Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Familienblätter — 1876

DOI Kapitel:
No. 17 - No. 25 (1. März - 29. März)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43705#0084

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Möchte Deine Schönheit ſich ausbreiten, wie die
immer wachſende Scheibe des Mondes!“
„Möge das Glück Deine Gefährtin ſein!“
„Und die Zufriedenheit Deine Freundin!“
„Daß Deine Töchter ſchöner wuͤrden, als die Päonien!“
„Mögeſt Du nur Söhnen das Leben geben!“ und
andere den Umſtänden entſprechende Glückesverheißungen.
Hierauf wird das Götzenbild an die Vorhänge des
Bettes getragen. Man knüpft die Flechten der jungen
Gattin los und erſetzt ihre jungfräuliche Haartracht mit
der der verheiratheten Frauen. Ihre Haare werden in
zwei große Schleifen getheilt und mit dem Schmuck von
Federn des Eisvogels wieder vereinigt.
So coiffirt wirft ſich die Frau vor ihrem Gemahl
nieder und richtet an ihn einen Gruß, den er mit min-
derer tiefer Verbeugung erwiedert; ſie kniet vor Vater,
Mutter und allen Verwandten ihres Mannes nieder und
richtet dann ein Gebet zum Himmel und zur Erde.
Man führt ſie vor die Bilder der Vorfahren, und ſie
verneigt ſich vor denſelben. Darauf naͤhert ſie ſich dem
Bildchen des Tiao-tien, dem Genius des häuslichen Her-
des, fleht ihn an, über ihrem Hauſe zu walten, gelobt
ihm, eine gute Haushäiterin zu ſein und keine andere
Sorge, als die Pflege des Hauſes kennen zu wollen.

Sie begibt ſich zur Küche und zündet mit eigener Hand

eine Flamme an.
Sobald ſie wieder zurückkehrt, ſchreitet man zum
Hochzeitsmahl. Die Gäſte ſetzen ſich zu je vier Per-
ſonen vor die im Zimmer vertheilten Tiſche. Es zeugt
von guter Lebensart, wenn der Hausherr zwiſchen den
Tiſchen einhergeht, bei den Tiſchgäſten in Geſprächen
verweilt und dafür Sorge trägt, daß es ihnen an nichts
fehle. Der Wein füllt unaufhörlich die Schalen, die
Heiterkeit wird angeregt, die Muſik erzeugt Ausgelaſſen-
heit im Hofe des Hauſes, und wenig fehlt an der Miiter-
nachtsſtunde, ehe die Gäſte ſich unter Wünſchen für das
Glück der neu begründeten Familie entfernen.

*Stadt⸗Theater.

Außer der bereits beſprochenen Kindervorſtellung des „Snee-
wittchens“ wurden uns im Laufe der vergangenen Woche noch zwei
Luſtſpiele älteren Datums vorgeführt, wovon das eine, „Dr.
Weſpe“ von Benedix als Muſter eines feinkomiſchen, das an-
dere, „Endlich hat er es doch gut gemacht“ von Albini
als dasjenige eines derbkomiſchen Luſtſpiels dienen kann. Während
in dem erſteren Stücke die Heiterkeit des Publikums durch Wort-
ſpiele, komiſche Situationen und Combinationen herbeigeführt wird,
wird dieſelbe in dem letzteren durch gröbere Späße und übertrie-
bene Situationen erzielt.
Herr Schwartz gab den Dr. Weſpe mit ſcharf gezeichneten
Zügen und brachte den eingebildeten Gecken und ſiegesgewiſſen
Stutzer in gelungener Weiſe zur Geltung, durch ſtelenweiſe kräf-
tigere Beherrſchung ſeines Organs, welches dem Ueberſchlagen leicht
unterworfen iſt, würde ſeine Leiſtung noch mehr an Abrundung
gewonnen haben. —
Herr Heygen ſtattete ſeinen „Maler Honau“ mit männlicher
Würde, feftem Auftreten und entſprechendem Ton aus und machte
es dadurch begreiflich, daß die ſo emancipationsluſtige Eliſabeth,
welche von Fräul. Belgrad recht brap geſpielt wurde, ſich ſo-
bald als gelehrige und unterwürfige Schülerin bewies. —
Die ſchriftſtelleriſche „Theudelinde“, welche von nachbenedixſchen
Luſtſpieldichtern ſo vielfache Abklatſche erfahren, wurde von Frau
Badewitz mit origineller draſtiſcher Komik dargeſtellt und ern-
tete im Verein mit dem ringeſüchtigen „Adam“ (Herr Bock) leb-
hafteſten Beifall und Hervorruf. Auch die übrigen Mitwirkenden
„Zündorf“ (Herr Badewitz), „Thekla“ (Fräul. Milley),
„Wellſtein“ (Herr Hildebrandt) ꝛc. trugen zur Abrundung
des Enſemble bei.
Eines außerordentlich ſtark beſuchten, faſt ausverkauften
Bader hatte ſich die Beneficevorſtellung für Herrn
adewitz zu erfreuen. Derſelbe hatte ſich das ältere Luſtſpiel
„Endlich hat er es doch gut gemacht“ von Albini aus-
gewählt. Der von ihm vortrefflich dargeſtellte Character des pen-

