Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (60) — 1918 (Juli bis Dezember)

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55371#0021

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Nr. 152

. sendet mir-
Mißtrauen-.
eiteren De-
men der
paraphieren,
ürllch nicht,
r Arizeigen-
lgende hüb-
er Muni-
n Beamten
;ut erhalte-
rtagsgottes-
- einen töd-
bn ereignet
ft: Aus ei«
kommenden
im Hinaus«
Fenster se-
-Zug heran-
> hatte sich
«mit furcht-
!r Frauen-
ulein Kon-
g (Warthe)
«es Franeu-
chs Kinder
nd die drei

„Ja, die
n eigentlich
m Panovti-
>a bloß die
irt!"
blätter.)
arbeitslos?
in meine
mm en." —
" — „Nicht
.Nun. mov-
loien mit-

er« für den
>r Antreten
c die Aus-
Mums. Am
np. für die
s. Am 13.
Lung. Am
lKomv. M
Mu>m s. Am
hl. Kapelle
es E p m n-a-
vorland ru
tter erfolgt
egung der
i. Am 26.
r im Schul-
ltz übt nach




VeLmrntnrachttng


Lebensmltte!-0etteiIung
30. Juni bis 6. Juli.
Gerste
100 Gramm 8 Pfg. (Sovderzuweisung als Ersatz für Brot-
und Mehlkürzungen.) Abschnitt Nr. 8 der Kolonialwaren-
karte. Verkauf vom 4. Lis 8. Juli.
Eier
1 Jnlandet zu 28 Pfg. Abschnitt Nr. 7 der Eierkarte.
Geschäfte A bis etnschließltch Hack. Verkauf vom 2.
bis 5. Juli
1 AuSlandei zu 38 Pfg. Abschnitt Nr. 7 der Eierkarte.
Geschäfte Häfner bis einschließlich Loos, Bergstraße»
Verkauf vom 1. bis 4. Juli.
1 Jnlandet zu 28 Pfg. Abschnitt Nr. 7 der Eierkarte.
Geschäfte LooS Gaisvergstr. bis einschl» Wolfhard.
Verkauf vom 8. bis 10. Juli.
Butler
ft, Pfund 38 Pfg. einschl. Einschlagpapier. Abschnitt Nr. 10
der Butterkarte. Verkauf vom 3. bis 6. Juli.
4« Marmelade
1 Pfund zu 82 Pfennig. Abgabe erfolgt dicrekt auf Bestell-
abschnitt Nr. 10 dex Bestrllkarte. Verkauf in den einschl.
Geschäften ab 1. Juli.
L. Plantox Fleischextrakt
1 Dose zu 50 Pfg. auf Bszugsmarke Nr. 8 der Kolonial-
warenkarte in den Kolonialwarengeschäften.
6- Zucker
1 Pfund auf Zuckerkarte Nr. 3. Verkauf vom 2. bis 20.
Juli 1918.
4« Kartoffeln
7 Pfund in der Woche zum Preise von 9 Pfg. das Pfund.
Kartosfelkarte Abschnitt Nr. 8.

Heidelberg, den 28. Juni 1918.

3963

Städtisches Nahrungsmittelamt.

Bekanntmachung.
Die Lebensmittelversorgung der Schwer-,
Schwerst, und Rnstnngsarbeitev betr»


