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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 257-282 November
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Nk; 278 Sonntag, ss November

* Polilische Nmscbau

Heidelderg, 24. November.

* Die unruhigen Vorfälle in Genf
sind von der unparteiijchen liberalen Prefse in
der Schweiz selbst sehr übel vermerkt worden,
und mit Necht! Ein Volk, welches frei sein
will, muß sich der Freiheit würdig zeigen, und
Gesetze und staatlicke Ordnung zu achten wissen.
Jn kleinen Republiken zumal, die den Vortheil
genießen, daß jeder Bürger sclbstthätig im
Staatsleben mitwirkt, liegt demgemäß auch die
Verantwortung für AlleS, was geschieht, auf
dem Einzelnen. Bei den ganz besondern
Verhältnissen Genfs treten aber noch besondere
Umstände ein, die nicht nur von schweizeri-
schem. sondern von allgemeinem europäischen
Jnterefse sind. Schon vor einigen Jahren hat
es bei den Genfer Wahlen eineu förmlichen
Straßenkampf abgesetzt, bei dem sogar mehrere
Personen um's Leben kamen. Die Schweizer
Centralregierung mußte damals .einschreiten,
und die Stadt wurde durch eidgenössiscke Trup-
Pen besetzt. Die Szcnen, die hiezu Veranlas-
fung gaben, haben sich diesmal, wenn auch in
geringerem Maße, wiederholt und ih're Wieder-
holung kündigt eine Art chronischer Krankheit
an. Gewiß können aber solche Miß-
ständeverhängnißvoll werden für die
Unabhängigkeit der kleinen Republik
Genf und der Schweiz überhaupt. Die Schweiz
hat alle Ursache, auf ihrer Hut zu sein, und
sich die Stelle des jüngsten französischcn Rnnd-
schreibens immer wieder vorzuführen, worin als
unwiderstehlicher Zug der Zeit das Aufgehen
der kleinen Staaten in großen nationalen Rei-
chen bezeichnet wird. Es ist kein Zweifel, daß
dcr kaiserliche Briefsteller hiebei vor Allem das
Verhältniß Frankreichs zur französ. Schweiz im
Auge hatte. Genf ist durch dic Annexion Sa-
voyens Seitens Frankreichs ohnehin fast zur
französischen Enclave geworden, und Hand in
Hand mit diesem Ereignisse geht auch der Ver-
fall der innern Widerstandskraft der Stadt.
Jnnere Streitigkeilen waren aber von jcher
beliebte Einmischungsgründe für eine auswär-
tige Jntervention. (Man denke nur an Polens
Schicksal!) Fortgesetzte Unruhen in Genf könn-
ten daher leicht von übler Vorbedeutung für
daS Schicksal der Stavt und ihrer französisch-
schweizerischen Nachbarschaft werden.

Nach einer Mitthcilung im „Hamb. Corresp."
soll die preuß. Regierung beabsichtigen, bei der
Dotation 500,000 Thlr. für den Prinzen Fried-
rich Karl zu bestimmen.

Jn einer Conferenz der Linken oes ungari-
schen Landtags entschied die Majorität, daß der

Zeitpunkt noch nicht gekommen sei, der Hal-
tung dem Rescripte gegenüber enlschiedenen
Ausdruck zu verleihen.

Der Bischof von Versailles hat einen Hir-
tenbrief erlassen, in welchem er sagt: wenn der
Glaube noch so stark ware wie früher, so würde
sich ein heiliger Kreuzzug bilden, nicht mehr,
um das Grab des Erlösers, sondern um den
Papst zu schützen.

Die Fabrikanten der berühmten, überall so
beliebten Oknrtreu^e, in welcher die Franzo-
sen die Perle aller Liqueure verehren, sind be-
kanntlich Karthäuser Mynche, welche sich neben
Faften und Beten auch sehr gut auf die Er-
werbung zeitlicher Güter verstehen. Als die
frommen Brüder zur Erleichterung der Bedräng-
niß des heiligen Vaters angegangen wurden,
suchten sie sick auf's Feilschen zu verlegen,
mußten jedoch statt dem anfänglichen Anerbieten
von Frcs. 100,000 ihre Anhänglichkeit, an den
heil. Vater mit einer volten Miüion bekunden.
Aber auch mit diesem Opfer ist man in Rom
nicht zufrieden gestellt, und so erfahren denn
die frommen Herrcn seit einiger Zeit allerlei
bedenkliche Aeußerungen hoher Kirchenfürsten,
welche es ganz' und gar nicht in der Ordnung
finden, daß Mönche sich mit Liqueurfabrication
beschäftigen.

