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Heidelberger Zeitung (60) — 1918 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.55371#0477

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Nr. 234 " - Heidelberger Zeitung

Montag, den Oktober 1918

Fernsprecher Nr. 82 und 182 Seite 3

deutungs vollen Schritte einverstanden ist. erkläre
ich.
daß wir das Friedensanaebot billigen
und uns zu eigen machen. (Lebb. Zustimmung.^ Ich
Glaube annehmen su dürfen, datz die Fraktio -
n e n nunmehr zunächst das Bedürfnis baden, sich
in einem Meinungsaustausch über die Rede des
Kanzlers selbst zu besprechen. Ick schlage Mn en
deshalb vor. sich zu vertagen und den Präsiden-
ten zu ermächtigen, die nächste Sitzuna bald ein-
suberufen. nachdem diese Beratungen beendet sein
werden.
Ab". Haase lUnabb. Soz.s: Namens meiner
Fraktion widerspreche ich dem Vorschläge des Prä-
-wenten und beantrage, die Diskussion über dis
Rede des Reichskanzlers zu eröffnen und dafür eiüe
«Atzung auf Montag anzuberaumen. Das
Waffenstillsta nd s angebot und das Er-
iuchen um die Einleitung sofortiger F rie-
be nsverbandlungen sind von welthisto-
Vischer Bedeutung. Diese Vorgänge recht-
fertigen unsere Haltung, wie wir sie von Anfang
an eingenommen haben. Aufgabe der Volksver-
tretung M es in diesem welthistorischen Augenblick,
wo. bas.alte System abdanken muh. und die Sou-
Aronttät des Volkes an seine Stelle tritt.
lllrMdent Fehrenbackl: Diese Ausführungen ge-
ben über den Rahmen der Geschäftsordnung b'in-
stürmische Rufe bei den Unäbb. Soz.: Nein!?
Haas« fortfahrend: Ick komme sofort aus
bas Moment, das den Zusammenhang erläutert:
-'M ledem Hause, in jeder Hütte werden die sckick-
.«alsMweren Entscheidungen, die jetzt bevor,stehen,
erörtert aber dem Reichstage soll dieses Recht nicht
Mneben. Ein solches Verfahren dient nicht dem
M ter esse des Volkes und der Freiheit. Wir setzen
bnser Vertrauen zur Erringung des Friedens und
^r Freiheit in die Masse des Volkes.
Abg. Seyda sPoles: Wir widersorecken ebenfalls
der Wertraaung und beantragen, sofort die Diskus-
»on über die Rede des Reichskanzlers zu eröffnen.
Wenn das Friedensvrogramm des Präsidenten
Gilson als eine geeignete Grundlage für Fricdens-
berbandlungen von uns angenommen wird, so ist
das eine Auffassung von welthistorischer Tragweite,
Iddah unmöglich der Reichstag jetzt darüber bin-
wegaehen kann. M diesem Friedensvrogramm Le-
ündet sich auch
ein «nabbängiger volnikcker Staat.
, der alle polnischen Länder mit einer
er gen en Meeresküste umfaßt. Mit ihrer
Zustimmung hierzu erkennt die Regierung an. daß
die Bestrebungen der Polen auf einen unabbüngi-
»en. Staat in diesem Umfange berechtigt sind. (Der
Präsident rüst auch diefe Ausführungen als nicht
bkebr geschäitso rdn ungsmähig. l Abg. Seyda
rortsabvsnid: AMeitia wird das Bedürfnis nach
ernenr dauernden Frieden empfunden: der Reichs-
tag muh seine Aufgabe darin sehen, unverzüglich
'eine Bedingungen Mr einen dauernden Frieden
llamzuleaen.
Abg. Ebert tSsz.1: Aufgabe des Reichstags ist
es- alles zu tun. was die Förderung des Friedens
eriordsrt. Wir halben durch den Präsidenten zum
»Ausdmuk bringen lassen, dah wir dem Friedens-
'z»» " ^Er neuen Regierung unsere Zustimmung se-
oen. Die Aufmerksamkeit der ganzen Welt wird
gerichtet sein, welches Ergebnis dieser
schritt haben wird, und wir dürfen nichts tun.
geeignet M. diesen Schritt zu gefährden. Der
Präsident will nur Mr einige Tage die Menaroer-
vandlungKw Ersetzen, um zu sehen, welche Wirkun-
gen der Friedensschritt auslösen wird, und ich bin
rest überzeugt: Draußen im Volke wird jeder Ein-
zelne verstehen, dah es gerade im Interessedes
walkes gelegen ist. io zu verfahren. (Stürmische
-NUstammANgZ
Dor Vorschlag des Präsidenten wird gegen die
-- der Polen und der Unabhängigen So-
mMdeingkraten angenommen. Schluß der Sitz-
ung 6 Uhr.
Der Kaiser an Heer und
Marine
. „MTB. Berlin. 5. Okt. (Amtlich., Seine Mäje-
! der Kaiser bat nachstehenden E r l ah an
vas deutsche Heer und die deutsche Marine gerichtet:
An das deutsche Heer und die deutsche Marine!
Seit Monaten stürmt der Feind unter gewaltiger
Kraftanstrengung ohne Kampfpause gegen Euere
' ^«ien an. In wochenlangem Ringen, vielfach ohne
Ruhe, müht Ihr ausharrsn und dem an Zahl weit
Aberlesenen Feinde die Stirn bieten. Darin liegt
vie Gröhe der Aufgabe, die Euch gestellt M und die
Abr erfüllt. Truppen aller deutschen Stämme tun
Mre Schuldigkeit und verteidigen auf fremdem Bo-
D»n heldenhaft das Vaterland. Hart ist der Stand
Weiner Flotte, um sich den vereinten feindlichen
beestreitkräften gegenüber zur Geltung zu bringen
Und in unermüdlicher Arbeit «die Armee in ihrem
Ameren Kampf zu unterstützen. Mit Stolz und
Bewunderung sind die Augen der Heimat auf die
-raten des Heeres und der Marine gerichtet. Ich
sage Euch meinen und des Vaterlandes Dank.
> Mitten in das schwerste Ringen fällt der Zu-
sammenbruch der mazedonischen Front.
,, a«re Front ist ungebrochen und soll es
"arter bleiben.
-sch habe mich im Einvernehmen mit unseren
erblindeten entschlossen, dem Feinde nochmals de«
-riehen anzubieten. Doch nur zu einem
'*brenyolle>l Frieden werden wir die Hand
E«chen. Das schulden wir den Helden, die ihr Le-
Etz für das Vaterland gelassen haben, das schulden
'r unseren Kindern. Ob die Waffen ruhen wer«
E"- sieht noch dahin.
«is dahin dürfen wir nicht erlahmen. Wir müs-
>Eu, wie bisher, alle Kräfte daran setzen, unermüd-
'ch dem Ansturm des Feindes stand zu halten. Di«
unbr ist ernst, aber wir fühlen uns, im Vertrauen
m unsere Kraft und Gottes gnädige Hilfe, stark
a«g, unsere geliebte Heimat zu verteidigen.
f.^Die englischen Verluste. Nach englischen Blät-
die Verluste der Engländer von Avril
^lle» N SSL Offizier« und 327 4kg Mann-

