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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 257-282 November
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Ueidtlbergtr Ieitung.


Samstag, 2L November


N

* Polilische Umscbau.

Heidelberg, 23. November.

Der Ausschuß des Nationalvereins außert
in seiner Ansprachc an die Vercinsgcnossen
über die Betheiligung an den Wahlagitationen
für den norddeulschen Reichstag: Unterdefsen
aber ist es die Hauptaufgabe des VereinS. seine
volle Thätigkeit auf die ParlamentSwahlen zu
richtcn, welche in naher Aussich! stehen. Jn
allen Ländern des Norddeutschen Bundes-wird
der Verein seine Kräftc aufzubieten haben, um,
im Anschluß an verwandte Parteibestrebungen
und deren etwa schon vorhandene Organisatio-
nen, die Wah! von Männern durchzusetzen, de-
ren nationale Gesinnung und polilische Ver-
gangenheit Bürgschaft dafür keistet, daß sie als
Mitglieder des Parlaments im Dicnste der Na-
tionalsache ihre Schuldigkeit thun und nament-
lich für die Freiheitsrechte d«s deutschen Volkes
mit Hingebung und Nachdruck eintreten wer-
dcn. Die oberste Forderung der nationalen
Pflicht aber geht dahin, daß von Seiten des
Parlaments selbst alles geschehe, damit der Nord-
deutsche Bund erweitert werde zum Neiche der
gesammten deutschen Nation.

Die Bildung von Wahlausschüssen und die
Aufstellung geeigneter Candidaturen darf keinen
längeren Aufschub leiden, wenn das Wahler-
gebniß nicht dem Zufall oder der größeren
Rührigkeit der Gegenparteien preisgegeben wer-
den soll. Jn allcn Wahlbezirken lasse man sich
angelegen sein, mit den benachbarren Wahl-
comite's, und nach Umständcn mit dcm Ber-
liner Centralwahlausschuß für Preußen in Ver-
bindung zu treten, um sich durch gegenscitige
Vcrständigung und Hülfeleistung den Erfolg
zu erleichtern und zu sichern. Ein Jeder von
uns betreibe die Wahlagitation wie seine eigenste
Angelegenheit, und das Gelingen, welcheS un-
sere Parteithätigkcit schon bei manchem Unter-
nehmen der VolkSpolitik belohnt hat, wird uns
auch dies Mal nicht fehlen. — Ein höherer
Preis, als dies Mal, aber stand nie auf dem
Spiele."

Der „Provincialcorr." zufolge wird die preu-
ßische Regierung die Vorb'ereitungen zu den
Wahlen für den norddeutschen Reichstag nach
allen Richtungcn so eutschieden fördern, daß
mit der Auöführung der Wahlen am Anfang
Februars vorgegangen werden kann. Eine ent-
sprechende Aufforderung dürfte auch an die
übrigen Regierungen des norddeutschen Bundes
gleichzeitig mit der Aufforderung zu den vor-
gängigen Berathungen erfolgen.

Nach einem die bayerische Hauptstadt ziem-

lich in Aufregung bringenden Gerüchte soll man
höchsten Orts daran denken, die Residenz zeit-
weilig zu verlegen. Daß man in dieser Hin-
sicht besonders in Nürnberg große Anstrengun-
gen machen wird, dürste mit Sicherheit ange-
nommen werden. So wird der „Berl. Kreuz-
Ztg." aus München geschricben.

Dcm „Staatsanzeiger" zufolge hat Professor
Pauli in Tübingen die nachgesuchte Dienst-
entlassung erhalten. Die „Bürger-Ztg." be-
merkt gkeichzeitig: „Die in Württemberg Ttu-
direndcn haben sich mit ihrer Unterschxift ver-
pflichtet, die Vorlesungen Prof. Pauli's nicht
zu besuchcn."

Die Pariscr Abcndblätter veröffentlichen eine
Vcrfügung des Kriegsministeriumö, welche offi-
ciell anzeigt, daß das gesammte Expeditions-
Corps in den ersten Monaten deS.nächsten Jah-
rcs aus Mexico zurückkehren wird. Es wird
deßhalb den Militär-Jntendanturcn aufgetra-
gen, keine Sendungen von Militäreffecten rc.
mehr nach Mexico abgehen zu lassen.

