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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 27 - Nr. 34 (3. April - 27. April)
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131

des Feindes macht ſich der kleine Bombardier zu nutze:
von neuem ergreift er die Flucht, um irgend welchen
Schlupfwinkel zu erreichen. Doch der Verfolger iſt wie-
der zur Befinnung gekommen und ſitzt ihm ſchon wieder
auf dem Nacken. Puff! puff! folgt eine friſche Ladung.
Wieder Verwirrung, wieder Flucht. Noch öfter wieder-
holt ſich daſſelbe Manöver, noch iſt nichts entſchieden.
Immer kühner und hitziger greift der Jäger an, denn er
hat gemerkt, daß blind geſchoſſen wird; des Bombardiers
Geſchoß iſt kein tödtliches, es ſind nur Angſt- und Schreck-
ſchüſſe. Jetzt erfolgt der letzte Angriff, der an Hartnäckig-
keit die erſteren weit überbietet. Unſer Bombardier ſchießt
mit der größten Geſchwindigkeit, es folgt Knall auf Knall
und beide Kämpen ſind in einem wohl bemerkbaren Dunſt-
nebel eingehüllt. Aber der Jäger rückt näher und näher,
kehrt ſich zuletzt gar nicht mehr an Knall und Dunſt und
ängſtigt jenen ſo lange, bis deſſen ganze Munition ver-
platzt iſt. Dann aber geht es von Angeſicht zu Angeſicht,
denn der Jäger greift von vorn an, haut mit ſeinen ſchar-
fen Freßzangen unbarmheezig ein und der kleine Bombar-
dier ſtürzt endlich todt nieder, um dem Sieger zum Fraß
zu dienen. Doch er iſt einen Heldentodt geſtorben!
Allein nicht immer endet ein ſolches Zuſammentreffen
auf ſo tragiſche Weiſe. Meiſt gelingt es dem kleinen Ver-
folgten, unter Moos ſich verkriechen zu können, unter ei-
nen Stein, in einen Erdriß oder ähnliche Verſtecke zu ent-
kommen, wohin ihm der der dickleibige Raupenjäger nicht
folgen kann. Auch ſieht man die Bombardiere mit ihren
Feinden, wozu außer jenem noch andere größere Raub-
und Laufkäfer gehören, zuweilen an ein und demſelben
Wurm, einer Schnecke oder anderm Aas freſſen, ohne im
mindeſten der alten Feindſchaft eingedenk zu ſein. So ma-
chen ja auch mitunter einander todtfeinde Völkerſchaften
in irgend einer Angelegenheit gemeinſame Sache, wenn da-
raus für beide ein Vortheil erwachſen kann.
Worin beſteht nun aber der ſonderbare Schießapparat
dieſes merkwürdigen Käferchens? Selbiger iſt ſehr einfach
und doch von überraſchender Wirkung. Im letzten Leibes-—
ringe findet ſich bei dieſen Käfern eine paarige Drüſe, die
eine eigenthümliche Flüſſigkeit ausſcheidet, die ſich dann in
einem kontraktilen, ebenfalls paarigen Behälter von läng-
lich runder Form anſammelt. Dieſer Saftbehälter iſt noch
mit einer Schicht ſich kreuzender Muskelfaſern bedeckt, durch
deren Kontraktion das angeſammelte waſſerhelle Sekret
durch eine hinten ausmündende Röhre ausgeſpritzt wird.
Die Anordnung der Muskelfaſern nebſt der großen Be-
weglichkeit des Hinterleibes machen es möglich, daß dieſes
nach allen Richtungen hin geſchehen kann. Das Sekret
aber iſt ſo flüchtiger Natur, daß es bei Berührung mit
der Luft einen knallartigen Effekt hervorbringt und ſich
dabei in einen bläulichen oder weißlichen Dunſt verwan-
delt, der im Dunkeln phosphorirt, die Haut ſchwärzt und
daſelbſt ein brennendes Gefühl erzeugt. Obſchon die wiſ-
ſenſchaftliche Unterſuchung dieſes eigenthümlichen Appara-
tes erſt neuern Datums iſt, ſo kennt man doch ſchon lange
jene ſonderbare Vertheidigungsweiſe der Bombardiere, die
ja auch zu ihrer volksthümlichen, von der Wiſſenſchaft acep-
tirten Benennung verholfen hat. Die Entladungen ſelbſt

