31²
Die Nagglmaiern.
Die ſchönen
Tage von
Aranjuez ſind
vorüber!
Es werd liftig,
Leitcher! Wohl
dem, der ſein
Schteenkohle
im Keller hott,
Wohl dem, der
ke Lecher im
Rock, un haupt-
ſächlich ke Eff-
nung im Geld-
beitl hott, durch
die d'r Wind
bloost. Wohl
awer vor allem
dem, der jetzt
nit uff d'r Gaß
ſchloofe muß,
ſondern eSchti-
wil mit vier? ö
Wänd hott, in =
dem'r ſein
Kopp ufflege
kann. Soge⸗ —. —
nannte Obdachloſe, wie per Exempl in d'r Kaiſerſchtadt
Berlin hawe mer Guottlob noch keeni hier zu verzeichne.
Wie's ſo Leit awer gegewärtig zu Muth is, zeigt fol-
gend Klaglied, deß die Berliner
ihrn Schtadtrooth ſinge:
Väter, ich rufe Euch!
Klapprig umfängt mich die morſche Baracke,
Schaudernd gedenk' ich des Winters Attaque,
Väter im Warmen, ich rufe bleich:
Väter, erbarmet Euch!
Ja, ich erkenne Cuch!
So in dem pünktlichen Boten der Steuern,
Als wo Euch Düfte der Rinnſteine feiern,
Wortarme Väter, an Thaten reich:
Väter — ich kenne Euch!
Väter, beobdacht mich!
Während nach Eurer Hülfe hier ſpäh' ich,
Bleibt permanent Ihr beſchlußunfähig,
Tröſtet mich Ochſenkopf⸗mauerlich!l —
Väter, wie ſchauerlich!
Cen Guts dirft der ſchtrenge Witterungsumſchlag,
der uns ſchun im September an de Winterrock erin-
nert, doch hawe, die Arweiterſchtricke heere jetzt doch
emool uff. Die Herrn G'ſelle, die anfangs nit mehr
wiſſe, was ſe wolle, ziehge ſich jetzt widder nooch un
noöoch in die warm Werkſchtatt zum Meeſchter zurick.
So wie emool die Werkſchtatt g'feiert werre muß,
feiert keener vun denne Herrn mehr gern im Freie.
Beſſer wie in d'r Werkſchtatt mags Manchem freilich
Obdachloſe jetzt an4
im verfloſſene Summer g'falle hawe,
Schtriklied hott ſinge kenne:
s gibt kein ſchön'res Leben
Als das Strikerleben
Für den biedern tücht'gen Handwerksmann,
Da kann Jeder treiben,
Oder's laſſen bleiben,
Was er eben treiben will und kann.
Ach, das war 'ne Mühe!
Morgens in der Frühe
Mußteſt Du ſchon nach der Werkſtatt gehn.
Jetzt, o Gott, wie nette,
Bleibſt Du hübſch im Bette
Und ſchläfſt feſt bis Morgens gegen zehn.
Dann erhebſt allmählig
Du Dich, noch habſelig,
Und bedenkſt, was geſtern vorginz, jetzt,
Froh, daß trotz der Keile ö
Bis auf eine Beule
Du noch ziemlich leidlich unverletzt.
Vivat Deine Führer!
Immer mehr nach ihrer
Art zu leben bilde nur Dich noch,‚
Faul ſiehſt Du ſie lenzen
Und die Stunden ſchwänzen
— Und der liebe Gott ernährt ſie doch!
D'rum Ihr lieben Zecher,
Fleißig hebt den Becher,
Bis wir alle ſind im ſchönſten Thee,
So geht's alle Tage!
Wahr iſt's, was ich ſage:
Stricken iſt das herrlichſte Metier!
