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Heidelberger Zeitung (60) — 1918 (Juli bis Dezember)

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Seite 2

Heidelberger Zeitung

Sayistag. den 14. Dezember 1918

Fernsprecher Nr. 82 und 182

Nr. 298 '

Kreuze entfernt halten. Ausgenommen von vie-
ler Beschränkung sind die großen Städte, dir an
der Grenze des besetzten Gebiets liegen. Das
deutsche Oberkommando setzt die Kommandanten
der Polizeiiruppen ein, die mit den gegenüber-
siegenden alliierten Militärbehörden
sverkehren. Den Kommandanten der Polizeitruppen
Unterstehen gleichfalls die Sicherheitsgarnisonen
Mer Abschnitte. Die Gesamtbestände der Sicher-
heitsgarnisonen dürfen 10 Bataillone Infanterie
Und 10 Eskadrons Kavallerie nicht übersteigen.
Sie werden von den deutschen Behörden verteilt,
wobei eine Earnisoneinheit zwei Bataillone nicht
Obersteiger, darf. Die Regelung der Eesamtbestände
per Sicherheitsgarnisonsn in der neutralen Zone
wird durch Abmachungen in Trier erfolgen.
Zwecks Durchführung dieser Maßnahme wirs
die neutrale Zone vom Norden nach Süden in
Abschnitte geteilt, deren Grenze die der
Abschnitte der Alliierten bildet. Die Reihenfolge
^er neutralen Abschnitte von Norden nach Süden
ist also folgende: Belgischer, englischer, amerikani-
scher und französischer Garnisonsabschnitt. Die
Kommandanten der alliierten Armeen regeln mit
den gegenüberliegenden deutschen Kommandanten
der Polizeitruppen alle Fragen, insbesondere die
Kontrolle der neutralen Zone und die Truppen-
verstärkungen bei Unruhen. Die Ostgrenze
der neutralen Zone mutz baldmöglichst gemein-
sam von den gegenüberliegenden Kommandanten
der alliierten Armeen und der deutschen Abschuittc
festgesetzt werden. Alle Mitglieder der Polizei-
truppen erhalten besondere Abzeichen

Eisner und Liebknecht
Wie Vie .Fl. Z. Zta." aus Berlin erfährt. Lat der
LayerÄcke Ministerpräsident Eisner, als er in
Berlin bei der Reickskonseren» weilte, auch Lieb-
knecht besucht, da man meinte. daN er vielleicht
nücrenU Einfluß besäße, um den Suartaku steiler
von, beitlosen Unternebmunaen aLurbalten. Eis-
ners Aus ei nanders ekuna. die Mvei Stunden
dauerte, war v er g ebli ch. Zum Mibschicch sagte
Eisn e r: ..Mr schlaat Deutschland in Stücke, wenn
Mure Pläne gelingen!" Und Liebknecht ant-
swortete darauf: .^ekto Lesser!."
Eisuer — das »Schwert der Revolution
Der Mrnistse für soziale Anvelsenheiten be-
zeichnet Eisner als das Schwert ner Revolution
und führt auf Eisner den Sturz aller 22
deutschen Monarchien zurück. In einer Mün-
chener Versammlung erklärte Eisner: 11 Män-Iv-
lein und Weiblsin haben die Revolution gemacht,
aber n!un sollen und müssen alle Rovolutioiäre
werden, um das Werk der neu-n Menschheit zu
vollenden.
Die augenblickliche
Vergesellschaftung unzweckmäßig
und unmöglich
Die Kölnische Zeitung meldet: Das Mitglied
der KommMcm für Sozialisierung, der bisherige
LandtaASckbgeordwete H u e, z. Zt. Beigeordneter
des Handslsministsriunrs, hat in einer Wevsamm-
luna der lfosialdomokratischen Partei im Molloths-
stter den Standpunkt vertreten, daß im gegenwär-
tigen Augenblick sine Vergesellschaftuns der Pro-
suktichrsmittel unzweckmäßig und unmöglich sei, und
-« Hat dabei erklärt, daß diese Auffassung auch die
Allgemein« Auffassung der Mitglieder
-Hy Ksinmttstscion sei

Arbeiter gegen die Sozialisierung

Geh. Kommerzienrat August Bentzke in
Lraudenz hatte seinen ganzen Betrieb zwecks So-
Ä«lBeNlna seiner Arbeit erschuft zur Ver-
fügung ge stellst. Nach einer Meldung der
„Danziger Zöitung" haben nunmehr die Arbei-
ter beschlossen, diese« An gebot abzuleh-
n.e n, weil sie eine herabashende Konjunktur be-
fürchten und es für besser halten, wenn das Unter-
Ndhitten in einer starken Hand bleibt.

