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Heidelberger Familienblätter — 1876

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No. 17 - No. 25 (1. März - 29. März)
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Heidelberger Familienblätter.

Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

M 20. Samſag, den 11. März 1876.
Zwei Tibelle. „Ich flehe Eure Majeſtät an — mein Herz iſt

Eine Hofgeſchichte von Georg Hiltl.
(Fortſetzung.)

„Ah — é'est ça!“ ſagte der König. „Gehen wir.“
Er ging haſtig nach dem Schloſſe zurück. In ſeinem
Kabinete lag ſchon auf dem vergoldeten Gueridon das
erwartete Schreiben. Der König öffnete es und durch-
las es ſchnell. ö
„Die Mariage iſt alſo abgemacht,“ ſagte er vor ſich
hin. „Dieu merci — ich werde die gute Herzogin an-
ſtändig ausſtatten — ſie iſt in guter Verſorgung.“ Er
zog die Glocke.
„Ich laſſe die Prinzeſſin Marie zu mir bitten,“ be-
fahl er dem Pagen. Hierauf beſchäftigte er ſich mit dem
Leſen einiger anderer Schriftſtücke, bis der Page meldete:
„Ihre Hoheit, Prinzeſſin Marie von Curland.“
Gleich darauf trat die Prinzeſſin mit tiefer Verbeugung ein.
„Mon enfant!“ begann der König, ein Papier bei
Seite legend. „Ich kann Ihnen die erfreuliche mention
thun, daß die von mir protegirte Heirath zwiſchen dem
Herrn Markgrafen von Baireuth und Ihrer Mama,
meiner theuren Schweſter, vollzogen werden wird — ſo-
eben trifft ein Schreiben des Markgrafen ein, welches
das letzte obstacle beſeitigt. Sie werden einen Vater,
eine Familie haben und ich weiß, meine geliebte Schweſter
wird glücklich ſein. Sie verdanken dies den Bemühungen
des Herrn Grafen von Wartenberg“, ſetzte er mit ſcharfer
Betonung hinzu, „der mir alle Vortheile jener Alliance
zu ſchildern wußte.“
Die Prinzeſſin ſchwankte. Ihre letzte Hoffnung
war vernichtet; ehe die Königin noch ihren Einfluß
geltend machen konnte, war der Schlag bereits geführt
worden. ö
Prinzeſſin Marie verbarg ihre mit Thränen gefüll-
ten Augen durch eine noch tiefere Verbeugung. „Majeſtät
Gnade fühle ich gar wohl,“ ſagte ſie. „Wie Mama
über das, was Eure Majeſtät Glück zu nennen geruhen,

denkt — ich weiß es nicht genau — ich aber — ich
—— zu bekennen, daß die Heirath mich mit Schmerz
erfuͤllt.“

„Th donole fuhr der König heraus. „Weil Ihre
Mutter eine Markgräfin wird ?“
„Ach nein, Majeſtät — es iſt das die Sache meiner
Mama — nein — nur deshalb, weil ich den Hof von
Berlin verlaſſen muß.“ ö

„Allerdings. Sie haben Ihrer Mama zu folgen.

Eine paſſende Mariage wird ſich auch für Sie, mon
enfant, finden laſſen.“
„Ich muß die Königin verlaſſen — die mir ſo
theuer geworden. Ich laſſe noch Vieles hier zurück,
woran mein Herz haͤngt — gewähren Majeſtät mir die
Bitte in Gnaden: Laſſen Sie mich am Hofe zu Berlin
bleiben.“ ö
„Nein,“ entgegnete der König kurz.

Sie werden
der Mama folgen.“

ſchwer bei dem Gedanken, von hier ſcheiden zu müſſen.“
„Ihr Herz iſt ſchwer, Prinzeſſin,“ fiel der König
ihr ins Wort. „Weil Sie eine Liebe darin bergen, die
ich nicht billigen kann — Sie lieben meinen Bruder, den
Markgrafen Albrecht.“
Die Prinzeſſin richtete ſich ſtolz empor. „Ja, mein
König,“ ſagte ſie, den ſcharfen Blick des Monarchen aus-
haltend. „Ich liebe den Markgrafen, ich habe die Ehre,
das Glück, von ihm wieder geliebt zu werden — ſeien
Sie gnädig wie immer — wenn geſchäftige unheilvolle
Hände bemüht ſind, ein Band der Herzen zu zerreißen
— ſo knüpfen Sie es, indem Sie in Ihrer Gnade das
Jawort ſprechen.“
Vielleicht wäre der König milder geſtimmt worden,
hätte die Prinzeſſin nicht die unglückliche Phraſe von den
„unheilvollen Händen“ in ihre Bitte verflochten. Nach
den ſo eben von der Gräfin vernommenen Berichten,
nach der Schilderung des allgemeinen Bündniſſes wider
die Wartenbergs mußte der König jene Andeutung auf
die Gräfin und ihren Gatten beziehen. Sein Stolz war
verletzt, da er erfahren hatte, daß man Perſonen haßte
und verfolgte, denen er zugethan war, und dieſe Empfin-
dung beſiegte ſeine angeborene Milde.
„Ich habe entſchieden,“ warf er kalt hin. „Ich
nehme dieſe Entſcheidung nicht zurück. Meine Ein-

willigung zur Heirath mit Ihnen, Prinzefſin, erhält der

Markgraf Albrecht nicht. Ihre Angelegenheiten werde
ich mit all der Aceurateſſe und Application ordnen, welche
ich meiner Niéèce ſchuldig bin — wenn Sie gehorſam
ſind. — Notre entretien est fini Sie werden Ihre
ſchönen Augen trocknen und beſonders auf dem Feſte
freundlich und heiter erſcheinen, welches wir hier begehen.
Ich wünſche das — Adieu, mon enfant“
Die Prinzeſſin wankte zur Thüre hinaus. —

* 4*

Das Haus des Tiſchlermeiſters Dreyer an der Ecke
der Grünſtraße gelegen, war eins der alten Gebäude,
welche noch aus der Zeit des großen Kurfürſten ſtamm-
ten, als dieſer die Befeſtigungen Berlins durch Meinhardt
bewirkt hatte. Bei dieſer Gelegenheit war ein Theil der
Gebäude abgetragen worden, diejenigen, welche ſtehen
blieben, befanden ſich dicht den Werken, ſo daß man
von den Hinterfenſtern aus auf die Schanzen und über
dieſe hinweg auf den Seegraben blicken konnte. Die
Gegend war nicht allzu einſam, weil die Verbindung
mit Neu⸗Cöln durch die Brücken hergeſtellt wurde und
von dort aus, zwiſchen den kurfürſtlichen Salzhäuſern
hindurch, der Weg zum Cöpnicker Thor führte.
Die Seite des Hauſes jedoch, welche gegen den
Graben blickte, bildete einen ſehr ſtillen Winkel mit dem
kleinen, zwiſchen dem Hauſe und den Schanzen gelegenen
Damm. Die Zimmerchen des Gebäudes, deren Fenſter
auf dieſen Theil der Umgebungen hinausgingen, waren
daher ſehr ruhig und lagen von dem Geräuſche der
Straße entfernt genug, um den Bewohnern vollſtändige
 
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