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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 257-282 November
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ordneten Muth sei von 9 Millionen Erspar-
nissen die Sprache, welche in die andere Bud-
gkiperiode übergingen. Nun, er gebe zu, daß
diese Ersparnisse durch die Kriegsereignisse nahe-
zu aufgezchrt worden seien, aber man habe die
KriegSkosten doch schon durch das Steueranlehen
gedeckt. Ietzt müsie das Volk noch wohl eben
so viel Kriegskosten bezahlen, da dürfe man
nicht auch noch mit einer Steucrerhöhung kbm-
men, zumal wenn der Staat jährlich 1*/, Mill.
spare und die Einwohner durch den Krieg ohne-
hin viel Opfer gebracht haben. Später könne
vielleicht ein*Steuerzuschlag noch nothwendig
werden, aber gerade deßhalb bewillige er einen
solchen heutc nicht, denn dann müsie ein Zweck
vorgesteckt sein, der für das Land von großcm
Werthe sei. ES sprechcn noch gegen den Steuer-
zuschlag: Muth. Paravicini, Frick, Heidenreich,
Hauß, Moll, Lenz, Kiefer, Kusel und Hummel,
die beiden Letzteren mit dem ausdrücklichen Be-
merken, daß es sich bei Annahme des Commis-
sionsantrages nur um Nichtannahme einer Fi-
nanzmaßregel, um nichts Anderes handle, und
Berichterstatter Kirsner. Von Seite der Regie-
rung sprechen: Mathy, Regenauer und Eisen-
lohr. Die Abgg. Tritscheller und Moll brin-
gen die Frage in Anregung, ob bei dem künf-
tigen Staatsanlchen wieder mit Berliner und
nicht mit badischcn und bcziehungsweise süd-
deutschen Bankiers verhandelt werden solle.
Minister Mathy erwiedert hierauf: DaS Geld,
von welchem die Rede sei, habe in Berlin be-
zahlt werden müssen, und zwar rechtzeitig, deß-
halb habe man auch dort das Anlehen gemacht,
welches zu jener Zeit an irgend einem andern
Platze nicht zu machen gewesen wäre, nament-
lich nicht in Frankfurt. Beim knnftigen An-
lehen könne die Mitbewerbung stattfinden und
die Regierung werde die günstigsten Anerbie-
tungen annehmen.

Die Kammer schreitet zur Berathung des
BerichtS deS Abg. Friderich bezüglich der Zünd-
nadelgewehre.

Generalleutnant Ludwig bespricht die Frage
der Umänderung unserer Gewehre in Hinter-
ladungsgewchre und dcS Ankaufs von Zünd-
nadelgcwehren in technischer, militärijch-politi-
scher und finanzieller Beziehnng. Jn techni-
scher Hinsicht sei heute die Sache eine anderc,
als bei Vorlage des Gesetzentwurfs. Die
Kriegßverwaltung sci im Besitz eincs abgeän-
derten badischen Gewehrs, welcheS mit Hinter-
ladung näch dem preußischen Zündnadelsystem
verseben sei und in einer Minute 1ö—17
Schüsie abfeuere; diese Abänderung koste das-
selbe wie die früher beabsichtigte. Das preu-
ßische KriegSministerium lasie auch die hanno-
verschen Gewehre nach demselben Modelle ab-
ändern; das rein preußische Gewehr unter-
scheide sich von dieiem nur dadurch. daß die
Kugcl ein anderes Kaliber habe; wir könnten
deßhalb auch für dieses Gewehr die preußische
Munition nicht benützen. Die großh. Regie-
rung theile die Ansicht und Erwartung der
Kammer, daß bei künstig cintrelenden Kriegs-
ereignissen daS badische Armeecorps an Seite
der preußischen Armee fechten werde; deßhalb
trete die Frage an sie heran, welche Vorberei-
tunq nöthig sei, um solches Zusammengehen zu
befördern. Da nun sci wünschenswerth, daß die
Formation eine gleichmäßige sei; unsere Ar-
tillerie sei so eingerichtet und ausgerüstet, daß
sie jetzt schon mit der preußischen Artillerie
fechten könnc; ebenso unsere Reiterei; aber die
Jnfanterie, welche sonst so formirt sei, daß sie
ohne wesentliche Veränderung in die preußische
Armee lreten könnte, könne dies nicht, ehe sie
das Zündnadelgewehr habe. Jn allen Staaten
werde in kurzer Zeit dieses durch Leichtigkeit
und Geschwindigkeit des AbfeucrnS sich aus-
zeichnende Gewehr eingeführt sein. Uebrigcns
gehöre er nicht zu Denen, welche glauben, bei
letztem Feldzuge hätten die Zündnadelgewehre
Alles ausgemacht; aber immerhin sei so Aus-
gezeichneteS damit erzielt worden, daß er, als
Kriegspräsident, die Verantwortung nicht auf
sich nehmen möchte, nicht aüc Kraft aufgeboten
zu haben, die badische Infanterie mit Hinter-
ladungsgewchren zu versehen. Die Vereini-
gung mit Preußen werde viele Opfer kosten
und alle Angewöhnungen wcrden fallen müs-
sen: allgemeine Wehrpflicht^ kein Einstands-
wesen, dreijähriger Präsenzstand, Einberusung