Mittwoch, den 3. Juli 1918

Fernsprecher Nr. 82

Seite 7

V ekanntinachung
Die Lebensmittelversorgung öer
Stadt Heidelberg betreffend.
Die Ausgabe der Ausweise zur Entnahme von Brot, Fleisch
und Milch erfolgt für den nächsten Zeitabschnitt in den bekannten
Bezirken am
Donnerstag, de» 4. Juli u. Freitag, den 8. Juli 1918
von vormittags fts9 bis S Uhr abends und zwarr
am Donnerstag, den 4. Juli 1918» in den Bezirken 1, 3, 8,
7, 9, 11, 13, 16, 17, 19 und am Freitag, de» 6. Juli 1918 in
den Bezirken 2, 4, 6, 8, 10, 12, 14, 16, 18.
Bei der Empfangnahme müssen die Weißen Ausweiskarten vor-
gelegt werden.
An Kinder unter 12 Jahren werden keine Lebensmittelkarten ab-
gegeben. ,
Die an obenbezeichneten Tagen nicht entnommenen Karten können
erst von Montag, den 8. Juli ab, auf unserem Amte Zimmer Nr. 16
in Empfang genommen werden.
Wir machen darauf aufmerksam, daß bei jeder Brotkartsnaus-
gabe auch.gleichzeitig die Abgabe dec Brotzusatzkarten (für Schwer-
arbeiter) auf Grund der von uns ausgestellten Ausweiskarten statt-
findet.
Brotzusatzkarten, die an den Ausgabetagen in den betr. Bezirken
nicht abgeholt sind, können nachträglich auf unserem Amte nicht
mehr verabfolgt werden.
Heidelberg, den 2. Juli 1918. 4028
Städt. Nahrungsmittelamk.

Bekanntmachung.
Wegen Ausgabe der Lebensmittelkarten bleiben unsere Geschäfts-
zimmer mit Ausnahme von Zimmer Nr. 3 (Abgabe der Brot- und
Mehlmarken von Bäckereien und Handlungen) und Zimmer Nr. 4 (Frem-
denverkehr sowie An- und Abmeldungen) am Donnerstag, und Freitag,
den 4. und 5. Juli geschlossen. 4029
Heidelberg, den 2. Juli 1918.
Stiidt. Nahrungsmittelamk.

Bekanntmachung.
Fleischversorguna betreffend.
Für dl- Woche vom 1. bis mit 7. ds. Mts. werden auf eine
Fleischrarre nur fts der regelmäßigen Wochenmenge Fleisch ausgegeben,
d. h. für 250 Gramm Marken nur 200 Gramm Fleisch» Wird Frisch-
wurst bezogen, so werden für 250 Gramm Marken 300 Gramm
Frischwnrst abgegeben. Von der zustehenden Menge ist '/» in Wurst
zu beziehen.
Heidelberg, den 2. Jnli 1918. 4040
Ausschuß für den Kommunalvsrbaud Heidelberg-Stadt.

Einladung
zur

Auf Grund 1 der Bekanntmachung des Bundesrats über den
Verkehr mit Knochen, Knvchenerzeugniffen,'insbesondere Knvchenfetten
und anderen fetthaltigen Stoffen vom 15. Februar 1917 in der Fassung
vom 3. Mai 1917 und 14. Dezember 1917, K 1 der Verordnung Großh.
Ministeriums d.s Innern vom 20. April 1917 betr. den Verkehr mit
Knochen, Rinderfützen und Hornschlüuchen wird unter Aushebung der
für die Stadt Heidelberg erlassenen Anordnung vom II. April t917 für
den Amtsbezirk Heidelberg mit Wirkung vom 1. Juni 1918 nachstehende
Anordnung
erlassen:
s 1.
Dec Verkauf und die Abgabe von Rinderfüßen im freien Ver
kehr ist verboten.
Die Füße von Rindern aus sämtlichen Rinderschlachtungcn fit,
von den Schlüchtern unverzüglich nach der Schlachtung in frischem
Zustand an die Filiale der Mannheimer Fettschmelze in Heidelberg
abzuliefern. Als Fuß gilt der gesamte Unterfuß einschließlich des
Röhrenknochens.
8 2.
Knochen von Rindern, Kälbern, Schafen, Schweinen und Ziegen,
die in Hausschlachtnngen, Anstalten jeder Art, Gast- und Speisewirt-
schaften, Volksküchen, Kantinen, Fremdenheimen und ähnlichen Betrieben
anfallen, dürfen nicht verbrannt, vergraben oder auf andere Weise ver-
nichtet, noch zu Düng- oder Futterzwecken verwendet werden. Aus-
genommen ist lediglich die Verflltterung an Hunds und Geflügel in
der eigenen Wirtschaft.
Die Knochen sind getrennt von den anderen Abfällen und vom
Hausmuhl zu sammeln und möglichst lufttrocken und sauber ar» die
von den Komniunalverbünden eingerichteten Knochensammelstellen ab»
zulieiern.
8 3. '
Knochensammelstellen sind:
für die Stadt Heidelberg: die Firma Geschwister Kahn in Heidelberg
Neckarstraße 92.
Kaufmann Isidor Schweb in Heidelberg
Plöck 27,
für die Landgemeinden: die Firma Geschwister Kahn in Heidelberg,
Neckarstraße 92,
die von den Bürgermeisterämtern eingerich-
teten örtlichen Knochen-Annahmestellen.
§ 4.
Die abfallenden Knochen sind an die örtlichen Knochenannahme-
stellen oder unmittelbar an die in §3 bezeichneten Knochensammelstellen
abzulllfern.
8 8-
Für abgelieferte Rinberfüße wird ein Preis von 40 Mark pro
IM kA bezahlt. Der Preis versteht sich frei Verladestelle.
Für abgelieferte Knochen wird beim Abholen in den Haushal-
tungen, Anstalten usw. ein Preis von 6 Pfennig für 1 kg, bei Ab-
gabe an die Knochenannahmestelle ein Preis von 8 Pfg. für 1 kg
vergütet.
8 6.
Wer diesen Vorschriften zuwiderhandelt, wird gemäß Z 6 der
Bundesratsverordnung vom 15. Februar 1917 mit Gefängnis bis zr»
6 Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark bestraft.
Heidelberg, den 24. Mai 1918.
Eroßh. Bezirksamt

