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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Bernstein, Max: Von einem Panorama: Plauderei
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0145

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einem panoramä




des Herrn FranzJosephHotop in Dresden — die Rundmalerei, die jüngste
unter den Künsten, in den Reigen ihrer älteren Schwestern eintreten dürfen mit
dem rührenden Worte der Antigone: „Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da."
Nicht mehr dem Siege eines Feldherru über eineu andern, eines^ Volkes über

Line Unkerbrechung.
von F. wahle

cin anderes galt es; vielmehr deni Siege der gewaltigsten Jdee, welche die ganze
^llsenschheit jemals hervorgebracht hat, des edelsten Gefühles, dessen dcr einzelne
Mensch fähig ist. Ein Triumph der Meuschenliebe — das ist cs, was"
in der „Kreuzigung Christi", dem großen Opferfeste der Versöhnung, dem un-
sterblichen Beijpiel dcs selbstlosen, freiwillig crduldeten LeidenS fnr sremdes Glück,
dargestellt werden mnßte. Wcr sollte das malen? Tie Walst der llnternehmer
fießchüf"einen Münchmer Künstler, Bruno Piglhein. Daß er zeichnen und malen
könne, hatte er schon gezeigt: in jenen ungezählten Pastellbildern und Skizzen,
die seinen Namen weithin bekannt gemacht haben. Ob er aber das malen
könne? „Nein" sagte, wem die weiblichen Köpfe und Gestalten ins Gedächtnis
kamen, unter deren vieleu lobcnswerten Eigenschafteu die Unbescholtenheit nicht
zu finden war — die einen so guteu künstlerischen Ruf und denuoch einen so schlechten
Leumund hatten. „Vielleicht" sagte, wer an die „Centanren" und einige feine, vvrnehme
Porträts und Bilder dachte. „Wahrscheiulich" sagte, wer an deu „sterbenden Christus",
die „Madonna", das „ICoritur in Oeo" sich erinnerte.
Der Vorgang, den zu schildern jetzt seiue Aufgabe war, hat weit weg von den
Boulevards und Boudoirs, welche der Maler so gut kanute, stattgcfun'den, in eiuem fernen
Lande, in einer fernen Zeit. Die mußten nnu studiert werden; die Bibel, die Geschichte,
die Topographie, die Nekonstruktion des alten Jerusalem, die hierauf bezüglichen Arbeiteii,
unter welchen die Forschungen des Münchener Professors Max Vinzenz Sattler besonders
bedeutend sind . . . Und vor allem mußte er nicht nur lesen, sondern sehen, selbst sehen,
mit dem Auge des Malers, das bekanntlich besser, schärfer, anders und anderes sieht als
das der unmalerischen Adamssöhne. Das Geschaute technisch festzuhalten, technisch wieder-
zugeben, brauchte es Genossen, Mithelfende. llnd so zogen Herr Bruuo Piglhein mit .
setner Gemahlin und die Herren Frosch nud Krieger au einem Februartage des !
Jahres 1885 von München aus — ins heilige Land!
Das Schiff, welches sie von Triest nach Alexandria trug, lernte sie als Künstler
kennen, als Künstler ini Fache der Seekrankheit nämlich; und die Eisenbahn von Alexandria
nach Kairo als eine Gesellschaft munterer, den Schrecken des Meeres entronnener Reisendcr.
Auch auf der Fahrt von Kairo nach Jsmailia, von da nach Port Said war man sehr
vergnügt in Erwartung der Dinge, welche da kommen sollten. Was zunächst kommeu
sollte, kam allerdings nicht rechtzeitig — der Dampfer, welcher Port Said mit Jaffa
verbindet. Erst nach einigem fahrplanwidrigen Warten wurde die Bekanntschaft mit der
Das levantische Meer zeigte

See erneuert.
sich liebenswürdiger, als das adriatische
und das jonische gewesen war. Mit frischem
Mute setzte man sich in Jaffa in den
Wagen, dessen gesprächiger deutscher Kutscher,
aus der schwäbischen Templerkolonie, durch
seine Mundart die Einbildnng erwecken
konnte, als bewege man sich auf der Straße
zwischen Stuttgart und Kannstadt. Und
nötig ist der Mut für unsere Weltwanderer
— denn der Weg ist lang und schlecht
(Herr Professor Piglhein bezeichnet ihn
noch heute mit lakonischer Kürze und pla-
stischer Klarheit als „die miserabelste Straße
der Welt"), und die Federn des Wagens
werden durch einen Bindfaden sinnreich
aber nicht immer erfolgreich, zusammen-
gehalten. Dje Fahrenden erreichen Jerusalem
in der Dämmerung, mit ebenso großer Er-
müdung, doch weniger lautem Jubel als
einst die Mannen Gottfrieds von Bouillon.
Der erste Eindruck ist nicht günstig. Regen;
alles grau, verwaschen, schmutzig. „Trüb-
selig!" flüstert Herr Piglhein. „Traurig!"
murmelt Herr Krieger. „Trostlos!" ruft
Herr Frosch. Frau Piglhein schweigt und

Uivrllieren drs Vorbaues. von F. wahle
 
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