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Heidelberger Familienblätter — 1876

DOI Kapitel:
No. 26 - No. 34 (1. April - 29. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43705#0136

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— 128

aber aufbewahrte? Aechte Antwortſchreiben von Wiener
Creditinſtituten, worin von 30⸗, 50- und 60,000 Fl.⸗
Pfandbriefen die Rede, ergangen auf geſchickte Anfragen
von ſeiner Seite, ſowie wenn auch nur copialiter ſelbſt-
gefertigte Actenſtücke über Behandlung einer größeren
Erbſchaft des Oberſten v. Frankendorf in Stuttgart und
dergleichen mehr waren, nur aus Verſehen dann dort
liegen gelaſſen, trefflich dazu angethan, in den Köpfen
neugieriger Leſer, namentlich ſchöner Leſerinnen, den In-
haber als reichen Mann erſcheinen zu laſſen. Gar
Manche ſind auch auf dieſen Leim gegangen. So hat
der in Lindau Verhaftete in den obigen Ländern, aber
auch in der Preußiſchen Provinz Sachſen, in Hamburg,
England und Luxemburg ſeit wenigſtens 1872 ſein Un-
weſen getrieben. In Triberg an der badiſchen Schwarz-
waldbahn trieb er ſich Ende März 1875 mit dem Vor-
geben herum, ſich als Arzt niederlaſſen zu wollen und
erhielt unter dieſen und anderen Vorſpiegelungen Geld-
vorſchüſſe, bis er verſchwand. Meiſt nannte er ſich Dr.
v. Frankendorf, in Baden aus Bamberg, nur am Boden-
ſee aus Wien, in der Rheinprovinz, aus Chur (Schweiz),
aber auch Dr. v. Holtzendorf aus Straßburg. Möglich
iſt der angebliche Oberlehrer Dr. Braun, der unter ähn-
lichen Umſtänden Ende 1875 in Leipzig aufgetreten, und
der angebliche Privatdocent Dr. Leopold Frank aus
Leipzig, der bald darauf in Nürnberg erſchienen, aber bei
Reichsrath Freiherrn v. Kramer-Klett abgeblitzt iſt, iden-
tiſch mit Frankendorf. Aber wer iſt dieſer wirklich?
Das konnte weder vom Bürgermeiſter in Lindau, der
die Verhaftung vornahm, noch vom Unterſuchungsrichter
in Kempten bislang ermittelt werden, da der Unbekannte
mit kluger Reſerve läugnet. Gelernter Arzt oder Apotheker
ſcheint er zu ſein. Vielleicht führt die eingeleitete photo-
graphiſche Vervielfältigung ſeines Antlitzes zum Ziel.
In Lindau ſelbſt hat er, Dank der Vorſicht des Eigen-
thümers des weltbekannten Hotels Helvetia, Ludwig Krug,
worin er als Holtzendorf wohnte, keinen Schaden an-
geſtiftet, und der ſtädtiſchen Behörde daſelbſt iſt es ge-
lungen, den Hochſtapler abzufaſſen, ehe er daſelbſt Beute
in die klug und umſichtig ausgeworfenen Netze bekommen
hatte. Hoffentlich werden die verſchiedenen Deutſchen
Strafgerichte, bei welchen der vorläufig in Kempten Ver-
haftete nun die Runde zu machen hat, dafür ſorgen, daß
die Menſchheit vor dieſem eleganten Gauner möglichſt
lange bewahrt bleibt.

Verſchiedenes.

— Die Pünktlichkeit des Kaiſers Wilhelm iſt be-
kannt, Mit derſelben Hand in Hand geht aber zugleich
eine Promptheit in der Erfüllung der kleinen Pflichten
des Lebens, die ihres Gleichen ſucht. So beantwortet
der Kaiſer alle an ihn gelangenden Briefe und Zuſchriften
ſeiner Hausbeamten ꝛc. ſtets ſofort und jedenfalls noch
an demſelben Tage oder aber, wenn ſie ſpät Abends ein-
gehen, am nächſten Morgen. Um hierbei möglichſt wenig
Schreibarbeit zu haben, benutzt der Kaiſer zur Beant-
wortung ſtets das Couvert und die Adreſſe der ein-
gegangenen Briefe. Die letztere lautet natürlich: „An Se.
Majeſtät den Kaiſer.“ Hier ſtreicht der hohe Herr das
Wort „An“ aus und verwandelt es in „Von“. Da
ſämmtliche Adreſſen auch den Namen des Abſenders tra-
gen, z. B. „Von dem Hofrath N.“, ſo wird hier um-
gekehrt das Wörtchen „Von“ in „An“ verwandelt und
die neue Adreſſe iſt mit zwei Worten hergeſtellt.

fliegt an ſeinen Hals.