Die bisherigen Answeiskarten für Bvotznsatz verlieren mit
«rm 7. Jnli -S. Js. ihr« Giltigkeit.
Wie bei der letzten Ausstellung der Ausweiskarten ist auch dies-
mal eine Bestätigung der Art und Weise der Beschäftigung durch den
Arbeitgeber erforderlich. Die dazu benötigten Bescheinigungen werden
Ai, der Lebensmittelkartenausgabe am kommenden Donnerstag und
»Freitag, den 4. und 5. ds. Mts. ausgegeben.
Üeber die Rückgabe der Bescheinigungen und Ausstellung der
-Neuen Ausweiskarte erfolgt besondere Bekanntmachung.
Heidelberg, den 2. Juli 1918. 4027
,_Städt. Nahrungsmittelamt.
Bekanntmachung.
, Bisher ist noch nicht die Hälfte der von der ReichsbÄeidungs-
>stelle angeforderten Zahl von Männeranzügen abgcliefert worden. Es
fehlen noch 1260 Anzüge.
' Wir fordern diejenigen Personen, die ihrer Ablieferungspflicht
jvishec nicht Genüge geleistet haben auf, dies unverzüglich nachzuholen,
«a bis zum 15. Juli die Ablieferung erfolgt sein muß.
Wir werden von der Ermächtigung der Reichsbekleidungsstelle
sbon Säumigen ein eidesstattlich zu versicherndes Verzeichnis
'ihres Bestandes an Kleidungsstücken zu verlangen, Gebrauch machen
'Müssen, wenn die erforderliche Anzahl von Anzügen nicht freiwillig
^geliefert wird.
Heidelberg, den 1. Juli 1918. 4030
Kommunalverbclnv Heidelberg - Stadt
Bekleidungsstelle»

