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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Ebe, Gustav: Historisches Porträt und Allegorie in der modernen Monument-Skulptur
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0236

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18o Nistonsches Porträt und Allegorie in dcr modernen Nonument-Sknlptur. von Gustav Lbe
wird sie, wenn sie tren ist, nnr eine etlvas gerade oder ausgestülpte Nase, eine so oder so gezogene Mundlinie,
mehr oder weniger vortretende Backenknochen und dergleichen zeigen. Und mit diesen Mitteln sollte es dem
Bildhauer möglich sein, das innere Wesen eines im Geistesleben der Nation cpochemachenden Mannes schlagend
und allgemein verständlich zum Ausdrncke zu bringen? Man muß dies entschieden bezweifeln. Diesem kraß-
realistischen Knltus des historischen Porträts gegenüber wäre das Gcgenteil, das Aufgeben der Persönlichkeit,
wie es in der Spätzeit der Antike oft dadurch znm Ausdrucke kam, daß man der Statue einfach durch die
Veränderung der Jnschrift eine andere Bedeutung verlieh, ziemlich ebenso gut.
Die erzählenden allegorischen Darstellnngen des Sockels sind deshalb dnrchaus notwendig, nm die an
ein modernes Denkmal cines großen Denkers oder Dichters zu stellenden Anfordernngen zu erfüllen. Bei der
räumlichen Beschränkung, die sich die Plastik bei einem Monumente aufzuerlegen hat, kann man obenein fordern,
daß das Bestreben des Künstlers darauf gerichtet sei, keinen Strich umsonst zu machen, nichts zu bilden, das
nicht dem Zweckc der volkstiimlichcn Charakteristik dient,
jede Konzession an blos formale Schönheit, an neben-
beigehende Vorstellnngen streng zn vermeiden. Kehren wir
znr Betrachtung der Lessing-Denkmal-Entwürfe znrück,
so ergibt sich an einigcn derselben der Versnch, diesen
Forderungen gerecht zn werdcn, aber das Richtige ist
doch nnr selten getroffcn. Es gibt ja z. B. eine
Anzahl Sockel, ans deren Gestaltung man, wenn sie
für sich betrachtet werden, gcwiß nicht erraten kann,
daß sie für ein Lessing-Dcnkmal bestimnit sind. So
ist der sonst sehr schöne Enke'sche Sockel von Grazien
oder Elfen umschwebt, und bringt damit die Natur-
poesie des für das Denkmal in Aussicht gcnommenen
Standorts im Berliner Tiergarten vortrefflich znm
Ansdruck, aber den Präzisen Bezng auf Lessing mnß
man durchaus vermissen; es könnte vielleicht eher ein
Wieland, der Sänger der Grazien, auf diesem Posta-
mente Platz finden. Die Siemering'sche Absicht, das
allegorische Element vom Sockel der Figur abzulösen
nnd an der architektonischen Einfassung des Monuments
anzubringen, ist nur zn billigen, wohl aber könnte
man gegen die Stilisierung des Reliefs Einwendungen
erheben. Der Meister, der doch früher, namentlich an
seinem Gräfe-Denkmal, einen so schönen Anlauf zur
Popularisierung der Sknlptur genommen hat, zeigt sich
uns diesmal mit einer merkwürdigen Bergriechung der
Jdeen. Dadurch werden die Siemering'schen Reliefs
nicht nur unharmonisch zu der im Zeitkostüm gegebenen
Hauptfigur, sondern sind auch ohne gelehrte Bildnng
geradezu unverständlich. Einm.al tötet Lessing, in
Prämiirrker KonknrrrnMtwnrfVrrlinrr rrssing-Drnkmal griechischer Heroenbildung, als neuer Herakles den
von L. hilgers lernäischen Drachen; das anderemal fleht derselbe
etwas zu einem Zeusbilde empor, dessen Jnhalt nur
die Jnschrift verrät. Aber es ist kaum glaublich, daß sich der deutsche Lessing unter dem „Vater",
den er nm den Trieb zur Erforschung der Wahrheit, nicht nm die Wahrheit selbst bittet, den griechischen Zeus
gedacht hat. Otto Lessing hat seiner ansgezeichneten Figur des Dichters doch wohl zu viel zugetraut, wenn
er sich ganz der allegorischen Erläuterungen enthält und am Sockel nur ein paar Zeitporträts anbringt, das
Nicolais, der eine solche Ehre nicht beanspruchen kann nnd Kleists, der zu Lessing doch nur in einem sehr
losen Bezuge steht.
Lessing wurde der Gesetzgeber für die deutsche Dichtkunst durch seinen Laokoon, zugleich der Schöpfer
der dramatischen Musterstücke nach seinen eigenen Regeln, und schließlich gab er durch freimütige, unabhängige,
allen Zwang und Pedanterie verschmähende Lebensführung das Musterbild eines dentschen Mannes, der
alles seinen Arbeiten verdanken will nnd gar nichts dem Ansehen des Amts und den Nachhülfen mächtiger
Beschützer. Lessings „Nathan" mit seiner milden Duldnngslehre, die sich in der symbolischen Geschichte der
drei Ringe aüsprägt, scheint nun einigen der Künstler, namentlich Eberlein und Geiger, als der geeignetste
Zug erschienen zu sein, um das Wesen des Denkers und Dichters in seiner Eigentümlichkeit volkstümlich
 
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