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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 35 - Nr. 43 (1. Mai - 29. Mai)
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15⁵ *

So oft mich mein Beruf in das Schloß führte, was

wochentlich faſt zweimal geſchah, ſah ich einen leichten

Anflug von Freude in ihren Augen glänzen und die
Worte: Sie wenigſtens beklagen mich! ſtanden in ihrem
Blicke geſchrieben ... ſpäter vernahm ich ſie auch aus
ihrem Munde.
Die Luſtbarkeiten auf Lacaux ließen allmählig nach,
die Beſuche entfernten ſich; der Herr Präſident, ſtets kalt
und ſorgenvoll, gefiel Niemanden mehr und mit Ausnahme
von zwei oder drei großen Feſten, Zdie er im Jahre gab,
und von denen man ſich aus Furcht und Achtung vor ſei-
ner hohen Stellung nicht auszuſchließen wagte, bekamen
ihn ſeine Nachbarn nicht zu ſehen. Die weiten Säle von
Lacaux verſanken in öde Stille“ ... ö
Als die Obliegenheiten ſelnes Amtes den Herrn Prä-
ſidenten zu einer Reiſe nach Paris nöthigten, legte er es
ſeiner Gemahlin ſtreng in das Verbot, irgend einen Be-
ſuch anzunehmen, nur ich war davon ausgenommen, da
ihre ſchwache Geſundheit meinen Beiſtand erforderte.
(Fortſetzung folgt).

ö Kleiderordnungen.

Die in der guten alten Zeit beliebten Kleiderordnun-
gen, welche dem Luxus des höhern wie niedern Bürger-
ſtandes ſteuern ſollten, haben nie ſonderlich geholfen. Man
hätte denken ſollen, daß die Sorgenzeit des dreißigjährigen
Krieges die übertriebene Putzſucht von ſelbſt gedämpft hätte,
allein es ſcheint, daß weder die ſelber ausgeſtandene Noth
noch der Blick auf das fortdauernde Elends rings umher
die Menſchen verſtändiger machten. Freilich die Polizei-
verbote thaten's auch nicht. Im Jahre 1649, alſo ein
Jahr nur nach der Beendigung des furchtbaren Krieges,
fand ſich der Rath der Stadt Stralſund veranlaßt, eine
Kleider-Ordnung zu veröffentlichen, weil man die
betrübte Erfahrung gemacht, daß die leidige Hoffahrt faſt
in allen verbetenen Stücken übermäßig zugenommen. Was
gab ſich da der gute Magiſtrat nicht für Mühe, Alles
bis in's Geringſte anzuordnen und feſtzuſetzen. Nur dem
erſten, d. i. dem Patrizier-Stande, wurden kleine Ver-
günſtigungen gewährt. Insgemein wurden verboten gol-
dene Armbänder, Halsketten von Gold oder Perlen, Per-
len⸗Hutſchnüre, goldene und ſilberne Schnüre, Mäntel mit
Sammet gefüttert, Schuhe von Sammet, ſeidene Unter-
röcke und Futterhemden u. ſ. w. Röcke von Sammet durf-
ten nur Mannsperſonen des erſten Standes tragen, junge
Geſellen ſollten ſich indeſſen des Sammets ganz enthalten
und am Atlas zum beſten Kleide ſich genügen laſſen. Das
Tuch zu Mänteln und Kleidern durfte im erſten Stande
nicht üder vier Thaler koſten, im zweiten nicht über drei
— für jene Zeit allerdings ſchon ein hoher Preis. Den

Jungfrauen erſten Standes wurde eine Perlenbinde und

hinten an den Flechten ein goldener, doch ohne Edelſteine
verzierter Stift zugelaſſen; allein die Perlenbinde durfte

nicht breiter als der 16. Theil einer Elle ſein. Im zwei-

ten und dritten Stande waren Perlen ganz verboten. Nur
für Ehren⸗ und Brauttage wurden beſondere Ausnahmen

zugelaſſen. Große Klage führte der Rath über die Sucht,
neue Moͤden einzuführen und nachzumachen, über die

