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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 27 - Nr. 34 (3. April - 27. April)
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12³

Loſe Blätter.
Wie Peter der Große über Preßfreiheit
dachte. Peter der Große hatte dem Mönch Gabriel die
Ueberſetzung von Pufendorfs „Staatengeſchichte“ aus dem
Lateiniſchen in's Ruſſiſche übertragen. Als ihm der Mönch
die Arbeit brachte, merkte Peter ſogleich, daß einige Stel—⸗
len ausgelaſſen waren, die der Uederſetzer für beleidigend
gehalten hatte. Er gab ihm daher die Arbeit mit den
Worten zurück: „Heißt das überſetzen? — Da haſt Du
Dein Werk wieder und nun geh' und überſetze genau, wie
es geſchrieben ſteht. Nicht zur Schmach meiner Untertha-
nen, nein, zu ihrer Beſſerung will ich das gedruckt wiſſen.
Sie müſſen es erfahren, was man im Ausland über ſie
geurtheilt hat, damit ſie erkennen, was ſie waren — was
ſie durch meine Bemühungen wurden und wonach ſie zu
ſtreben haben.“ ö

Ein Muttergottes bild auf den Ruinen des
babyloniſchen Thurmes. Ein Karmelitermönch aus
der Miſſion zu Bagdab faßte vor längerer Zeit die eigen-
thümliche Idee, die Ruinen des alten Babylon zu heiligen.
Als er einſt von einer frommen Genoſſenſchaft die Sta-
tue „Unſerer lieben Frau zur Wüſte“ zum Geſchenk er-
haͤlten hatte, machte er ſich mit derſelben in Begleitung
einiger eingeborener Chriſten auf den Weg nach dem etwa
zwei Tagereiſen entfernten Hilleh, einer kleinen Araber-
ſtadt in der Nähe des alten Babylon. Am Fuße des ba—⸗
byloniſchen Thurmes, deſſen Trümmer einen Hügel bilden,
angelangt, las der eifrige Mönch daſelbſt eine Meſſe, er-
kletterte dann die noch den Hügel krönende etwa 72 Fuß
hohe Mauer und zog mit Hilfe ſeiner Begleiter das Ma-
rienbild hinauf.
Königin der Wüſte und der Samum oder das wilde Ge-
brüll der Löwen und Panther ſind die Orgelklänge, welche
es umrauſchen.




Liebeshöfe. Die ſogenannten Liebeshöfe des ritter-
lichen Mittelalters waren beſonders in Frankreich Mode.
Es waren galante Gerichte, gebildet aus Damen, die zu-
ſammenkamen, um in der förmlichſten und ernſthafteſten

Weiſe „ſchöne und freie Fragen der Liebe“ zu diskuttren.

Sie entſchieden ganz genau über den Grad und Umfang
von Unbeſtändigkeit, dem eine Dame noch vergeben könne,
ohne ihre Würde zu beſchädigen, vorausgeſetzt, daß ihr
Liebhaber gewiſſe Bußen thue. Sie erwogen auch feier-
lich, ob ein Liebhaber unter irgend welchen Umſtänden das
Recht habe, an der Treue ſeiner Dame auch nur den lei-
ſeſten Zwetfel zu äußern. Sie ſetzten beſtimmte Regeln
feſt und gewiſſe Formen des Benehmens, die Derjenige,
welcher Liebe ſuche, beobachten müſſe. Sie unterſuchten
endlich auf's Gründlichſte die Frage, ob das Herz oder das
Auge mehr dazu beitrage, Liebe einzuflößen.

Stab und Stecken. In einer alten Dogmatik
findet ſich folgende Stelle: „Die heilige Schrift iſt ein
Stab, auf welchen geſtützt der Menſch das Land der
Wahrheit erreicht, deſſen ſich aber die Theologen nur als
eines Steckens bedient haben, womit ſie einander durch-
prügelten.“

Seitdem thront daſſelbe dort oben als

Montesquieu. Dem Präſidenten von Montesquieu,
dem berühmten Verfaſſer der perſiſchen Briefe und des
Geiſtes der Geſetze, wollte einmal der Papſt Benedikt XIV.
einen Beweis ſeiner Achtung geben und ſandte ihm zu dem
Zweck eine „beſtändige Dispenſation vom Genuß aller Fa-
ſtenſpeiſen“ durch den Erzbiſchof von Paris zu, welche auch
für Diejenigen giltig ſein ſollten, die an der Tafel des
Präſidenten ſpeiſen würden. Als aber der Erzbiſchof zu-
gleich mit der päpſtlichen Bulle ein Verzeichniß der nicht
unbedeutenden Koſten überreichte, ſagte Montesquieu: „Neh-
men Sie die Urkunde immer zurück. Ich weiß, der Papſt
iſt ein Ehrenmann. Sagen Sie ihm, daß ich auf ſein
Wort traue und mit dem Himmel woll' ich es wagen.“

Zweideutiges Kompliment. Der Baritoniſt
B. liebte die Tochter eines Kunſtmäcens und bat dieſen um
die Hand ſeiner Geliebten. ö
„Ich wünſche für meine Tochter einen ſittlichen Gat-
ten, welcher ihr auch treu bleibt und das ſeid Ihr Herren
Künſtler in der Regel nicht,“ entgegnete polternd der Alte'
Der Sänger verſicherte, daß es auf der ganzen Welt
kein treueres Herz gebe, als das ſeine.
„Was ſpielen Sie heute Abend?“ forſchte der Vater
des Mädchens nach kurzer Ueberlegung.
„Ich ſinge den Dön Juan.“
„Ich werde Sie ſehen und darnach meinen Entſchluß
faſſen.“ ö
Die Oper war vorbei; erwartungsvoll eilte der abge-
ſchminkte Sänger in's Foyer, woſelbſt der Vater ſeiner
harrte. ö
„Nun, wie habe ich Ihnen gefallen?“ forſchte der eitle
Sänger.
Papachen in spe ſchloß den Künſtler zärtlich in ſeine
Arme, küßte ihn auf beide Backen und rief: „Sie bekom-
men meine Tochter, denn Sie ſind kein Don Juan.“

Die General-Commiſſion der Wiener Ausſtel lun g

wird, ſo ſchreibt der Hann. Cour., einen Concurs für die

Anfertigung von Preis-Medaillen eröffnen. Hierbei han-
delt es ſich um fünf verſchiedene Medaillen. Für Werke
der bildenden Kunſt beſteht, die Form der Anerkennung in
der Kunſt-Medaille. Ausſteller, welche ſich ſchon an frü-
hern Weltausſtellungen betheiligt haben, werden für die
Fortſchritte, welche ihre Erzeugniſſe ſeit jener Zeit nach-
weiſen, mit der Fortſchritts-Medaille ausgezeichnet. Aus-
ſteller, welche die Ausſtellung zum erſten Mal beſchicken,
erhalten als Anerkennung die Verdienſt-Medaille. Alle
Ausſteller, deren Erzeugniſſe in Bezug auf Farbe, Form
und äußere Ausſtattung den Anforderungen des veredelten
Geſchmacks entſprechen, haben überdies Anſpruch auf die
Medaille für guten Geſchmack. Endlich wird den Mitar-
beitern, welchen nach den von den Ausſtellern gemachten

Angaben ein weſentlicher Antheil an den Vorzügen der

Production zukommt, in Würdigung desſelben die Medaille
für Mitarbeiter zugeſprochen. Der Preis beſteht in fünf-
zig öſterreichiſchen Dukaten für jede Medaille.
 
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