MSEEEVEGSElS«» K !
F Ohne Arbeit gelangt man nicht zur Ruhe, ch
R ohne Kampf nicht zum Siege. H
j» Thomas a Kempis v-
«L KK^KKKKLE-DS » KESSELS
PLalanenallee Nr. 14
Roman von vr. P. Meißner.
Nachdruck verboten — Alls Rechte Vorbehalten.
^menksniseLes LopyriZkt 1916 bz- llob. l-utr, 8tuttZart
(57. Fortsetzung.)
Der Präsident gab den Geschworenen die
Rechtsbslshruns und formulierte die SchuMfvage.
Dis Geschworenen zogen sich in ihr Beratungszim-
mer zurück. Es konnte kein Zweifel herrschen, wie
der Mahrspruch lauten würde. Nack wenigen Mi-
nuten betraten die Geschworenen wieder den Saal
-«Nb der Obmann verkündete mit lauter Stimme:
„Die Schuldfrage ist verneint worden."
Unter dem Jubel aller Anwesenden zog sich der
Gerichtshof zurück, um gleich darauf Wieder im
SaM zu erschenien.
Die Glocke des Präsidenten stellte die Ruhe
wieder her und der Vorsitzende begann:
„Herr Looper, ich freue mich, Sie jetzt so nen-
nen zu können und Ihnen die Genugtuung des
Gerichtshofes zum Ausdruck zu bringen,. datz die
zweifellose Beweisführung der Verteidigung Sie
von jedem Verdacht reingewaschen hat. Sie ha-
ben schwer durch hie Untersuchungshaft und durch
-die Verhörs leiden müssen. Lernen Sie verges-
sen! Wir alle sind nur Menschen, und können uns
irren. Danken Sie dein Allmächtigen, datz er
uns einen schweren Irrtum noch xechtzültig hat
erkennen lassem! Der Gerichtshof hat Ihre so-
fortige Freilassung beschlossen und die Kosten der
Staatskasse auferlegt. Treten Sie >aus den
Schranken heraus und reichen Sie mir Ihrs
, Rechte, die Hand eines freien Mannes!"
p DA Präsident hatte mit tiefer, innerer Bs-
Megün^ >.gesprochen. Ein Gorichtsdiener öffnet«
Me Schranken und «Mischen Schrittes ging Ralf
Mm Richtertisch und reicht« dem Präsidenten die
-Hand.
Lilly liefen die Hellen Frsudentränen über di«