Prinz Max vor dem Reichstag
Eine Sitzung, umgeben van hoher Feierlichkeit
und erfüllt von tiefem Ernst. Der neue Reichs-
kanzler, der erste, dessen Regierung auf das Engste
mit der Volksvertretung verknüpft ist. tritt »vor
die Oeffentlichkeit und entwickelt sein Programm.
In schlichter, kräftiger Haltung steht er, dem man
den Militär sofort ansteht, diesmal aber im Geh-
rock, auf der Regierungstribüne, umgeben von
den Männern, die seine nächsten Berater'sein sol-
len. In den Worten, die er nach der schriftlichen
Fassung vorträgt, liegt zunächst nichts lieber-
raschendes. Er hobt die grundlegende Umgestal-
tung hervor, deren Vollzieher er im ISinne des
Kaiserlichen Erlasses geworden ick und er hebt die
Tatsache besonders hervor, daß diese Umgestaltung
von Dauer sein wird. Es handelt sich nicht um
eine vorübergehende Neuordnung, sondern das
Volk soll von jetzt ab der entscheidende Träger
seines Schicksals sei-n. Aber Prinz Mar greift doch
über den Rahmen der reinen varlamentarischon
Regierung hinaus. Solange Deutschland von der
Gefahr des Krieges umbrandet ist. erbittet er sich
auch die Mitarbeit -derjenigen, die augenblicklich
als Partei beiseite stehen. Die innerpolitischen
Pregrammbrennpunkte. zu denen sich Prinz Mar
äußerte, sind schon vorher der Oeffentlichkeit be-
kannt geworden. Auf diesem Gebiet ist heute
die politische Fehde erloschen. Nirgends erhebt sich
Widerspruch, als er die rasche Durchführung der
preußischen Wahlreform fordert, und als er sie
als eine wichtige deutsche Frage bezeichnet. So hat
man überall, während noch von der inneren Poli-
tik die Rede ist, das Gefühl, daß das Wichtigste
noch aussteht und daß alles andere nur dieGrund-
lase ist, auf der sich die entscheidende Regierungs-
handlung aufbauen soll.
Auf das Wichtigste kommt Prinz Mar von Ba-
den im zweiten Teil seiner Rede. Es betrifft dis
Haltung, die die Regierung in den Fräsen der
Kriegspolitik einnimmt und die Handlun-
gen, die daraus entspringen. Der Reichskanzler
betont, daß wir volle? Zuversicht auf unsere mili-
tärische Lase blicken können. Die Front ist unge-
brochen und deshalb können wir mit voller Ruhe
in dis Zukunft sehen. Im Gefühl dieser Zuversicht,
iso erklärt der Kanzler, hat er de-n Schritt unter-
nommen. der zu einer Beendigung des blutigen
Ringens führen soll. Präsident Wilson weiß, daß
die deutsche Regierung bereit ist, mit ihren Geg-
nern auf der Grundlage zu verhandeln, die sie für
ihre auswärtige Politik aufgestellt hat. Er hat
es in der Hand, nunmehr den Beweis zu erbrin-
gen, ob seins Lehren vom Völkerbund Irlich ge-
meint sind. Denn nur unter der Voraussetzung
voller Ehrlichkeit auf allen Seiten kann von ei-
ner Verwirklichung der Friedc-nsgedanken die
Rede sein, dis der Präsident der Vereinigten
Staaten immer wieder entwickelt hat.
Was Prinz Max über diesen seinen Friedens-
schritt vortrug, wird dis Oeffentlichkeit nicht un-
vorbereitet treffen. Denn es ist selbstverständlich,
daß ein Rsgierungsprosramim, wie es von den
drei Mchrheitsvarteien zunächst ousgearbeitet
worden ist, zugleich auch ein Aktionsprogramm
darstellt, nach den, gehandelt werden soll. In den