der Rekruten im Winterhalbjahre. Der Auf-
wand werde ein doppelter sein, denn der
Dienststand werde bei allgemeiner Wehrpflicht
von 7500 auf 15,000 Mann steigen; statt 2
Millionen werden 4 gefordert werden; das
Einftandswesen müßte aufhören, dagegen die
tüchtigen Unteroffiziere, welche bis jetzt nur
durch die Einstände erhalten werden konnten,
anderweit entschädigt werden. Doch Geldrück-
sichten würden den Kriegspräsidenten nie ab-
halten, seine Ansicht auszusprechen, um etwas
Gutes zn erzielen. Höhere Zahlungen und
mehr persönliche Leistungen würden uns auf-
erlegt; aber das dürfe man nicht scheuen. Doch
solle man seiner Ansicht nach langsam vor-
wärts gehen, das Dringendste zuerst zur Aus-
führung bringen; Las Dringendste sei aber,
die Waffen beizustellen.' Redner berechnet, wie
viel wir Gewehre brauchen: bei Besetzung von
Rastatt für 15,000 Mann, im Lande für
15,000 Mann und sür 10,000 Mann Reserve.
Von der sür das Barackenlager bewilligten
Summe seien noch 107,000 fl. verfügbar und
könnten zur Umänderung der Gewehre ver-
wendet werden,. obgleich die Regierung die Auf-
gebung der Errichtung eines Barackenlagers
noch nicht beschlosien habe; wenn außerdem die^
Kriegsverwallung noch 50 bis 60,000 fl. Er-
sparnisse machen könne, so sei das schon sehr
viel, denn durch die Kriegsbereitschaft seien
alle Ossiziers- und Unteroffiziersstellen besetzt
worden, da sei jetzt nicht mehr zu sparen, die
Besetzung von Rastatt erfordere einen Mehr-
aufwand und eine Präsenzverminderung sei
nicht thunlich. Die Negierung könne also auf
den Commissionsantrag nicht eiugehen; die
Kammer möge die 2,066,000 fl. als außeror-
dentlichen Credit bewilligen. Namens der gr.
Staatsregierung spreche er aus, daß dieselbe
an der Forderung von 1,066,000 fl. festhalten
müsse, jedoch kämen von dieser Summe aller-
dings 600,000 fl. im Jahre 1867 noch nicht
zur Verwendung. Der Präsident schließt um
1/4 Uhr die Berathung und setzt die Fortsetzung
derselben auf 8^/2 Uhr Nachmittags fest. —
Nach Wiedereröfsnung der Sitzung bespricht
Roßhirt den Commissionsantrag und weift
auf die großeu Kosteu des preußischen Mili-
tärsystems hin, auf die Klagen darüber in
den von Preußen einverleibten Ländern. Wenn
wir zu Preußen halten wollen, so sei das preu-
ßische Militärsystem unvermeidlich. Er wünsche
nur, daß dann ein großes, ein nationales
Ziel erreicht werde. Nur dann dürften so
große Opfer gebracht werden.

Generallieutcnanl Ludwig: Nach Mit-
theilungen aus guter Quelle sind in Preußen
selbst zweierlei Zündnadelgewehre, das eine,
welches den Feldzug mitgemacht, und dasjenige,
welches aus Umänderung der Vorderladungs-
gewehre entftanden ist. Letzteres ist dasselbe,
welches bei unsern Umänderungen als Muster
dienen soll. Ebenso lasscn die Preußen ihre
Beutegcwehrc nach diesem Ealiber abändern.
Wir erhalten also eine Waffe, welche mit mehr
als 100,000 Gewehren von Preußen gleichcr
Bejchaffenheit sein wird. Damit ist es aber
nicht gethan; wenn wir mit Preußen kämpfen
soücn, so müsicn wir ein Gewehr haben, das
mit dem Preußens ganz gleiche Munition führt;
deßwegen sind die weitern 20,000 Gewehre in
der Regierungsvorlage vorgesehen.

Pagenstecher: Ursprünglich sei er der
Ansicht gewesen, daß der Kriegsverwaltung kein
Pfennig zu bewilligen sei, bevor nicht ein Ver-
trag mit Preußen vorliege. Die einheitliche
Bewaffnung mit Preußen sei gut, aber doch
müsie man dem Commissionsantrage sich zu-
neigen, denn das einstweilig abgeänderte Gcwehr
sei nicht zu verschmähen, weil wir die Zünd-
nadelgewehre doch erst in einigen Jahren er-
halten könnten. Unvollkommene Gewehre dürften
unscre Soldaten nicht haben im Falle der
Noth, und deßhalb wünsche er, daß eine fcste
Summe bcwilligt und nicht blos auf die Er-
sparnisie hingewiesen werde. 'Zur Anschaffung
von 20,000 Zündnadelgewehren könne er sich
vorerst freilich auch nicht entschließcn. Wenn
abcr einmal der Vertrag mit Preußen vorliege,.
so stehe der Bcwilligung der 20,000 Zünd-
nadelgewehre gar kein Bedenken mchr entgegen.