Deß Schlarraffeleewe hott freilich gar Manchem
g'falle. Do kann's eem wohl ſein! — Wohl dirfts
aach jetzt dem franzeeſche Schriftſteller About ſein,
den die deitſch Beherde im Elſaß widder ſchbringe hott
loſſe! Warum'r eigendlich feſchtgenumme un ball druff
widder losgeloßt worre is, wiſſe mer bis dato noch
nit! Mir erinnere uns awer, daß der Herr About
ſeiner Zeit, während'm Krieg, e ganz gottvergeſſe Maul
in d'r Zeitung gege uns am Kopp g'hatt hott, was
vielleicht noch ſchuld geweßt ſein kann, daß ma'n noch-
dräglich beieme B'ſuch im Elſaß, in dem'r for die
Option gewirkt hawe ſoll, en kleene Denkzettl ang'henkt
hott. Anläßlich ſeiner Arretirung, ſchreibt d'r Schoode
jetzt: „Die Staatsanwaltſchaft des Straßburger Kriegs-—
gerichts hatte ein viel höheres Ziel im Ange, als meine
beſcheidene Perſon. Sie erſtrebt nichts Geringeres,
als die Einführung eines unerhörten Princips in das
Völkerrecht. — Die neuen Tyrannen Curopa's (I) be-
greifen nicht, daß ein Franzoſe in Paris, ein Englän-—
ſein
wo'r noch
der in London, ein Italiener in Rom ſie in einem
Buche oder in einer Zeitung ſtreng beurtheilen kann,
ohne ihnen ipso facto ſchon gerichtsbar zu werden: es
genügt, daß das Buch, oder die Zeitung, ſei es durch
einen Deutſchen, in Deutſchland eingeführt worden iſt,
damit der kaiſert, Staatsanwalt einen Haftbefehl gegen
den Verfaſſer erlaſſe. Und wenn der Verfaſſer ſich
nach einem Jahre oder ſpäter auf den gaſtlichen Bo-
den des deutſchen Reiches verirrt, ſo kann er, wie ich,
in den Kerker geworfen und, wie ich, des Hochver-
raths angeklagt werden!“. Un ſo weiter dumm's
Zeig. 22
Druck und Verlag von G. Geiſendörfer
Die Nagglmaiern.
Die ſchönen
Tage von
Aranjuez ſind
vorüber!
Es werd liftig,
Leitcher! Wohl
dem, der ſein
Schteenkohle
im Keller hott,
Wohl dem, der
ke Lecher im
Rock, un haupt-
ſächlich ke Eff-
nung im Geld-
beitl hott, durch
die d'r Wind
bloost. Wohl
awer vor allem
dem, der jetzt
nit uff d'r Gaß
ſchloofe muß,
ſondern eSchti-
wil mit vier? ö
Wänd hott, in =
dem'r ſein
Kopp ufflege
kann. Soge⸗ —. —
nannte Obdachloſe, wie per Exempl in d'r Kaiſerſchtadt
Berlin hawe mer Guottlob noch keeni hier zu verzeichne.
Wie's ſo Leit awer gegewärtig zu Muth is, zeigt fol-
gend Klaglied, deß die Berliner
ihrn Schtadtrooth ſinge:
Väter, ich rufe Euch!
Klapprig umfängt mich die morſche Baracke,
Schaudernd gedenk' ich des Winters Attaque,
Väter im Warmen, ich rufe bleich:
Väter, erbarmet Euch!
Ja, ich erkenne Cuch!
So in dem pünktlichen Boten der Steuern,
Als wo Euch Düfte der Rinnſteine feiern,
Wortarme Väter, an Thaten reich:
Väter — ich kenne Euch!
Väter, beobdacht mich!
Während nach Eurer Hülfe hier ſpäh' ich,
Bleibt permanent Ihr beſchlußunfähig,
Tröſtet mich Ochſenkopf⸗mauerlich!l —
Väter, wie ſchauerlich!
Cen Guts dirft der ſchtrenge Witterungsumſchlag,
der uns ſchun im September an de Winterrock erin-
nert, doch hawe, die Arweiterſchtricke heere jetzt doch
emool uff. Die Herrn G'ſelle, die anfangs nit mehr
wiſſe, was ſe wolle, ziehge ſich jetzt widder nooch un
noöoch in die warm Werkſchtatt zum Meeſchter zurick.