Wie der „Moniteur" meldet, ist General
Bazaine am 26. Oct. von Mcxico nach Puebla
abgereift und darum verhindert gewesen, seinen
periodischen Bericht abzusenden. Der „Moni-
teur" bemerkt hierzu nur noch,' daß der am 12.
October in Veru-Cruz angekommcne Gcneral
Castelnau am 13. October nach Mexico abge-
reist ist.

Der Vicekönig von Egypten hat das Parla-
ment eröffnet.

Serbien hat an die Pforte das directe An-
suchen gestellt, alle Festungen auf serbischem
Boden, namentlich Belgrad sclbst, zu räumcn.

Deutfchl«, nd.

-j- Heidelberg, 23. Novbr. Es ist für
daS jetzige Parteitreiben bezeichnend, daß in
auSwärtigen Blättern in allen Variationen die
Meinung will geltend gcmacht werden, alS ob
in Baden die öffentliche Meinung gegen jeden
Anschluß an Preußen, beziehungsweise den nord-
deutschen Bund gerichtet sei, und daß nur
Wenige, die in gewissen exclusiven Kreisen ihren
Slützpunkt fänden, eine Ausnahme machten.
Namentlich ist es ein bekanntes Stuttgarter
Blatt, das sich eine besondere Aufgabe zu machen
scheint, unscr Land in ciner solchen osmera
odseura seinen auswärtigen Lcsern erscheinen
zu lassen. Bei uns selbst kann sich Niemand
über eine solche künstliche Beleuchtung, in der
man unser Land auf den Märkten den Leuten
zu zeigen versucht, täuschen laffen, wenn er
überhaupt sähig ist, mit eigenen Augen die
Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind. Von

einem Volke, das zuerst vor Allen für die na-
tionale Jdee auf dem Kampfplatz auftrat, daS
in schwerer und harter Zcit unter Gefahren
und Bedrohung der Mächtigen zur heiligen
Sache der deutschen Nation gestanden ist und
unbeirrt sein Recht auf die Einheit und Frei-
heit geltend zu machen suchte, ist doch wohl
von vornherein zu erwarten, daß ein solcheS
Volk jetzl, nachdem der gewaltigste Schritt in
den Ereignissen des letzten Sommers seit den
Tagen der Befreiungskriege für nationale Eini-
.gung geschehcn ist, nicht Kindern gleiche, die,
um mit biblischen Worten zu reden, nicht tan-
zen wollen, wenn man ihnen ein Flötenspiel
eröffnet, aber auch nicht trauern woüen, wenn
man ihnen Klagclieder singt. Wahrlich einem
eigensinnigen Kinde, das nicht weiß, was es
will, gleicht das badische Volk in allen seinen
Schichten nicht, und die ihm solche Ehre —
AngesichtS der gcsammten Nation — anthun
wollen, zeugen nur von dem Geisie, der sie,
nicht'aber unser Volk bewegt.

Man beklagt bei unS ziemlich allgemein die
Art und Weise, wie die Dinge in Deutschland
in Bewegung kamen, man verdammt vielfach
dic Motive der handelnden Personen so stark
wie irgendwo ip Deutschland; aber man ist
nicht albern und thöricht genug, um die ge-
schaffenen Thatsachen, deren Bedeutung
und hohen Werth für die nationale Sache zu
verkennen. Am allerwenigsten ist man aber
gcwillt, aus purem pcrsönlichcn Haß oder auch
aus Verbissenheit in irgend eine Doctrin der
Vergangenheit, von dcr durch die gewaltige
Wucht der neueren Thatsachen geebneten Bahn
nationaler Entwickelung abzulenken, und sich
in die bodenlofcn Seitenwege eines süddeutschen
BundeS zu verirren.

