertrages noch eine weitere Einbuße erlitten.
Dort ist die Aufhebuug der Rheinschiffführts-
Abgaben bedungen. Diese trugen jährlich
83,000 fl, wurden aber durch Lasten und Ver-
waltungskosten im Betrag von 87,000 fl. Mehv
als aufgezehrt. Die großh. Regierung beab-
sichtigt allerdings, mit dem 1. Jan. 1867 aUch
die Zölle auf den Nebenflüssen aufzuhebett,
welche einen Reinertrag von 7 0-bis 80,000 fl.
lieferten. Allein diese Maßregel ist nicht Folge
der Bedingung eines Vertrags, sondern freie
Entschließung der Regierung. Sie wiffen zu-
dem, daß die großh. Regierung im Verein mit
der königl. preußischen seit Jahren bestrebt
war, alle Abgaben, welche auf der Schifffahrt
lasteten, aufzuheberr, uud es ist der Art. 9 des
Vertrags :ücht gegen die großh. Regierung,
sondern gegen andere Regierungen gerichtet, welche
bis dahin andere volkswirthschaftliche Grund-
sätze Pefolgten und festhielten.

Abg. v. Fed er hält die Vorschläge des Abg.
Moll sür die einzig richtigen. Man dürfe
keine Beschlüsse fafsen, welche die einheitsstaat-
lichen Bestrebungen fordern. Bedingungen Müsse
man im Fall eines Anschlusses stellen, maN
konne sich nicht bedingungslos überliefevn.

Abg. Heilig theilt die Ansicht des Äbg.
Prestinari, d«ß nämlich der L>atz 3 deS Com-
missionsantrags für eine gewisse Hast zeuge.
Er sei auch für einen Anschluß; allein die
Einrichtungen im sremden großen Hause, das
cr betreten solle, gcfallen ihm dagegen, so wie
sie jetzt sind, nicht.

Abg. Kiefer kommt auf die inneren Fragen
Badens zn sprechcn und wünscht, daß ein Ver-
eins- und Preßgesetz noch auf diesem Landtag
vorgelegt, und ein Gesetz über Schulreform be-
rathen werde. Er schließt mil dem WUnsch an
die großh. Regierung. sie möge UebeU der Fragc
über 'unsere äußerc Stcllung die Neformcn im
Jnneru, den Feind im eigcnen Lande, nicht
aus dem Auge verlicren. Sein Antrag geht
dahin, die Kammer möge einen bezüglichen, von
ihm formulirten Wunsch (den wir nachtragen
werden) zu Protokoll erklärcn.

Ministerialpräsident Zolly: Die großh. Re-
gierung habe schon erklärt, sie adoptire als Re-
gicruUgöprogramm die allerhöchste Proclama-
tion vom 7. April 1860. Es sei nicht zu läug-
nen, daß die lctzten sechs Jahre uns bcdeutende
Forljchritte der innern Reform gebracht haben.
Es weroe damit forlgefahren werden; dem An-
trag des HerrN'Vorredners stünden aber ver-
schiedene, besonders auch formelle Bcdenken enl-
gegen. Jn dcm Moment, wo die Bedingungeu
unseres staatlichen Bestchens theils zerstört,
theils sehr angegriffeu sind, sei eS nicht der ge-
eignete Zeitpunkl zur Vorlage und Berathung
ncuer Gesetze. Unsere Lage nach außen laffe
sich dahin charakterisiren: dcr Süden fühle oie
Nothwendigkeit eines Anschlusses an dcn Nord-
bund unter Führung deS großen, mächtigen
Preußens; wir wollen unsern Anlheil an der
deutschen That unv am dcutschen Nuhm; doch
bestehen im weiten Kreise dcS Südens ängst-
lichc Besorgnisse, wir könnten für unsere Theil-
nahme zu große Opfer briugen müssen. Voll-
kommen bercchligl seien diese Besorgnisse nicht.
 
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