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Heidelberger Zeitung (60) — 1918 (Juli bis Dezember)

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p Seite 4 Heidelberger Zeitung

Samtsag, den 7. Septeniber 1918

Fernsprecher Nr. 82 und 182

Nr. 209

Aus Sla)t und Umgegend
Zur Eutlassitug der älteste»»
. d. Äandstürmee
' In ekMm Bries des preußischen Kriegsmini-
slenums an den Nbgeor-dneten Dr. Müller-
Steiningen der wegen eventuell möglicher Ent-
lassung der ältesten Jahrgänge vorstellig geworden
ist, heißt es neuerdings:
„Aus Pen als „Stimmungsbericht" übersandten
Antrag mehrerer Parteifreunde betreffend um-
gehende Entlassung der Jahrgänge 1870 bis 1872
"wird Euer Hochwohlgeboren ergebenst mitgeteilt,
jdaß das Kriegsministerium von seinem
/wiederholt zum Arsdvuck gebrachten Standpunkt
nicht abweichen kann. Eine Entlassung auch nur
eines Teiles des Jahrgangs 1870 ist für ab-
sehbare Zeit unmöglich. D.er von Dr.
Müller vertretenen Ansicht, daß durch eine! Teil-
entlassung die Stimmung zum Durchhal-
ten gestärkt würde, vermag das Kriegsmini-
sterium nach diesen: Schreiben nicht beizutreten,
La nach Ansicht desselben „im Gegenteil eine der-
artige Maßnahme unberechtigte Hoffnun-
gen bei vielen wecken würde, die in unzähligen
weiteren zwecklosen Anträgen zum Ausdruck kom-
men".
Nach diesen Ausführungen sollte mindestens für
die nächsten Monate von derartigen Anträgen ein-
zelner an bestimmte Abgeordnete oder unmittel-
bar an das Kriegsministsvium als völlig aus-
sichtslos, abgesehen werden
* Von der Universität. Der Privatdozent an
der Universität Marburg. Dr. Friedrich Pfi-
ster, früher Privat do zent in Heidel-
berg, wurde zum a. o- Professor für klassische
Philologie an der Universität Tübingen als
Nachfolger von Professor Friedrich Zucker berufen.
* Wohltätigkeitskonzerte. Wir macken auf die
Konzerte der aus den: Felde beurlaubten Regi-
Mentskapell« les 9. badischen Jnfanterie-
Regiments Nr. 170 aufmerksam, die am Sonntag
und Montag aus dem Schloß und im Stadtgarten
stattfinden und deren Reinertrag für die Hinter-
bliebenen der Regimenter bestimmt ist.. (Siehe
auch Anzeige). '
* Die Konzerte de» städtischen Orchesters fin-
Len Heute, Samstag, mit Rücksicht auf den zeiti-
gen Beginn des Theaters, ihren Abschluß.
* Der Verein mittlerer -badischer Justizbeamten
hält am 8. Oktober in Offenburg seine
Hauptversammlung ab. Der Verein hat in der
letzten Zeit auf Grund eines Beschlusses seiner
im letzten Jahre in Heidelberg abgehaltonen
Hauptversammlung eine Etevbekasse gegründet.
* Auszeichnung. Jäger Hans Mohr, Sohn
des Installateurs P. Mohr, Inhaber der badi-
schen Verdienst-Medaille, erhielt das Eiserne
Kreuz 2. Klasse.
* Wegen Schleichhandels würde in Mannheim
rin Kaufmann aus Heidelberg ver-
haftet, als er iM Begriff war zwei große Ki-
sten mit Lebensmitteln, nämlich 45 Kilogramm
Schweinefett, 25 Kg. Gries. 30 Kg. Reis und 10
Kg- Rauchfleisch, sowie 10 Paar Herren- und Da-
wrnstiefel mit der Nebenbahn nach Heidelberg zu
Waffen.
* Bom Roten Krem. Es wurde vom Bezirks-
stusischuk beschlossen, bei Gelegenheit ins Feld auch
Rot« KreuL-Täschenkalender lBerlaa von I. Kör-
Nina bler) zu versenden, denen eine von General-
vmt a>. D. Dr. Rüblomann verfaßte kurze, aber
mit gtzjen Abbildungen versehene Anleitung über
erste Kille bei Anfällen und plötzlichen Erkrankun-
Lvn beiaeaeben ist.
* Die Ordnung in Eisenbahnrügen. Von Reisen-
den W in letzter Zeit wieder vielfach darüber
geklagt würden, idaß die Ordnung in den Zügen
mangelhaft sei. Vielfache.Beschwerden der Rei-
senden lasten erkennen, daß Reisende mit Fahrkar-
ten niederer Wagenklasten unberchechtigt in den
Wasenabtedlen 1. und 4. Klasse Platz nehmen.
Reisende, die in der Klasse, für die ihre Fahrkarte
rilt. leinen Platz finden, müssen sich zwecks Erlan-
gung eines Platzes an das Zugpersonal wenden.
Die Zugbegleiter dürfen den Reisenden mit Fahr-
karten niederer Wagenklasten in den höheren Klas-
sen erst dann Plätze an weisen, wenn die nieder«
Klasse besetzt ist. Dis Reisenden, dis unberechtigt
In der eüsten oder »weiten Klasse betroffen wer-
ven, sollen von nun an festgestellt und zur Zahlung
des erhöht«» Fahrgeldes herangezosen werden,
Auch auf die Beachtung des Rauchverbotes soll be-
sonders geachtet werden. Gegen Reisende, die dis
vorgeschriebens Ordnung nicht beachten oder sich
den Anordnungen der Bediensteten nicht fügen, soll