Blättern, die den Mehrheitsparteien nabe stehen,
hat es denn auch an Andeutungen nicht gefehlt,
daß die Regierung ihr Amt mit dem Versuch er-
öffnen werde, den Frieden herbeizuführen. Schon
ehe der Reichstag zchümimentvat, M der Schritt
unternommen worden. Das deutsche Volk wird
der vollendeten Tatsache gegenüber, dieselbe Hal-
tung einnehmen, die Prinz Mar als die seine be-
zeichnet hat. Es wird mit ruhigsm Gewis -
sen aüwarten, wie die Antwort unserer
Feinde ausfällt. Mag auch sein Wunsch nach Frie-
den groß sein, so werden die Erfahrungen des
Weltkrieges es doch vor voreiligen Hoffnungen be-
wahren, deren Folgen bittere Enttäuschung sein
könnte.
Die nationalliberale Fraktion ist
sich ihrer Verantwortung vollauf bewußt gewe-
sen. als sie sich bereit erklärte, an der Regierung
teölzunehmen und auf den Boden ihres Pro-
gramms zu treten. Sie hat nichts zurückzuneh-
msn, wenn sie in einer veränderten weltpolitischen
Lage dazu beiträgt, die Einheit und Geschlossen-
heit des deutschen Volkes nach außen so stark wie
möglich zu gestalten. Wir alle wissen, daß wir
starken Herzens und aufrechtem Hau fi-
tes.durch die ernsten Entscheidungsstunden schrei-
ten müssen, dis vor uns liegen. Wenn national-
liberale Führer dabei mit dis Hand am Resie-
rungssteuer haben, so können wir sicher sein, daß
ihre Politik von dem Geiste geleitet sein wird, der
die Partei stets beseelt hat. Wir wissen zur
Stunde noch nicht, ob der Feind die abermals
dargebotene Hand der Mittelmächte ergreift, oder
ob er sie zurückstößt. Sollte es abermals zu einer
Abweisung kommen, sv wissen wir, daß es sich für
uns darum handelt, für unsere Existenz als Voft
den Kampf auf Leben und Tod aufzunsh-
men.
Der neue Reichskanzler hat sicher lallen
Deutschen aus dem Herzen gespro-
che n, als er angesichts dieser Möglichkeit auf die
ungebrochene Kraft des deutschen Volkes
hlnwies. als er hervorhob. daß das deutsche Volk
rm Bewußtsein seines Existenzkampfes die Kräfte
die rn ihm ruhen, noch zu verdoppeln vermag
Diese ungebrochene Kraft, die auch unsere Front
beseelt und ihre Stärke zu unerschütterlichem Wi-
derstand verleiht, werden unsere Feinde kennen
lernen, wenn sie verblendet genug Mn sollten
mit unserer Ehre und unserer Zukunft zu spielen'
Die Regierung wird den gesamten Volks-
willen hinter sich haben, wenn sie ein et-
waiges Nein unserer Gegner mit der Aufforde-
rung zur erneuten Aufbietung aller Kräfte beant-
wortet. Um die Einheit dieses Willens zu stärken
und zu kräftigen, ist die nationallibevake Reichs-
tagsfraktion in die Regierung eingetretsn. Sie
wird es auch nicht daran fehlen lassen, den Volks-
willen zu neuer Kraft zu entflammen und ihn Mr
das letzte Ringen zu stählen, wenn unsere Feinde
den Kämpf auf Leben und Tod haben wollen!.
Besprechungen beim Kanzler
Laut Berliner Tageblatt fand am Sonntajg nach-
mittag eine Besprechung des Reichskanzlers mit
sämtlichen Staatssekretären im Reichskanzler»
Valais statt. Me Verhandlungen waren ver-
traulicher Art. __ _y. .
* Cambrai in Flamme«, Die Stadt Ca mbr ai
liegt unter dauerndem schweren enal kicke«
Feuer und brennt.