fionirten Fleiſchſeuer-Kaſſenſchreibers entſpricht volllommen den
Anſprüchen, welche man in äſthetiſch-dramatiſcher Beziehung an
eine komiſche Individualität ſtellen kann. Eine ſolche muß an und
für ſich Nichts ſein, ſie muß als Nichts etwas zu ſein ſcheinen
und ſchließlich als bloſer Schein des Etwas zum Nichts zurück-
ſinken und als ſolches erkannt werden. — Wenn auch die perſön-
liche Erſcheinung des Beneficianten mit der darzuſtellenden Per-
ſönlichkeit nicht ganz im Einklang ſtand, ſo verſtand es Herr
Badewitz dennoch, die übermäßige Geſchäftigkeit, Wichtigthuerei, den
zu entſalten Redefluß und eine höchſt wirkſame mimiſche Komik
zu entfalten, welche ihm in faſt jeder Scene den lebhafteſten Bei-
fall errangen. Zwei prächtige Lorbeerkränze und öfterer Beifall
ſowie Hervorruf bewieſen dem Beneficianten die ehrende Anerken-
nung, welche ſeine vielſeitige Wirkſamkeit auf dem Gebiete des
Luſt-, Schau⸗ und Singſpiels bei dem hieſigen Publikum gefunden.
Frau Badewitz gab die intriguante Madame Niedlich
mit characteriſtiſcher Schärfe, waͤhrend Herr Bock als „Eckerchen“
den gutmüthigen, aber gänzlich unter dem Pantoffel ſeiner Haus-
hälterin ſtehenden Gutsbeſitzer ſowohl in Ton der Stimme, als
auch in ſeinem Auftreten in gelungenſter Weiſe vorführte. Der
ſtets vergnügte „Hauptmann Schlögel“ fand in Herrn Schwartz
entſprechende Vertretung. Fräul. Miller gab die „Roſa“ einfach
und anſpruchslos, während Frau Rett y ein allerliebſtes Kammer-
und Seekätzchen war. Warum Herr Zahr, der als Kammer-
diener auf dem Zettel ſtand, als Courier mit Reithoſen und
Sporenſtiefel auftrat, dürfte ſchwer zu rechtfertigen ſein, auch hätte
derſelbe ſeinen Wuthausbruch ob der ihm geraubten Briefe etwas
mäßigen dürſen. Die Aufführung war im Ganzen als eine ge-
lungene zu bezeichnen und erwarb ſich lebhafte Anerkennung.

Verſchiedenes.

— (Ein falſcher Schwur.) Laura: „Alſo Sie lie-
ben mich, Arthur?“ — Arthur: „Ich ſchwör's bei den
Roſen, die auf deinen Wangen blühen, bei den Perlen,
die aus dem Purpur deiner Lippen leuchten, bei der
Lockenpracht, die duftig von Deinem Haupte wallt ..“
— Laura (für ſich): „Weh' mir, dann hat er falſch
geſchworen.“

— Das zu Mannheim erſcheinende „Tagblatt“ hat über den
am 18. Februar ds. J. vor der hieſigen Strafkammer vorhandelten
Fall wegen Erpreſſung „nachträglich Folge des in Erfahrung ge-
bracht“: Der im Jahr 1875 verſtorbene Samuel Herzog von
hier hat in den Jahren 1873 und 1874 einem Offizier, der bei-
läufig bemerkt, hier ſeinen Wohnſitz nicht hat, mehrmals aus
Geldverlegenheiten geholfen und ſelbſtverſtändlich gute Zinſen be-
rechnet; da dieſer Offizier noch ledig und außerdem von adeliger
Abſtammung war, ſah man ſich — um auch daraus Gewinn zu
ziehen — für dieſen nach einer guten Partie um, hatte auch bald
eine ſolche gefunden, den Oifizier mit der Sache vertraut gemacht
und ſich für den Fall des Gelingens der Heirath die Kleinigkeit
von 100,000 Thalern urkundlich verſprechen laſſen. Aus der pro-
jektirten Heirath wurde jedoch Nichts, und Samu⸗l Herzog ſuchte
nun in Gemeinſchaft mit ſeiner Tochter, Frau Amalie Bähr geb-
Herzog von hier den ihnen entgangenen Gewinn wenigſtens theil-
weiſe auf andere Art beizubringen. So mußte der betreffende
Offizier, der dem Herzog noch etwa 800 fl. ſchuldete und dieſe auf
den Verfalltag nicht bezahlen konnte, Angefichts der Drohung des
Gläubigers einen Schuldſchein über weitere 500 Gulden für die
Prolongation der Reſtſchuld ausſtellen und ferner ſich urkundlich
verpflichten, daß er dem S. Herzog als Entſchädigung aus einem
mit dieſem abgeſchloſſenen und nicht zum Vollzug gekommenen
Vertrage die Summe von 10,000 fl. ſchulde. Hierzu wurde der
Offizier dadurch veranlaßt, daß man drohte, ſeinen Schwiegervater
und insbeſondere die Militärbehörde von dem beſtehenden Schul-
denverhältniſſe in Kenntniß zu ſetzen, den früheren Vertrag über
das Verſprechen von 100,000 Thalern zu veröffentlichen und ihn
und ſeine Exiſtenz ſomit zu vernichten. Amalie Bähr, welche
nach dem Tode ihres Vaters in den Beſitz des Vertrages über die
10,000 fl. — die ratenweiſe zu tilgen waren — gelangt war,
ſuchte jedoch ihren Vortheil weiter auszubeuten und namentlich
Sicherſtellung dieſer Summe durch Bürgſchaft zu erlangen. Die
bei dieſen Bemühungen angewendeten weiteren Drohungen über-
zeugten den Offizier, daß es nur einen Weg gebe, um ſich Ruhe
zu verſchaffen: nämlich den, die Sache zur Anzeige zu bringen.
Die eingeleitete Unterſuchung hatte zur Folge, daß die Amalie
Bähr wegen Erpreſſung vor Gericht geſtellt und wegen dieſes Ver-
gehens am 18. Februar zu einer Gefängnißſtrafe von 1 Jahr ver-
urtheilt wurde. ö

Druck und Verlag von Adolph Emmerling in Heidelberg.

Für die Redaction verantwortlich Ad. Em merling.
 
Annotationen