öffentlichen Sitzung des Bürgerausschusses
der Stadtgemeinde Heidelberg
am
Donnerstag, 4. Juli ds» Js», nachmittags 4 Uhr
im Bürgerausschußsaal des Rathauses.
Tagesordnung»
1. Verkündigung der Rechnung der städt. Sparkasse für das
Jahr 1916.
2. Die hiesigen Theaterverhältnisse.
3. Veräußerung eines städt. Grundstücks in der Gewann Neckar-
hang.
4. Versorguug Les Spehererhofes und des Bierhelderhofes mit
elektrischem Strom.
5. Kriegszulagen an die städt. Beamten, Lehrer und Arbeiter.
6. Korrektion der Rahmengasse.
7. Erwerb eines Grundstücks in Gewann Neusatz.
8. Erwerbung, von Grundstücken in der Hinteren Pfaffengewann.
9. Die Satzungen für die Gewerbeschule.
10. Die Erwerbung des Hofgutes Kudach bei Altheim.
Die bezüglichen Akten liegen vom 1. k. Mts. in der Stadtrats-
registratur zur Einsicht der Mitglieder des Bürgsrausschuffss offen, auch
werden den letzteren bei der Persönlichen Einladung Abdrücke der Vor-
lagen zugestellt werden.
Heidelberg, den 18. Juni 1918. (3794
De« Oberbürgermeister.

Wir weisen auf vorstehende, auch für die hiesige Stadt geltende
Anordnung des Großh. Bezirksamts Heidelberg vom 24. Mai ds. IS
(in der durch die Anordnung vom 8. Juni ds. IS. bewirkten Fassung)
und auf die Wichtigkeit der Knochensammlung nachdrücklichst hin.
Heidelberg, den D. Juni 1918. (4025
Ausschuß für den Kommunalverband Heidelberg-Stadt»
Wir geben bekannt, daß die Städtische Obst» und Gemüse-
trocknungsanlage, welche bisher im alten Gaswerk untcrgebracht
war, in ein Gebäude der Reis'schen Fabrik — Eingang Eppelheimer-
straße — verlegt wurde. Die Anlage wurde wesentlich erweitert, so-
daß wir in der Lage sind, jede beliebige Menge zum Trocknen anzunehmen.
Die Auflieferung der frischen und die Abholung der getrockneten
Waren hat in der Zeit von fts8—12ft, Uhr vormittags Uttd 2fta—6
Uhr nachmittags zu erfolgen.
An den Körben oder Säcken, in denen die Frischware angeliefert
wird, ist ein Anhängezettel zu befestigen, auf dem Name und Wohnung
des Eigertümers anzugeben ist.
Die TrocknungSgebüyren, die bei Auflieferung der Ware zu
entrichten sind, betragen:
für Zwetschgen und Plaumen 10 für da? Pfund Frischware
„ Birnen und Stachelbeeren 8 „ „ „ „ „
„ alles übrige Obst sowie für
Gemüse aller Art 5 „ » „ , „
Fernsprechanschluß: Nr. 2676.
Heidelberg, den 26. Juni 1918. 3932
Die Direktion der Städtischen Werke.

K AlleS ist gut, wenn es aus den Händen des Ä
V Schöpfers hervorgeht, alles entartet unter den H
« Händen der Menschen. Rousseau.
Gespenster des Glücks
Roman von Alfred Madcrno.
Erstes Kapitel.
„Asbermorgen kommt Papa!"
Das junge Mädchen, Las diese drei Worte wie,
weiß Gott, welche Jubelbotschaft mit leuchtenden
Augen seiner Mutter entgegenrief. machte schon
im nächsten Augenblick ein übertrieben und dar-
um schalkhaft furchtsames Gesicht. Denn Mama
schüttelte mit leiser Mißbilligung den Kopf und
setzte sich mit würdevollem Ernst ihrer Tochter ge-
genüber.
„Du hast meine Post wieder vor mir selchen,
Nora! Oder —".
„Doch ja, Papa hat an dich geschrieben,
Mutti". Die Mundwinkel des kirschsrischen klei-
nen Mäulchens bogen sich im Bewußtsein eines be-
scmgenen Anrechts sanft nach abwärts.
Frau Rademann blickte Nora gar nicht erst
prüfend ins Gesicht. Das Mädel, sie wußte es ja.
machte sich aus dem ernstgemeinten Tadel nicht
halb so viel, als seine bestürzte Miene erkennen
lassen wollte. Und die Mutter nickte auch nur
kurz und schweigend, als Nora ZU ihrer Verteids-
SLns vorbrachte, daß sie beileibe keinen an ihre
Mutter gerichteten Brief erbrochen, sondern nur
Papas offene Karte gelesen habe.
»Da kann doch ein jedes reinfchauen. Mutti, und
dann weißt du doch, wie ich mich auf Papa freue".
Jetzt war auch die letzt« und leiseste Spur des
Schuldgefühls aus Noras Blicken und Mienen ge-
wichen; blank und wie in zärtlicher Andacht ge-
weitete, ruhten des Mädchens Augen auf der von
rwldrotem Morgenlicht überrieselten Wand des
jenseits der Straße ragenden Tannenwaldes.
Frau Rademann hatte die Karte ihres Mannes
gelesen, auf der ihr der Geheimrat seine Ankunft
in Baden-Baden für den übernächsten Tag in Aus-