So wie emool die Werkſchtatt g'feiert werre muß,
feiert keener vun denne Herrn mehr gern im Freie.
Beſſer wie in d'r Werkſchtatt mags Manchem freilich
Obdachloſe jetzt an4
im verfloſſene Summer g'falle hawe,
Schtriklied hott ſinge kenne:
s gibt kein ſchön'res Leben
Als das Strikerleben
Für den biedern tücht'gen Handwerksmann,
Da kann Jeder treiben,
Oder's laſſen bleiben,
Was er eben treiben will und kann.
Ach, das war 'ne Mühe!
Morgens in der Frühe
Mußteſt Du ſchon nach der Werkſtatt gehn.
Jetzt, o Gott, wie nette,
Bleibſt Du hübſch im Bette
Und ſchläfſt feſt bis Morgens gegen zehn.
Dann erhebſt allmählig
Du Dich, noch habſelig,
Und bedenkſt, was geſtern vorginz, jetzt,
Froh, daß trotz der Keile ö
Bis auf eine Beule
Du noch ziemlich leidlich unverletzt.
Vivat Deine Führer!
Immer mehr nach ihrer
Art zu leben bilde nur Dich noch,‚
Faul ſiehſt Du ſie lenzen
Und die Stunden ſchwänzen
— Und der liebe Gott ernährt ſie doch!
D'rum Ihr lieben Zecher,
Fleißig hebt den Becher,
Bis wir alle ſind im ſchönſten Thee,
So geht's alle Tage!
Wahr iſt's, was ich ſage:
Stricken iſt das herrlichſte Metier!
Deß Schlarraffeleewe hott freilich gar Manchem
g'falle. Do kann's eem wohl ſein! — Wohl dirfts
aach jetzt dem franzeeſche Schriftſteller About ſein,
den die deitſch Beherde im Elſaß widder ſchbringe hott
loſſe! Warum'r eigendlich feſchtgenumme un ball druff
widder losgeloßt worre is, wiſſe mer bis dato noch
nit! Mir erinnere uns awer, daß der Herr About
ſeiner Zeit, während'm Krieg, e ganz gottvergeſſe Maul
in d'r Zeitung gege uns am Kopp g'hatt hott, was
vielleicht noch ſchuld geweßt ſein kann, daß ma'n noch-
dräglich beieme B'ſuch im Elſaß, in dem'r for die
Option gewirkt hawe ſoll, en kleene Denkzettl ang'henkt
hott. Anläßlich ſeiner Arretirung, ſchreibt d'r Schoode
jetzt: „Die Staatsanwaltſchaft des Straßburger Kriegs-—
gerichts hatte ein viel höheres Ziel im Ange, als meine
beſcheidene Perſon. Sie erſtrebt nichts Geringeres,
als die Einführung eines unerhörten Princips in das
Völkerrecht. — Die neuen Tyrannen Curopa's (I) be-
greifen nicht, daß ein Franzoſe in Paris, ein Englän-—
ſein
wo'r noch
der in London, ein Italiener in Rom ſie in einem
Buche oder in einer Zeitung ſtreng beurtheilen kann,
ohne ihnen ipso facto ſchon gerichtsbar zu werden: es
genügt, daß das Buch, oder die Zeitung, ſei es durch
einen Deutſchen, in Deutſchland eingeführt worden iſt,
damit der kaiſert, Staatsanwalt einen Haftbefehl gegen
den Verfaſſer erlaſſe. Und wenn der Verfaſſer ſich
nach einem Jahre oder ſpäter auf den gaſtlichen Bo-
den des deutſchen Reiches verirrt, ſo kann er, wie ich,
in den Kerker geworfen und, wie ich, des Hochver-
raths angeklagt werden!“. Un ſo weiter dumm's
Zeig. 22
Druck und Verlag von G. Geiſendörfer