Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

DOI Kapitel:
Nr. 44 - Nr. 52 (1. Juni - 29. Juni)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44618#0208

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
204

D'r Nagglmaier.

Flau un ſchtill, ö
Männer. Die ru-

hig Schneider- odder
ſogenanuti Gurkezeit
is uns iwer de Hals
kumme. Die Heiſer
ſchloofe ein. — Vum
Reichsdag, der jetzt
g'ſchloſſe is, heere
mer aah nix mehr.
End gut, alles gut,
hott d'r deitſche
Reichsdag awer noch
for Dhorſchberr ſein
bekannt Jeſuitteg'ſetz
glicklich durchge-
brocht, un ſomit de
g'fährlichſchte
Schnooke in d'r
menſchliche G'ſell-
ſchaft ſo ziemlich 's
Handwerk im deit-

ſche Reich gelegt, 8
deſſ'n e Dorn im
Aag is. Die fromme —

Herrn ſolle jetzt ſo
ſchnell wie meeglich
ihr ſchwarz Drehs —
brett zammepacke un e anner Land glicklich mache! Driwe
in Frankreich, bei unſere „gute Freind“, werre ſe Uam
beſchte uffg'hoowe ſein, denk ich.
aach noch Belgie odder in die Schweiz gehn. Wer die
Herrn un ihr Moral kennt, werd'n nit nochgreine. D'r
heilige Vatter in Room werd zwar widder bitterbees uff
uns Deitſche zu redde kumme, wann'r die G'ſchicht heert,
awer billiger kenne mer's nit dhun. Fort mit Schaade!
— Was den Roſekranztrieg bedrifft, „den mer neekſchtens
de alte Weiwer erkläre dhäte, wann's ſo fortgingt,“ wie
en guter Freind d'r Jeſuitte im Reichsdag brofezeiht, ſo
hotts noch gute Weg mit. Wann die Jeſuitte ſo unſchul-
dig wäre, wie die Roſekränz, die gebeet werre, hätt ke
Menſch dran gedenkt, die alte ruſige Häffe aus'm Haus
zu ſchaffe. — Unſer Dauwerbiſchofsheimer Reichsvertreter,
der neilich mit ſeiner Behauptung: „D'r Franzoos wär
d'r gebildſchte Menſch d'r Welt“, imme Reichsdaggeläch-
ter unnergange un ſchburlos verſchwunde is, hott iwerigens
in d'r letſchte Jeſuittebebatte en Kolleeg aus Bonn kricht.
Von Keſſeler heeßt der fromme Herr, der e Lanz for die
fromme Herrn vun d'r G'ſellſchaft Jeſu eingeleegt, un
unner annerm Erheiterndes aach die Phras ang'ſetzt: „Der
Reichskanzler hat nicht das Recht, ſich die Hände zu wa-
ſchen und zu ſagen ...“ Weiter iſſ'r nit lumme. Sämmt-
liche Reichsdagbeich blatze vor Lache! — Alſo d'r Reichs-
kanzler ſoll ſich nit emool mehr die Händ weſche dirfe.
Deß is viel verlangt vumme Mann, der ſoviel anzu-⸗

Meintwege kenne ſe

deitſche Weſchzuwer hott! Die kann'r doch unmeeglich mit
Glaſſeehendſching angreife, wann's ſauwer bei uns werre
ſoll! Wer ſchwarze Kutte ausſchtaabt, hott alſo aach '8
Recht, ſich die Händ zu weſche, Männer!
E anner Bild! In Anbedracht d'r hibſche Witte-
rung, mit der uns d'r Roſemonat Junti endlich ſeit e paar
Dag iwerraſcht, meegt ich mer erlaawe, e vehrehrlich rei-
ſeluſchtig Bublikum uff en weitere Fortſchritt uff merkſam
zu mache, der neilich driwe in d'r frehlich Palz, Gott er-
halts, zum erſchtemool braktiſch angewend worre is. Do—⸗
driwe kann ma nämlich aah jetzt bitſchirt reiſe, wann
ma ſich danooch ang'ſchtellt. En Neiſchtadter kanne G'ſchicht
davun verzähle. Unſer guter Neiſchadter lad nämlich en
Eiſebahnwagge mit Malzſäck. Wie'r fertig is, gießb'r e
paar Schreppkepplcher Gebrennte hinner die Krawatt, ſetzt
ſich zu ſeine Malzſäck in de Wagge un halt Kaſſeſchturz.
Iwer die Berechnung ſchlooft'r gemiethlich ein. Unner-—
deſſe werd d'r Wagge zugemacht, blombirt un per Dampf
weiter beferdert. In Kaiſerlautern wacht unſer blombir-
ter Reiſturiſcht uff un macht en Mordskrawall im Wagge.
Er will natterlich raus. Die Kaiſerslauter Bahnverwal-
tung halt ſich awer ſchtreng an ihr Vorſchrift, nooch der
en blombirter Wagge erſcht am Ort ſeiner Beſchtimmung
geeffent werre derf. Vum Lamento iwer Hunger un
Dorſcht, deß unſer Blombirter im Wagge gemacht, is awer
Notiz genumme worre. Noochdem d'r Bitſchirte e großi
pälzer Worſcht durch's Waggefenſchterle kricht, is noch Ce-
ner mit d'r Gießkann kumme un hott'n durch's ſelwe Loch
an d'r Zott friſch Brunnewaſſer drinke loſſe. D'r Gieter-
zug peift, un weiter geht's bis Homburg. Do bleibt'r
iwer Nacht ſchtehn un fahrt erſcht de annere Dag blom-
birt weiter nooch Ottweiler, wo'r endlich Oowends an-
kummt. Dort werd dann d'r Malzwagge uffgemacht, d'r
verſiggite Paſſagier feſchtgenumme un noocheme große Ver-
heer im Bahnhof miteme Freibilljett uff'm nächſchte Zug
widder retur nooch Neiſchtadt g'ſchickt, ſunſcht wär'r heit
noch dort, dann unſer blombirter Turiſcht im Malzwagge
war ke Kreeſus un hott norr elf Kretzer im Sack g'hatt.
— Deß heeß ich Nummero Sicher gereiſt, Männer!
Unſer bollitiſch Feld liegt gegewärtig ziemlich brach,
Männer. Die Herrn Kabinettsbollitiker ſitze jetzt gemieth-
lich in de Bäder un loſſe die Welt eweil ohne diblomati-
ſche Hotto weiterdanze. Bemerkenswerth dirfte norr fol⸗—
gende paar Debeſche ſein, die eingeloffe: ö
Madrid. Wo iſt Don Carlos? In Frankreich,
wie die Einen, in Italien, wie die Andern wiſſen wol-
len. Wir Spanier wollen — gar nichts von ihm
wiſſen. — Petersburg. Wir ſind noch lange nicht ſo
weit, wie die Deutſchen, denen die Franzoſen nicht mehr
das Waſſer reichen können. Die Pariſer There ſa weilt
nämlich als kohlenſaure Jungfrau nunter uns. —
Chislehurſt. Kommt die Nacht mit ihren Schatten, ſchleicht
ER ſtill zum Garten hin, ſetzt ſich leiſe auf die Moos-—
bank und ſingt ohne Begleitung in der Laube von Jasmin:
„Mein Rouher blamirt! — Mein Herz iſt ſchwer;
— An's Ruder komme — Ich nimmermehr!

greife, un per Exempl aweil großi Schwarz weſch im

Druck von G. Mohr. — Verlag von G. Geiſendörfer.“
 
Annotationen