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Heidelberger Familienblätter — 1876

DOI Kapitel:
No. 26 - No. 34 (1. April - 29. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43705#0135

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ſeinen Haushofmeiſter Mayer nach Palma, um die Tän-
zerin dort von den venetianiſchen Behörden in Empfang
zu nehmen. Mayer fand die Barbarina vor, aber auch
den Lord Stuart, und es kam zu unangenehmen Be-
gegnungen. Endlich aber wünſchte Stuart weiter nichts,
als eine Viertelſtunde mit der Barbarina und zwar in
Gegenwart des Mayer zu ſprechen und wollte ſich dabei

Hände und Füße binden laſſen. Mayer war unerbittlich,

obwohl Lord Stuart ſeine Bitte mit großen Verſprechungen
unterſtützte. Endlich reiſte man ab von Wien; Mayer
mit der Barbarina, ihrer Mutter und einem Domeſtiken,
voran Lord Stuart. Graf Dohna hielt es daher für
gerathen, die Barbarina gar nicht nach Wien kommen
zu laſſen, ſondern dirigirte ſie über Preßburg, Ratibor,
Neuſtadt nach Berlin. Voran aber eilte Stuart, um
ſeine Sache in Berlin ſelbſt beim Könige zu betreiben.
Am 8. Mai kam Barbarina an, am 12. tanzte ſie und
gewann ſofort die Herzen Aller — auch das des Königs.

Er unterhielt ſich mit ihr freundlich, und ſie wurde ſo-

fort ſein erklärter Liebling. Ja., ſie wurde alsbald der
Mittelpunkt eines feinen geſelligen Lebens und hielt einen
förmlichen Hof in ihrer Wohnung in der Behrenſtraße.
Der König ließ ſte öfter nach Charlottenburg kom-
men, trank mit ihr öffentlich Thee im Opernhauſe, pro-
menirte mit ihr Arm in Arm durch die Säle und zeich-
nete ſie auf jede Weiſe aus. Wenn er eine Einladung
von ſeinen Generalen zu einem Souper annahm, ſo mußte
auch die Barbarina eingeladen werden, die ſpäter noch
der Mittelpunkt der Hoffeſte bei der Vermählung der
Prinzeſſin Ulrike mit Adolf Friedrich von Schweden
war und 1746 gleichzeitig mit dem Könige in Pyrmont
ſich aufhielt. Inzwiſchen war Lord Stuart, der übrigens
als ein ganz ehrenhafter Charakter erſcheint, in Berlin
auf irgend eine Weiſe entfernt worden; auch hatte die
Barbarina ihren Contract mit 7000 Thaler Gehalt und
5 Monate Urlaub auf 3 Jahre erneuert; aber ſeit dem
Aufenthalt in Pyrmont war die Sonnenhöhe der Gunſt
überſchritten. Der König hatte öfter ſchon die Schulden
der Barbarina bezahlt. Im Jahre 1748 zeigte ihm der
Direécteur des spectacles an, daß die Barbarina ihre
Schulden nicht bezahlen wollte. Der König verfügte,
„muß dafür ſorgen, daß die Leute bezahlt werden oder
arretiren laſſen.“ Kircheiſen legte ihr darauf einen Po-
liziſten ins Quartier — bis ſie endlich ohne Vorbehalt
bezahlte und abreiſte. Sie kehrte aber bald zurück von
England, wo ſie nicht gefunden zu haben ſcheint, was
ſie ſuchte — und nun entſpann ſich in Berlin ein famoſes
Verhältniß mit dem Geheimrath Cocceji, dem Sohne des
Großkanzlers, der die Tänzerin durchaus heirathen wollte
und ſchließlich auch wirklich — trotz aller Einmiſchung
des Königs — heirathete. Der König, um nicht eifer-
ſüchtig zu erſcheinen, verfuhr milde gegen die Eheleute,
befahl aber alle Strenge walten zu laſſen gegen den
Prieſter, der ſie getraut, und ihn bei Waſſer und Brod
einzuſperreu. Dieſer Prieſter ließ ſich aber nicht finden
und Cocceji wurde nach Glogau verſetzt. Der König
benahm ſich gegen ihn und die Barbarina ſehr rückſichts-

voll, vielleicht auch in Folge eines Briefes, den letztere

an ihn ſchrieb und indem ſie ihm anzeigte, daß ſie alle
ihre Gelder in Preußen anlegen und den König nächſtens
mit einem neuen Unterthanen beſchenken werde. In
Glogau führte das Paar eine ſehr glückliche Ehe, Bar-
barina lebte makellos und genoß allgemeine Achtung.
Cocceji ſtarb bald als Ober-Amts⸗Regierungs⸗Präſident.
Barbarina verwendete 3 Güter und 100,000 Thlr. zur
Gründung eines adeligen Fräuleins-Stiftes in Brüſſau,
deſſen Aebtiſſin ſie wurde. Im Jahre 1789 zur Gräfin
Campanini erhoben, lebte ſie noch 10 Jahre und ſtarb
1799 in Barſchau, 75 Jahre alt. (N. 3.)