Bürger heraus!
Uns wird geschrieben: '
Die Regierung Ebert-Haase mit ihren A.- und
S.-Räten hat sich als unfähig erwiesen, im
deutschen Reiche wieder Rechtszujtünde zu schaf-i
fen, niemand aber bedroht die Früchte der Re-
volution jetzt mehr, als sine schwache tatenlose
unfähige Regierung. Daher mutz jeder, der es mit
der wahren Demokratie ehrlich meint, üNd der
dem ganzen Volt die Mitwirkung an der Re-
gierung sichern will, Abhilfe schaffen. Das kann
nur dadurch geschehen, datz das Bürgertum in
die Regierung eintritt oder eine neue Regierung
aufstellt. Das Bürgertum hat auch ein Recht
hierzu, denn nie und nimmer wäre die Revo-
lution vom 9. November in ihrem bisherigen
Umfang gelückt, wenn nicht die Beamten, die
Handwerter, Offiziere, Kaufleute usw. in treue-
ster Pflichterfüllung, ohne Rücksichtnahme auf ihre
politische Anschauungen sich der neuen Regierung
untergeordnet hätten. Diese Gefolgschaft war in
den ersten Tagen der Revolution durch die Stunde
der Not geboten und zweckmäßig, sie hat aber
auch den Stünden und Berufen ein Anrecht ge-
geben, mitzusprechen, denn nur ihnen verdankt
die Regierung, datz sie noch heute am Ruder ist.
Diese Botmäßigkeit ist aber ein Fehler und
wird zum Verbrechen am deutschen Reich, wenn
sie die Unführigkeit der Regierung weiter unter-
stützt und zusieht, wie das deutsche Reich seinem
Untergang entgegengeht. Es heißt jetzt han-
deln; es ist falsch, sich mit den jeweils gege-
benen Verhältnissen ruhig abzufindsn. Die bür-
gerlichen Parteien müssen es Lei der Regierung
durchsetzen, daß sie gehört werden. Folgende For-
derungen sind daher an die Regierung zu
richten:
1. Unschädlich machen der Reichszersrtzenden
und hochverräterischen Umtriebe der Spartakus-
gruppe und ihrer Führer Liebknecht und Rosa
Luxemburg.
- 2. Bildung eines vorläufigen Volksratss —
statt der rein sozialistischen Volksbeauftragten —
in dem sämtliche Parteien vertreten sind, also
Sozialdemokratie und Bürgertum.
3. Umbildung der A.- und S.-Räte in Volks-
räte, in denen die bürgerlichen Parteien min-
destens gleiche Stimmenzahlen erhalten. »
4. Festsetzung der Wahlen zur deutschen Natio-
nalversammlung spätestens auf den 12. Januar
1919 mit der ausdrücklichen Zusicherung, daß die
Einberufung der deutschen Nationalversammlung
spätestens Anfang Februar erfolgen soll.
Bei Nichterfüllung dieser vorläufigen Forde-
rungen müssen die bürgerlichen Parteien dis Re-
gierung nicht im Unklaren lassen, daß sie dann
gewillt sind, die Erfüllung zu erzwingen. Wenn
in Süddeutschland schon ein Mitwirken der
bürgerlichen Parteien erreicht wurde, so haben
diese Staaten auch ein Anrecht darauf, Lei der
Reichsregierung auf die Anwendung der gleichen
Grundsätze zu bestehen.
Die Reichsregierung hat es noch in der
Hand, einen Bürgerkrieg zu vermeiden, wenn sie
sich entschließt, die berechtigten Forderungen der
großen Mehrheit des Volkes endlich zu erfüllen.
Für die bürgerlichen Parteien aber qilt der Ruf:
Bürger heraus!
M.
Vom letzten Bayernkönig
Aufsehen erregende Mitteilungen macht das
Leivmaier Tageblatt. Es schreibt:
.Wie wir Loren, stellen Verüffentlickun-
gen bsvor — diesmal allerdings nickt von baye-
rischer Seite >—, die dem deutschen Volk die Tat-
sache enthüllen werden daß Widder und wieder,
sogar noch in den letzten Tagen vor -der Revolu-
tion Könia Ludwig von Bayern versucht bat.
gegen das Reich zu ksmsirieren. Nickt nur. daß
die Gerücht« über den Plan eines südwestdeuticken
Rheinbundes sich als rockbr erweisest werden,
noch weiteres ist von diesem schuldbeladenen deut-
schen Fürsten aowstgt worden. In keiner EKevluckt
auf Norddsutsschland toll er es newessen lein, der
den Mut batte, in der Stunde der höchsten Not die
Einbeit des deutschen Volkes zu verraten, um das
Hl. Römische Reich deutscher Nation als ka-

Lbolisch-süddeutickes Reich wieder erstellen zu lallen
und für diese Staatsneugründung den Sonderfrie-
den durch Preisgabe NvrsdcMchlands au erkaufen."
Das verspricht ja sellr erbaulich »u werden!