dadurch die Milde des Publikums, das seinen
Dettelanträgen auf Gewährung von Lebensmitteln
stets Nachkam. Der Angeklagte erhielt dafür —
mildernde Umstände (!!) und wurde zu der ge-
ringen Straffe von 1 Jahr und 5 Monaten Ge-
fängnis und 4 Wochen Haft verurteilt. Dis Haft-
strafe wurde als verbüßt erachtet.
* Abschied von der Heimat. In dem Braun-
schweiger Allgenreinen Anzeiger" veröffentlicht
ein alter General folgende unherichtigts Ab-
schi eds an zei g e:
„Im Lause dieses Monats, in dem ich mein
dreißigjähriges Jubiläum als General begehe,
verlasse ich trauernd das schöne Blankenburg in
meinen, lieben Heimatlande Braunschweig, wo ich
wie schon mein Vater nicht Recht noch Ge-
rechtigkeit fand. Denjenigen Behörden und
Leuten, welche diese Grundsätze mir gegenüber
mißachtet haben, hinterlasse ich den Gruß Götz
von Berlichingens an den Kaiserlichen
Hauptmann! Allen mir wohlgesinnten Bekann-
ten sage ich herzlich Lebewohl! !
Blankenburg am Harz, 1. Sept. 1918.
Ahlborn, Generalleutnant z. D."
Die Braunschweiger Zeitungen haben die An-
lässe dieser Blankenburger Kohlhaastragödie nicht
ergründen können.
s Von einer Frau im Streite erschlagen. In
der Echopenhauerstraße erschlug, wie uns aus
Zranksmt a. M- gemeldet wird, im Streite die
Postschaffnerfrau Schmidt die 35jährige OM--
postschaffnerfrau Stock. Beide Frauen, die als
Nachbarn in einem Stockwerk wohnen, lebten schon
seit langem in einen: gespannten Verhältnis. Ge-
stern gerieten sie wogen ihrer Kinder in Streit,
in dellen Verlauf Frau Schmidt ihre Nachbarin
nnt einem Besen derart au? de» Kovk schlug,
daß diese tot zu Boden sank