127⁷

Dr. Max v. Frankendorf, ein Hochſtapler
erſten Ranges.

In Lindau wurde Ende Januar von der ſtädtiſchen
Polizeibehörde ein Hochſtapler aufgegriffen und den Straf-
gerichten zur weiteren Behandlung übergeben. Der Ver-
haftete und inzwiſchen an das königl. Bezirksgericht
Kempten Abgelieferte nannte ſich Dr. Max v. Franken-
dorf aus Wien, praktiſcher Arzt. Hier trat er zudem
als ehemaliger Aſſiſtenzarzt der Univerſität Tübingen
auf. Seine Specialität iſt: 1) Benützung ſelbſtoerfertigter
Legitimationspapiere, Diplome u. dergl. von Deutſchen
Univerſitäten, ſo wie Empfehlungsſchreiben von Univer-
ſitätsprofeſſoren und von anderen hervorragenden Män-
nern, wobei die Namensunterſchriften äußerſt geſchickt
nachgemacht ſind; 2) unter Vorzeigung ſolcher und älterer
Sammelliſten die Profeſſoren der Mediein und die Aerzte
allenthalben anzugehen, ihn als plötzlich in Noth gerathenen
„Collegen“ ausgiebig zu unterſtützen, aber auch wirklich
Schwindeleien zu verüben; 3) wenn es ging, ſich in Fa-
milien einzuführen, raſch zu verloben und die Bräute
und deren Familien finanziell auszubeuten. Nach einiger
Zeit verſchwindet er dann ſpurlos, um den Schauplatz
ſeiner Thaten in eine entfernte Gegend zu verlegen. In
den Hotels hat er theils prompt bezahlt (ſo in Lindau),
theils auch die Hotelbeſitzer und deren Kellner geprellt.
Der angebliche, da und dort auch als „Freiherr“ auf-
getretene Frankendorf zeichnet ſehr gut und macht Unter-
ſchriften täuſchend nach. Zu den Univerſitäts⸗Legitima-
tionspapieren pflegte er ſowohl ächte Kopfbögen zu ver-
wenden, welche er, wie es ſcheint, nach erlangtem Zutritt
in den Kliniken und Spttälern ſich aneignete, aber auch
die Formularien ſich lithographiren zu laſſen. In ſeinem
Koffer wurde der ganze Apparat vorgefunden, den er in
Lindau (vorher in Baden und der Schweiz) zu ſeinen
Falſificaten gebraucht hatte: Kopfbögen der Klinik der
Univerſität Tübingen, theils zu fertigen Documenten von
ihm ſchon verwendet, theils noch unverwendet, ein Packet
von 200 großen Oblaten, eine Anzahl von geſchmackvoll
geſchnittenen Papierüberlagen auf die Oblaten, endlich
das ſtählerne Petſchaft, zwar nicht das der Univerſität
Tübingen, wohl aber ein anderes altes amtliches königlich
Württembergiſches Siegel, in der Mitte das Württem-
bergiſche Wappen, rings herum: „Verwaltung der könig-
lich Württembergiſchen Tabaksgefälle.“ Den Mitabdruck
des Wortes „Tabaksgefälle“ wußte er durch Zwiſchen-
legung eines eigens dafür präparirten Blechſtreifens zu
verhüten. So war es nahe gelegt zu leſen: „Verwaltung
der königlich Württemb. — Univerſität Tübingen.“ Viele
ſind auf den Leim gegangen.
Ferner fanden ſich in ſeinem Koffer theils Verzeich-
niſſe, theils unterſchriftlich vollzogene Gabenliſten vor
mit den Namen der Aerzte und der Profeſſoren der Me-
dicin, Stadt für Stadt, Univerſität für Univerſität, der
Preußiſchen Rheinprovinz, von Elſaß, Baden, Württem-
berg, der Schweiz u. ſ. w. mit großem Fleiß geſammelt.
Natürlich darunter eine lange Liſte von Coblenz! Hatte
der Hochſtapler, der ſtets anſtändig, höflich und beſcheiden
auftrat, behufs ſeiner erbetenen Unterſtützung erſt die
ächten Unterſchriften auf ſeinen Sammelliſten erlangt,
konnte er ſie um ſo leichter nachahmen und faͤlſchen. Ein
beſonderer Schmuck ſeines Koffers waren die Photographien
und Briefe der zahlreichen von ihm betrogenen (auch aus
Magdeburg) Beamten. Weiter gaben gegen 100 coupirte
Eiſenbahnbillets aller Deutſchen Bahnen im Koffer Zeug-
niß, daß er vorſichtiger Weiſe die Bahnzüge in früheren
Stationen ſchon verlaſſen, ehe die Billete ausgelaufen
waren, um dem langen Arm des Telegraphen zu ent-
gehen und Dunkel über ſich zu erhalten. Warum er ſie
 
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