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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 10 - Nr. 17 (3. Februar - 28. Februar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44618#0066

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habilitiren. Da haben Sie in aller Kürze den Abriß un-
ſerer Biographie.
Während Adolph ſprach, hatte Hugo einen beſorgten
Blick auf den Schweden geworfen. Wider Erwarten fand
er auf deſſen Antlitz nicht das mindeſte Zeichen von Aengſt-
lichkeit, wohl aber ertappte er denſelben, wie ſeeineſ klei-
nen Augen lauernd auf die beiden Freunde gerichtet wa-
ren. Als er ſich von Hugo beobachtet ſah, erloſch das
ſtechende Feuer ſeines Blicks und eiſige Kaͤlte nahm das
bleiche Angeſicht wieder ein.
Indeß examinirte der Gensd'arme weiter fort. „Ihre
Päſſe, meine Herren!“
„Wir haben deren keine,“ entgegnete Hugo beſcheiden,
„ſondern nur unſere Inſcriptionsſcheine von der Univer-
ſität.“ ö ö
Der Franzoſe notirte aus den hingehaltenen Papieren
in ſeine Schreibtafel. „Wo werden Sie in der Haupt-
ſtadt wohnen?“ ö

„Das iſt noch unbeſtimmt,“ antworteten die jungen

Männer einſtimmig.
Nun wandte ſich der Franzoſe zu dem Schweden,
. Stolz richtete ſich dieſer empor, als er, um ſeinen Na-
men befragt, mit Selbſtgefühl ſagte: „Ich bin ein freier
Schwede. Mein Name iſt Bernhard Möllarſtröm
und eine Familienangelegenheit der Gegenſtand meines
Hierſeins.“
Der Gensd'arme nickte zufrieden. „Sie ſind mein Ge-
fangener!“ ſprach er dann kalt.
Ein höhniſcher Zug ſpielte um den Mund des Schwe-
den, als er ſich anſchickte, ſeinem Wächter zu folgen.
Letzterer wendete ſich nochmals an die Reiſegeſellſchaft.
„Sollte ein Zeugenverhör ſich als nothwendig herausſtel-
len, werden Sie gewiß insgeſammt der dießfalſigen Auf-
forderung nachkommen?“
»Stumm wurde dieſe Frage bejaht. Der Franzoſe
entfernte ſich mit ſeinem Gefangenen; der Wagen fuhr
weiter.
„Der abſcheuliche
ſchimpfte die Alte.
„Der arme Menſch
Junge.
„Armes Vaterland!“ ſeufzte Adolph.
Hugo ſchaute nachdenklich vor ſich hin, ohne ein Wort

zu ſagen.

Spion! der elende Verräther!“

von Schwede!“ bedauerte die

Die hohe Wohnung.
Phöbus hatte ſeinen Laue vollendet. Der Sonnengott
ſchirrte die Roſſe aus, ſchob den Phaeton in den Schup-
pen, ſich ſelbſt aber ſetzte er vor den Farbenkaſten, mit
deſſen bunteſten Stiften Luft und Erde anzumalen. In
Gold und Roſenſchimmer erglänzten Beide, als der Poſt-
wagen von der Anhöhe herab der Hauptſtadt zueilte. Be-
reits ſah man von Weitem dem Schlagbaum ſein katego-
riſches Halt! den Reiſenden zuwinken, als auch Adolph
und Hugo daſſelbe Gebot ihrem Roſſelenker zuriefen. Der
Schimmer eines hingehaltenen, großen Geldſtückes machte
den Poſtillon wunderſam gefällig. Er hielt. Die Freunde
ſtiegen aus, erklärten, wie ſie ihr Gepäck von der Poſt
holen laſſen würden, und wanderten dann Arm in Arm,