s höflich, aber mit den: nötigen Nachdruck vorgcgan-
gen werden.
e- Keine Kleiderabgabe der Mannschaften. Von
amtlicher Seite ist der ReichLbekle-idungsstelle eine
Mitteilung gemacht worden, daß in einem ent-
legenen Teil der Provinz .Sachsen Gerüchte ver-
breitet sind, wonach Mannschaften, die im
Felde weilen, zwangsweise dis Zi v i l k lei düng
gegen einen Preis von 10—15 Mark für den An-
zug abgenommen worden soll. Wer die in der
Presse überall veröffentlichten Mitteilungen der
Reichsbekleidungsstelle über die Altkleiderfaimm-
lung gelesen hat, weiß, daß dieses Gerücht vol-
ständig aus der Luft gegriffen ist;
trotzdem nimmt die Reichsbsklsidungsstells noch-
mals Anlaß, zu erklären, daß eine derartige Be-
stimmung niemals erwogen und erst recht nicht von
ihr erlassen worden ist.
Der Deutschnationale Handlungsgehilfen-
Verband versendet eine Festschrift feines 25jähri-
gen.Bestehens, in der seine Entwicklung und feine
Bestrebungen während dieser Zeit in einer Reihe
von Aufsätzen behandelt werden. Da sich an den
Namen des Verbandes di« Erinnerung an die
ganze soziale und nationale Bewegung unter den
Angestellten in Handel und Industrie knüpft, be-
gegnet die Festschrift in weiten Kreisen großem
Interesse. Mitglieder, die nicht in ihren Besitz
gelangt sind, können sie bei der Verbandsleitung
Hamburg 36, Holstenwall 3—5, anfordern.
* Unerlaubter Verkehr mit Kriegsgefangenen.
In der Karlsruher Zeitung wird halbamtlich dar-
auf hingewichsn. daß die Kriegssefangenen, so
lange sie in unserer Gewalt sind, Kriegsgefangene
bleiben, auch wenn ihr- Heimatland mit dem
Deutschen Reichs Frieden geschlossen hat. Eine
Einstellung anhängiger Strafverfahren wegen
Verkehrs mit Kriegsgefangenen mit der Begrün-
dung, daß die Tat, weil nach dem Friedsnsisch-luß
begangen, nicht strafbar sei, finde in Len maßge-
benden Bestimmungen keine Stütze.
Neuausgehängt sind in den Aushangekasten
an unserem Hause die Bilder: Aus den Kämpfen
an der Aisne: Uebsrscmg eines Res.-Jnf.-Rögt.
über den Kanal hei Vaillp. — Vom italienischen
Kriegsschauplatz: Der Tonale-Paß. an dem sich die
österreichisch-ungarischLN Truppen Mitte August
durch erfolgreiche Kämpfe auszeichn-eten. Bau ei-
ner Alpenstraße durch österr.-ungar. Soldaten. —
Elsässisch-lothringische Flüchtlinge in Kaysersbsrg.
— Begräbnis eines englischen Miegerleutnants
im deutschen Heimathafen, dessen Leiche in der
Nordsee von einem unserer Minensuchboote aufge-
fischt wurde. — Neus Frauenberufe: Weibliche
Heizer und Trimmer unter dem Maschinenperso-
nal des Dämpfers „Spezia" der HamÄurg-
Amerika-Linie. — Kampfflieger Leutnant
Üdet. der vor kurzem seinen M. Lufftsieg errang.
Ketsch, L. Schwetzingen, 6. Sept. Das fünf-
jährige Töchterchen des Fabrikarbeiters Ee-
schwill stürzte im Schulhof in die PsuhlgrUbe
und ertrank.
Adelsheim, 6. Sept. Der älteste Burger unse-
rer Stadt, Maurermeister Ernst Herold, ist
in der Klinik in Heidelberg im Alter von
82 Jahren gestorben. Lange Jahre war er Mit-
glied des Bürgerausschusses, Kirchensemeinderat
unÄ Iichaber von anderen Ehrenämtern.

