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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 27 - Nr. 34 (3. April - 27. April)
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112

D'r Nagglmaier.
Alſo de Mondag
ſolle mer en neie
Burgermeeſchter
wähle, Männer!
Unſer bisheriger hott
aus G'ſundheits-⸗
rickſichte ſein Amt IN
niedergelegt. Glaab's
gern. D'r Deifl mag
zwetter Burger-
meeſchter ſein. Zu
dem Amt g'heert e
b'ſonderi Kuttl!
Was hott ſo'n Mann
3 Johr durch nit
for Zoores un Händl
ausenanner zu ma-
che. Wie manch bit-
teri Pill mußthhbei
Gelegenheit ſchluͤcke,
denn Ruhe is deß
zwette Burgermeeſch-
ters erſchti Bflicht.
Ball kummt die Fraa
un ſchennt iwer ihrn
Mann, ball kummt
d'r Mann un beklagt —
ſich iwer ſein Fraa. —
Ball kummt en Miether un verlaugt Wohnungsverlänge-
rung ſeim Hausherr gegeniwer, ball kummt d'r Hausherr
n verlangt vom Burgermeeſchter en Wohnungsausweis-
Perrragr
verklagt bei'ꝛm die Madamm! Un denne ſoller's all recht
mache, d'r Herr Burgermeeſchter. Merſi for ſo e Amt.
Nit for e Milliard! Deß heeßt, ich dhäts dah etwas bil-
liger! — No, mir werre de Mondag ſehe, wer neier Zwet-
ter werd. An Vorſchläg zu Burgermeeſchter fehlt's nit.
Mir hawe poetiſche un broſaiſche! G'ſeefte un un-
g'ſeefte. Sucht de Letſchte raus. Vor alle Dinge, Män—⸗
ner, guckt uff en Mann, der immer de Kopp am rechte

Fleck hott. Uff en Mann, der nit rechts un nit links,
ſondern immer gradaus geht in Amt un Bflicht. Uff en
Mann, der ſich ke X for e U vormache loßt! Uff en

Mann, der uns Heidlberger kennt aus'm ff raus. Uff en
Mann, der ab⸗ un zuzugewe weeß, un kalt wie'n Froſch
zwiſche de ſchtreitende Bartheie ſchteht. Uff en Mann, der
ſich durch nir im Amt err mache loßt! Uff en Mann,

der⸗nie die Perſon, ſondern immer norr die Sach, um

die ſich d'r Handel dreht, im Aag hott: Uff en Mann,
der mit eem Wort braktiſch, g'ſcheid un bergerfreindlich
g'ſinnt und Jedem, ohne Anſehe ſeiner bollitiſche Iwer-
zeigung, nooch beſchtem Wiſſe un Wille recht dhun will.
So een ſucht eich de Mondag mit d'r Latern, Männer!“
dann ohne Latern werd'r'n ſchwerlich finne. Burgermeeſch-
ter vun der Sort find ma nit wie die Brummbeere am

du weißt, mein Kind, was

im vVr τμν νιummt.die Madamm un

deß im Verborgene blieht! Alſo viel Glick zu d'r Wahl,
Männer! — ö ö
Vun de Heidlberger Burgermeeſchterunnerhaltunge am
heisliche Herd zu d'r Berliner Unnerhaltung am heisliche
Herd is zwar en ziemlich großer Schbrung, awer was
dhut ma nit, wann ſunſcht weiter nix Bemerkenswerthes
uff d'r ſchtädtiſche Dagesordnung ſteht. Alſo zur Abwechs-
lung emool e
Berliner Unterhaltungen am häuslichen Herd.
1. Beim Wirth. ö ö
Wirthin. Wieder verdrießlich.
Wirth. Das iſt nicht mehr zum Aushalten! Die
Dienſtmädchen ſtrecken mir auf Fluren und Treppen die
Zungen heraus, die Kinder zeigen mir noch ganz andere
Dinge und als ich geſtern in den Hof trat, fiel mir ein
Ziegel auf den Kopf, der nie auf meinem Dache war,

Wirthin. Schändlich! Da iſt man ja nicht mehr
ſeines Lebens ſicher! ö ö
Wirth. J — nicht einmal der Miethen!

So verkaufe doch das Haus wieder. Lie-

Wirthin.
als Men-

ber doch Kartoffeln mit Zufriede heit,

ſchen hanß mit Eistorte!
Wirth. Dann werden wir wieder Miether und
wir als ſolche gelitten haben.
Wirthin. Immerhin! Will ich doch lieber Schwar z⸗
brod in Frieden eſſen, als Caviar und Chokolade
in Haß und Zwietracht!
Wirth. Kartoffeln, Eistorte, Schmalz-
brod, Caviar und Chokolade — da muß es ja
bald innere Unruhen geben. ö
ö 2. In der Kinderſtube.
Mutter. Hübſch beten, Kinder, vor dem Schlafen-

Töchterchen (faltet die Händeey7y)
Lieber Gott, laß mich auf Erden
Niemals doch ein Haus wirth werden,
Der nur früh und ſpät drauf denkt,
1 er Bofewit⸗ be kränkt.
tutter. öſewicht“ haus-
wirth. ſewicht“ heißt es, aber nicht „Haus-
Töchterchen. Aber, Mamachen, du ſagteſt d ö
neulich, alle Hauswirthe wären Böſewichte! ſagreſ doc
Mutter. Schlafe! — Sage Dein Gebet Karl.
Söhnchen (die Hände faltend):
O Herr, ſieh deine Kinder
Vor deinem Throne ſtehn.
Und laß uns nicht als Gründer
Zur Hölle niedergehn!
Mutter. „Sünder“, nicht „Gründer“ heißt
es! Wenn Ihr mir ſo quatſches Zeug betet, werde ich
morgen eine Ruthe für euch kaufen! —
Die Kinder ſpringen und tanzen freudig in den Betten.
Mamachen, kauft uns eine Ruthe! Mamachen, kauft uns
eine Ruthe! — Mutter. Und darüber jubelt ihr noch?
Das Söhnchen. Aber, Mamachen, Papachen meinte

ja heut beim Abendbrod, daß an jeder Ruthe noch 200
Thaler zu verdienen wären! ö ö

Weg, ſondern miſſe oft g'ſucht werre wie e Märzeveilche,

Druck von G. Mohr. — Verlag von G. Geiſendörfer.
 
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