Der französische Minister deS Jnnern, Herr
de La Valette, hat am22. die Leilung seineS Äm-
tes wieder übernommen.

Die mexikanische Frage kann noch zu sehr
ernsten Verwicklungen Anlaß geben. General
Sherman ist bekanntlich in Mission an die
mexikanische Grenze abgesandt worden. Er hat
Bkschl, Jnarez und seine Anhänger auf alle
mögliche Weise zu unterstützen, wenn bis zum
15. December nicht wenigstens ein Drittel der
französischen Occupationsarmee eingeschifft ist.
Jst nach den getroffenen Anordnungen bis zu
diesem Termine kein französischer Soldat ein-
geschifft, so kann man sich auf ganz ernste
Dipge gefaßt machen, und dieses um so mehr,
als der Präsident Johnson wegen seiner Stel-
lung dem Congreß gegenüber nichts mchr
wünscht, als daß die mexikanische Frage die
inneren Fragen ctwas in den Hintergrund
dränge.

Der „Moniteur" erfährt aus Neuyork, daß
sich dort eine Gesellschaft gebildet hat, welche
gegen eine ziemlich geringe Summe das Lcben
der Reisenden für die Dauer ihrer Ueberfahrt
von Amerika nach Europa versichert.

Es wird ein Compromiß zwischen dem Prä-
sidenten Johnson und dem Congreffe ange-
strebt.

---H. -

D e u t f ch l a n d.

Kavlsruhe, 22. Nov. Für den Posten
eines Militär.- Bevollmächtigten werden zwei
Stabsofficiere, der eine im activen Dienst, der
andere z. Z. in Disposition befindlich, als auS-
ersehen bezeichnet. Jedoch scheint in diescr Be-
ziehung noch nichts festgestellt — Auch die
neulich erschienene zweite Broschüre über den
badischen Vcrrath ist mit Beschlag belegt. Das
Publikum ist übrigens sehr kalt gegen diese mit
handgreiflicher Tendenz betriebenen Verlästerun-
gen, deren thatsächlichen Unwerth man richtig
crkennt. Man erkennt überhaupt Oesterreich
nicht das Recht. zu einem solchen Auftretcn zu.
Wo die eigenen Größen, die besten Namen des
eigenen Landes nicht sicher waren vor gewiffen-
loser Antastung, da darf man freilich nichts
Besseres erwarten. — Der Besuch des Poly-
technikums, ist im Verhältniß zu andern An-
stalten gleicher Art AngesichtS der Zeitverhält-
nifse ein sehr günstiger. Dagegen sollen gleich
Heidelberg auch andcre außcrpreußische Hoch-
schulen gelitten haben. — Zur nächsten Prü-
fung der Rcchtscandidaten sind beiläusig 30
Theilnehmer angemeldet. (S. M.)

O Vom See, 22. Nov. Die neuen rö-
mischen Allocutionen mqchen auch bei uns den
Eindruck, welcken sie n i ch't beabstchtigcn: sie
bestätigen in uns die Ueberzeugung, daß jene
mittelalterlichcn Ansichten mit der fortgeschrit-
tencn und unaufhaltsam sortschreitenden Volks-
bildung in Deutschland in directem Widerspruch
stehen, und darum an ihrer etwa^en Haltbar-
keit immer mehr verlicren; dies um so gewis-
ser, da durch das Ausscheiden Oesterüüchs aus
Deutschland die einzige Schutzmacht zur Auf-
rechthaltung des Ansehens jener Ansichten in
Deutschland unwirksam gcworden ist, und ein
anderer deutscher Staat sich wohl hüten wird,
angesichts der bitteren Früchte, welche sich Oe-
sterreich durch den Schutz des Jesuitismus u. Ul-
tramontanismus errang, dessen Nolle zu über-
nehmen. So wird sich das Fiasco der ganzen
vermeintlichen Omnipotenz des hl. Stuhls fort-
während wiederholen, wenn er beharrt auf dem
Grundsatz, daß die Staaten ihre bürgcrl. Verwal-
tung nach kirchl. Doctrinen einrichten sollen. Das
wird nie mehr geschehen. Der Krummsiab mag
walten in der Kirche, aber nach zeitgemäßen
Principien, in Verbindung mit dem Fortschritt,
sonst hat er es sich selbst zuzuschreiben, wenn
er zerbrochen wird. Die bürgerliche Verwal-
tung strebt nach Befreiung auS den Fesseln
der Willkürherrschaft, sowohl geistlicher als
weltlicher, und diese Befreiung wird um so