als harmloſe Spaziergänger, bei dem aufpaſſenden Thor-
ſchreiber vorüber.
„Es kann der guten Stadt einerlei ſein,“ bemerkte
Adolph, „ob ſie durch das Tagsblatt erfährt oder nicht,
daß zwei abſolvirte Burſchen in ihr einpaſſirt ſind. Et-
was Anderes wäre es, wenn es von uns hieße: Ihre
Durchlauchten die Fürſten von Ichtelfingen und Schwätz-
weiler ſind angekommen und im Hotel de Bourgogne ab-
geſtiegen.“
Ueber Hugo's Antlitz verbreitete dieſe unbedeutende
Rede ein ſtilles Lächeln. Dann ſagte er: „Werden wir
eben ſo heiter und freundſchaftlich verbunden, wie wir die
Hauptſtaͤdt betreten, dieſelbe auch einſt verlaſſen? Wer-
den wir hier eine bleibende Stätte finden und welche?
Dieſe Fragen drängen ſich mir unwillkührlich auf.“
Adolph blieb ſtehen. Sein Angeſicht war ſehr ernſt
geworden, als er entgegnete: „Hugo! ohne zu ſuchen, ha-
ben ſich unſere Seelen unter den vielen Hunderten von
Kameraden auf der Univerſität gefunden. Ich ſchwöre
Dir: mich ſoll keine Macht der Erde — weder Reichthum,
noch hoher Stand, noch irgend etwas — von Dir abtrün-
nig machen. Falle der Würfel des Geſchickes wie er wolle
— uns ſoll er nicht entzweien.“
„Wie aber,“ entgegnete Hugo mit ſchalkhaftem Lä-
cheln, „wenn die Liebe uns zu feindſchaftlichen Brüdern
machte?“
„Auch ſie darf unſerer Freundſchaft keinen Abbruch
thun. Geſetzt ſogar, wir ſtrebten Beide nach einem und
demſelben Ziele, ſo mag der Ungelie bte mit der Freund-
ſchaft des Idol's ſich begnügen, während es dem Glückli-
chen die Palme reicht.“—
„Ich wage nicht zu verſichern, daß mir dieſelbe Cha-
rakterſtärke verliehen worden ſei,“ ſprach Hugo, „doch
wird uns hoffentlich das Schickſal eine ſo grauſame Prüͤ⸗
fung erſparen! Aber ſieh', daſſelbe ſcheint uns nicht un-
günſtig zu ſein.“
Adolph folgte dem zeigenden Finger ſeines Freundes,
und las an dem Thorflügel eines anſehnlichen Hauſes die
mit großen Buchſtaben geſchriebene Anzeige: ö
„Allhier iſt ein Logis für zwei einlitzige Herren
zu vermiethen.
Nähere Auskunft bei dem Hausmanne.“
„Zwei einlitzige Herren!“ lachte Adolph. Haben wir
uns nach Krähwinkel verirrt! Doch laſſ' uns die Phy-
ſiognomie des Hauſes erſt abnehmen, bevor wir einen
Schritt weiter thun.
Er trat einige Ellen zurück und richtete prüfend ſeine
Augen an dem Gebäude empor. Zu Boden flog die he-
runter geriſſene Mütze. Beſchämt hob ſie der Ueberhöf-
liche auf. Den Rücken zu einer nochmaligen Verbeugung
gekrümmt, ſah er wieder hinauf. Die Erſcheinung war
unter einem leichten Erröthen verſchwunden.
Zwiſchen Unmuth und Eutzückung ſchwankend, ſprach
nun Adolph mit großer Haſt zu ſeinem Freunde: „Hugo,
ſeh ich recht? Iſtees möglich oder Zauberei? Die ſchöne
Schifferin von heute früh war es, welche mein überraſch-
ter Blick hier im erſten Stockwerk aus dem Fenſter ſchauen
ſah. Glückliches Omen! Laß uns ſchnell die Wohnung
um jeden Preis miethen, ehe uns ein neidiſcher Dämon
 
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