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Heidelberger Familienblätter — 1876

DOI Kapitel:
No. 26 - No. 34 (1. April - 29. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43705#0144

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ein zweites Jena wünſcht und prophezeit und in dem-
ſelben Augenblick uns räth, wir ſollten den Militarismus
abſchaffen, und dann wahrſcheinlich wohl unſeren Feinden
in jener paradieſiſchen Ausrüſtung entgegentreten, die
lediglich beſteht in einem Feigenblatt etwa und
einer Frie denspfeife. Dr. Braun.
Mir ſind in meiner eigenen Thätigkeit als Gemeinde-
beamter Faͤlle vorgekommen, daß Perſonen, denen die
Ehe verweigert wurde, aus Verzweiflung, ſich nicht ver-
heirathen zu können, gerade abſichtlich in der einen Ge-
meinde uneheliche Kinder erzeugt haben, und nun wurden
ſie von der Gemeinde, da dieſe glaubte, die Sache ſchade
doch nichts mehr, zur Verheirathung zugelaſſen. Miquel.
Ich halte das Schuldenmachen, ſo zu ſagen,
für ein angebornes Menſchenrecht, und glaube
auch, daß jede Korporation, der nicht ausdrücklich dieſe
Befugniß entzogen iſt, befugt iſt, Schulden zu machen,
wenn ſich nur Jemand findet, der ihr etwas
borgen will. Wagener (Neu⸗Stettin).
Wir leben in einem Staate, wo die Polizei vorn,
hinten und in der Mitte iſt. Dr. v. Schweizer.
Etwas anders würde die heutige Frage (Petition
wegen Bewilligung von Geldmitteln zur Beobachtung der
Sonnenfinſterniß am 18. Auguſt 1868) für uns liegen,
wenn man die Sonne mittelſt Petroleum beobachten
koͤnnte. Graf v. Baſſewitz.
Auf ganz unbeſtimmte Zeit gerichtet iſt das Urlaubs-
geſuch des Herrn vor Münchhauſen. Er bittet in einem
Telegramm „bei faktiſcher Unmöglichkeit heute mitzutagen,
ferneres Ausbleiben mit unmittelbarer Nach-
wirkung Karlsbads zu entſchuldigen.“
Präſident Dr. Simſon.
Meine Herren! Ich habe den Antrag des Abg.
Dr. Reincke mit unterzeichnet, werde für ihn ſtimmen
und werde deſſen ungeachtet ſehr befriedigt ſein, wenn
der Reichstag ihn ablehnt. Schraps.
Ich wurde vorher aufmerkſam gemacht, daß es auch
zweckmäßig ſein würde, den Namen „Scheffel“ beizubehalten,
damit man nicht genöthigt ſei zu ſagen: Stelle dein Licht
nicht unter einen halben Hektoliter. Tweſten.
Meine Herren! Was den Antrag wegen der Veterinär-
ärzte betrifft, ſo bemerke ich, daß in der Kommiſſion An-
traͤge geſtellt werden, den Begriff der Aerzte zu ſpeziali-
ſiren. Es wurde der Zweifel laut, ob die Thierärzte
Aerzte ſeien und darauf der Ausdruck gebraucht, ſo gut
wie die Schweißhunde Hunde ſeien, ſo müſſen auch
die Thierärzte Aerzte ſein. Dr. Stephani.
(Schluß folgt.)

+Das Richard Wagner⸗Theater.
In den Tagen des Monats Auguſt l. J. wird die
erſte Aufführung des Richard Wagner'ſchen Bühnenfeſt-
ſpieles „Der Ring der Niebelungen“ ſtattfinden und es
dürfte von Intereſſe ſein, einiges über das Richard
Wagner⸗Theater zu erfahren. Der Grundſtein zu dem
betreffenden Bau ward im Mai 1872 gelegt. Schon
der Bau macht durch ſeine Größenverhältniſſe einen
mächtigen Eindruck. Die Fläche, welche daſſelbe einnimmt,
iſt eirca 5100 ◻Meter groß. Die Geſammtlänge deſſel-
ben beträgt 74 Meter, die größte Breite incluſive der
Magazine 70 Meter. Die Hauptbühne ſelbſt hat eine
Breite von 28 Meter, eine Länge von 24 Meter und
eine Verſenkungstiefe von 14 Meter; die Höhe der
Bühne vom Podium bis zum Schnürboden beträgt 29
Meter und vom Schnürboden bis zu den Dachſparren 7
Meter, mithin hat die Bühne eine Geſammthöhe von
46 Meter.

