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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 27 - Nr. 34 (3. April - 27. April)
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12⁷

then, ſich freundſchaftlich mit den Indiern zu vergleichen.
Man kann dem Vladika von Montenegro den Rath ge-
ben, anzuerkennen, der türkiſche Sultan ſei ein größerer
Herr als er. Man kann den Redacteuren von drei Mo-
dejournalen rathen, daß ſie das eine von den drei Blät-
tern als das beſte gelten laſſen — doch, daß unter drei
jungen ſchönen Fräulein zwei zugeben ſollten, die dritte
ſei ſchöner als ſie beide, um ſolche Motlon zu ſtellen, be-
darf es allerdings ſchon ſehr kühnen Glaubens; und ſo
ging denn auch hier dieſer Glauben hübſch in die Brüche,
rettungslos, und die drei Damen ſetzten nur um ſo ver-
bitterter den einmal begonnenen Krieg fort, je leichter das
„contra“ und je ſchwerer das „pro“ der Aliegation zu
werden begann.
Und dieſe Proportionen ließen die Jahre gar ſtattlich
auswachſen. 28 Jahre floß der Prozeß darüber, welche
die Schönſte ſei? Und zwar zu der Zeit war der Beweis
ſchon ſchwer erringbar.
Unterdeß conſervirte Niemand das teſtirte Haus; Nie-
mand zahlte die auf ſelbem haftende Intereſſen, die Jah-
reseinnahmen gingen auf's Proceſſiren auf Für das aus
der Verzinſung der Zinſen erwachſene Kapital drangen die
Gläubiger auf Licitirung des Hauſes und der dafür er-
langte Preis ging eben netto in der Forderung auf. So-
mit blieb von dem Proceſſe kein anderes Subſtrat zurück,
als die Entſcheidung der Frage, welche dann alſo wirklich
von den drei Proceſſirenden die Schönſte ſei?
Damals aber gingen ſie Alle ſchon den Fünfzigen zu
ja, eine oder die andere war bereits darüber und der
Schönheit hatte gar ſehr die Zeit und die ſtarke Gemüths-
bewegung geſchadet. Auch damals waren ſie noch Fräu-
leins, wohnten noch in einem Hauſe und man hörte es
auf der Straße, wie ſie zu jeder Stunde des Tages mit
einander brodelten und keiften. ö
Als das vererbte Haus verlicitirt worden, ſtürzten ſich
alle Drei auf den Richter, zu fragen, was nun mit ihrem
Proceſſe zu machen ſei, ob ſie ihn ſollten noviſiren laſſen?
„Das wird wahrlich ſehr gut ſein,“ erwiederte der bie-
dere Richter, „man erneuere den Proceß; doch jetzt begin-
nen wir ihn auf anderem Fundament, nämlich auf dem,
welche von den Dreien iſt die Häßlichſte?
So viel ich weiß, wurde der Proceß nicht noviſirt.

Artillerie unter den Käfern.
Wohl kein anderes Leben iſt ſo vielfach angefeindet und

ſo häufig bedroht, als das an ſich ſchon kurze und hinfäl-
lige Leben eines ſchwachen Inſekts. Unzählbar ſind die

Schaaren, welche mit dem Volk der Inſekten unaufhörlich

Krieg führen; ja, in derem eignen Lager herrſcht fort und
fort Zwietracht und Streit' bitterſte Anfeindung und raſt-
loſe Verfolgung, ſo daß der Schlaue den Sorgloſen be-
raubt und der Starke den Schwachen umbringt. Hätte
nun die vorſorgliche Natur die Inſekten nicht mit den auf-
fälligſten und wunderbarſten Mitteln verſehen, der über ſie
verhängten allgemeinen Verfolgung kräftigen Widerſtand
zu leiſten, ſo würden ſie, obſchon ein unzählbares Heer,

doch bald ausgerottet ſein. Aber ihnen zu Liebe entfaltete
die Vorſehung eine außerordentliche Menge von Mitteln
und Wegen, das Leben zu ſchützen und zu vertheidigen.
Bald iſt es die Geſtalt, das äußere Anſehen und die
Farbe, welche gleich einer Maske den Verfolgten nicht er-
kennen laſſen, den Feind vielmehr täuſchen und blenden
oder in ſeinen Abſichten ſtören; bald ſind es unwillkühr-
liche oder freiwillige Abſonderungen, die den Angreifer zu-
rückſchrecken; oder eine unglaubliche Lebenszähigkeit läßt
die verderblichen Einflüſſe unſchädlich werden; oder gewiſſe