„exorbitante Leichfertigkeit und Verſchwendung“, welche

darin vorgeht, daß faſt alle Vierteljahre eine Veränderung
des Modells vorgenommen wird und was ein Jeder an
Auswärtigen ſieht, mit großen Koſten und zuweilen öffent-
lichem Aergerniß nachzuäffen Begierde trägt. Es wird da-

her ein Jeder ernſtlich ermahnt, bei ſeiner Tracht zu blei-

ben und durch neue Muſter und Moden kein Aergerniß
zu geben. ö
Einundzwanzig Jahre ſpäter, 1670, erſchien eine fer-
nere „Dellaration der Stadt Stralſund Policey und Klei-
derordnung“, die manches recht Charakteriſtiſche enthält.
Sie war aber nicht nur eine Kleider⸗, ſondern nebenbei
auch eine Speiſeordnung, denn ſie verbot bei Privatbäcke-
reien das Konfekt, die Torten und Alles, was von Zucker
gemacht oder gebacken wird. Hochzeiten ſollten nur einen
Tag dauern, die Zahl der Gäſte wurde für den erſten
Stand auf 60, für den zweiten auf 40 und für den drit-
ten auf 24 feſtgeſtellt. Alle Hochzeitsgeſchenke ſollten ab-
geſchafft ſein. Den Jungfrauen, ſelbſt erſten Standes,
wurden „die bei den Ohren weit heraushängenden Locken“
verboten; Frauen und Jungfrauen allerſeits anbefohlen,

den Hals bei weit ausgeſchnittenen Kleidern nicht bloß zu

tragen, auch die Arme gebührend bedeckt zu haben, ſowie
ſich aller ärgerlichen Neuerungen und fremden Moden
gänzlich zu enthalten. Die nächſte Kleiderordnung erſchien
1685. Das Jahr 1701 brachte aber ſchon wieder beſon-
dere „Declarationes“, weil trotz der höchſt beſchwerlichen
Zeiten die „Corruptelen und Neuerungen ſo unvermehr-
lich über Hand genommen.“ Namentlich wurde, wie die
Verordnung erſehen läßt, in Demantringen und Perlen
großer Luxus getrieben. Von nun ab ſollte in Rückſicht
auf die nahrloſen ſchlechten Zeiten bei Braut- und Bräu-
tigamsgeſchenken kein Ring über 70 Thaler koſten; auch
mußten bei einem Werth über fünfzig Thlr. je 10 Thlr.
mit 2 Thlr. beſteuert werden. Zu den bei Hochzeiten ver-
botenen Gegenſtänden werden zum erſten Male Brannt-
wein und „Toback“ erwähnt. Den Frauenzimmern wird
das „excesive aufkräuſeln und aufbouctiren der Haare,
wie auch der Gebrauch fremder Haare“ unterſagt. Allein
wie wenig müſſen doch die väterlichen Mahnungen und
Strafandrohungen gefruchtet haben, wenn ſchon im näch-
ſten Jahre, 1702, elne renovirte Ordnung für Verlöb—⸗
niſſe, Hochzeiten, Kindtaufen und Begräbniſſe nach Unter-
ſchied der Stände veröffentlicht wurde. Außerdem erſchien
noch eine beſondere „Kleiderordnung“ und 1706 ein An-
hang zu der 1707 publicirten Verordnung, der ſich u. A.
auch mit den häufigen Falbala an den Unterröcken be-
ſchäftigte und die Zahl derſelben auf ein einziges be-
ſchränkte. — Gute alte Zeit, in der ſich die Fürſorge der
Polizei ſo gar gewiſſenhaft auf Alles erſtreckte! aber beſ-
ſer und ſittlicher war dieſe Zeit keineswegs und wir dür-
fen trotz aller Klagen über die Gegenwart doch ganz zu-

frieden ſein, jene Zuſtände des väterlichen Regierens theil-

weiſe überwunden zu haben.
 
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