Heillelberg
Nr. 18.
Samſtag, den 2. März 1872.
5. Jahrg
Eelcheint Mittwoch und Samſcag. Preis monatlich 18 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Scht aa ſſe 4
und ber den Trägern.
Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.
Die Incognito's.
Erzählung von Guſtav Nieritz.
(Fortſetzung.)
„Die Krone? Ich beneide den nicht, der eine Krone
trägt.“ *
„Darin haſt Du Recht. Schon die Grafenkrone drückt,
Geſetzt zum Beiſpiel: Herr Flaſch gedächte mich zur Frau
Flaſche zu machen, — das würde die Welt nicht zugeben.
Aber Niemand könnte was dawider einwenden, wenn Herr
Kork Dir einen Heiraths-Antrag ſtellte.“
„Niemand? — — — Laß uns abbrechen, liebe Cou-
ſine. Sieh doch! fogar anſer Herr Onkel erſcheint auf der
Sternwarte — —“ —
„Gehen wir in die vorderen Zimmer,“ — ſprach Eu-
genie halb ärgerlich, — „wo wir nichts von der Stern-
waͤrte ſehen können. Die Convenienz verbietet uns, eine
Auffahrt zu machen, deßhalb mag ich nichts mehr davon
hören.“
Die Bildergallerie.
„Unſere jungen Aſtronomen,“ ſprach der Geheimerath
zu ſeinen Nichten, — „ſind ein Paar liebe, gefällige Men-
ſchen und nicht ohne juridiſche Kenntuiſſe. Da ſie mich
um meine Protection erſuchten, erlaubte ich mir, ihnen
auf den Zahn zu fühlen. Sie beſtanden, auf Ehre! nicht
übel. Der Lange von ihnen — ich glaube, Flaſch iſt ſein
Name — ſpricht, urtheilt ſchnell, ſprudelt von einer Fülle
von trefflichen Einfällen über — ganz wie eine Flaſche
Champagner.
in der That.
auf der Oberfläche des Waſſers dahin tanzt. Ich möchte
ihn mit einer Bouteille Burgunders vergleichen, der lang-
ſam, aber nachhaltig und ſicher wirkt. Ich will ſehen,
was ſich für ſie thun läßt. Vielleicht kann ich ihnen ein
Acceſſiſten⸗ oder Vice-Supernumerar-Aſſeſſorſtelle auswir-
ken. Schade, daß ſie nicht nobel ſind; ſonſt könnten die
jungen Leute in der gegenwärtigen Zeit bei ihren Kennt-
niſſen und Notabene — bei ihrem Aeußeren, eine glän-
zende Rolle ſpielen. Der Kork paßte ganz zum Diplo-
maten, Flaſch dagegen würde als Staatsrath imponiren.“
Eugenie ſah lächelnd auf ihre Coufine.
Der Baron aber fuhr fort: „Seid Ihr fertig, Kin-
der, habt Ihr die Gucker eingeſteckt? O Fräulein Nata-
lie! wollen Sie ſich mit dem Catalog herumtragen? Du
Nur einer machte davon eine Ausnahme'
den erſten Schiffer vorſtellte.
Der andere aber trägt ſeinen Namen nicht
Er iſt kein leichter Kork, der wie Schaum
wirſt ſeiner nicht bedürfen. Der Gallerie-Inſpektor rech-
net ſich's zur Ehre, uns herumzuführen und die Gemälde
zu erklären,“ ö ö
„Das liebe ich eben nicht, beſter Onkel,“ — entgeg-
nete Natalte. — „Nach meinem Gefallen, den Catalog in
der Hand, herum zu wandeln, ſtehen zu bleiben, zu betrach-
ten, lang oder kurz, bringt mir höheren Genuß; als das
trockene, ſich gleich bleibende, tauſendmal Hergeſagte an-
zuhören.“ ö ö
„Wie Du willſt, mein Kind! ganz nach Deinem
Willen. Aber gieb doch dem Bedienten das Buch zu
tragens ö
Natalie barg daſſelbe jedoch in ihrer Arbeitstaſche.
Stolz ſchritt der Baron von Duckwitz mit ſeinen Nich-
ten durch die hohen Zimmer der königlichen Gallerie, mit
Wohlgefallen bemerkend, wie alle Beſchauer, von dem
Liebreiz der Mädchen ergriffen, ihre Blicke den todten
Schönheiten entzogen, um ſie den lebenden zuzuwenden.