Gerichtszeitung
Die Heidelberger Einbrecher vor Gericht
Heidelberg. 6. Sevt.
Vorsitzender Landaerichtsdirekior Stortz.
Der Diemtkneckt Ernst Karl Horch stebt wesen
Diebttabls unter Anklage. Der 17 Jahre a:te
Bursche bat verschiedentlich gestohlen., darunter
einmal einen Betrag von 50 M. aus e:ner ver-
schlossenen Ladenkasse entwendet, wodurch ßck st:n
Delikt als schwerer Diebstahl. auali-m:ert. Der
Angeklagte erhält 8 Mocken Eetä ns n: S. von
denen 6 Wochen UnteÄuchungshaft abgsben.
Wesen schweren D:ebstabls und Ked-
ler ei nehmen auf der Anklagebank Watz. 1. der
Zimmermann Rud. Mähren Lol» ^eb. in Mag-
deburg. 2. der Bilderbandler Luvw Woliasb.
in Sckonack. 3. der Sckremer W:lb. Rodrser.
geb. in Ilversgehofen. 4. Wilb. Z u n tz von Le:-
men. 5. dessen Ehefrau Betty Zun tz. geb. rn
Nürnberg 6. die VrcMtuisrte Frieda Schmer-
lins, seb. in Vodaors. 7. die Prostituierte Elrse
F e v. seb. in Kersfeld. 8. Die Anklaae «esen die
Kuniaund« Haas ist abaetrennt. Samilnae An-
geklagten befinden sich seit länger Zert m Un-
tersuchungshaft. Es handelt ßck^ um die Em-
brecheraefellschllft. die im Anians Dieses Jahres so-
wohl in Freiburg wie Lier in yerdewera rn leer-
stehende Villen einbrack und beträchtliche Beute
machte Der Angeklagte Mäbrenool» vst strner-
»eit wegen Nervenkrankheit aus hem Heere ent-
lassen worden und war inzwischen in verschiedenen
Nervenanstalten zur Beobachtung, .«»hm fallt Der
Einbruch in di« Villa von von ^bnsMir
Last, den er zusammen mrt ^m Angeklagten Wolff
unternahm. Sie erbrachen dort vÄMledene Be-
hältnisse und trugen eine Beute im Gesamtwerte
von 7S50 M. kort. Zusammen mit dem Ansöklas-
ten Rüdiger und Woks brach Mab: en hol» darauf in
die leerstehende Villa der Frau Sckeisler hier ein
und stahl eine Anzahl von OelsemälLen und son-
stigen Eoaenstän-den. Unter Len OelsemälLen be-
fand M ein antikes Gemälde d:e heil.se Marra
darstellend, van sehr hohem Werte, ibdaß der Ge-
samtwert Les gestohlenen Gutes sich auff etwa
30 000 M. stellte. Wie so Läufig, suchen bei Erör-
terung dieses Falles die einzelnen Angeklagten die
Schuld aufeinander abzufchieöen. besonders der
Armeklagts Rüdiger, ein vielfach vorbestrafter
BurWe. sucht nacksuweistn. daß der Plan zu- die-
sem Einbruch von dem Mitangeklagten Wolf aus-
geaanaen sei ebenso wie bei den späteren Ein-
brüchen in Freibum. was schon daraus bervoraina.
daß er in Len beiden Städten noch nie gewesen sei.
während Wolff sie genau kenne. R.. der ebenfalls
wesen Nervenkrankheit vom Militär entlassen ist.
fänat allmählich an. Heftis zu stottern. Wie aus
den Akten Lervoraebt. Lat er schon früher in den
Lazaretten infolge eines im Felde erhaltenen Ner-
venckockes häufig gestottert. Bei dem dritten Fall,
ein Einbruch in eine Villa in Freiburg, ffvielt ein«
gestohlene Standuhr eine gewisse Rolle, deren
Diebstahl die Angeklagten energisch leugnen, -wah-
rend sie im Übrigei:, wie auch in den -anderen' Fäl-
len. geständig sind. Sie behaupten, daß es
ihnen« schon den ganzen Umständen nach nickt mög-
lich gewesen sei. einen Gegenstand von der Größe
einer Stnvuhr miizuicklevvcn. und daß offenbar
schon- vor ihrem Besuch in der Villa dort andere
Einbrecher gehaust Lütten-. Da das Gegenteil nickt