sicht stellte, und blickte nun, durch Noras letzte
Worte an ihre zarteren Mutterpslichten gemahnt,
langsam auf.
Von dein grüngoldenen Hintergrund, den der
nahe Wald in seiner taufrischen Herrlichkeit bil-
dete, zeichnet« sich das Profil des jungen Mädchens
wie mit silbernem Stift gezogen ab. So klar war
diese Linie, daß die feinen, langen Wimpern
über sie hinausragten und fick von dem rosigen
Lichtrahmen abhoben, der als schmaler Streifen
die Linien des Kopfes begleitete, lieber dem
dunkeln Mond der vornehm gebändigten Haarsülle
wurde dieser schimmernde Rahmen etwas breiter,
und die glitzernden Tautropfen an den Tannen-
zweigen jenseits der Straße blitzten hindurch, als
schmückten köstliche Steine die. Haartracht des jun-
gen Mädchens.
Niemals hätte Frau Rademann ihre Blicke
mit solchem heimlichen Wohlgefallen aus einer
künstlerischen Zier ruhen lassen, wie jetzt auf dem
strahlenden Schmuck, mit dein der feine Künstler-
sinn der Natur ihr Kind bedachte.
Dieses Kind war schön, an Leib und Seele.
Der Reinheit des von seiner eigenen Schönheit
enigiMen jungen Tages glichen dis Blicke, mit
denen Nora in den Morgenglanz des Frühlings-
tages hineinträumte.
Am so eindringlicher begann int Frau Rade-
mann eine innere Stimme zu flüstern, und ihr zu
gebieten, der Jugend ihrer Tochter nicht den er-
zieherifclren Ernst des Lebens, wohl «aber den ei-
sigen Mein harter Enttäuschungen feriMh alten.
And da war es ihre Muttorpflicht, in das rein-
tönende Lied dieses jungen Lebens hineinzuhor-
chrn, da mußte es die wunderbare Gabe des fein-
fühlenden Muttsrsinns lein, eigene, sanft rau-
schende Weisen diesem Liede zu vermählen.
Wie tiefempfundene Musik klingen durch jedes
guten Menschen ganzes Leben die lieben Worte
seiner gütigen treuen Mutter.
Das wußte Frau Rademann von sich selbst
und kannte die Mutterpflicht, die zum Kinde zu
sprechen gebietet, in je einfacheren desto wirksame-
ren Worten, wenn Warte gerade das Richtige wa-
ren und ein seelenvoller Blick, ein sanftes Hände-
auflegen nicht beredter und verständnisvoller zu
sprechen vermochten. . , .