Der neue Kurs
Die Staatssekretäre
Der Kaiser richtete wie der Reibsanzeiger
meldet, folgenden Erlaß.an den Reichskanzler: „In
Erweiterung meines Erlasses vom 27. Avril 1889
bestimme ich. daß sämtliche Staatssekre-
täre für die Dauer ihres Amtes das Prädikat
Exzellenz führen sollen."

Dr. Solf
Dx. Solf, der neue Staatssekretär des Aus-
wärtigen Amtes, ist am 5. Oktober 1862 in Ber-
lin geboren, feierte also am Sämstaa seinem 66.
Geburtstag. Solf studierte zunächst im seiner Va-
terstadt und in Kiel Sanskrit und Sprachver-
gleichung, bezog sodann das Seminar für orien-
talische Sprachen und absolvierte endlich in Jena
die juristischen Semester, die für den künftigen ko-
lonialen Dienst nötig waren. Nach einem Stu-
dienaufenthalt in Indien trat er als Assessor in
die damalige Kolonialabteilung des Auswärtigen
Amtes ein, wurde 1898 kaiserlicher Richter im Dar-
es-Slllam und ging 1899 als Gouverneur nach
Samoa, wo er nahezu ein Dutzend Jahre wirkte,
worauf er als Staatssekretär des Reichskolonial-
amts in die Heimat zurückberufen wurde.