nackzuiweisen ist. läßt der Staatsanwalt auch spä-
terhin dis Anklage, in diesem Punkte fallen. Bei
diesem Einbruch fielen ihnen Kleidungsstücke und
HaushaltiMigssegonstünLe im- Werte von 4800 M.
in bi« Hände bei zwei weiteren Einbrüchen ver-
schiedene Wertgegenstände im Werte von 2000 und
1400 M. Die Angeklagten Rüdiger und Wolf be-
schuldigen sich gegenseitig in sämtlichen Fällen leb-
haft der Anstiftung. Wolf soll durchaus nickt der
durch den leichtsinnigen Umgang versübrte. sonst
ekvlrck »arbeitende Bilderhändler gewesen sein, als
den er kick ausgsbe. Nack den Einbrüchen habe er
in der Rolle eines -Barons in Baden-Baden den
Lebemann gespielt, nachdem er noch dazu leine
Komplizen Leim Teilen betrogen habe. Die
Beute haben: -die Einbrecher bei dem Händler Zuntz
und dessen Ekeffrau verschärft, den sie anaeblick im
Kaffee kennen gelernt batten. Ter Angeklagte Rü-
diger behauptet, dem Zuntz den Ursprung der Wa-
ren mitgeteilt zu haben und von diesen: übervor-
teilt und ausaesagen Dordsn'zu sein. Die beiden
anderen weiblichen Angeklagten waren die Ge-
liebten der Angeklagten Rüdiger und Mols und
waren von diesen auf die Diebesfäbrt nach Frei-
bürg mitgenommen worden. Sie Latten verschie-
dene der gestohlenen Sacken geickenkt bekommen:
und einige von diesen verkauft. Während deren
Angabe, daß sie von der Herkunft der aus den
Heidelberger Eiabrücken stammenden Gegenstände
nichts gewußt hätten, nicht widerlegt werben
konnte, mußten sie zugeben, von dem Zweck der
Fahrt nach Freiburg gewußt zu haben. Eine ge-
wisse Rolle spielt bei Erörterung dieses Punktes
ein gewisser Hoffmann aus Mannheim, der
ebenfalls von dem Diebesgut gekauft Lat und der
Laber wegen des Verdecktes der Mttüter'ckafft
unvereidigt vernommen wird. Frau Zuntz sucht
bei i-ürer Vernehmung die seitens des Röd-iser ge-
gen ihren Ehegatten ausgestoßen-en BeWuLdikmn-
gen mit der Angabe zu entkräften, daß R. ein ganz
raffinierter Gefells sei. der vorher ßbon erklärt
Labe. er. würde bei der Gerichtsverhandlung wie-
der amanaen zu stottern, er wisse, wie man sich
vor Gericht verhalten müsse, da er es schon mehr-
fach kennen gelernt Labe. Nachdem die Beweis-
aufnahme geschlossen war. wurden die medizini-
schen -Sachverständigen über die ZurechmungsfäLtg-
kert der Angeklagten Mahrenholz und Rüdiger
vernommen. Der Gefängnisarzt der den Mahren-
holz längere Zeit su beobachten Gelegenheit ge-
habt bat. kommt am Grund seines längeren Gut-
-acktens zu dem Schluß, daß es iick bei M. Lim
einen minderwertigen, sog. Psychopathen bandle,
der »war Dämmerzustände gehabt habe und- auf
äußere Einflüsse sehr leickt reagiere, bei dem aber
eins -Ausschließung der Willensfreiheit nicht in
irraae käme. Auch bei dem Angeklagten Rüdiger
liegen nack- der Ansicht eines zweiten Sackoeüstän-
disen v-erschstdene psyckopatWe Merkmale vor,
wie allgemeine Herabsetzung der Schmerzemvfin-
dung. nervöses Kdvfs-chütteln und Stottern, jedoch
auch nickt in einer Wist, daß der straffausMe-
tzenos r, 5-1 in Frage käme. Der Staatsan-
walt Dr. Leeffer weist in seiner Anklasswde
das Hauvtmaß der Schuld dem Angeklagten: Rü-
diger »u. Sowohl dem Mahrenholz sei sein Ein-
fluß verhängnisvoll geworden, als auch habe er
Len Angeklagten W-E verfuhrt, was allerdings
hei dessen Leichtsinn nickt schwer gewesen sein-
wird. Er hält den R. Mr den aesLürlicksten Ver-
brecher und beantragt eine erheblicke Zuchthaus-
strafe a«gen diesen. Auch gegen Wolf bittet er
die volle Schärf« des Gesetzes walten su lassen und
auch von den üblichen Ebrenstraffen nickt abzu-
seben. Was die Kehler betrifft, so feien am we-
nigsten beteiligt die Schmerling und die Fen. die
durch die schleckte Gesellschaft verführt worden
seien! und diesem Einfluß schon Hack ihrem ganzen
Vorleben keine genügende Widerstandskraft hät-
ten entgegensetzen können. Er hätte nichts dage-
gen etnzuwMden. wenn bei deren Strass Lis Un-
tersuchungshaft abgerechnet werden würde. Bei
den Eheleuten Zuntz läge die Sachlage erheblich
schlimmer, es wäre zu überlegen, ob nickt 8 260
des Str.-G.-B. sgew-erbsmäßme Kehlereif in
Frage käme, am die Zuckabausstraffe stebt. Auf
alle Fälle Littet er von der Anrechnung der llnl-
ter-suckunKSbast bei diesen abzrffeben. Der Vertei-
diger Rechtsanwalt Sckottler entschuldigt den
Angeklagten Wolf mit Leichtsinn und Unbesonnen-
heit. Das Geständnis, das der Angeklagte Zuntz
abselögt Labe, sei durch Lis lange Dauer der Un-
tersuchungshaft zu «klarem Er beantrage in die-
sem Fall« Freisprechung ebenso wie bei dessen Ehe-
frau. di« überhaupt unschuldig sei. La sie -von der
Herkunft der gestohlenen Gegenständ« nichts ge-
wußt Labe. Di-e Leiden Mitangeklagten Mädchen
haben minderwertige Sacken bekommen und seien
schließlich sckon genug gestraft durch Li« lang« Un-
tersuchungshaft. Nack einer kurzen Replik des
Staatsanwaltes, der Len Antrag aus Freiliivreckuna
des Angeklagten Zuntz. obwohl dieser geständig ist.
als ..erstaunlich" bezeichnete, zieht sich das Gericht
zur Urteilsfällung zurück. Nack dem Wiedever-
sch-einen verkündet der Vorsitzende Las Urteil:
. Der Angeklagte Mahrenholz erhält 2 JMre 8
Monate Gefängnis, der Angeklagte Wolf 3 Jahre
Zuchthaus, der -Angeklagte Röd-in er erhält 4
Jahre 6 Monate Zuchthaus. Frieda Schmer-
ling 4 Monate Gefängnis, dis durch dis Unter-
suchungshaft als verbüßt erachtet werden: Elise
Fey 6 Monate Gefängnis abzüglich 5 Monate
Untersuchungshaft. Wilü. Zuntz 18 Monate Ge-
fängnis abzüglich 1 Monat Untersuchungshaft,
dessen Ehefrau Betty Zuntz ebenfalls 10 Mo-
nate Gefängnis abzüglich 3 Monate Untersuch-
ungshaft.
-—. i , .
Letzte Drahtherrchte
Hintzes Besuch in Wien
Wien, 6. Sept. Bei der Erörterung der amt-
lichen Mitteilung über die vom Staatssekretär
p. Hintz« in Wien gepflogenen Besprechungen
betonen die Blätter, daß daraus die überaus wich-
tige Tatsache hervorgehe. Laß die Besprechungen
über die polnische Frage ununterbrochen
fortgesetzt werde» sollen, und daß die An-
sprache des Staatssekretärs an die Pressevertreter
den Geist wahrer und echter Freundschaft atme,
sodaß man die Ueberzeugrms gewinnen könne, daß
der neue deutsche Staatssekretär des Auswärtigen
Amts ttss durchdrungen sei von der Usberzeugung
Laß der Bund der Mittelmächte ein ka-
tegorisches Imperativ bedeute. Alle,
die die Worte des deutschen Staatssekretärs ge-
hört hätten, hätten die Empfindung, daß ein wah-
rer und wirklicher Freund der Monarchie gespro-
chen habe, der den Ausbau und die Vertiefung des
Bündnisses für eine seiner oberste:: Ausgaben