Nach der Vorderſeite verbindet ſich die Bühne mit
dem Auditorium durch eine 13 Meter weite, 12 Meter
hohe Proſceniumsöffnung. Der Zuſchauerraum iſt durch-
weg maſſiv erbaut, die in die oberen Räume führenden
Treppen ſind von Granit.
Logen und Gallerien weiſt der Zuſchauerraum nicht
auf. Die Zuhörer ſitzen in einem Auditorium, welches
in 80 Sitzreihen in einer Steigung von 4½ Meter
ſtaffelformig ſich erhebt und für 1350 Perſonen auf ſehr
bequemen Klappſeſſeln den nöthigen Raum bietet. Durch
12 große direkt ins Freie führende Thüren kann die
Räumung des Theaters in Kürze erfolgen, ſo daß in
einer Zeit von 8—10 Minuten das Theater vollſtändig
entleert ſein kann.
Unmittelbar an die Sitzplätze ſchließen ſich die Plätze
für die Fürſten an, welche zu den Aufführungen hierher
kommen. Dieſelben ſind in Rotundenform angebracht
und äußerſt reich und geſchmackvoll ausgeſtattet; oberhalb
dieſer Fürſtenlogen befinden ſich ebenfalls noch Sitzräume,
ſo daß im Ganzen 1600 Plätze disponibel ſind.
Das Originelſte an der ganzen Einrichtung iſt das
Orcheſter, welches für 145 Mann berechnet unter der
Bühne liegt und ebenfalls ſtaffelförmig abfällt. Der
Dirigent iſt ſo placirt, daß er die Bühne gut überſehen
kann, ſelbſt aber von den Zuſchauern nicht geſehen wird.
Zwei Treppen führen vom Orcheſter in die Tiefe und
zwei vermitteln den Verkehr mit der Bühne.
Der urſprüngliche Plan zum Theater rührt von dem
berühmten Baumeiſter Semper her; die Modification
deſſelben für die beſtehenden Verhältniſſe iſt vom Bau-
meiſter Brückwald in Leipzig.

Verſchiedenes.

— (Verbrannt.) Man ſchreibt aus Görz: Am 16.
d. M. hat ſich in Piuma, eine Viertelſt unde von hier
entfernt, im Schloſſe der verwittweten Baronin Teuffen-
bach ein ſchrecklicher Unglücksfall ereignet. In dem
Schloſſe wohnte der penſionirte Oberſtlieutenant Baron
Wiſthof mit ſeiner Gattin, einer Nichte Franz Deak's.
Dieſelbe wollte verfloſſenen Freitag um 11 Uhr Vor-
mittags ihrem Gemahl einen Thee bereiten und rieb bei
dieſer Gelegenheit ein Zündhölzchen an; daſſelbe wollte
jedoch nicht brennen, die Baronin warf es auf die Erde
und ergriff ein zweites. Plötzlich ſpürte ſte, daß ihr
Kleid durch das weggeworfene Streichhölzchen, welches
ſich mittlerweile doch entzündet hatte, Feuer gefangen
habe; willens, daſſelbe mit der Hand zu löſchen, warf.
ſie die Spirituslampe um, ſo daß ſich der Spiritus über
das Kleid ergoß, welches nun augenblicklich in hellen
Flammen ſtand. Die Unglückliche lief in den Garten,
um ins Nachbarhaus zu kommen, ſtürzte aber zuſammen;
ſie wurde endlich, von den Flammen furchtbar zugerichtet,
aufgefunden; nichts als die Schuhſohlen waren unverſehrt
geblieben, während die verkohlte Haut in Stücken vom
Leibe hing. Abends um 9 Uhr verſchied die Aermſte;
ſie war 46 Jahre alt geworden. ö

— (Wohin den Menſchen die Verzweiflung
bringen kann.) Ein junger Mann in Niagara, wel-
cher unglücklich liebte, ging hinaus an den grauſen-
erregenden Abgrund, zog ſeine Kleider aus, warf einen
langen Blick in die ſchäumende Tiefe und — ging dann
wieder nach Hauſe. Sein Körper ward den nächſten
Morgen in ſeinem Bette gefunden.

Druck und Verlag von Adolph Emmerling in Heidelberg.

Für die Redaction verantwortlich Ad. Emmerling.
 
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