Matthias Erzberger

Als der Zentrumsabgeordnet« Matthias Erz-
berger Zum ersten Male im Jahre 1963 vom
würtrembergifchen Wahlkreis Biberach - Waldsee-
Leutkirch - Wangen in den Reichstag entsandt
wurde, hatte er zu jener Zeit eben das Alter er-
langt, das für das passive 'Wahlrecht erforderlich
ist; er zählte 27 Jahre, als er in das Haus der
Volksvertreter einzog, und mußt« es sich damals
gefallen lassen, daß man ihn, den jüngstenAbgeord-

netenj lächelnd „das Babu" nannte. Aber
Matthias Erzberger verstand es bald, zu beweisen
baß er ernst zu nehmen sei. Mit einer Energie,
die selbst seine politischen Gegner niemals ge-
leugnet, hat er sich in die verschiedensten Materien
eingearbeitet, und zunächst auf dem Gebiet« der
kolonialen Politik, die damals sein „Steckenpferd"
war, seine ersten Erfolgs erzielt. Mährend des
Krieges stets für eine Verständigung tätig, war
er neben Scheidemann derjenige, auf dessen Be-
treiben zur Hauptsache die Friedensentschlreßun,
des Reichstages vom 19. Juli 1917 zustande kam.
Matthias Erzberger ist. als Sohn eines Ge-
meindepflegers, am 20. September 1878 zu Bat-
tenhausen in Württemberg geboren. Nach dem
Besuch des Lehrerseminars zu Saulgau studierte
er an der Universität Freiburg in der Schwei,
Nationalökonomie und Staatsrecht, ohne jedoch
diese Studien zu vollenden. Er war vielmehr dar-
nach eine kurße Kit Volksschullehrer und vom
^ahre 1896 ab bis 1903 Redakteur des .Stuttgar-
ter Tageblatts". Auch sonst ist er schriftstellerisch
sehr fruchtbar gewesen. Neben Musangreichsr
journalistischer Tätigkeit veröffentlichte er eine
Reihe von Abhandlungen und Broschüren, von de-
nen die Schrift „Der Völkerbund der Weg zum
Weltfrieden" di« jüngste ist.

Das Reichsarbeitsamt
Die nächste Nummer des Reichsgesetzblattes wird
folgenden kaiserlichen Erlaß enthalten:
„Auf Ihren Vortrag bestimme ich. daß die sozial-
politischen Angelegenheiten des Reiches, die bisher
zum Geschäftskreis des Reichswirtschaftsamtes ge-
hört haben, fortan von einer besonderen, dem
Reichskanzler unmittelbar unterstellten Zentralbe-
hörde unter dem Namen Reichsarbeitsamt
bearbeitet werden. Dis aus diesem Anlaß erfor-
derliche Verteilung der Geschäfte des Reichswirt-
schMsamtes buben Sie vor-zunehmeN.
Wilhelm I. U."
Großes Sauptauartier. 4. Okt.
An den Reichskanzler. Mar Prinz von Baden.
Rücktritt des Chefs der Reichskanzlei
Wie di« Nordd. Allgem. Zeitung erfährt, hat der
Tbef der Reichskanzlei. Unterstaatssekretär v. Ra-
dowitz. die Absicht, aus seinem jetzigen Amte
auszu sch erden. Auf Wunsch des Reichskanz-
lers führt er indes feine Dienstaeschäft- weiter, bis
sein Nachfolger bestimmt worden ist