Der Sternschnuppenfall in der Nacht vom
13. bis 14. November.

ist — wie die Zeitungen von allen Seiten melden —
ein außrrordentlicb starker Sternscknuppen-Schwarm
beobachtet worden. Den letzten „Sternschnuppenfall"
dieser Art beobachtete man am 13. Nov. 1833.
Alerander v. Humboldt hat festgestellt, daß dieseS
Phänomen sick alle 33 Jahre wiederholen muß, da
dte Erde nach Verlauf so langer Zeit immer wieder
in den Bereich dieses GewirbelS kleiner Weltkörper
gelangt. Zn Londen wurde dieser Sternschnuppen-
fall, wie dortige Blätter'berichten, unter sehr gün-
stigen atmosphärischen Umständen auf mehreren Ob-
servatorien beobachtet. Am 14. zwischen 12 und
1 Uhr NacktS zählte der Astronom Hind 1120
Sternschnuppen; von 1 Uhr bis 7 Minuten nach
1 Uhr ntcht weuiger als 514, während threr viele
dein Auge noch entgangen sein müssen. Der feurige
Regen wurde an dem zuletzt bezetcbneten Zeitpunkte
so dicht, daß ein regelrechtes Zählen unmöglich

wohl die höchste Höhe, biS um 1 Uhr 20 Minuten

nom zählte von 1 Uhr btS 1 Uhr 5 Minuten 264,
und von 1 Uhr 15 Minuten bis 1 Uhr 20 Minu-
ten 276 Meteore, von 1 Ubr 30 Minuten bis
1 Uhr 35 Minuten jedoch nur 141, und von da
ab nimmt die Scala rasch ab. Der Himmel bot
einen seltsam-prächtigen Anblick dar; dennoch ver-
sicherte der bekannte Reisende du Chaillu, welchcr

threr glänzenbsten Erscheinung, nur wenige übertra-
fen baS letztere Maß. Jm Allgemeinen war die
verhältnißmäßige Gletchförmigkeit und der völlige
Mangel an Mcteoren größeren UmfangeS ein be-

nung ihrer Laufbahn nach; bet einigen war der-
selbe von besonderer Schönheit und zarter blau- >

, grünlicher, stark phosphorescirender Farbe, während
'die Meteore selbst meist einen röthlicken Glanz zeig-
ten. Während der ersten Hälfte der Nacht breitete
sich ein blaß-glühender, dem Nordltchte ähnlicher
Sckimmer am Himmel aus, und später wurden
mehrere starke Blitze wahrgenommen, dcren ciner,
gegen 4 Uhr, sich durch ein tntenfiveS Orange auS-
zeichnete und seinen AuSgangspunkt in der Con-
stellatton dcs Löwen hatte. Jn entfernteren Ge-
genden des Himmels durchsiogen die Meteore lange

ten Sternbilde entstanden, hatten eine sehr kurze
Flugbahn oder schienen sogar eine Zett lang ohne
merkbare 'Bewegung still zu stehen. Herr Tyler
glaubt, drei Claffen annebmen zu dürfen; die
zahlreichste enthielt die gewöhnlichen Sternschnup-
pen, unter ihnen einige sehr große, welcke einen
langen, bläulichen Lichtstreifen hinter sich herzogen.
Die zweite Claffe bestand aus den weniger häufigen
Meteoren, die keine Spur zurückließen und wte
kupferfarbige Feuerkügelchen auSsahen; die drltte
aus solchen, deren Bahn eine kurze, unregelmäßige
Curve war und noch 2—3 Minuten sichtbar blieb,
i eine freilich seltene Erscheinung. Einige der größten
 
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