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Heidelberger Familienblätter — 1876

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No. 79 - No. 86 (4. October - 28. October)
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baren Jugend, die in den damaligen Zeiten noch ſtreit⸗ in der Nähe des Communalpalaſtes. —. Das Amt, die

ſüchtiger war, als heutigen Tages.
In Mitten dieſer Jugend nahm ſich kein Mann
beſſer aus, als der Meiſter Perugino; denn er vor Allen,
der Stolz der Stadt, durfte nicht fehlen beim Feſte, zu
welchem er ja mit all ſeinen Geſellen ſo viel Schönes
beigetragen hatte. Und nun wußte der treffliche Künſt-
ler ſeinen Werken auch manches gar treffliche Wort hin-
zuzufügen. Meiſter Pietro Vanucci war weit gereiſt,

hatte alle Kunſtſtätten Italiens aufgeſucht, kannte alle

kleinen Fürſtenhöfe und alle großen Städte und erzählte
mit Begeiſterung von allen Künſten des Friedens, zu-
meiſt in Rom, Florenz und Venedig, daß es eine Freude
war, ihm zuzuhören; und ſelbſt die jungen Ritter im
Stillen meinten, es gäbe doch etwas Schöneres, als all
die Fehden und Städtekriege, als die ewigen Gefechte
zwiſchen Guelfen und Ghibellinen. ö
Da trat unangemeldet, aber mit beſcheidenem Gruße
der Meiſter Pinturicchio in den Saal. — „Ei, Meiſter
Bernardo“ — redete ihn Frau Atalanta freundlich an —
„ſeid Ihr ſo ſtolz geworden, daß Ihr meine Einladung
ausſchlaget und unſer faſt verſchmähet? Warum habt
Ihr nicht früher kommen wollen ?“
„Ja, Meiſter Bernardo, ich ſollte Euch ernſtlich
zürnen“ — ſetzte Frau Zenobia hinzu und kredenzte dem
Meiſter einen Becher Weines — „freiwillig wolltet Ihr
auf mein Wohlergehen keinen Becher leeren; nun muß
ich Euch dazu zwingen.“ Und leiſe den Rand des Bechers
mit den Lippen berührend, überreichte ſie denſelben dem
Maler. ö — ö
„Edle Frauen,“ entgegnete dieſer in feierlicher Stim-

mung, „das ſei ferne von mir, daß ich gegen den tiefen

Reſpect fehlen könne, den ich vor Euch und dieſem be-
rühmten Hauſe immer gehegt habe und immer hegen
werde. Vielmehr in Eurem Dienſte und zu Eurer Feier
blieb ich diesmal aus. Wir hatten noch mancherlei draußen
anzuordnen zur würdigen Verſchönerung Eures Ehren-
tages, Frau Zenobia; und nun ſenden mich die Bürger
von Perugia herauf zu Euch, daß ich Cuch alle ihre
Segenswünſche vermelde und Euch bitte, falls Euch das
gefällt, daß Ihr am Arm Eures Gemahls einen Gang

machen wollet durch Perugia, um Euch durch den Augen-

ſchein zu überzeugen, daß alle Gewerke Euren Ehrentag
frohen Herzens mit Euch begehen und Euch Heil und

Segen wünſchen, wie ich das hier unter Leerung dieſes

Bechers mit vollem Sinne thue.“
UVUnnd damit leerte er den Becher — er war nicht
klein — mit einem Zuge. ö

„Ei, Meiſter Pinturicchio“ — ſagte lachend Griffone

— „ich habe Euch immer als einen großen Maler ge-
kannt und geehrt; aber daß Ihr auch einen ſo gewaltigen
Zug thun könnt, das habe ich nie gewußt. Wirklich
konnten die Peruginer keinen beſſeren Kämpen herauf

ſcken, um auf das Wohl der Frau Zenobia zu trinken,
als Er elektriſchen Organ des Welſes, welches in der Ruhe

als Euch, und wir danken Euch herzklichſt.“

„Und wollen allſobald hinunter kommen und alle

Eure Herrlichkeiten mit Freuden anſehen“ — fügte Frau
Zenobia mit Güte hinzu; „und nun Cuer Wohl,
Meiſter Bernardo und das Wohl der guten Bürger von
Perugia.“ — Damit brachte ſie den Becher an die Lippen.
Freudig ſtimmten die andern Gäſte ein in das Wort
der edlen Frau und unter tiefen Verbeugungen entfernte
ſich der Sendbote der Bürger und Gewerke von Perugia,