Es war Kork.
Verſunken in in das Anſchauen einer Claude Lorrain, das
Hinter leuchtenden Wolken
hervor ſandte die morgendliche Sonne ihre Strahlen auf
die weite Meeresfläche, deren ruhige Wellen, beſäumt mit
blitzenden Lichterchen, im bunten Wechſel das Eiland um-
tanzten, an welchen der glückliche Schiffer gelandet war.
Kleine Liebesgötter hatten deſſen kunſtloſen Nachen an
faſt unſichtbaren Bändern zu der Stelle geleitet, wo die
Heißgeliebte ſeiner harrte. Unter einer leichten Decke, zum
Schutz gegen die blendende Sonne über einige Citronen-
gebüſche geſpannt, feierten ſie in liebender Umarmung das
Feſt des Wiederſehens.
Am Abhange des weit in die See
vorgeſchobenen, buſchgekrönten Vorgebirges ſaß ein Satyr,
in vergnüglicher Ruhe auf der Doppelpfeife blaſend. Dieß
der Gegenſtand des Gemäldes, dem der Maler durch die
Eigenthümlichkeit ſeiner Kunſt unbeſchreibliche Reize ver-
liehen hatte.
Als verlange auch von ihm der Baron den Tribut,
welcher der Schönheit ſeiner Nichten von Jedermann ge-
zollt wurde, ſchlug derſelbe den Träumenden leicht auf die
Achſel.
„Nun, Herr Nachbar aus der Höhe! was ſagen Sie
zu unſerer Gallerie?“ ö ö
Kork ſah auf, verbeugte ſich und ſagte mit einem leich-
ten Seitenblicke: „Sie enthält des Schönen ſo viel, daß
man nicht weiß, wohin man das trunkene Auge zuerſt
wenden ſoll.“ Das eine ruhte auf Nataliens Antlitz, welche
ſich ſchnell hinter ihre Coufine verbarg.
„Ich ſehe, lieber Kork!“ hub der Geheimerath wie-
Nr. 18.
Samſtag, den 2. März 1872.
5. Jahrg
Eelcheint Mittwoch und Samſcag. Preis monatlich 18 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Scht aa ſſe 4
und ber den Trägern.
Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.
Die Incognito's.
Erzählung von Guſtav Nieritz.
(Fortſetzung.)
„Die Krone? Ich beneide den nicht, der eine Krone
trägt.“ *
„Darin haſt Du Recht. Schon die Grafenkrone drückt,
Geſetzt zum Beiſpiel: Herr Flaſch gedächte mich zur Frau
Flaſche zu machen, — das würde die Welt nicht zugeben.
Aber Niemand könnte was dawider einwenden, wenn Herr
Kork Dir einen Heiraths-Antrag ſtellte.“
„Niemand? — — — Laß uns abbrechen, liebe Cou-
ſine. Sieh doch! fogar anſer Herr Onkel erſcheint auf der
Sternwarte — —“ —
„Gehen wir in die vorderen Zimmer,“ — ſprach Eu-
genie halb ärgerlich, — „wo wir nichts von der Stern-
waͤrte ſehen können. Die Convenienz verbietet uns, eine
Auffahrt zu machen, deßhalb mag ich nichts mehr davon
hören.“
Die Bildergallerie.
„Unſere jungen Aſtronomen,“ ſprach der Geheimerath
zu ſeinen Nichten, — „ſind ein Paar liebe, gefällige Men-
ſchen und nicht ohne juridiſche Kenntuiſſe. Da ſie mich
um meine Protection erſuchten, erlaubte ich mir, ihnen
auf den Zahn zu fühlen. Sie beſtanden, auf Ehre! nicht
übel. Der Lange von ihnen — ich glaube, Flaſch iſt ſein
Name — ſpricht, urtheilt ſchnell, ſprudelt von einer Fülle
von trefflichen Einfällen über — ganz wie eine Flaſche
Champagner.
in der That.
