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Heidelberger Familienblätter — 1876

DOI Kapitel:
No. 26 - No. 34 (1. April - 29. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43705#0143

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kunſtgewerblichen Sammlungen in Kaſſel, Weimar und
Deſſau. Aus Berlin, wo Geheimrath Lüders im Auf-
trage des Kaiſers die Vorbereitungen leitet und ein Ra-
vené thätig iſt, gelangt unter andern das große Bild
zur Siegesſäule, welches in Venedig in Moſaik ausge-
fäührt wurde, von Director von Werner zur Ausſtellung.
In Wien hat der Direktor der öſterreichiſchen Muſeen,
Ritter Eitelberger v. Edelsberg, ſich an die Spitze des
alle Deuiſche ehrenden Unternehmens geſtellt und Kaiſer
Franz Joſeph die Koſten für öſterreichiſche Ausſteller
großmüthig übernommen.
Die reiche Schatzkammer der k. Reſidenz in München
wird das Verborgenſte zur Anſicht herausgeben, und die
Fugger'ſchen Kunſiſchätze aus Augsburg nicht fehlen.
Was das Zuſammenſteuern von ganz Deutſchland
zu dieſem Einen Zwecke ſagen will, lehren einfache Auf-
zählungen. So gibt nicht wenig zu denken ein litho-
graphiſcher Stein aus dem Stifte Benediktbeuern von
Albrecht Dürer, womit der Abt ſeinen Kopfbogen an den
Kaiſer druckte. Dürfen wir ſagen, daß z. B. aus dem
Domſchatze von Limburg ein Rauchfaß eintrifft, auf 70
Tauſend Mark geſchätzt, aus Kaſſel ein Degen von Hans
Mülich im Werthe von 30,000 Thlrn. Da es ſich um
die Hervorbringung deutſchen Kunſtgeiſtes ſeit ſo vielen
Jahrhunderten handelt, kann man von Vielen ſagen:
„Es iſt ganz unſchätzbar, weil unvergleichlich.“ Der
Corvinusbecher aus Wien wird eintreffen; Württemberg
mit ſeinem Staatsſchatze, den königlichen und ſtädtiſchen
Sammlungen will unter dem Vorſitze ſeines vielbewährten
Geheimrath v. Steinbeis wahrlich nicht zurückbleiben und
der Herzog von Koburg-Gotha zum Gelingen dieſer nie
dageweſenen Ausſtellung Glänzendes beitragen. Welch'

ein Kunſttrieb im Volke und was in Bayern allein an

kunſtgewerblichen Reichthümern ſteckt, lehrt die ſo raſch
ermöglichte Gründung unſeres mit Kenſington vergleich-
baren Nationalmuſeums unter Frhrn. v. Aretin und
deſſen unſägliche Bereicherung, praktiſcher Anordnung un-
ter Director Hefner v. Alteneck, welcher zugleich urkund-
lich documentirt, wie viel in auswärtigen Muſeen von
deutſcher Hand iſt.
Auch die Reichslande betheiligen ſich mit hohen
Ehren, ſie, deren Kunſt und Alterthum eben Profeſſor
Kraus in Straßburg ſo kundig zu ſchildern im Begriff
iſt. Die berühmte Glasmalereianſtalt von Marſchall
(Maréchal) in Metz wird und darf offenbar nicht zurück-
bleiben, ſie kann ſich neben jeder ohne Ausnahme ſehen
laſſen. Alles kommt wieder in Bewegung, wie die Straß-
burger Münſteruhr, welche Meiſter Schwilge in Gang
gebracht hat, nachdem ſie, ein treues Sinnbild des alten
Reiches, ſo lange ſtille geſtanden.
In eigenen Salons kommt nach den Ideen des
Bildhauers Gedon und des Konſervators, Prof. Kuhn,
das Zuſammengehörige zur Anſchauung, um die kunſt-
fertige Stimmung in jedem Zeitalter zum Ausdruck zu
bringen.

Die ſtolze Waffenſammlung des Prinzen Karl von hat bereits das Schickſal gehabt, daß er von dem einen

Preußen wird ſich hier zeigen. Herrliche golddurchwirkte

Gobelins ſchmücken ehrfurchterweckend die Wände, Glas-
gemälde die Fenſter. Nicht nur die reichſten Altäre
werden den Hintergrund füllen, ſondern 42 Induſtrielle,
wie Ravene in Berlin und unſere Steinmetz, Pöſſenbacher
und Seidl haben ſich erboten, je ein ganzes Kabinet,
fürſtliche Gemächer und Wohnſtübchen heutiger Patrizier
vollſtändig einzurichten, ſo daß das Auge des Beſchauers
nicht durch Gegenſätzliches beleidigt wird. Nicht in
Garderobekäſten werden dieſe koſtbaren Kunſtreliquien
eingeſchachtelt, ſondern in reizender Gruppirung ſich dar-
ſtellen. Durch ein goldenes Portal tritt man in den
eigentlichen heiligen Raum; in Mitte deſſelben ſteht der

Tode vertagt würde.