Alle Organe unk Mittel, wodurch ein Volk
und Land das, was eö in seinem Jnnern be-
wegt und was eS will, ausdrücken und beur-
kunden kann, verkünden, mit kaum beachtens-
werther Ausnahme — übereinstimmend und un-
zweideutig die Pflicht, dem nationalen Rufe,
den die neuen Thatsachen und die realen Ver-
hältnisie erhcben, ehrlich und offen zu folgen.
Aber jeder Pflicht cntspricht ein Necht; der
Pflicht zur nationalen Einigung steht
zur Seite das eben so heiligc Recht auf
nationale Freiheit. Nur in letzterer Be-
ziehung gibt es bei uns, wie anderwärts, eine
Verschiedenheit der Auffaffung und darum einen
Zwiespalt der Meinung. Hierüber ein an-
dermal.

F Aus Baden, 21. Nov. Die Kreis-
versammlungen sind in den meisten Kreisstädten

!ksiupL xassali.

Keine einzige hiefige Zeitung bringt folgenden
Vorfall, den ich Ihnen jetzt erzählen will, und
doch wird er mir von guter Sette alS Factum mit-
getheilt. Dieser Tage benutzte drr König, um des
alten Venedtg schönste Denkmäler und Kunstschätze,
seine wunderbaren Gotteshäuser und Paläste zu
sehen. Jst er ja in dteser Beziehung seldst ntcht

So hat fich der König bereits im Dogenpalast
umherführen lassen, ist über die goldene Treppe
und über dte Treppe des Giganten gegangen, hat
den Saal der „vter Pforten" gesehen und die Herr-
lichkeiten dcr altvrnetianischen Kunsttndustrie und daS
Museum und das Pantheon. Er bat dte schöne ^

voll von den schönstcn TintorettoS, bewundert; er
ist zum Arsenal hinangestiegen, wo die alten, ko--
misch wirkenden Löwen stehen, von denen der eine

König wtcder einmal in San-Marco's herrliche
Hallen. San-Marco ist dem König, wie es scheint,
werther als Alles; es vergeht kein Tag, wo er
nicht etnmal seinen Fuß hineinsetzt, um die herr-
lichen Lapellen San-Zfiboro, be Mascoli, die Sa-
cristei, das so wirksame Gemisch von allcrlet Säu-
lenordnungen, die kostbaren alten Mosaiken und
was noch Alles schön ist an dieser Stätte, zu be-
wundern, immer von Neuem zu bewundern. DaS
wtrd unsere Kirchlichen zu Hause gewiß sreuen, fie
haben fich drn König-Ketzer, der die Klöster ab-
schafft, gewiß nicht so vorgestellt. Ob aber auch
das Nachfolgende, was ich nun von einem solchen
Kirchgange Victor Emanuels erzählen wrrde, ihr
Herz erqutcken wird, das wage ich zu bezweifeln.

1 Der König schritt also wteder einmal durch die

stolzen Hallen San-Marco's, nur begleitet von den
Prtnzen Humbert und Larignan, Baron Ricasolt,
dem Conservator des Dogenpalastes und dem Pa-
triarchen. Betm Austritt seffelte daS Auge deS
Königs in der schönen, buntsteinig gewürfelten Vor-
halle cin großer rother Marmorstein, der so ganz
eigenthümlich die Mosaik des FußbodenS plötzlich
unterbricht. Er bleibt vor der Marmorfläche ftehen
und fragt:

„WaS ist's mit diesem Stein? Was knüpft fich
sür eine Erinnerung Venedigs an ihn?"

Der Conservator stutzt einen Augenblick, wie zu-
rückhaltend; der König merkt, daß der Conservator
was zu erzählen HLtte und es nicht will. Er fragt
nochmals:

„Was ist'S denn mit der Geschichte dieses Stei-
nes, lieber Dr. Fabbris?"

Der Conservator beginnt zögernd:

„Auf dicsem Strine huldigte dem Papst Aleran-
der III. der mächtige Kaiser Barbarossa im Jahre
1177."

Aber kaum waren die Worte herauS, da nahm
der Patriarch höchst geschäfttg das Wort und er-
zählte die Geschtchte dieses StrineS mit großer AuS-
 
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