Eine politische Amnestie
Der „Vorwärts" kündigt eine Amnestie derje-
nigen an, die während des Krieges wegen ihrer
politischen Ueberzeugung zu Frei-
heitsstrafen verurteilt worben sind.
Depeschenwechsel zwischen Prinz
Max und Grotzherzog Friedrich
von Baden
Der Großbevzog von. Baben hat am Freitag vom
Primen Mar folgendes Telegramm erhalten:
„In diesem Augenblick, in dem Seine Majestät
der Kaiser mit Deiner Zustimmung mich zum Kanz-
ler des Deutschen Reiches ernannt bat. ist mein
ganzes Denken und Fühlen bei Dir und bei unserer
geliebten Heimat. Wie Du es begriffen hasst, daß
in der Stunde der Not kein Opfer gescheut werben
darf, das Kaiser und Reich von uns fordern, io
wird — ick bin es gewiß —. auch das badische Land
es verstehen, da ßich dem Rufe, der an mich ergan-
gen isst, habe folgen müssen in der Erkenntnis, daß
nur öin Zusammenstehen aller, eine freiwillige
Hingabe an das ganze Deutschland, zu Leiseren Ta-
gen zu führen vermögen. So bin ich gewillt, mein
Bestes eimussetzen Mr dieses Hobe Ziel, diene ich
dock dadurch auch Dir und dem badischen Lande und
Volk, an denen mein Herz in treuer Liebe hängt."
Der Grotzherzog erwiderte hierauf ebenfalls
in einem Telegramm, in dem er zunächst dem Prin-
zen den herzlichsten Dank für seine warme vater-
ländische Empfindung aussprickit. die ihn Lei seinem
Entschlüsse geleitet bat. Weiter heibt es: „Datz
Du in dieser ernsten Schicksalsstunde das wichtige
Amt übernimmst, ist ein Opfer, das von mir und
meinem Lande in seiner ganzen Größe bewertet
wird. Schwer isst das Opfer das auch ich bringe,
aber es mar uuabweislicke Pflicht im Interesse des
Ganzen. Ick bin überzeugt, daß der Geist, in dem
Du Dick der neuen großen Aufgabe widmest, die
beste Güwäbr bietet Mr deren kraftvoll« und erfolg-
rctcke Durchführung zum Wohle und Mr eine ge-
sickerte Zukunft unseres Reiches und damit auch un-
serer badischen Heimat. Gottes reichster Segen be-
gleite Dick! Das ist der innig« Wunsch, den ick
Md mein Land Dir mit auf den Ms» gebens"