hält. — Der Neuen Freien Presse zufolge halt«
der König von Bulgarien bei seiner letz»
ten Anwesenheit in Wien, auch Besprechun-
gen -mit dem Staatssekretär v. Hintze und dem
Minister des Aeußern Grafen Bur: an.
General Friedrich
Berlin, 6. Sept. Generalmajor Friedrich,
der Verwaltungsdirektor im Preußischen Kriegs-
ministerium, ist heute morgen an einen: Herzschlag
gestorben. In ihm verliert das Kriegsmini-
stsrtum einen außerordentlich tüchtigen und er-
probten Mitarbeiter, der gerade während des
Krieges erfolgreiche Arbeit geleistet hat. Fried-
rich gehörte der Pionierwaffe an und hatte beson-
ders das Festungsbau- und Bahn-wesen studiert,-
zu diesen: Zweck auch Reisen nach Amerika ge-
macht. 1907 befehligte er das Eisenbahnbataillon
der Schutztruppe für Deutsch-SüdwestLsrdka und
nahm a» -der Niederwerfung des Herero auf-
stand es teil, leitete den Pievbau in Stvakop-
mund und baute die Bahn Lüderitz-Keet-manns-
hoop. Dann wurde er in: Kriegsministerium Chef
der Abteilung für Eisenbahn- und Kraftsahr-
wesen, später Inspektor der 1. Inspektion der
Telegraphentruppe. Im Kriege bearbeitete er
das Kriegsgefangenen wesen und leitet«
die in der Schweiz und in Holland stattftndenden
Verhandlungen mit Frankreich und England über
den Austausch der Kriegsgefangenen.
Das Zustandekommen Lieser Verhandlungen, für
di« er alle notwendigen Eigenschaften mitbrachte,
ist wesentlich sein Verdienst, das u. a. durch die
Verleihung der Eh r e n d o kt orat s der Uni-
versität Freiburg geehrt wurde.
Der Bat in Versailles
Rotterdam. 6. Sevt. Die Times meldet: Der
neue Rat der Verbündeten in Versailles ist auf
20. Oktober und die folgende» Tage angesetzl
worden. Bis Ladin erhofft man entick-idende mi-
litärische Ereignisse als vorliegend.
Bahnen im Baltenlande
Kowno. 6. Sevt. In umfassender Weist wird
nack Abschluß der erforderlichen Vorarbeiten vom
kommenden Frühjahr an daran gegangen. Kur-
land und Litauen durch Babnb^autest
wirtschaftlich zu erschließen. Di« fol-
genden. bisher eingeleisigen Bahnen werden,
zweiaeleifig ausgebaut werden: Sckckrk
len—Mit au. Radstowi-l ischki -Illowko—Kalkubn «w
und Mara—Mir au. Gänzlich neu werden folgende
einaeleinnen Strecken gebaut: Kagekoit—Mava-
jLwo—Stenden—Domesnaes. -Memel—Telsche--
Schau-lem Altautz—Neuenburg—Tuckum. Telsche-—
KellinianÄ—Deteki oder Lesnowo und Kastnvot-
Gokdingen—Wabnen—Tuckum.