135 —

Kleinodienſchrank, der nur das Koſtbarſte enthaͤlt und
13 Fuß lang, 10 Fuß breit und 15 Fuß hoch iſt, und
Nachts durch ſchwere eiſerne Schranken verſichert iſt.
Ein nie geſehenes Prachtwerk der Goldſchmiedekunſt iſt
der Reliquienkaſten mit der Hand der hl. Martha aus
Mytilene, womit, als 1463 die Inſel von den Türken
erobert wurde, Contarini nach Venedig flüchtete. Der

kunſtreiche Meiſter deſſelben iſt ein bisher unbekannter

deutſcher Goldſchmied von Köln unter dem fremden Na-
men Giovanni Leone, eigentlich Maiſtro Zuane Lion da
Cologne, und der ſonſt nirgends genannte Bildhauer
Maſtra Nicolo Tedesco hat das byzantiſche Poſtament
dazu geſchaffen. Es iſt der einzige Rücklaß von beiden
ehrwürdigen Künſtlern, ihre Namen wären ſonſt gar
nicht bekannt und wegen der außerordentlichen Wichtig-
keit für die Kunſtgeſchichte wollen wir nicht glauben, daß
der glückliche Käufer Baron Meier v. Rothſchild in
Frankfurt dieſe magnifiken Prachtſtücke definitiv vorent-
halten werde, denn das Werk ehrt nicht minder den Be-
ſitzer, als es den Meiſter lobt. ͤ

(Schluß folgt.)

Geſlügelte Worte aus dem Neichstag.

In A. Schindler's Verlag (Berlin) von einem
Anonymus herausgegeben, iſt eine Sammlung humoriſtiſcher,
dem Drang des Augenblicks entſprungener Ausſprüche
von Reichstagsabgeordneten ſeit der Eröffnung der Seſſion
des norddeutſchen Bundes im Jahre 1867 erſchienen.
Aus dieſem Jahre ſtammen u. A. folgende:
Meine Herren, die anweſenden Mitglieder ſind in
die Urne hineingeworfen.
Alterspräſ. v. Frankenberg-Ludwigsdorf.
Meine Herren, die öffentliche Meinung, die jetzt
das Parlament beherrſcht, von wem iſt ſie gemacht? Iſt
dieſe öffentliche Meinung — wenn ich ſo ſagen darf —
eine Parlamentstochter, oder iſt ſie nicht vielmehr
eine Regimentstochter?
Wagener (Neu⸗Stettin.)
Es iſt neulich das Bild hier gebraucht worden von
der Henne und dem Küchlein, das noch in der Eier-
ſchale hängt; ich muß bekennen, dieſer Liberalismus
kommt mir auch vor, wie eine Art von Küchlein, das
noch tief in der Eierſchale ſteckt, und dieſe Eierſchale
ſieht ganz genau aus wie eine Pickelhaube.

Günther.
Nun, meine Herren, wenn ich mich irre, dann habe
ich Unrecht. Kantak.

Ich habe das Vergnügen, mit meinem Herrn Kor-
referenten zu konſtatiren, daß wir die Motive dieſer An-
träge, obgleich wir ſie nicht kennen, doch billigen.
Dr. v. Schwarze.
Der Geſetzentwurf (betreffend vertragsmäßige Zinſen)

Faktor der Geſetzgebuug das eine Mal zu Tode ge-
ſchwiegen iſt, und das andere Mal zu Tode ge-
ſprochen wurde; ich möchte nicht, daß er heute zu
Dr. Lasker.
Mein Herren! Wenn jemals der Weg zur Hölle
mit guten Vorſätzen gepflaſtert geweſen iſt, ſo iſt es der
Weg des Bundestags geweſen. Dr. Löwe.
Aus den Seſſionen 1868, 1869 und 1870
ſtammen folgende Ausſprüche:
Ich bin gegen die Abendſitzung und will nur darauf
aufmerkſam machen, daß ſelbſt die Schulkinder bei der
Hitze Nachmittags kenie Sitzung haben. v. Henning.
Sollen wir denn etwa dem Manne folgen, der uns
 
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