Artikel 9
München, 6. Oktober. Die Korrespondenz Ho.'
mann meldet amtlich: Berliner Blätter brachten
di« Nachricht von einer bayerischen Aktion oder
einem bayerischen Einspruch gegen die Aufhebung
des Artikels 9, Satz 2 der Reichsversassuns. Dies»
Nachricht ist unrichtig. Die bayerische Regie-,
rung hat in dieser Hinsicht einen formellen Schritt
nicht unternommen. Die Angelegenheit ist im
Bundesrat überhaupt noch nicht besprochen wov,
den. Die jetzt in Aussicht genommene Lösung be-
ruht auf einer Vereinbarung, die der neue Reichs-
kanzler selbst im Verlaufe der Verhandlungen
über di« Neubildung der Regierung mit den
Parteien getroffen hat. Die Vorschläge hierfür
sind von dem zuständigen Reichsamt aus»
gearbeitet.
Die Sowjetregierung und die
Brest-Litowsker Verträge
Der Vorwärts veröffentlicht den Text ein»:i,
Note, die die russische Sowjetrsgierung an di»
Türkei übersandt hat Die Note zählt die Fäll,
angeblichen Bruchs der Verträge von Brest-
Litowssk von feiten der Türkei auf, die ihre Krö-
nung fänden in der Expedition gegen
Baku und schreibt:
„Die ottomanische Regierung hat sechs Monat,
lang unausgesetzt den Vertrag von Brest-Litowsl
trotz aller Proteste der Sowjetregierung verletzt,
und jetzt endlich ihre Taten gekrönt, indem sie eine
der wichtigsten Städte der russischen Republik
eingenommen und in ein« schreckliche Ruine vor.
wandelt hat. Dadurch hat di« ottomanische Re-
gierung gezeigt, daß der Vertrag von Brest.
Litowsk, der zwischen der Türkei und Rußland
geschlossen wurde, nicht mehr in Kraft ist
Die Regierung der russischen sozialistischen födera-
tiven Republik ist gezwungen, sestzusstellen, .daß in-
folge der Handlungen der ottomanischen Regis,
rung der Vertrag von Brest-Litowsk. der zwilchen
Rußland und der Türkei friedliche Beziehungen
Herstellen sollte, null und nichtig ist.
Tschitscherin."
Der Vorwärts veröffentlicht hierzu weiter ei-
nen Artikel Karl Radeks in der Iswestja von,
1. Oktober der deutlich zeigt, daß man auch vo-u
Deutschland di-e Aufhebung des Bre-
ster Friedens erwarte. In dem Artikel heißt,
es;
„Schweigend zeigt Rußland dem deutschen Voll
seine Wunden. Jetzt, wo das deutsche Volk
schwer« Prüfungen erlebt, gibt es auch im Herzen!
des russischen Volkes keine Freud e. Das rus,
fische arbeitende Volk ersehnt keinen Sieg
der amerikanischen und Londoney
Börse. Es spürt jetzt an seinem eigenen Leib»
was die Befreiungsziele des „anslo-franMischen
Imperialismus" bäeuten. Das russische Volt
hat mit dem deutschen Imperialismus keinen
Verständigungsfrieden schließen können, dieser hak
ihm vielmehr einen harten Machtfrieder
ausgezwungen. Dieses spiegelt im gegenwärtige!,
Mmaent buchstäblich unsere Empfindung wieder;
Wir zeigen schweigend unsere Wunden und neh-
men an, daß der Schritt, der Mr Deutschland
selbst vorteilhaft wäre, von ihnen selbst auch un-
ternommen werden wird",
Wilsons fünf Punkte
Der „Herald" meldet Ms Newport, der Se
nats ausschuß hübe einstimmig die neuen
fünf Punkte Wilsons als geeignet zu je-
der Art von Friehens-esprechungei»
erklärt.
Die Stimmung an der New Yorker Börfg
Rotterdam, 6. Okt. Nach dein Nieuwe Rotter»
dänischen Courant erfährt „Daily Telegraph" aus,
New-york, datz in der Hoffnung auf einen baldig«!,
Frieden dis Fr i ed ensp api er e rasch stei-
gen und die Krieaswerte allgemein sinken. Ai,
der Newporter Börse werden Wetten darüber ab«
geschlossen, datz der Krieg vor Weihnachten zu End«
sein wird.
Der Washingtoner Berichterstatter der Neiwyork
World Hält es Mr ratsam, einen Aufruf zu erlassen
in dem die Bevölkerung davor gewarnt wird,
sich auf ein rasches Ende des Krieges
Grey über Wilsors
Grey wird am Donners.
London in öffentlicher Versammlung
über Wilsons Vö lkerpolitik sprehe>
Dios wird sein erstes offizielles Auftreten i-t,
seinem Rücktritt im Jahr« 1916 sein.
Schlaganfall Lloyd Georges?
Nach einer Meldung eines Wiener Mattos soll
Premierminister LloydEeorge einen Schlag
an fall erlitten haben. Offiziös wird aus Lon,
don mitgeteUt, datz der Premierminister Mr einig»
Tage unfähig sei, auszugehen.
Oesterreichs innere Neuordnung
In der gestrigen Besprechung des Klubs de
deutschen Sozialdemokraten wurde ei>
Entschließung gefaßt, in der die Vertreter de,
deutschen Arbeiterschaft das Selb st Lest im
mungsrecht der slawischen und romann
schen Nationen in Oesterreich anerkennen uu»
dasselbe auch Mr das deutsch« Volk in- Oester,
reich in Anspruch nehmen. Weiter wird verlangt,
daß alle deutschen Gebiete Oesterreichs
einem deutsch - österreichischen Staa,
vereinigt werden, der seine Beziehungen zu der
anderen Nationen Oesterreichs und zum deutsche!
Reiche nach seinem eigenen Bedürfnis re
geln soll. — Allgemein wird die Hobe Bedeutunt
dioser deutschen Aktion anerkannt. Sie hat auH
auf die tschechischen Parteien Eindruck gq
macht. Wie Abg- Stan ec, über seine Stellung
nähme befragt, bemerkt, fall auch Deutsch - Böw
men in den tschechische« Staat einbegriffen sein
 
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