gur Lage
wird uns aus Berlin geschrieben:
Es erregt in politischen Kreisen einiges Auf-
sehen, daß noch nirgends an amtlichen Stellen die
Rede von Vorbereitungen zur Wahl für die
Preußische National - Versammlung
gewesen ist. Hat man diese ganz uns gar,verges-
sen? Fast möchte es so scheinen, wenn man die
Herren in der Regierung nach den Gründen für
diese seltsame Unterlassung befragt. Sie gestehen
ganz ehrlich, daß sie an die Aufgabe der Wahl-
vorbereitung für die -preußischen National-Ver-
sammlung noch nicht gedacht hätten. Wie wir
übrigens hören, ist innerhalb der Reichslsitung
Stimmung vorhanden, die Wahl zur Natio-
nal -. Versammlung des deutschen Reiches
nicht erst am 16. Februar, sondern schon zwi-
schen 15. und 25. Januar stattfinden zu lassen.
Am lebhaftesten drängt in der Regierung
Scheidemann auf dis Festsetzung eines frühe-
ren Termins. Er hat wiederholt mit seinem
Rücktritt gedroht, wenn man seinem Wunsch nicht
nachgeben wollte. .
Die Lage in Berlin schien nach den Demon-
strationszügen vom Sonntag ein klein wenig ge-
bessert und" die Lage der Regierung ein wenig er-
leichtert. Doch ist der Schein trügerisch. Die Un-
sicherheit bleibt nach Auffassung der Kreise inner-
halb der Mehrheitssozialisten bestehen. Man sagt
sich dort mit Recht, daß es hätte anders kommen
können, wenn nicht der Himmel ein Einsehen ge-
habt hätte und Regen statt Blut geflossen wäre.
Die Sparta^usgruppe glaubt an ihren
Sieg, auch wenn sie noch so sehr unterlegen ist.
Sie gebärdet sich um so wilder, je lauter ihre Geg-
ner im Lager der Rsgierusttz betonen, daß sic
Blutvergießen vermeiden wollen. Dieses Zurück-
weichen vor dem Aeußersten legen die Liebknecht-
anhänger lediglich als Zeichen ver Schwäche auf
Seiten der Regierung aus. Alle Drohungen der
Entente mit den deutschen Bolschewisten kurzen
Prozeß zu machen, gleiten an der Stirn des Lieb-
knechtblattes ab. Seine Anhänger befinden sich
seit dem vorigen Freitag in einem förmlichen
Siegestaumel. Es wird ein böses Erwachen ge-
ben. Denn dis Gefahr eines feindlichen
Einmarsches in Berlin rückt von Tag zu Tag
näher. And einsichtige politische Kreise verhehlen
sich nimmermehr, daß wir zu Weihnachten Eng-
länder oder Amerikaner als die Regierenden in,
unseren Mauern haben werden. Dis gleichs Ge-
fahr droht München von Seiten der Italiener.
Alle Meldungen aus London bestätigen die
Auffassung Berliner politischer Kreise, daß es der
Eniene in erster Linie darauf ankommt, dieHrie-
densverhandlungen in die Länge zu ziehen, um
Wilson mürbe zu kriegen und für die
Ziele der Entente mit Hinweis auf die Zustände
in Deutschland einzufangen
Scheidemann und Spartakus
Nur «ine Regierung, die, gegen die Spartakus-
gruppe mit fester Hand operiert. kann, das ist die
Erkenntnis ver letzten Tage, zweifellos in kurzer
Zeit durchgreifen und die LMbknecktgruppe trotz
ihres Tobens unter sicherer Kontrolle hÄlten.
Eins ist allerdings vonnöten: die Regierung
muß wissen, was sie will. Sie muß in
sich geschloffen fein und den Kurs, zu dem sie sich
bekennt, ohne Wanken und Schwanken steuern.
Diese BorbMngungen einer praktischen und erfolg-
reichen RMierungspolitik sind «aber heute noch so,
unerfüllt, wie am ersten Rsvolutionstags. Seit
4 Wochen krankt die Regierung daran, daß ihr
Wille durch innere Gegensätze völlig gelähmt ist.
Sie verwendet ihre Energie darauf, .zwei Grup-
pen gegenseitig im Zaume halten. Die ganz«
Tatenlosigkeit und Entschilußlosisksit der Regierung
schreibt sich daher, daß -immer die eine Hälfte die
andere atushsbt. Von 'einer solchen Regierung sind
kltine Men Entschlüsse und noch viel weniger Ta-
stlMIMMslsMIIIIMIi! I I! II !WW