Generallieutenant Ludwig: Wenn wir
morgen eine Militärkonventiop mit Preußcn

haben, so bckommen wir dadurch noch keine
Gewehre; wir bedürfen längere Zeit, sie unS
zu verjchaffen; thun wir dies nicht vorher. so
kommt dic Zeit, wo zur Convention Alles
vorbereitet ist, aber wir nicht gleiche Gewehre
mit Preußen haben.

Moll: Die Mißerfolge des 7 und 8. Ar-
mcecorps seicn in der Organisaljon der Bun-
des-KriegSverfaffung zu suchen. Von Uebel
seien auch die Versetzungen gewejcn, welche
kurz vor Ausbruch des Krieges in den Offi-
zierskreisen als nothwendigc Folge der Mobi-
lisirung vorgenommen werden mußten. Auch
sollte dem Verpflegungswesen ein größeres
Augenmerk geschcnkt werden.

Zur kriegstüchtigen AuSbildung der Mann-
schaft sei eine zwei- oder^gar dreijährige Prä-
senz nicht nothwendig, eine einjährigc Präscnz
dürfte genügen. Das Einsteherwesen müsie
abgeschafft werden, weil dadurch der Geist des
Armeecorps gewinne, und darauf sei großer
Werth zu legen.

Er habe nicht gewußt, daß eine Verordnung
bestche, welche einem Offizier verbiete, Etwas
unter seinem Namen zu veröffentlichen, ohne
cs dem Kriegsministerium vorgelegt zu haben.
Eine derarlige Verordnung sollte möglichst be-
schränkt weroen. Wenn es jedem Offizier frei-
gegeben wäre, seine Meinung über dcn hier
fraglichen technischen Punkt zu äußern, so
würde das gewiß von großem Werth sein, und
so sei es noch in manchen Dingen. Das
Kriegsministerium habe für das nächste Früh-
jahr eine größere Rekrutenquote auSgeschrieben,
als gewöhnlich üblich gewesen sei; es frage sich,
ob dieses nothwendig gewesen sei. .

Durch größere Beurlaubungen, glaube er,
könne man etwa 180,000 fl. crsparen. Bezüg-
lich der Anschaffung nener Gewehrc mache er
dcn Vorschlag, zu beschließen: „Das Kriegs-
ministerium ist crmächtigt, die Abänderung der
vorhandenen 19,000 Gewehre für Hinterladung
zu bewerkstelligen, die Mittel hiczu sind jedoch
nur aus Ersparnisien an dcm ordentlichk-n
Budget der Kriegsvcrwaltung pro 1866/67
Tit. IIL „Armeccorps" cinjchließlich dcr Preis-
einbringung an der Naturalvcrpflegung, sowie
der Anthcilc der Durchschnittsfonds an den
zu bewerkstelligenden Ersparnisien zu ent-
nehmen."

Was den zweiten Antrag der Commission
betrifft, beantrage er. die Kammer wolle zu
Protokoll erklären: „In Erwägung, daß über
die Art und Ausdehnung einer organischen
Verbindung unjeres Armeecorps mit dem großen
deutschen Heere noch gar keine bestimmten An-
haltspunkle geboten sind, daß aber die Bcwil-
ligung von Mitteln wescntlich hievon und von
den zu erwartenden Vorlagen über die Reor-
ganijation unsercs Armeecorps abhängig ist,
sieht die Kammer z. Z. von einer Erklärung
zu Protokoll nach diejer Richtung ab."

Karlsruhe, 29. Octbr. Rede des Herrn
Staatsministers Mathy in der 68. öffent-
lichen Sitzung der zweiten Kammer. Die gr.
Regierung hat für 1867 einen Zuschlag zu den
directen Steuern "gefordert, desien Ertrag ziem-
lich genau auf 945,000 fl., welche im Laufe
eines Jahrcs zu erheben wären, angeschlagen ist.

Die Forderung wurde begründet:

1) Durch das berichtigte Budget der Amor-
tisationskasie, nach welchem die Dotation der
Amortisationskasse für die beiden Jabre 1866

und 1867 zu erhöhen ist um 517,000 fl.

2) Durch das wahrscheinliche
Zurückbleiben der Einnahmen,
insbesondere aus Domänen und
Zöllen (Wegfall der Wasserzölle)
für 1866 um beiläufig . . . 818,000 fl.

Mehrausgabe u. Wenigerein-
nahme zusammen. 1,335,000 fl.

Davon, wie gesagt, glaubt die
Regierung durch den Steuerzu-
schlag in Anspruch nehmen zu
sollen. 945,000 fl.

Sie sieht daher immer noch
eine Minderung der Ueberschüsse

von. 390,000 fl.

vor sich.

Diese Minderung soll ungedcckt bleiben, weil
allerdings gehofft werden darf, daß sie in gerin-
germ als dem mit Vorsicht angeschlagenen Be-
 
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