— Vor einem Berliner Standesamte ſpielte kürzlich
eine peinliche Scene, die in den betreffenden Kreiſen nicht
geringes Aufſehen hervorgerufen hat. Ein junger Adeliger,
welcher die Gabe, zu gefallen, in hohem Grade beſitzt,
hatte Eingang in die Familie eines reichen Induſtriellen
gefunden. Die Tochter des Hauſes wurde ihm geneigt,
ſein Stand ſchmeichelte der Eitelkeit der Eltern und die
Verlobung geſchah. Die Ehepacten wurden aufgeſetzt,
der Hochzeitstag anberaumt und Alles dazu aufs Glän-
zendſte eingerichtet. Als man zum Standesbeamten fahren
wollte, zog der Bräutigam ſeinen künftigen Schwieger-
vater bei Seite und erklärte dieſem in Gegenwart der
Braut, er müſſe zurücktreten, wenn er nicht die Ausſteuer
um 30,000 Thaler vermehre. Die Braut ſagte keine
Silbe dazu, während der Vater ſich ſehr beſtürzt zeigte
und ſein Befremden und ſeinen Unwillen äußerte. Aus
Furcht vor dem Aufſehen, das der Rücktritt des Bräu-
tigams machen würde, gab der Induſtrielle jedoch nach.
Jetzt fuhr man zum Standesbeamten. Aber zum Er-
ſtaunen der anweſenden Zeugen ſagte hier die Braut
entſchieden „Nein!“, und ſich an die Beamten und Zeugen
wendend, äußerte ſie: „Ich kann und werde mich nie
dazu entſchließen, meine Hand einem Manne zu reichen,
der nur mein Vermögen begehrt und ſo wenig Sittlich-
keit und Zartheit beſitzt, daß er in einem ſo ernſten und
feierlichen Augenblicke noch eine größere Ausſteuer von
meinen Eltern zu erpreſſen ſucht.“ Man kann ſich denken,
welche Senſation dies machte und mit welchem Geſicht
der Glücksjäger von dannen zog.

— GGeflügelte Worte eines Berliner Nabob.) Die
Zahl derſelben iſt in der jüngſten Zeit wieder bedeutend
vermehrt worden. Zwei der letzten unſterblichen Dicta
ſollen hier folgen. Der Nabob war durch die drei Silben
„Geheimer“ vor ſeinem Rathstitel ausgezeichnet worden,
und ſreudeſtrahlend meldet er dies ſeiner Familie. Dieſe
„Ihr wißt,“ ſagte er ſtolz, „ich
erſtrebe Höheres. Nun, das f—o—n“ — ſo buchſtabirte
der Nabob — „wird auch nicht lange mehr auf ſich
warten laſſen!“ — Zur Feier des neuen Titels war
Abends große Geſellſchaft. Der beglückte Wirth hatte
ſich nach dem Souper mit mehreren Herren ſehr lange
im Rauchzimmer aufgehalten, und als er am anderen
Morgen ſeinen Frack wieder anziehen wollte, roch dieſes
Feſtgewand furchtbar nach dem Dampf der Herren Bock
und Co. Sofort ſchickte er ſeinen Diener in die nächſte
Parfümeriehandlung, demſelben einen Zettel mitgebend,
auf welchem er dem ungebildeten Menſchen den franzö-
ſiſchen Namen der köſtlichen Eſſenz geſchrieben hatte.
Aber der Diener kam ohne Eſſenz zurück: „Sie haben
mich faſt an die Luft geſetzt und geſagt, Spucke führten
ſie nicht!“ Der Nabob hatte S—puk—ke geſchrieben,
weil er — Eſſbouquet haben wollte.

— (Schmeichelhaft.) Die Mama (zu ihrem aus
der Schule kommenden Sohn): Nun, Arthur waren
viele Fehler in Deinem franzöſiſchen Exercitium?
Arthur: O ja Mama!
Mama: Hat der Lehrer gefragt, ob ich Dir dabei
geholfen? ö
Arthur: Ja, Mama; ich habe aber geſagt, daß
Papa mir geholfen.
Mama: Warum denn? ö
Arthur: Ach, Mama, ich wollte Dich mit Deiner
Unwiſſenheit nicht compromittiren. —

Druck und Verlag von Adolph Emmerling in Heidelberg.

Für die Redaction verantwortlich Ad. Em merling.
 
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