ten zu erwarten. Es ist deshalb psychologisch fM
bemerkenswert, daß Scheidemann am Sonn-
tag in einer Volksversammlung erklärt hat, etz
werde gehen, wenn es in 8 Tagen nicht hesM
werde. Dieser verzweiflungsvolle Ausspruch M
weist nicht, daß SchsidSmann feige genug ist, ÜM
davon zu laufen. Er beweist nur, daß er Rtz Üii«
Möglichkeit einsieht, die Regierung, wie sie hdut«
beschaffen ist. in «in Werkzeug aktiver entschlösse-
ner Mgierungspolitik llmjzuwandeln.
Eine Regierung, die zwischen gutSm Zured«»
und Maschinengewehren hin- und hsrschwanki,
mnn das Problem unserer Tag« unmöglich MOi,
Wie die Dinge heute liegen, vermag Li-Mnechi
«re Regierung mit feinem Anhang zu terrorisier«»,
denn die drei Unabhängigen, die in der Regie-
rung sitzen, fühlten sich als Verbindungsglied, dar
den Anschluß nach links herstellt und vereiteln da-
durch alle Versuchs, die ISpartakusgruppe lahm zu
legen. Gehen die Ding« diesen Lauf werter, 'so
wad Liebknecht trotz seiner verllMnismäßig ge-
ringen Gefolgschaft den Reickswagen schließlich ist
seine Gleise zwingen. SchsidsMann wird baust
allerdings nichts weiter übrig bleiben, als zu ge-
hen. Aber er wird nicht mit dem Vewußtseist
gehen, daß er seiner Aufgabe gereckt geworden ist.
Denn wenn er heute feste Hand und festen Willen
batte, so würde Spartakus nickt lang« mehr eist
Hindernis auf dein Wege zur Ordnung sein.

Deutsches Reich

Das Deutschtum in Pofen
hat am Donnerstag einen deutschen Volks»
tag veranstaltet und ihn zu einer großen
Kundgebung gestaltet. Seit dem frühen Morgen
zogen Trupps von mit schwarz-weiß-roten Schlei-
fen geschmückten Soldaten der Garnison Posen
durch die Straßen der Stadt unter Absingen döt
Nationalhymne „Deutschland, Deutschland Mr
alles". Verschiedene Redner legten in Versamm-
lungen im Namen ihrer sämtlichen Kameraden,
ein beginstertes Bekenntnis zum Deutschtum ah
Die Versammlungslokale waren bis au den letzten
Platz gekillt und es wurde unter begeisterter Zu-
stimmung der Menge folgende Entschlie-
ßung formuliert:
„Viele Taufende deutscher Männer und
Frauen haben, in einer machtvollen Kundgebung
ihren Zusammenschluß, zu einem Provinzial-
volksverband beschlossen. Er ist weder eine
politische Partei, noch sonst irgendeine polest-
feindliche Organisation. Wir verwerfen jede Po-
litik, die geeignet ist, zwischen die Nationen
Zwietracht zu säen. Wir verwerfen jedesVorgehen
auch von polnischer Seite, das geeignet ist,
die von der Revolution geschaffene Lage zu än-
dern und fordern volle Gleichberechti-
gung auch für die Deutschen. Wir verwahren
uns gegen alles Vorgehen wodurch dem Friedens-
kongresse eigenmächtig vorgegriffen wird, und
fordern die baldige Einberufung der National-
versammlung. ,

* Staat Thüringen. Die Vertreter der Ar-
beiter- und Soldatenräte sowie die Vertreter der
thüringischen Staaten und Preußens faßten in
ihrer Tagung im Stadtverordnetensitzungssaale
zu Erfurt mit 68 gegen. eine Stimme folgende
Entschließung: Im Rahmen der ungeschmälerten
Einheit des Reichsgebietes soll auch das Ziel des
Strebens von Generationen nach einheitlicher
Gestattung Thüringens Wirklichkeit werden. Die
Vertreter der Arbeiter- und Soldatenräte des 2b.