Meiſter Bernardo Pinturicchio, um den vor dem Palaſt

Verſammelten die Leutſeligkeit der Frau Zenobia zu ver-
künden. ö
Wirklich machten ſich die Hochzeitsgäſte, das junge
Paar an der Spitze, auf zu dem Rundgang durch die
Stadt. Zuerſt beſuchten ſie die Feſteshalle der Barbiere

Zunft der Barbiere ſtand damals wichtig und hochbedeu-
tend. Es lieferte für die meiſten Krankheitsfährlichkeiten
die Aerzte, welche aus einem Gemiſch von Charlanterie
und empiriſchem Wiſſen beſtanden und beſonders reich

mit Salben, Specereien und zuſammengeſetzten Arznei-

mittel verſehen waren. So bildeten ſie in damaligen
Zeiten einen angeſehenen Stand, der ſich ſelbſt controlirte
und gewiſſenhaft ſeine Würde aufrecht zu erhalten wußte.
Mit wohlgeſetzter Rede empfing der Aelteſte der
Barbiere das junge Paar und überreichte an Frau Ze-
nobia im Namen des Gewerkes eine hübſch gearbeitete
ſilberne Büchſe mit duftender Eſſenz, wofür die Dame
mit zierlichen Worten dankte. Mit großer Freundlichkeit
beſah ſie ſodann die mit vielem überflüſſigen Schmuck
verſehene kleine Apothekerausſtellung, lobte die ganze Ein-
richtung und nippte zuletzt aus einem der beiden, dem

jungen Paare gebotenen Becher Weins, womit ſie auf

das Wohlergehen des ganzen Gewerkes trank. — Dann
wandelte ſie weiter, beſuchte die Feſtausſtellung der Seiden-
weber, welche ihr ein ſchönes Tuch überreichten, — der
Weinhändler, der Wollhändler und all der anderen Ge-

werke, welche Alle eine zierliche Gabe für die Dame

hatten. Oft freilich, wenn das Gewerk etwas derberer
Natur war und nur einfache Gegenſtände zu untergeord-
neten Zwecken zu liefern pflegte, wie z. B. gröberes
Küchengeſchirr, kam das dagebotene Hochzeitsgeſchenk etwas
in Conflikt mit der Zierlichkeit der Empfängerin, welche
dann wohl herzlich einſtimmte in das ſchallende Gelächter

der Begleitung und der Umſtehenden und immer etwas

könne.

Freundliches zum Danke zu ſagen hatte, ſo daß ſelbſt die
ſchlichteſten Geber mit ihren einfachſten Gaben nie in
Verlegenheit geſetzt wurden und Alle in Entzücken ge-
riethen über die anmuthige, mit Allen gleich freundliche
Gebieterin aus Siena, dem damligen Wohnſitze aller nur
denkbaren Frauenlieblichkeit. ö

(Fortſetzung folgt.)

Ueber die Urſachen des Schlafes.

(Vortrag von Profeſſor W. Preyer in Jena, gehalten zu Hamburg
am 18. September 1876 in der erſten allgemeinen Sitzung der
49. Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte.)

(Schluß aus Nr. 79.)

Das ſind alſo die Ermüdungsſtoffe der Muskeln,
etwas Aehnliches muß auch für die Nerven Ermüdung
gelten. Nur muß man peripheriſche und Central-⸗Organe
unterſcheiden. Ich habe noch nicht die Ueberzeugung ge-
winnen können, ob lebender Nerven⸗Inhalt ſauer reogiren
Dagegen iſt es bei gewiſſen Endorganen nach-
gewieſen worden, ſo z. B. von Dubois⸗Reymond bei dem

neutral, in der Thätigkeit ſauer reagirt. Es wäre nun
in hohem Grade wünſchenswerth, dieſe Verſuche auszu-

dehnen und namentlich bei trepanirten Thieren nur feſt-

zuſtellen, ob während des Schlafes die Reaction weniger
ſauer als in wachem Zuſtande iſt. Auch auf anderem
Wege hat man hier verſucht, eine Pſycho-Chemie zu grün-
den, indem man glaubte, daß die Phosphorſäure⸗Ausſchei-
dung zunehme; doch hat man hier kein ſicheres Reſuliat
erhalten. Im Grunde genommen iſt für eine Aenderung
des Chemismus nichts gewonnen, weil der Sauerſtoff

vom Gehirn verbraucht wird, aber das Blut ebenſo gut

wie im Schlafe venös iſt. Immerhin wird man nicht
die Wahrſcheinlichkeit leugnen können, daß auch bei der
geiſtigen Thätigkeit gewiſſe Produkte, Ermüdungsſtoffe,
 
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