Stellungen und Bewegungen, gewiſſe Laute, oder eigen-

thümliche Waffen und tapferer Muth, oder liſtige Gegen-
wirkungen gegen die Pläne und Angriffe der Feinde und
viele andere Mittel werden offenbar, womit die Inſekten
ſich ihren Verfolgern gegenüber zu behaupten wiſſen. Dem
Inſektenjäger gewährt es nicht ſelten ein beſonderes Ver-
gnügen, ſich einer entdeckten Beute nur mit Aufwendung
von geſpannter Aufmerkſamkeit, Ausdauer und viel Liſt
nähern zu können, um ſchließlich noch erfahren zu müſſen,
wie es einem zu Muthe iſt, der das Nachſehen hat.
In dieſer Hinſicht wollen wir jetzt ein kleines Käfer-
chen betrachten, das von der Natur mit einem eben ſo
ſonderbaren als intereſſanten Mittel verſehen worden, ſich
gegen ſeine Verfolger auf's wirkſamſte zu ſchützen.
Da liegt ein todter Regenwurm. Eine ganze Rotte
kleiner Käfer hat ſich um ihn verſammelt, um mit ſeinem
Fleiſch den Hunger zu ſtillen. Im Anſehen und Größe
kommen die Käferchen alle überein: es ſind Bombar-
dierkäfer. Ein ſeltſamer Name, deſſen Bedentung uns
bald klar werden ſoll. Die Thierchen erreichen kaum die
Länge von drei Linien, der Hals iſt ſehr ſchmal, um ſo
breiter aber, faſt viereckig iſt der ſchwarze Hinterleib, den
oben ſchwarzblaue oder auch grünlich ſchimmernde Flügel-
decken ſchützen, die Beine und Fühlhörner, Kopf und Hals-
ſchild dagegen ſind roth gefärbt. Wir laſſen die Thierchen
unbehelligt und friedlich nagen ſie an ihrem Funde. Doch
da eilt im Sturmſchritt ein gewaltiger Laufkäfer herbei,
deſſen Decken wie die Stahlrüſtung eines geharniſchten
Ritters im Sonnenſchein blinken. In der That iſt es ein
Ritter ohne Furcht und Tadel, es iſt der ſogenannte Rau-
penjäger, einer unſerer größten und ſchönſten Laufkä-
fer, ein berüchtigter Raubritter, der argen Sinnes überall
umherſpäht und namentlich den Raupen aller Art vielfache
Niederlagen beibringt. Schon hat er die ſorglos ſchmau-
ſenden Bombardierkäfer bemerkt und beſchloſſen, mit ihnen
anzubinden. Werden die Bombardiere dem Jäger wei-
chen? oder giebt es einen Kampf? Ein Treffen zwiſchen
Jäger und Artillerie — denn dieſe ſtellen die kleinen Kä-

ferchen vor — wie mag das enden! —

Sich ſeiner Ueberlegenheit wohl bewußt, greift der
Jäger an. Aber ſiehe, die Bombardiere weichen eiligſt zu-

rück, denn ihr Gegner kam zu unerwartet und zu nahe auf

den Hals; ihre Kolonne iſt geſprengt, der eine läuft hier⸗,
der andere dorthin, um in haſtiger Flucht oder ſicherem
Verſteck ſein Leben zu retten, Wie feige! Ohne nur ei-
nen Schuß abzugeben, machen ſie Kehrt!
(Schluß folgt).
 
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