Wahlbezirks zur deutschen NationalversammlunS
der Thüringer Staaten, des Regierungsbezirks
Erfurt und des Kreises Schmalkalden schlagen
deshalb vor, das von ihnen vertretene Gebiet zu
einem Staate Thüringen als Teil der Ein-
heitsrepublik Deutschland zusammenzufassen. Alles
weiter soll ein von Vertretern der Thüringische,N
Staaten und Preußens zu bildender Ausschuß
sobald als möglich vorbereiten".

* Bayerns Sonderpolitik. Wie der Lokalanz
aus München meldet, hat Ministerpräsident Eis«
ner am 10. Dezember mehrere Vertreter Del
Entente in feinem Amtsbüro empfangen. E-
geht das Genrücht um, daß er mit ihnen Son»
derabmach ungen besprochen habe.

Wangen und sie konnte «s nicht erwarten, ihren
geliebten Ralf zu umarmen.
Höhnstedt lehnte neben den Bänken der Geschwor-
rsnen und lachte zu dem Untersuchungsrichter
Hinüber, der immer nur mit dem Kovf schüttelte
und verzweifelte Blicke nach oben warf.
Da ertönte wieder die Glocke.
Alles sah erstaunt um und nabo wieder die
Plätze ein. Was gab es denn nun noch?
„ Die Verteidigung wünscht noch einige Mit-
teilungen zu machen, und der Gerichtshof hat be-
schlossen, diese entgegen zu nehmen, obwohl die
Verhandlung gegen den Angeklagten beendet ist".
Der Präsident hatte mit lauter Stimme den
Lärm im Saale übertönt und augenblicklich trat
lautlose Stille ein.
Seebald hatte sich erhoben.
„Meine Herren Geschworenen, wie sehr es
mich mit inniger Freude erfüllt, daß mein Klient
so fleckenlos und rein aus diesem Mordprozeß her-
vorgegangen ist, brauche ich Ihnen nicht erst zu
schildern, das fühlen Sie wohl alle mit. Aber
meine Herren Geschworenen, mit dem soeben von
Ihnen gefällten Freispruch ist die Mordtat nicht
aus der Welt geschafft, damit ist dieses ruchlose
Verbrechen nicht gesühnt. Ich bin nun in der
glücklichen Lage, Ihnen den Mörder zu nennen,
der mit ruchloser Hand den Kammersänger Joseph
Bernhard Ribbentrop am ersten Mai dieses Jah-
res niederstach...."'
Das Staunen der Zuschauer, die völlige Ver-
blüffung des Staatsanwaltes und Untersuchungs-
richters war unbeschreiblich. Nur Helmstedt stand,
ein befriedigtes Lächeln in den Zügen, ruhig da
und studierte all die stürmischen Empfindungen,
die sich auf den Gesichtern der Anwesenden mal-
ten. Seebald fuhr fort:
„Der Mörder ist der langjährige Freund und
Mitarbeiter Ribbentrops, der Chemiker Robert
Lachner".
Minutenlang regte sich nichts im Saale, die
Ueberraschung war zu groß, so überwältigend, daß
sich keiner zurecht finden konnte. Ja, w rr denn
die Welt auf den Kopf gestellt?, Der Verteidiger
wurde zum Ankläger.
„Der Mörder sollte hier vor Ihnen erscheinen,