„Wie solltest du dich auf Papa auch nicht
freuen," knüpfte Frau Rademann an Noras letzte
Worte an, die durchaus nicht als Fräse aufgsfaßt
zu werd-n brauchten. »Deine Freude hieß in die-
sem Falle aber auch Erwartung, und du hast sie
dir selbst verringert, indem du nicht warten woll-
test. Nun weißt da, daß Papa übermorgen kommt
"And jetzt ist dieses Wissen meins Freude,
Mutti!" Nora blickte noch immer in den Wald
hinein.
Frau Rademanns Augen aber ruhten noch
lang« gedankenvoll auf den Lippen des Kindes,
die das ernste Wort Wissen nickt anders aussesro-
chen hatten als etwa eine Zärtlichkeit.
»Möge Lein Wissen stets auch deine Freude sein
sprach dis.Mftter still und langsam.
Nora kannte ihre Mutter von dieser Seite,
die sie bisweilen nicht zu überzeugen vermochte.
Es wäre ihr niemals in den Sinn gekommen, vor
dieser lehrhaften Art kindischen Trotz und Wider-
stand hervorzukehren, denn Mutter war ia so spt
und verstand sie noch immer gleich und richtig, ob-
wohl das eigentlich zum Verwundern war. Denn
Mutter zählte beinahe fünfzig Jahre; sie haft« sich
spät verheiratet.
Also gewiß kein Aeberdruß. ganz bestimmt nicht
aber — Papa war anders. Der war. wie es ihren
achtzehn Jahren gerade gefiel. Immer, in ihrer
Gegenwart wenigstens, voll fröhlicher Kraft und
erlaubten Aebermuts. Doch darüber wunderte
sich Nora nie. obgleich der Geheimrat vor weni-
gen Wochen sein 60. Lebensjahr vollendet hatte.
Und hätte der Vater jetzt zwischen ihr und der
Mutter gesessen, so hätte er. wie es seine Gewohn-
heit war. das glattrasierte Kinn mit dem jugend-
lich rosigen Ton leicht in die Höhe geworfen und
zur Erfüllung gleichfalls wichtiger Gebote aufgs-
fordert: „Das Frühstück, Kinder, laßt doch das
schöne Frühstück nicht alt un!d kalt werden!"
Ja, das hätte der Vater gerufen, und in der
Tat, da stand das schöne Frühstück — wann, ja
wann hatte es die Saaltochter nur gebracht? —
und drohte an Güte einzubüßen, wenn sie sich ihm
nicht endlich einmal zuwandten.
Und dabei hatten sie sich alle beide. Mutter
And Tochter, so sehr auf den Morgen gefreut, an

dem es warm genug wäre, auf der Veranda drau-
ßen zu frühstücken.
Heute war dieser erste Morgen und Nora
hatte es nicht erwarten können, Lis ihrs Mutter
fertig angekleidet war.
Die Saaltochter, in deren Pflege sie sich bege-
ben hatten, war wohl unterrichtet. Einladend
hatte sie den Frühstückstisch in der Veranda gedeckt
und die Post für Frau Geheimrat hingelegt.
Der Briefträger kam ja etwas spät zu den
hochgelegenen Hotels herauf, dock richteten sich die
Gäste eben danach und erschienen noch später zum
Frühstück. Schließlich kam man doch nach Baden-
Baden. um sich zu pflegen und dem Wohlwollen
der gütigen Natur nicht ins Handwerk zu pfuschen.
Zweites Kapitel.
Zwei Tage später traf der Geheimrat mit dem
Varmittags-Schnellzug aus Berlin ein.
Zum dritten Male wollte er die Osterzeit und
Semesterserien der Universität, an der er als An-
tropologs wirkte, in Baden-Baden verbringen.
Frau und Tochter hatte er auch diesmal vor-
ausgeschickt. Die Saison in Berlin war vorüber,
die Ausspannung tat gut. Es schadete nichts, wem»
Frau Rademann am Schwarzwald erst noch ein
wenig fror. Erzwang sich der Frühling einmal den
Eintritt in das erhabene Tannenbeveich, dann
verschwendete er auch schon im nächsten Augenblick
feine Farben und Düfte, nicht schlechter als sein
urzlebiser Zwillingsbruder am Mittslmeor.
(Fortsetzung folgt).
---,
Lorexh Ksir Löhne
tlexi. 1867. i-iosmöbslksdrik Telepin 75g
tiuuptstrssss 79. I-isicisIbsrL Acks Liensustc.
V/oknunZseinri cfttunZen
in einlocker bis feinster AuriölirunA.
M^ÄWWkAr BttmMe
Annahme: Schlosserstratze 1.

tW WMj
 
Annotationen