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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 88 - Nr. 96 (2. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44618#0383

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3

Der Nutzen der Bäder.

Nur ſelten vereinigt eine Beſchäftigung ſo ſehr das
Angenehme mit dem Nützlichen, wie das Baden. Die
Annehmlichkeit des Bades läßt ſich freilich nur em-
pfinden und nicht beweiſen, den außerordentlichen Nutzen
deſſelben aber wollen wir in folgenden Zeilen ausein-
anderſetzen, in der Hoffnung, daß es uns gelingen
wird, die leider noch vielſach vorhandenen Vorurtheile
gegen das Baden zu beſeitigen.
Da die Vortheile, welche die warmen und kalten
Bäder gewähren, in mannigfacher Weiſe von einander
verſchieden ſind, ſo wollen wir dieſelben auch einzeln
betrachten.
1) Das warme Bad. Es gibt kein Lebensalter,
welches das warme Bad irgend wie entbehrlich machen
könnte. Daß der zarte Säugling nur dann gedeiht
und ſich entwickelt, wonn er täglich gebadet wird, weiß
jede ſorgſame Mutter; wenn nun mit dem Weiter-
ſchreiten der Jahre und dem Heranwachſen des Kindes
das Baden ſeltener werden kann, ſo iſt doch ſelbſt beim
Erwachſenen, wenn er ſeine Geſundheit erhalten will,
noch nothwendig, daß er wöchentlich wenigſtens einmal
bade; und auch für den Greis gibt es kein beſſeres
Mittel, die Steifheit der Glieder zu vermindern, den
alten Lebensgeiſt gewiſſermaßen zu erfriſchen, als ein
warmes Bad. Ja, wir können noch weiter gehen und
behaupten: Das Bad iſt nicht nur ein vortreffliches
Mittel zur Erhaltung der Geſundheit, ſondern in un-
zähligen Fällen iſt es auch das geeignetſte zur Wieder-
herſtellung derſelben, wenn es nur zur rechten Zeit in
Anwendung kommt. Woher aber dieſe wunderbare
Wirkung? Wie iſt es möglich, daß die bloße Berüh-
rung unſerer Haut mit warmem Waſſer einen ſo mäch-
tigen Einfluß auf unſern Organismus übt? Um dies
zu begreifen, müſſen wir vor allen Dingen die Haut,
in der wir ſtecken, etwas näher kennen lernen.
Man ſieht im gewöhnlichen Leben unſere Haut oft
nur als eine ſchützende Decke unſeres Körpers an,
welche die tiefer liegenden edleren Theile von äußeren
Schädlichkeiten bewahren ſoll; es gilt jedoch dies höch-
ſtens nur an den oberflächlichen Schichten der Haut,
während die tieferen Schichten eine weit größere Be-
deutung haben. Es würde uns freilich zu weik füh-
ren, den feineren Bau der Haut genau zu beſchreiben,
und wir müſſen uns begnügen, das für unſern Zweck
Wichtigſte zu erwähnen. Abgeſehen von dem außeror-
dentlichen Reichthum an Blut und Nerven, finden wir
in derſelben Tauſende und aber Tauſende von kleinen
Drüschen, die Schweißdrüschen, welche die Aufgabe
haben, unbrauchbare Stoffe aus dem Blute zu entfer⸗—
nen und auf die Oberfläche der Haut zu ſchaffen; der
flüſſige Theil des Schweißes verdunſtet, während der-
feſte auf der Haut haften bleibt. Nun aber ſondern
die genannten Drüschen nicht blos im heizen Sommer,
nicht blos wenn wir angeſtrengt arbeiten, den Schweiß
ab, ſondern auch bei der gewöhnlichen Temparatur, und
auch wenn wir völlig ruhig ſind; es verdunſtet nur in

79
*
8

Erkrankung des ganzen Körpers

letzteren Fällen der Schweiß ebenſo ſchnell, als er ab-
Hen. —. wird, und wir bekommen nichts davon zu ſe-
en. — —
Zu dieſer erſten Aufgabe unſerer Haut, „verbrauchte
Stoffe aus dem Körper zu entfernen,“ kommt aber
noch eine zweite nicht minder wichtige. Ein Jeder
weiß, daß wenn es im Sommer regnet, die Luft ſehr
ſchnell abgekühlt wird, und zwar geſchieht dies durch
die Verdunſtung des herabfallenden Regenwaſſers; in
unſerem Körper wird, wie wir ein anderes Mal näher
erfahren werden, fortwährend durch das Athmen, durch
die Verdauung Wärme erzeugt, und die immer zu⸗-
nehmende Wärme wurde den ganzen Körper in Kohle
verwandeln, wenn nicht durch das Verdunſten des
Schweißes eine heilſame Abkühlung ſtattfände. Die
zweite Aufgabe unſerer Haut beſteht alſo darin, daß
ſie die Temperatur in unſerm Körper in Ordnun
erhält. ö
Wenn alſo jene vom Schweiß zurückbleibenden
Stoffe nicht durch Waſchen und Baden entfernt wer⸗—
den, wenn ſich dieſelben mit dem Staube, dem wir ja
Alle mehr oder weniger ausgeſetzt ſind, verbinden und
die Oeffnungen der Schweißdrüschen verſtopfen, dann
werden dieſe ihre Thätigkeit theilweiſe einſtellen, ein-
Theil des unnützen Materials wird im Blute zurück“
bleiben, und da das Brul die Ernährung des ganzen
Körpers vermittelt, ſo wird durch die Vernachläſſigung
der Hautkultur eine Ernährungsſtörung, d. h. eine
kaum ausbleiben
können.
Die Reinhaltung unſerer Haut iſt, wie nach dem
Geſagten ein Jeder leicht einſehen wird, als eine der
erſten Bedingungen zur Erhaltung unſerer Geſundheit
anzuſehen; dies wi derum wird durch nichts beſſer er-
reicht, als durch ein warmes Bad, zu dem wir ein
paar Loth Seife hinzuſetzen. Von den vielfachen wohl-
thätigen Nebenwirkungen des warmen Bades wollen
wir nur eine erwähnen, aus der wir gleichzeitig ein
Bild uns machen können, wie das Baden auch als
Heilmittel wirkt. Die feuchte Wärme iſt eins der be-
ſten Mittel, um die Empfindlichkeit eines Organs zu
vermindern und den Schmerz zu mildern. Unſere
Haut iſt aber reich an Empfindungsnerven; weil ſie
am meiſten den Schädlichkeiten der äußeren Welt preis-
gegeben, kann fie auch am leichteſten überreizt werden“
Gegen dieſe Ueberreizung aber, die ſich in den verſchie-
denſten Formen kund giebt, exiſtirt kein beſſeres Mittel,
als ein warmes Bad. Endlich auch in manchen Fällen
allgemeiner Abſpannung und allgemeinen Unwohlſeins
iſt das Bad eine herrliche Arznei; das unbehagliche Ge-
fühl und langem Wachen oder gar nach einer beim
Wein durchſchwärmten Nacht, wird durch ein warmes
Bad faſt wie durch einen Zauher vertrieben.
Schluß folgt.)
 
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