aber wir haben ihn nicht mehr erreichen können.
Er steht schon vor einem höheren Richter und ist
der irdischen Gerechtigkeit entzogen. HerrKriminal-
kommissar Braun wird Ihnen darüber einiges
Mitteilen". e
„Ich habe in der Mittagspause von Herrn Dok-
tor Helmstedt den Auftrag erhalten, Herrn Robert
Lachner aus der Villa Platanenallee hierher zur
Vernehmung zu holen. Die Schlüssel zu der Villa
waren in meinen Händen. Ich nahm ein Auto
und langte etwa zehn Minuten spät;: in der
Billa an. Als ich die Treppe zu der W-h'iu'-g
des alten Herrn hinaufstieg, siel mir die abw-
lute Stille im Hause auf. Ich betrat das Wohn-
zimmer, nachdem auf mein Klopfen keir.e Antwort
erfolgt war. Das Wohnzimmer war leer. Ich
ging weiter in das Schlazimmer und merkte so-
fort, was geschehen war. Ein starker Geruch nach
Blausäure erfüllte den Raum md >uf >em 2cn
lag an gezogen Herr Lachner. Er war tor Neben
ihm auf der Erde, lagen die Scherben eines B->-
chcrglases, ein ringförmiges S-ück neckte noch in
der wie im Krampf geschlossenen rechten Hans.
Auf dem Tisch in der Mitte des Zimmer; lag
dieser Brief, adressiert an Doktor Helmstedt mit
dem Zusatz: meine Beichte. Ich lege den Brief
hier nieder".
Braun trat zurück und Seebald ergriff wieder
das Wort.
„Wenn der Herr Präsident gestattet, möchte ich
Herrn Doktor Helmstedt Litten, sie Erlaubnis zu
erteilen, daß dieser Brief hier verlesen wird, da
mit alle Anwesenden klar darüber werden, daß
meine Behauptung, Robert Lochnsr sei der Mör-
der, richtig ist."
„Herr Doktor Helmstedt, ich frage Sie. ob Sis
in die öffentliche Verlesung dieses an Sis ge-
richteten Schreibens willigen," wandte sich der
Präsident an Helmstedt.
„Ich bitte sogar darum, Herr Präsident".
„Dann werde ich selbst den Brief verlesen".
„Wenn Sie dieses Schreiben zu Gesicht bekom-
men, bin ich nicht mehr. Ich weiß, datz es für
mich keinen anderen Ausweg mehr gibt, Denn ich
will nicht von der Hand des Henkers fallen. Seit
mir die Gewißheit geworden ist, datz Sie alles

genau wissen, habe ich keine Ruhe mehr gesundes
ich wußte genau, daß ich Ihnen, was ich auch
machen würde, nicht entgehen konnte. Auch das
erstrebte Ziel kann ich nicht mehr erreichen, des-
halb mache ich Schluß. Sie sind der Mensch,
den ich am glühendsten zu hassen gelernt habe »no
ich würde Ihnen den Triumph dieser Beicht« nicht
gönnen, wenn nicht ein Unschuldiger in GesE
wäre. Mein Gewissen ist schon so schwer belaste'!
daß ich nicht den Mut habe, noch mehr Schuld am
mi chzu laden. . , <
Die Geschichte meines Elends ist kurz ffi-
gendsck
Ich hatte früher in Chemnitz eine gut gehens
Fabrik für Farben. Einige gute Patents sicherten
mir Jahre hindurch ein glänzendes Einkomme
und ließen mich mein Leben in Luxus und Ver-
schwendung führen. Da kam die Katastrophe. Ew
neues Verfahren wurde entdeckt, nachdem dis v<A
mir Lis dahin ganz allein hergestellten Farven
viel, viel billiger fabriziert werden konnte^
Man kaufte nicht mehr bei mir, meine Fam>
stand still und ich, der ich niemals an sparen 6L
dacht hatte, der ich ein verschwenderisches Lese»
gewöhnt war, stand vor dem Nichts. In meiM
Not wandte ich mich an meinen Jugendfreund
seph und bat ihn um Unterstützung. Die Guts un
Großmut, mit der er meiner Bitte willfahr'-
treibt mir jetzt, wo ich dies schreibe, die Schar
röte ins Gesicht. Joseph wollte Chemie treck ''
Er hatte von der Wissenschaft kerne Ahnung ' "
kümmerte sich nicht um Theorie, sondern woi -
nur immer experimentieren. Wre es so yam
geht, hatte er Lei diesem Experimentieren E
raschende Erfolge. Erfolge, die mir, weil ich U
Leite, und rechnete und dadurch den Wagemut
den Weitblick verlor, versagt blieben. Jetzt "
gann eine furchtbare Zeit. Der Neid fraß in, .
bis zur Unerträglichkeit, und ich lernte El
Wohltäter Haffen. Er, de r gute, ehrliche Mens'-»
merkte nichts von alledem.
(Fortsetzung folgt).
 
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