auf der Oberfläche des Waſſers dahin tanzt. Ich möchte
ihn mit einer Bouteille Burgunders vergleichen, der lang-
ſam, aber nachhaltig und ſicher wirkt. Ich will ſehen,
was ſich für ſie thun läßt. Vielleicht kann ich ihnen ein
Acceſſiſten⸗ oder Vice-Supernumerar-Aſſeſſorſtelle auswir-
ken. Schade, daß ſie nicht nobel ſind; ſonſt könnten die
jungen Leute in der gegenwärtigen Zeit bei ihren Kennt-
niſſen und Notabene — bei ihrem Aeußeren, eine glän-
zende Rolle ſpielen. Der Kork paßte ganz zum Diplo-
maten, Flaſch dagegen würde als Staatsrath imponiren.“
Eugenie ſah lächelnd auf ihre Coufine.
Der Baron aber fuhr fort: „Seid Ihr fertig, Kin-
der, habt Ihr die Gucker eingeſteckt? O Fräulein Nata-
lie! wollen Sie ſich mit dem Catalog herumtragen? Du
Nur einer machte davon eine Ausnahme'
den erſten Schiffer vorſtellte.
Der andere aber trägt ſeinen Namen nicht
Er iſt kein leichter Kork, der wie Schaum
wirſt ſeiner nicht bedürfen. Der Gallerie-Inſpektor rech-
net ſich's zur Ehre, uns herumzuführen und die Gemälde
zu erklären,“ ö ö
„Das liebe ich eben nicht, beſter Onkel,“ — entgeg-
nete Natalte. — „Nach meinem Gefallen, den Catalog in
der Hand, herum zu wandeln, ſtehen zu bleiben, zu betrach-
ten, lang oder kurz, bringt mir höheren Genuß; als das
trockene, ſich gleich bleibende, tauſendmal Hergeſagte an-
zuhören.“ ö ö
„Wie Du willſt, mein Kind! ganz nach Deinem
Willen. Aber gieb doch dem Bedienten das Buch zu
tragens ö
Natalie barg daſſelbe jedoch in ihrer Arbeitstaſche.
Stolz ſchritt der Baron von Duckwitz mit ſeinen Nich-
ten durch die hohen Zimmer der königlichen Gallerie, mit
Wohlgefallen bemerkend, wie alle Beſchauer, von dem
Liebreiz der Mädchen ergriffen, ihre Blicke den todten
Schönheiten entzogen, um ſie den lebenden zuzuwenden.
Es war Kork.
Verſunken in in das Anſchauen einer Claude Lorrain, das
Hinter leuchtenden Wolken
hervor ſandte die morgendliche Sonne ihre Strahlen auf
die weite Meeresfläche, deren ruhige Wellen, beſäumt mit
blitzenden Lichterchen, im bunten Wechſel das Eiland um-
tanzten, an welchen der glückliche Schiffer gelandet war.
Kleine Liebesgötter hatten deſſen kunſtloſen Nachen an
faſt unſichtbaren Bändern zu der Stelle geleitet, wo die
Heißgeliebte ſeiner harrte. Unter einer leichten Decke, zum
Schutz gegen die blendende Sonne über einige Citronen-
gebüſche geſpannt, feierten ſie in liebender Umarmung das
Feſt des Wiederſehens.
Am Abhange des weit in die See
vorgeſchobenen, buſchgekrönten Vorgebirges ſaß ein Satyr,
in vergnüglicher Ruhe auf der Doppelpfeife blaſend. Dieß
der Gegenſtand des Gemäldes, dem der Maler durch die
Eigenthümlichkeit ſeiner Kunſt unbeſchreibliche Reize ver-
liehen hatte.
Als verlange auch von ihm der Baron den Tribut,
welcher der Schönheit ſeiner Nichten von Jedermann ge-
zollt wurde, ſchlug derſelbe den Träumenden leicht auf die
Achſel.
„Nun, Herr Nachbar aus der Höhe! was ſagen Sie
zu unſerer Gallerie?“ ö ö
Kork ſah auf, verbeugte ſich und ſagte mit einem leich-
ten Seitenblicke: „Sie enthält des Schönen ſo viel, daß
man nicht weiß, wohin man das trunkene Auge zuerſt
wenden ſoll.“ Das eine ruhte auf Nataliens Antlitz, welche
ſich ſchnell hinter ihre Coufine verbarg.
„Ich ſehe, lieber Kork!“ hub der Geheimerath wie-