können wohl 8 bis 12 Mal wiederholt werden, wobei na-

türlich die Menge des ausgeſpritzten Sekrets immer gerln-
ger und die Detonätion immer ſchwächer wird. Die letz-
tere iſt überhaupt nur die erſten Male deutlich wahrnehm-
bar, vorzüglich dann, wenn die Käfer recht lebendig ſind,
und in einiger Menge gleichzeitig bombardieren, wozu ſie
indeß leicht gereizt werden können. Selbſt noch wenn man
ſie am Kopfe faßt, ja noch in der Spiritusbüchſe hört man
ſie losſchießen. ö
Die Bombardierkäfer (Brachinen) finden ſich in zwei
Arten bei uns überall häufig an graſigen Orten, auf Rai-
nen unter Steinen oder an Baumwurzeln unter Moos,
meiſtens in Geſellſchaften die bisweilen aus hunderten von
Individuen beſtehen. Während Deutſchland nur drei oder
vier Arten und zwar die kleinſten unter allen aufzuweiſen
hat, finden ſich in den tropiſchen Gegenden viel mehr, zum
Theil mit verhältnißmäßig großen Formen und ſo wirkſa-
mem Schießvermögen, daß man eine einigermaßen beträcht-
liche Zahl von Exemplaren nicht ohne Handſchuhe ſoll ein-
fangen können.

Lo ſe Blätter.

(Wie der letzte Krieg) manches Unglück in Glück
verwandelt, beweiſt folgendes Beiſpiel. Der Befitzer eines
Holzplatzes in Berlin hatte denſelben für 130,000 Thlr.
im Frühjahr 1870 verkauft. Der hereinbrechende Krieg
machte indeſſen dem Käufer die Zahlung unmöglich und
der Verkäufer war nicht wenig verzweifelt darüber, daß er
den Platz behalten mußte. Vor Kurzem hat er denſelben
für die Kleinigkeit von 250,000 Thlr. veräußert. Es be-
greift ſich, daß er über dieſe Wendung der Dinge nicht

gerade unglücklich iſt.

(Ein Gewerbetreibender) in Berlin, der einem
Käufer auf ein größeres Geldſtück etwas „herausgeben“
ſollte, that dies in mehreren Dreierſtücken, die er aus ſei-
nem Portemonnaie nahm, da er in der Ladenkaſſe gerade
nicht die genügenden kleinen Münzen hatte. Statt einer
dieſer Kupfermünzen ging aber, ohne daß es der Verkäu-
fer bemerkte, auch eins von den neuen Goldſtücken, ein 20
Markſtück mit in die Hand des Käufers. Später wurde
er wohl dieſen Verluſt gewahr, konnte ſich aber nicht er-
innern, bei welcher Gelegenheit ihm die leidige Verwechs-
lung paſſirt war. Während er am Abend ſich noch den
Kopf darüber zerbrach, tritt eine Frau in ſeinen Laden
und redet ihn mit vorwurfsvoller ernſter Miene an: „Was
haben Sie meiner Tochter für einen Dreier gegeben? Das
Ding iſt ja falſch, das iſt ja eine Spielmarke.“ Mit die-
ſen Worten warf die Belehrende dem erſtaunten Manne
das Goldſtück auf den Ladentiſch und verlangte „einen rich-
tigen Dreier“, den ſie auch ohne Weiteres erhielt.

(Am 18. März,) am Jahrestage der Kommune,
trafen ſich in Paris ein Lumpenſammler und ein Straßen-
pflaſterer. „General“, ſagte der Lumpenſammler, „heute
iſt es gerade ein Jahr!“
— „Ja, Oberſt“, antwortete der Straßenpflaſterer.
 
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