Stuttgart, 7. Sept, Bom Kaiser ist dein
Generalleutnant v. Fritsch. Kommandeur der
27. Reserve-Division, die sich in den letzten Käm-
pfen besonders auszeichnete und deren Taten
mehrfach in den Tagesberichten der Obersten Hee-
resleitung rühmend ermähnt wurden, der Orden
Pour le Merite verliehen worden.
Kottbus, 7. Sept. Zwei Mrlitärpersonen, di«
hier in Garnison stehen, verbreitetem in verschie-
denen Städten unter der Hand die Nachricht, daj>
hier in Kottbus noch ein großer Posten
sSohlenkernleder im Werte von 2100N-
Mark zu haben sei. Durch Helfershelfer wurM
di« Firma ermittelt, die den Kauf chbschliehsss
wollte. Die Firma sandte «inen Beauftraget
mit 210 000 Mark hierher. In einem hiesige».
Hotelzimmer in der Näh« des StaatsbahnhoM/
kam auf Grund eines vorgelegten Frachtbriefes-
auch tatsächlich der Kauf zum Abschluß. Di« Be-
teiligten, darunter eine Schauspielerin aus Ber»
lin-AWmersdorf, die den Kauf vermittelt hatte,
waren gerade dabei, das leicht erworbene GeLL
unter sich zu verteilen, als rechtzeitig di« Polizei
im Mmm-er erschien und di« Beteiligten festnatzN«
Inzwischen stellte es sich heraus, daß das L»Her
Mr nicht vorhanden war und der Frachtbrief in
geradezu genialer Weise gefälscht war.
Basel, 7. Sept. Gegen zwei Nhrens-cckManteei
im Kanton Neuenburg ist ein -milrtärgerichtlichAk
Verfahren eingeleitet worden, weil sie entgegen
den Vorschriften, einen auf Schweizer Gebiet ver-
irrten französischen Flieger nach Frankreich ent-
weichen ließen.

Kurze Nachrichten
* Staatssekretär von Hintze ist gestern vo«
Wien nach Berlin zurückgekehrt.
* Oberleutnant Voelcke vom Grenadier-Regst
ment Nr. 89. durch dessen tatkräftiges Eingreifen,
wie der Heeresbericht vom Mittwoch meldete, eiE
Angriff der Amerikaner auf Bazoches zum Schest
tern gebracht wurde, ist ein Bruder des vM
storbenen MegerhauptmatM Boelcke. Er stehl
im 24. Lebensjahre.
* Der Hetman der Ukraine ist in Cassel ein»
getroffen und bat ssck auf Wilbelmshö-be zur Au-
dienz beim Kaiser begeben.
* Die Herren in Frankreich. Laut dem Temvs
ist das Blatt ..Keur e" auf Ansuchen des am«»
riÄanisscken Hauptquartiers aüf 2k
Stunden verboten worden, l!)
..... !
Wasserstände am 7. Septbr. 1918!
Heidelberg: 0,97 m, Heilbronn: 0,25 m und in
Neckarsteinach: 0,53 m
WittkMOhcBllWUell derWrlß. AitW

Am 7. September 1918, morgens 7 Uhr.

Wärme-
Graoe
n. Cels.
niederst. höchster
D ärmegrad
seit gestern
Wind-
richtung
Himmel
Luftdr.
mm
-i- 11,6
-f- 11,1
4- 20,1


——

Niederschlag
Mittelwerte von gestern:
Temperatur
Dnnjtdruck
Relative Feuchtigkeit
Verantwortlich für den gesamten Texttkk
^Kurr Fischer
für den Anzeigenteil Hermann Beyert?
Rotationsdruck und Verlag
ThBSÄSx Berkenbusch, sämtl. in HeidelbE

3,4 mm
15,6
— mm
 
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